2157/J XXII. GP
Eingelangt am 22.09.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ANFRAGE
der Abgeordneten Mag. Gisela Wurm, Dr. Jarolim
und GenossInnen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend eine dringend erforderliche Weiterentwicklung der Kriminaljustizstatistik
Eine erfolgreiche Kriminalpolitik und Strafrechtspolitik
liegt sehr im Interesse der
BürgerInnen, da eine solche mit dazu beitragen kann, die Sicherheit in unserem
Land zu
erhöhen und die Kriminalitätsraten zu senken. Eine vorausschauende erfolgreiche
Kriminalpolitik
ist aber nur dann möglich, wenn sie sich auf gesicherten wissenschaftlichen
und sachlichen Grundlagen bewegt. Auf Basis dieser Grundlagen und der
gesellschaftlichen
Entwicklungen
soll in einem Dialog zwischen Wissenschaft, Fachleuten, Politik und
Bevölkerung die Kriminalpolitik entwickelt werden, welche bestmöglich bereits
dem
Entstehen von Kriminalität entgegenwirkt bzw. wirksam vor Kriminalität schützt.
Die Ressourcen im Bereich der Justiz und für die
Kriminalitätsbekämpfung im allgemeinen
sind derzeit eindeutig zu gering und sollten erhöht werden. Aber auch bei einer
entsprechenden Erhöhung dieser Mittel sollte ein vernünftiges
Ressourcenmanagement
erfolgen
und deshalb scheint es von Bedeutung, ausreichend geeignetes Datenmaterial bei
der
Entwicklung einer erfolgreichen Kriminalpolitik zur Verfügung zu haben, um
einen möglichst
effektiven
und effizienten Einsatz von Mitteln zu gewährleisten. Es muss aber mit Sorge
festgestellt werden, dass die gegenwärtig verfügbare Kriminaljustizstatistik
den genannten
Anforderungen
nicht entspricht und eine Reform der Kriminaljustizstatistik in hohem Ausmaß
erforderlich
scheint. Es gibt im Bereich der Kriminaljustizstatistik erhebliche
datenorganisatorische Defizite, einen Datenwildwuchs von verschiedenen Stellen
im Bereich
des
Bundesministeriums für Justiz bzw. des Bundesministeriums für Inneres, wobei
die Daten
nicht
aufeinander abgestimmt sind und nicht konzeptionell koordiniert werden können.
Folgende Problemfelder seien hier beispielhaft aufgezählt:
• Die bisherige „Rückfallstatistik" der Statistik Austria ist vor einiger Zeit überhaupt
eingestellt worden.
• Selbst bei einer Wiedereinführung einer hoffentlich verbesserten Rückfallstatistik bliebe
das Problem, dass mit der (durchaus zu begrüßenden)
Einführung der Diversion die
Notwendigkeit
besteht, das statistische Material auch in dieser Hinsicht zu adaptieren.
Es
müsste demnach die „Diversionsstatistik" und die „gerichtliche
Kriminalstatistik"
zu einer „Statistik justizieller Erledigungen" zusammengeführt werden.
• Die Strafverfolgung als Prozess, der sich über verschiedene Verfahrensstadien
hinwegzieht, ist derzeit kaum erfasst (polizeiliche
Verfolgung, gerichtliche
Verfolgung,
staatsanwaltliche Untersuchung, gerichtliche Verhandlung, Verurteilung,
Strafverbüßung,
allfällige Wiederverurteilung, Tilgung).
• Um die tatsächliche Brauchbarkeit statistischer Daten zu erhöhen, wäre im Rahmen
einer neuen
gerichtlichen Kriminalstatistik eine regionale Differenzierung auch
unterhalb des OLG-Sprengels (wenn möglich nach Bezirksgerichten gegliedert)
sinnvoll.
• Die Vorgaben des Datenschutzes sollten selbstverständlich eingehalten werden, aber
unter der Einhaltung
dieser Voraussetzungen soll eine Rückfallstatistik möglichst
weitgehend
(zumindest von der justiziellen Entscheidung bis zur allfälligen neuen
Straftat)
erfolgen.
• Um einen guten Überblick über alle Verfahrensstadien zu haben, wäre auch eine
Neugestaltung der Strafvollzugsstatistik von hohem Interesse.
• Um die kriminalpräventive Wirkung des strafrechtlichen Mitteleinsatzes bestmöglich
evaluieren zu können, sollen die Instrumente
justiziellen Handelns besser
dokumentiert
werden, insbesondere die Relation von Ressourceneinsatz, Kosten und
Erfolg
empirisch analysiert werden.
