2984/J XXII. GP
Eingelangt am 06.05.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Mag. Maier
und GenossInnen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend „Europäische Aktionsplattform für Ernährung und Körperliche Bewegung"
EU-Gesundheitskommissar
Markos Kyprianou hat den Kampf gegen die Fettleibigkeit zu
einer Priorität seiner Amtszeit erklärt. Daher wurde auf seine Anregung eine
europäische
Plattform für gesunde Ernährung u.a. mit der Lebensmittelindustrie,
Einzelhandel,
Gastronomie und Werbebranche gegründet.
Damit soll aus seiner Sicht erreicht werden, dass
diese Branchen freiwillig Verpflichtungen im Kampf gegen die
Fettleibigkeit und den
Bewegungsmangel übernehmen.
In zahlreichen Vorgesprächen wurde diese Gründung auf europäischer Ebene
vorbereitet.
Im Zuge der Vorarbeiten wurde sinnvollerweise angeregt,
den Aspekt der körperlichen
Bewegung in diese
europäische Strategie einzubeziehen. Dieser Ansatz fand bei den
Beteiligten große Zustimmung.
Der
Titel der Initiative lautet nun „Diet, Physical Activity and Health - a
European
Platform for Action“ (Ernährung, Körperliche
Bewegung und Gesundheit - eine
Europäische Aktionsplattform) oder
Europäische Aktionsplattform für Ernährung und
Körperliche Bewegung.
Zu
Mitgliedern dieser Plattform gehören u.a. die Europäische "Kommission
selbst, die
Confederation of the Food and
Drink Industries of the EU (CIAA - Europäischer Verband der
Lebensmittelindustrie),
EuroCommerce (Europäische Handelsvereinigung), der Europäische
Verbraucherverband
BEUC, der Europäische Verband moderner Restaurants, die World
Federation of Advertisers (WFA - Weltverband der werbetreibenden Wirtschaft),
das
European Heart Network (EHN - Europäisches Netzwerk für Kardiologie) und die
International Obesity Task Force (IOTF - Internationale
Adipositasgesellschaft).
Die Mitgliedschaft soll aber weiteren Institutionen wie der European Public
Health Alliance
(EPHA), Landwirtschaftsverbänden, Familien- und Jugendverbänden usw. offen
stehen.
Die zunehmende Verbreitung von
Fettleibigkeit, insbesondere bei jungen Menschen, hat diese
Sport- und Gesundheitsexperten zusammengeführt. Fettleibigkeit ist ein
Risikofaktor für viele
schwere
Erkrankungen, wie Herzkrankheiten, Bluthochdruck, Schlaganfall,
Atemwegserkrankungen, Arthritis und
bestimmte Krebsarten. Auch für die steigende Zahl der
an Typ-2-Diabetes Erkrankten wird die Fettleibigkeitsepidemie in Europa
verantwortlich
gemacht. Falsche Ernährung und Bewegungsmangel gehören zu den führenden
Ursachen
vermeidbarer Todesfälle in Europa, wobei die
Fettleibigkeit schätzungsweise 2 - 8 % der
Kosten im Gesundheitswesen verursacht!
Diese
Europäische Aktionsplattform bringt die wichtigsten Vertreter u.a. der
Lebensmittelindustrie, des Einzelhandels,
der Gastronomie, der Werbebranche, der
Verbraucherverbände und der nichtstaatlichen Gesundheitsorganisationen auf EU-
Ebene zusammen.
Die
EU-Kommission strebt dabei an, dass die einzelnen Teilnehmer an dieser
Plattform für
ihre Mitglieder bestimmte Maßnahmen und Anstrengungen zusichern, mit denen
falsche
Ernährung, Fettleibigkeit, Übergewicht, Bewegungsmangel etc. bekämpft werden
sollen.
Das Spektrum möglicher Maßnahmen könnte vom
Marketing für Lebensmittel über die Größe
angebotener Portionen bis zur Verbraucheraufklärung und -unterrichtung
reichen. Daneben
sind auch gesetzliche Maßnahmen geplant.
