2312/J XXII. GP

Eingelangt am 11.11.2004
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Anfrage

der Abgeordneten Renate Csörgits

und GenossInnen

an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten

betreffend die Situation der Menschenrechte in der Türkei

Der Fernsehsender n-tv beleuchtete am 26.10.2004 in der Sendung Auslandsreport die
Situation der Menschenrechte in der Türkei. So wurde beispielsweise an Hand von
Bildmaterial über eine Demonstration am 1. September 2004 in Istanbul berichtet, bei der
friedliche Demonstranten von der Polizei verprügelt wurden. Im Zusammenhang mit der
Frage, ob es in der Türkei nach wie vor Folterungen gebe, wurde über den Fall Elisabeth
Brunner berichtet, einer seit vier Jahren in der Türkei lebenden Österreicherin, die im Rahmen
einer gewerkschaftlichen Organisation tätig ist, die sich für eine Verbesserung der
Arbeitsbedingungen einsetzt. Elisabeth Brunner wurde, dem Bericht von n-tv zufolge, am 8.
April 2004 von Sicherheitskräften entführt, in einem Auto mit einer Pistole bedroht, gefoltert
und auch sexuell missbraucht. Im Bericht waren Aufnahmen von den Verletzungen, die Frau
Brunner zufügt wurden, sichtbar.

Der Bericht zitierte die türkische Stiftung für Menschenrechte, die sich auf die Behandlung
von Folteropfern spezialisiert hat, mit den Worten: die Form der Folter habe sich verändert,
die Systematik aber nicht. In einem Interview mit n-tv meinte Sükran Irencin, von der
türkischen Stiftung für Menschenrechte: „Immer noch werden die meisten der Opfer auf
Polizeistationen gefoltert. Unsere Regierung sagt zwar es gebe keine Toleranz gegenüber
Folterern, aber anscheinend wird nicht einmal die eigene Polizei kontrolliert. Dieses Jahr
kamen sehr viele Menschen zu uns, die man auf offener Straße aufgegriffen hatte. Die Leute
werden nicht festgenommen, sondern in ein Auto gezwungen, dort foltert man sie, ohne sie
auf die Polizeistation zu bringen, damit der Betroffene keine Beweise gegen die Polizei hat.
Zum Schluss setzt man die Opfer mit verbundenen Augen an einer abgelegenen Stelle wieder
ab".

Anfrage:

1.      Gibt es von Seiten der österreichischen Botschaft in Ankara Berichte über
Menschenrechtsverletzungen und Folterungen in der Türkei?


2.             Wird in den Berichten der österreichischen Botschaft in Ankara im Zuge der
Einschätzung der politischen Situation auch die Situation der Menschenrechte
regelmäßig beleuchtet?

3.                           Wenn nein, warum nicht?

4.             Gehen Sie davon aus, dass es in der Türkei nach wie vor Fälle von Folterungen gibt?

5.                           War Ihnen bzw. der österreichischen Botschaft in Ankara oder dem österreichischen
Generalkonsulat in Istanbul der Fall von Elisabeth Brunner bekannt?

6.                           Wenn ja, welche Schritte wurden unternommen?

7.                           Gab oder gibt es weitere vergleichbare Fälle, mit denen die österreichische Botschaft
befasst war?

8.                           Wie viele Beschwerden gab es im heurigen Jahr bei einschlägigen
Menschenrechtsorganisationen in Bezug auf Folter?

9.                           Liegen Ihnen Hinweise darauf vor, dass die Beschwerdezahl bezüglich Folter außerhalb
formeller Hafteinrichtungen gegenüber 2003 beträchtlich zugenommen hat?

10.                    Gab es von der österreichischen Botschaft in Ankara einen Bericht über die
Demonstration am 1. September 2004 in Istanbul, bei der offenkundig friedliche
Demonstranten von der Polizei verprügelt wurden? Wenn nein, warum nicht?

11.                    Die Europäische Kommission kommt in Ihrem Türkei-Bericht zur Schlussfolgerung,
dass die Türkei die politischen Kriterien für eine Aufnahme in die EU „in
ausreichendem Maß" erfüllt. Teilen Sie diese Auffassung? Falls ja, wie ist die
Formulierung „in ausreichendem Maß" zu verstehen?