2241/J XXII. GP

Eingelangt am 29.10.2004
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Maga. Melitta Trunk, Rudolf Parnigoni und GenossInnen
an den Bundesminister für Inneres

betreffend Rechtsgrundlage zur Verhinderung von Veranstaltungen nationalsozialistischer
bzw. neonazistischer Organisationen am Beispiel des AFP-Treffens in Feldkirchen/Kärnten

In Kärnten hat in der Gemeinde Feldkirchen im Hotel German vom 15. bis 17. Oktober 2004 die „39. politische Akademie“ der rechtsextremen „Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik“ (AFP) stattgefunden. Bereits im Vorfeld dieses Treffens war öffentlich bekannt, dass es sich hier um ein Treffen von zahlreichen einschlägig bekannten Personen aus dem neonazistischem Umfeld handelt.

      Einzelne geladene Personen hatten bereits einschlägige Verurteilungen nach dem Verbotsgesetz vorzuweisen (etwa der 80-jährige Steirer Herbert S, der das Handbuch „Deutschlands neue Idee“ präsentierte und der bereits 1990 von einem Grazer Geschworenengericht wegen NS-Wiederbetätigung verurteilt wurde. Er war laut APA vor 1945 ein SS-Untersturmführer der Division „Leibstandarte Adolf Hitler“).

      Einzelne geladene Personen waren schon im Vorfeld als führende Mitglieder von Organisationen bekannt, die bereits wegen Wiederbetätigung aufgelöst werden mussten (etwa der Holocaust-Leugner Gerhoch R, der bereits in der mittlerweile aufgelösten neonazistischen Gruppe „Die Nationalen“ aktiv war).

      Darüber hinaus waren einzelne geladene Personen bzw. die von ihnen vertretenen Organisationen bereits seit langem dafür bekannt, ihren Worten auch Taten folgen lassen zu wollen, wie die APA bereits im Vorfeld der Veranstaltung berichtete:

„So soll dem Archiv zufolge der Vorsitzende des neonazistischen Märkischen
Heimatschutzes (MHS) einen Vortrag über die "politische Jugendarbeit in
Mitteldeutschland" halten. Mitteldeutschland ist das unter Rechtsextremisten übliche
Synonym für die Gebiet der ehemaligen DDR, während Ostdeutschland für sie Teile Polens
umfasst. Der MHS ist ein Zusammenschluss mehrerer so genannter freier Kameradschaften.
Bei mehreren Hausdurchsuchungen bei MHS-(Vorstands-)Mitgliedern konnten die
deutschen Behörden 2002 laut DÖW Waffen und Anleitungen zum Bombenbau
beschlagnahmen. Daneben seien Umsturzpläne gefunden worden, in welchen das "Töten als
Ehrensache" bezeichnet wird, so das Archiv auf seiner Homepage. Der Vorsitzende selbst
sei "bereits im Zentrum polizeilicher Ermittlungen (Verdacht auf Bildung einer kriminellen
Vereinigung, der versuchten Nötigung und gefährlichen Körperverletzung)" gestanden. In
der von ihm mitverantworteten "Mitteldeutschen Jugendzeitung" habe sich die Behauptung
eines "lange geplanten Völkermordes an Deutschland [...] mittels Totaldurchrassung"
gefunden. " [APA 140 vom 29. September 2004 - 10:17 Uhr]


Die Medien haben im Vorfeld der Veranstaltung erfreulicherweise rasch reagiert und umfassend auf
dieses problematische Treffen von einschlägigen Personen der Neonazi-Szene hingewiesen, bereits
ab Ende September - also spätestens drei Wochen vor der Veranstaltung - war bekannt, was sich
hier abspielen wird.

Die zuständigen Behörden haben sich jedoch im Vorfeld - trotz starker medialer Nachfrage -
machtlos gegenüber dem Treffen gezeigt:

    Die für die Vollziehung des Versammlungsgesetzes zuständige Bezirkshauptmannschaft
stellte laut APA fest, dass die „AFP-Akademie“ keine öffentliche Veranstaltung ist und
daher nicht dem Versammlungsgesetz unterliegt.

„Die Bezirkshauptmannschaft hat keine rechtliche Handhabung, das am (morgigen) Freitag
in Feldkirchen beginnende Treffen der vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen
Widerstandes als rechtsextrem eingestuften Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik
(AFP) zu untersagen. "Uns sind vom Gesetz her die Hände gebunden", erklärte
Bezirkshauptmann Dietmar Stückler am Donnerstag auf Anfrage. "Wir würden das Treffen
sofort verbieten, wenn wir es könnten, denn es ist sicher kein gutes Image für die Stadt." Ein
Verbot haben die Kärntner Grünen gefordert. Stückler verweist darauf, dass gemäß Par. 2
des Versammlungsgesetzes eine Anmeldung des AFP-Treffens "nicht einmal erforderlich"
sei, weil es sich dabei um eine "geschlossene Veranstaltung von geladenen Gästen" handle.
"Wir dürfen daher nicht einmal überwachen ", fügte er hinzu." [APA 522 vom 14. Oktober
2004 -14:52 Uhr]

     Gleichzeitig sahen aber auch die zuständigen Sicherheitsbehörden - insbesondere das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung bzw. das laut APA zugehörige Kärntner Landesamt — keine Möglichkeit, das Treffen zu verbieten — obwohl bereits im Vorfeld klar war, dass es bei diesem Treffen zu Wiederbetätigung im Sinne des Verbotsgesetzes 1947 (also zu strafbaren Handlungen) kommen wird:

