2586/J XXII. GP
Eingelangt am 26.01.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Hannes Jarolim, Erwin
Niederwieser, Josef Broukal, Genossinnen
und Genossen
an den Bundeskanzler der Republik Österreich
betreffend den
ORF-Stiftungsrat Albert Fortell
Das Verhalten des von
der Regierung entsandten ORF-Stiftungsrates Albert Fortell
hat
schon vor einigen Wochen im Zusammenhang mit seinen Arbeitslosengeld- und
Notstandshilfebezügen viel Aufsehen erregt. Nun mehren sich in ORF-Kreisen
sowie
in
der juristischen Fachwelt die Stimmen, die Albert Fortell generell eine
Unvereinbarkeit
seiner Tätigkeit als Stiftungsrat mit seinen Privatinteressen
attestieren.
Als Stiftungsrat kann er im Rahmen der Programmgestaltung über
Produktion,
Umfang und Sendezeit auch seiner eigenen Serien zumindest indirekt
mitbestimmen.
Darüber hinaus befindet er sich in einem regelmäßigen
Anstellungsverhältnis
zur SATEL Fernseh- und Filmproduktionsgesellschaft m.b.H.,
die,
wenn auch nicht in direktem Abhängigkeitsverhältnis zum ORF, so doch nach
einhelliger Meinung der Experten ein Medienunternehmen im Sinne des § 1 Abs 1
Mediengesetz ist. § 20 Abs 3 Z 4 ORF Gesetz stellt für solche Fälle explizit
eine
Unvereinbarkeit fest.
Interessant ist, dass diese
Unvereinbarkeit durch Fortells Rechtswahl seiner
Beschäftigung
für SATEL, nämlich im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses
anstelle
eines sonst üblichen Werkvertrages von ihm selbst verursacht wurde.
„Nebenprodukt"
dieser Rechtsformenwahl ist der in Rechtsexpertenkreisen als
jedenfalls unredlich,
wahrscheinlich aber sogar widerrechtlich (das AMS prüft derzeit)
bezeichnete Bezug von Arbeitslosengeld und
Notstandhilfe. Hätte er diese
Zahlungen nicht in Anspruch genommen
sondern - branchenüblich - statt dem
unverständlichen Anstellungsvertrag
einen Gewerbeschein für Filmproduktion
erworben, wäre neben der Vermeidung
der wahrscheinlich rechtswidrig erfolgte
Zahlungen auch eine Unvereinbarkeit nicht vorgelegen.
Der
von Anfang an umstrittene ORF-Stiftungsrat Albert Fortell, der sich auch durch
verharmlosende Vergleiche des Holocausts mit
dem Stalinismus hervortat („Die
Presse", vom 14.4.2004), scheint daher nicht nur moralisch, sondern
auch rechtlich
als Mitglied des ORF-Stiftungsrats nicht geeignet zu sein.
Aus offenbar
unzureichend informierten Regierungskreisen hieß es zu Albert Fortell
bis
dato sinngemäß aber nur: „Wir können Albert Fortell nicht seines Amtes
entheben,
das ist rechtlich nicht möglich." Tatsächlich ist aber zumindest eine
Aufforderung
zum Rücktritt von Herrn Fortell zur Herstellung einer rechtskonformen
Lage geradezu
unverzichtbar.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1.
Sehen auch Sie nach § 20 Abs 3 Z 4 ORF Gesetz eine
Unvereinbarkeit des
Amtes eines
ORF-Stiftungsrats mit Albert Fortells regelmäßigem
Anstellungsverhältnis
bei der SATEL Fernseh- und Filmproduktionsgesellschaft
m.b.H.? Falls nicht,
wie begründen Sie diese Annahme?
2.
Sehen Sie generell - wenn auch nicht rechtlich - eine
Unvereinbarkeit des Amtes
eines
ORF-Stiftungsrats mit finanziellem Profit, der sich aus Entscheidungen
dieses Organs ergibt?
3.
Halten Sie arbeitsrechtliche Umgehungsgeschäfte wie die
„Anstellung" Albert
Fortells
bei der Firma SATEL, offenbar mit der Konsequenz des Bezuges von
Arbeitslosengeld und Notstandshilfe, anstatt des branchenüblichen
Werkvertrages für
bedenklich? Falls ja, was gedenken Sie zu unternehmen, damit
solche Konstruktionen in
Zukunft bei Unternehmen, die von
öffentlichen
Einrichtungen und Unternehmen beauftragt werden, nicht mehr möglich
sind?
4.
Halten Sie es für richtig, dass ein Mitglied des obersten
Organs des ORF sich bei
einer
Wahl zum/r Bundespräsidenten/in nicht nur öffentlich für eine Kandidatin
(Benita
Ferrero-Waldner) ausspricht, sondern sich aktiv an der Wahlkampagne
beteiligt?
5.
Halten Sie es für bedenklich, dass ein Mitglied des
obersten Organs des ORF
öffentlich Holocaust und Stalinismus gleichsetzt, unter der Berufung auf in der
Fachwelt
extrem umstrittene und für ihre stark politisch gefärbte Geschichtssicht
bekannte
Historiker? (So geschehen in der „Presse" vom 14.4.2004) Falls nein,
wie
ist das mit dem Bildungsauftrag des ORF vereinbar?
6.
Würden
Sie auch bei Kenntnis der
dargelegten
Sachlage und unter
Berücksichtigung
des bisherigen Verhaltens Albert Fortells diesen wieder zum
ORF-Stiftungsrat
ernennen?