210/J XXII. GP
Eingelangt am:
19.03.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ANFRAGE
der Abgeordneten Haidlmayr, Brosz, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft & Kultur
betreffend Diskriminierung von Menschen mit Behinderung
Seit Herbst 2002 studiert eine 22-jährige gehörlose Frau an
der pädagogischen
Akademie in Linz. Ihr Berufswunsch: Sonderschulpädagogin für gehörlose Kinder.
2003 ist das Jahr der Menschen mit Behinderungen. Frau A.
wird nach wie vor
gehindert - in ihrem Berufswunsch, Lehrerin an einer Sonderschule für gehörlose
Kinder zu werden.
Maturiert hat Frau A. an einem Gymnasium. Ihre
Lehrveranstaltungen an der
pädagogischen Akademie besucht sie zum Teil mit Unterstützung eines
Gebärdendolmetschers. Ihre Leistungen, so sagt der Direktor der Akademie, seien
sehr gut (Notendurchschnitt von 1,3). Frau A. darf aber nur als
außerordentliche
Studentin an den Lehrveranstaltungen teilnehmen.
Lt. Gesetzt sei Frau A. jedoch körperlich nicht für den
Lehrberuf geeignet. So heißt
es etwa, dass Lehrerinnen und Lehrer in Volks- und Hauptschulen in der Lage
sein
müssten, im Notfall alle Fächer zu unterrichten. Das sei bei der Frau A. nicht
möglich, etwa beim Singen im Musikunterricht.
Dieser Umstand hat weit reichende Konsequenzen für Frau A.
Sie darf aufgrund ihrer Behinderung nur außerordentliche Studentin sein und hat
keinen Anspruch auf ein Stipendium. Frau A. darf aufgrund der Gesetzeslage kein
Diplomzeugnis erhalten und hat dadurch auch nie die Chance auf eine Anstellung.
Das Bundessozialamt stellt dadurch nur für einen Teil der
Vorlesungen eine
Gebärdensprachdolmetscherin bzw. einen Gebärdensprachdolmetscher.
"Glücksfair für
gehörlose Kinder
Frau A. ist, wenn sie in einer Schule für gehörlose Kinder
unterrichten könnte, ein
Glücksfall für die gehörlosen Schülerinnen, denn Frau A. könnte die gehörlosen
Kinder in ihrer gemeinsamen Sprache, in ihrer 'Kultur' erreichen. Die Kinder
würden
aufleben, wenn eine Lehrerin in ihre Klasse kommt, endlich jemand kommt, der
sie
wirklich versteht.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen
daher folgende
ANFRAGE:
1. Im Regierungsprogramm 2003 - 2006 ist
auf Seite 17 unter dem Titel:
Behinderte Menschen unter anderem festgeschrieben:
- Durchforstung der Berufsausbildungs-,
Ausübungs- und Zugangs-
gesetze auf Diskriminierung behinderter Menschen
Sind Sie bereit, alle in Ihr Ressort fallenden Gesetze
dahingehend zu
durchforsten?
Wenn ja:
1a) Wer wird konkret diese Durchforstung durchführen?
1b) Wann wird konkret mit dieser Durchforstung begonnen?
1c) Bis wann wird die Durchforstung abgeschlossen sein?
1d) Wird das Ergebnis der Durchforstung den Abgeordneten des
Parlaments
in schriftlicher Form
zugänglich sein?
Wenn nein: Warum nicht?
2. Sind Sie bereit, alle Gesetze, die sich
aufgrund dieser Durchforstung als
diskriminierend für Menschen mit Behinderung darstellen, dahingehend zu
ändern, damit diese Diskriminierungen beseitigt werden?
Wenn nein: Warum nicht?
3. Was werden
Sie konkret bis wann tun, damit Frau A. ihre Ausbildung an der
pädagogischen Akademie des Bundes in Linz als ordentliche Studentin jetzt
schon durchführen kann?
4. Sind Sie auch der Meinung, dass es für
gehörlose Kinder ein Glücksfall ist, in
ihrer Schule auch in ihrer Sprache, nämlich der Gebärdensprache unterrichtet
zu werden und der Unterrichtsstoff deshalb auch von einer gehörlosen
Lehrerin vermittelt wird ?
Wenn ja: Warum kann dann Frau A. nur als außerordentliche
Studentin die
pädagogischen Akademie besuchen, hat daher kein Recht auf Stipendium
und keine Chance auf Ausübung ihres Berufes?
Wenn nein: Wie lautet Ihre Begründung?