„Auch vom Strafgesetz her hat die Behörde keine Möglichkeit. "Laut
Bundesverfassungsschutz sind keine strafrechtlich relevanten Verfehlungen, etwa nach dem
Verbotsgesetz, zu erwarten", dazu Stückler. Dass keine Gefährdungsprognosen gegeben
seien, bestätigte auch der Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz und
Terrorismusbekämpfung, Helmut Mayer. "In 38 Jahren ist bei diesem Treffen nie etwas
passiert", betonte er. "Bisher war nicht einmal an die Öffentlichkeit gelangt, dass es diese
Veranstaltung überhaupt gibt." Heuer sei erstmals darüber im Internet zu lesen gewesen.
"Selbstverständlich werden wir vor Ort sein und uns genau ansehen, wer kommt", fügte
Mayer hinzu. " [APA 522 vom 14. Oktober 2004 -14:52 Uhr]

Die im Zuge des Treffens verbreiteten Inhalte kamen - trotz eines eigens engagierten
„Saalschutzes“ - an die Öffentlichkeit. Unter anderem wurden folgende Aussagen getätigt:

„Der Feind ist und bleibt der Jude“... „Der ewige Jude gehört ausgemerzt“ [APA 146 vom
16. Oktober 2004 -12:37 Uhr]

Ein anderer schlug vor, „ die Politiker aller Parteien mit dem nassen Fetzen davonzujagen „,
sein Gesprächspartner regte deutlich drastischere Maßnahmen für die „von Juden
bestochenen Schmarotzer im Parlament“ an. [APA 149 vom 16. Oktober 2004 -12:39 Uhr


Diese und viele weitere Aussagen, die der APA entnommen werden können und hier nicht näher
ausgeführt werden müssen, sind aus Sicht der unterzeichneten Abgeordneten mehr als
problematisch: Entweder reichen unsere Gesetze nicht aus, um solche Veranstaltungen zu verbieten
oder die Gesetze werden nicht in ausreichendem Maß exekutiert.

Insbesondere sei hier auf folgende Gesetzesbestimmungen hingewiesen:

§ 6 Versammlungsgesetz: „ Versammlungen, deren Zweck den Strafgesetzen zuwiderläuft
oder deren Abhaltung die öffentliche Sicherheit oder das öffentliche Wohl gefährdet, sind
von der Behörde zu untersagen.“

Die §§ 3 ff. (insbesondere § 3d und § 3h) Verbotsgesetz:

§ 3d Verbotsgesetz: Wer öffentlich oder vor mehreren Leuten, in Druckwerken, verbreiteten
Schriften oder bildlichen Darstellungen zu einer der nach § 1 oder § 3 verbotenen
Handlungen auffordert, aneifert oder zu verleiten sucht, insbesondere zu diesem Zweck die
Ziele der NSDAP, ihre Einrichtungen oder Maßnahmen verherrlicht oder anpreist, wird,
sofern sich darin nicht ein schwerer verpöntes Verbrechen darstellt, mit Freiheitsstrafe von
fünf bis zu zehn Jahren, bei besonderer Gefährlichkeit des Täters oder der Betätigung bis zu
zwanzig Jahren, bestraft.

§ 3h Verbotsgesetz: Nach § 3g wird auch bestraft, wer in einem Druckwerk, im Rundfunk
oder in einem anderen Medium oder wer sonst öffentlich auf eine Weise, daß es vielen
Menschen zugänglich wird, den nationalsozialistischen Völkermord oder andere
nationalsozialistische Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost,
gutheißt oder zu rechtfertigen sucht.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende

Anfrage

1.                                     Welche behördlichen bzw. polizeilichen Ermittlungen wurden seitens der zuständigen
Sicherheitsbehörden     bzw.     seitens     des     Amtes     für     Verfassungsschutz     und
Terrorismusbekämpfung   VOR   und   NACH   der   „39.   politischen   Akademie“   der
rechtsextremen „Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik“ (AFP) in Feldkirchen
(Kärnten) durchgeführt und zu welchem Ergebnis führten diese Ermittlungen? (bitte um
detaillierte Angabe)

2.                                     Sind die derzeitigen österreichischen Gesetze gegen Wiederbetätigung ausreichend um
solche (auch nichtöffentliche) Veranstaltungen zu verbieten und zu verhindern oder sind die
derzeitigen Gesetze gegen Wiederbetätigung im Hinblick auf diesen Anlassfall ungenügend?


3.                  Falls die Gesetze aus Sicht des BMI nicht ausreichend sind: Welche Gesetzesänderungen
schlagen Sie in diesem Zusammenhang vor und in welchem Zeitraum werden Sie dem
Nationalrat eine entsprechende Regierungsvorlage des BMI übermitteln?

4.                  Falls die Gesetze aus Sicht des BMI ausreichend sind: Warum konnten sie nicht wirksam
angewendet werden?

5.                  Warum konnte insbesondere nicht § 6 Versammlungsgesetz angewendet werden? Wie sieht
in diesem Zusammenhang die gültige Judikatur zur Anwendung dieser Bestimmung aus?

6.                  Warum konnten auch nicht die §§ 3 ff. (insbesondere § 3d und 3h) Verbotsgesetz
angewendet werden, um dieses Treffen bereits im Vorfeld wegen Verdachts auf strafbare
Handlungen zu verhindern? Wie sieht in diesem Zusammenhang die gültige Judikatur zur
Anwendung dieser Bestimmungen aus?