2759/J XXII. GP

Eingelangt am 09.03.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Bettina Stadlbauer

und GenossInnen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend „steuerliche Maßnahmen zu Lasten von Kindern"

Nach einem Rechtsstreit um einen Steuerbescheid, bei dem eine Partei die Anrechnung ihrer
Unterhaltsbeiträge verlangte, kam es zu einem weitreichenden Erkenntnis des
Verfassungsgerichtshofes. In dem Erkenntnis vom 27. 6. 2001, B 1285/00, vertrat der VfGH
die Ansicht, dass eine steuerliche Entlastung von Unterhaltsleistungen an mit dem
Unterhaltspflichtigen nicht haushaltszugehörige Kinder durch Anrechnung eines Teiles der
Transferleistungen (Unterhaltsabsetzbetrag, Kinderabsetzbetrag, aber auch Familienbeihilfe)
auf deren Unterhalt verfassungsrechtlich geboten sei.

Mit Erkenntnis vom 19. 6. 2002, G 7/02, hob der Verfassungsgerichtshof die im § 12a FLAG
enthaltene Wortfolge „und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" (gemeint sind die
Familienbeihilfe und der Unterhaltsanspruch des Kindes) als verfassungswidrig auf und führte
dabei aus, dass nicht nur der Unterhaltsabsetzbetrag und der Kinderabsetzbetrag, sondern
auch die Familienbeihilfe der steuerlichen Entlastung des geldunterhaltspflichtigen Elternteils
dienen müssten. Diese steuerliche Entlastung geht zu Lasten der Kinder!

Die „Österreichische Arbeitsgemeinschaft für Jugendwohlfahrt vormals Verein der
Amtsvormünder Österreichs" hat im August 2002 eine Darstellung an verschiedene Stellen
übermittelt und hat diese ersucht, sich für eine steuerliche Regelung für Unterhaltspflichtige
einzusetzen, die nicht zu Lasten der Kinder geht.

Der Parlamentsklub der ÖVP teilte der „Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für
Jugendwohlfahrt vormals Verein der Amtsvormünder Österreichs" im Jänner 2003 mit, dass
zum Wohle des Kindes in dieser Legislaturperiode eine Lösung - eventuell durch eine
Änderung im Einkommensteuergesetz - gefunden werden muss, die die von den
Höchstgericht geforderte Entlastung für unterhaltspflichtige Väter herbeiführt und nicht zu
Lasten der unterhaltsbedürftigen Kinder geht.

 

Es liegen bereits eine Reihe von oberstgerichtlichen Entscheidungen vor, in denen
Unterhaltsbeiträge - zum Teil ganz wesentlich - auch rückwirkend gekürzt wurden, obwohl
weder im Bedarf des Kindes noch in der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen
Änderungen eingetreten sind.

Das Justizministerium ist der Meinung, der Ansatz zu einer Lösung würde nicht im Bereich
des Zivilrechts, sondern im Steuerrecht liegen.

Die Bundesregierung hat in ihrer Stellungnahme vor dem Verfassungsgerichtshof jede
Absicht einer solchen Entwicklung, wonach die steuerliche Entlastung des
Unterhaltspflichtigen zu Lasten der unterhaltsberechtigten Kinder geht, abgestritten. (aus:
"Die Familienbeihilfe" von Emmanuel Stockart-Bernkopf in: Der Österreichische
Amtsvormund, 2003)

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Finanzen
nachstehende

Anfrage:

1.  Ist Ihnen oben beschriebene Problematik bekannt?

2.              Wenn ja, wie beurteilen Sie diese?

3.              Planen Sie diesbezügliche Änderungen im Steuerrecht, die nicht eine „steuerliche
Entlastung" des Unterhaltspflichtigen auf Kosten des unterhaltsberechtigten Kindes
ergeben?

4.              Wenn ja, wann und wie sollen diese Änderungen konkret lauten?

5.              Wenn nein, warum nicht?

6.                  Wie bewerten Sie den Umstand, dass hier ZivilrichterInnen zu „Quasi-
Steuerregulatoren" werden?

7.                  Teilen Sie die verfassungsmäßigen Bedenken, etwa des LG St. Pölten, wonach
steuerrechtliche Aspekte grundsätzlich im dafür vorgesehenen
Verwaltungsstrafverfahren zu erfolgen hat, und eine Berücksichtigung durch die
Zivilgerichte gegen den Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung verstößt?

8.                  Wenn ja, werden Sie eine diesbezügliche gesetzliche Änderung veranlassen?

9.                  Wenn nein, warum nicht?