• Ohne Beeinträchtigung der Unabhängigkeit der Justiz sollte es möglich sein, nicht nur
den einzelnen Akteur der Justiz sondern ganze
Gerichtseinheiten oder größere
Gerichtssprengel
statistisch im Hinblick auf Kontrolle von Resultaten zu erfassen.
• Beim jährlich dem
Nationalrat zu erstattenden Sicherheitsbericht der Bundesregierung,
welcher dadurch gekennzeichnet ist. dass der Polizeiteil und der Justizteil
nicht
integriert und aufeinander abgestimmt sind, soll künftig eine derartige
Integration
herbeigeführt
werden.
Ein Ziel der Neustrukturierung der
Kriminaljustizstatistik wäre demnach, die
Diversionsstatistik, die gerichtliche Kriminalstatistik und die
Rückfallstatistik
zusammenzuführen,
wobei bereits vorher die Qualität der verschiedenen Datensammlungen
überprüft werden sollte.
Wie bereits eingangs dargelegt, wäre die
Weiterentwicklung der Kriminaljustizstatistik
keineswegs nur von wissenschaftlichem Interesse, sondern könnte eine Grundlage
für eine
erfolgreiche
Kriminal- und Strafrechtspolitik sein. Die unterzeichneten Abgeordneten stellen
daher
an die Bundesministerin für Justiz nachfolgende
Anfrage:
1. Sehen Sie im Bereich Ihrer Zuständigkeit den Bedarf für eine Weiterentwicklung der
Kriminaljustizstatistik?
2. Wenn ja: Welche konkreten Schritte in diese Richtung haben Sie seit Ihrem Amtsantritt
gesetzt bzw. welche Schritte haben Sie vor, in nächster Zukunft zu setzen?
3.
Sehen Sie die Notwendigkeit einer erneuerten
Rückfallstatistik?
4.
Wenn ja: In welcher Hinsicht können Sie sich eine
verbesserte Rückfallstatistik
vorstellen?
5. Welche Veränderungsnotwendigkeiten sehen Sie im Hinblick auf die
Kriminaljustizstatistik im Zusammenhang mit der Diversion?
6. Wie beurteilen Sie die Forderung einer Zusammenführung von Diversionsstatistik und
gerichtlicher Kriminalstatistik zu einer „Statistik justizieller Erledigungen"?
7. Wie sehen Sie im Zusammenhang mit der Einführung einer neuen gerichtlichen
Kriminalstatistik die Notwendigkeit einer regionalen
Differenzierung auch unterhalb
des OLG-Sprengels?
8. Teilen Sie die Auffassung, dass zur Erreichung eines Gesamtüberblickes bei der
Erhebung statistischer Daten die Strafverfolgung als
Prozess gesehen werden soll, der
sich
über verschiedene Verfahrensstadien hinwegzieht?
9. Teilen Sie die Auffassung, dass die
Instrumente justiziellen Handelns besser
dokumentiert werden sollten, insbesondere
die Relation von Ressourceneinsatz,
Kosten und Erfolg empirisch
analysiert werden sollten, um die kriminalpräventive
Wirkung des strafrechtlichen
Mitteleinsatzes bestmöglich zu evaluieren?
10.
Wie sehen Sie die Forderung, dass künftig verstärkt nicht
nur der einzelne Akteur der
Justiz,
sondern ganze Gerichtseinheiten oder größere Gerichtssprengel statistisch im
Hinblick auf Kontrolle von Resultaten erfasst werden sollten, wobei bei dieser
Gesamtbetrachtung selbstverständlich die Unabhängigkeit der Justiz nicht
beeinträchtigt werden soll?
11.
Teilen Sie die Auffassung, dass der derzeit jährlich dem
Nationalrat zu erstattende
Sicherheitsbericht
der Bundesregierung insofern nicht optimal ist, als der Polizeiteil
und
der Justizteil nicht integriert und aufeinander abgestimmt sind?
12.
Wenn Sie Frage 11 mit Ja beantworten: Haben Sie vor,
diesbezüglich in Gespräche
mit
dem Bundesminister für Inneres einzutreten?
13.
Teilen Sie die Auffassung, dass eine Weiterentwicklung
der Kriminaljustizstatistik im
in
der Einleitung dargelegten Sinn zu einer verbesserten Kriminalitätsbekämpfung
beitragen kann?