Die
in den USA und Europa in den letzten Jahrzehnten rasant gestiegene Zahl an
Übergewichtigen lässt Gesundheitsexperten und Mediziner mittlerweile von einer
„Pandemie" sprechen. Laut WHO sind die
Hälfte der Erwachsenen und rund 20% der
europäischen Kinder übergewichtig.
Die WHO sieht im Übergewicht das am schnellsten wachsende
Gesundheitsrisiko und
befürchtet,
dass bis 2040 bereits die Hälfte der Erwachsenen in den entwickelten
Ländern adipös sein könnte.
Im Rahmen des gerade vergangenen Europäischen Jahres der
„Erziehung durch Sport“ vergab
die EU-Kommission
vier Aufträge für Untersuchungen zu diesem Themenkreis.
Eine Studie dieser Reihe nimmt die Lebensweise Jugendlicher und deren Hang zum
Bewegungsmangel unter die Lupe, der zu vermehrtem Auftreten von Fettleibigkeit
führt.
Europas Kinder werden immer dicker, in manchen EU-Staaten nimmt dies bereits
Formen
einer Epidemie an, so lautet die zentrale Aussage der Untersuchung, die
angesichts des
präsentierten
Zahlenmaterials durchaus nachvollziehbar ist:
„ So stieg der Anteil übergewichtiger
Kinder im letzten Jahrzehnt in den „alten“
Mitgliedstaaten um 8-10 %, während sich die körperliche Leistungsfähigkeit in
den
vergangenen 25 Jahren um 10-15 % verringerte. Die Ursachen dieser
Entwicklung sind in
zunehmenden Medienkonsum, ungesunder
Ernährung (kein Obst und kein Gemüse) sowie in
der Vernachlässigung des Schulsports zu suchen. Vor allem unter den Nachkommen
ärmerer
Familien sind Fettleibigkeit und damit einhergehende Krankheiten wie Diabetes,
die
normalerweise erst im Alter auftreten, anzutreffen. Um diese wachsenden
Gesundheitsprobleme in den Griff zu bekommen, sollten alle beteiligten Akteure
an einem
Strang ziehen, denn richtige Ernährung
fängt zwar zu Hause an, aber auch Schulen, Vereine
und Jugendklubs sollten ihren Beitrag leiste. "
In
Österreich haben in der Vergangenheit u.a. Ernährungswissenschafter,
Interessensvertretungen wie die Arbeiterkammern sowie NGO's immer wieder auf
diese
Probleme hingewiesen und konkrete Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen
eingefordert.
So glauben viele KonsumentInnen zu wissen was gesund ist. Nur, gerade AK Tests
haben
gezeigt, dass „gesunde“ Durstlöscher bis zu 29 Stück Würfelzucker pro Liter
enthalten oder
viele Fertiggerichte Kalorienbomben sind oder
Kinderprodukte trotz Slogans wie „mit Milch
und Honig“ oder „das Vitaminplus“ meist zu süß und zu fett sind. Dies
sind die wirklichen
Dickmacher -je mehr zuckerhaltige Limonaden
Kinder und Jugendliche trinken, umso dicker
werden sie. Tatsächlich ausgewogen
essen ist nicht so leicht und wird einem auch nicht leicht
gemacht. Angebot, Werbung und Trend verhindern oft eine gesunde Wahl.
Zuletzt
hat die Bundesarbeitskammer darauf hingewiesen, dass Fehlernährung in der
Arbeit
ein Teil der betrieblichen Realität ist (Wirtschaft & Umwelt 1/2005).
Und gerade die Ernährungssituation am Arbeitsplatz zählt heute zu den wichtigen
Herausforderungen im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung. Unter dem
Motto
„upgrading nutritional quality" unternehmen daher bereits mehr und mehr
Produzenten
Anstrengungen, ihre Standardprodukte auf der Rezepturebene hinsichtlich ihres
Engeriegehalts zu optimieren. „Anti-Fat-Food" ist ein Trend, der an die
Welle von „Light-
Produkten" aus den 70er-Jahren
anschließt, nun aber weiter greift. Es geht um energiearme
Lebensmittel, um den Trend zur Dick- und Fettleibigkeit zu stoppen.
Absolut alarmierend ist in Österreich die diesbezügliche Entwicklung bei der Jugend:
Der
körperliche Zustand von Kindern und Jugendlichen durch falsche Ernährung und
Bewegungsdefizite ist generell besorgniserregend. Bereits jeder 8. Lehrling
leidet unter
Rückenschmerzen, jeder 10. fühlt sich
dadurch in seiner Bewegung eingeschränkt. Schon 16-
Jährige haben nachweisliche Schäden an der Wirbelsäule. Große Probleme gibt's
auch bei der
Koordination: Für viele ist es schwierig auf einem Bein zu balancieren.
Dazu
kommen die Ernährungssünden: Salzburgs SchülerInnen beispielsweise zwischen 10
und 18 Jahren essen doppelt soviel Fleisch, Wurstwaren, Mehlspeisen und
Süßigkeiten als
empfohlen, wie nicht zuletzt auch eine
Studie der AK Salzburg im Dezember 2004 aufzeigte.
Gerade in Familien mit niedrigem Bildungsgrad nimmt der Anteil dicker
Kinder zu.
Bewegungsarmut führt im Zusammenhang mit ungesunder
Ernährung einerseits zu teilweise
schweren körperlichen
Schäden (z.B. Haltungsschäden, Herz-Kreislauf-Erkrankungen)
andererseits führt ungesunde Ernährung zu
Übergewicht bzw. Fettleibigkeit. Bei den 7- bis
14-jährigen Jugendlichen sind nach
dem europäischen Ernährungsbericht 16% der Burschen
und 14% der Mädchen in Österreich zu dick.
In Europa steigt die Zahl der übergewichtigen Schulkinder
um 400.000 pro Jahr. Gerade auch
deswegen wurde durch
diese EU-Kommission die europäische „Aktionsplattform für
Ernährung und körperliche Bewegung" gegründet. Dabei soll auch die
regelmäßige
körperliche Bewegung - am Arbeitsplatz sowie im schulischen wie
außerschulischen Bereich
- gefördert werden.
In
Österreich ist in den letzten Jahren genau das Gegenteil davon passiert:
Turnstunden
wurden in den Schulen reduziert und eingespart. Dies wurde in der Antwort
2519/AB XXII
GP. vom 22.03.2005
von Frau Bundesministerin Elisabeth Gehrer auf die Parlamentarische
Anfrage „Massive Einsparungen im
Schulsport" (2520/J XXII GP) auch
schriftlich bestätigt.
Und genau mit diesen Kürzungen werden mittelfristig höhere Gesundheitskosten
provoziert.
Bewegung und Ernährung sind ein Zukunftsthema und müssen daher auch ein
zentrales
Thema in
unserer Gesellschaft werden.
Notwendig ist dabei die komplexen Zusammenhänge zwischen Ernährung,
Bewegung und
privater
Lebensführung anzusprechen.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Justiz
nachstehende
Anfrage:
1.
Sind Sie bereit, an der Gründung einer ähnlichen
gemeinsamen Aktionsplattform auch
in Österreich -
gemeinsam mit anderen Bundesministerien, Gebietskörperschaften,
Interessenvertretungen, Branchen,
Unternehmen, Sportdachverbänden, NGO's etc. -
mitzuwirken und diese zu unterstützen?
2.
Wenn
nein warum nicht?
3.
Wenn
ja, wer bzw. welche Gebietskörperschaften, Branchen, Unternehmen,
Interessenvertretungen, Sportvereine, NGO's
etc. sollen in diese Aktionsplattform
miteingebunden werden?
4.
Welche konkreten Maßnahmen (Projekte) werden Sie auf
nationaler Ebene für den
schulischen Bereich
vorschlagen?
5.
Welche finanziellen Mittel werden Sie 2005 und 2006 für
diesbezügliche nationale
Maßnahmen zur
Verfügung stellen?
6.
Worauf führen Sie konkret die Zunahme der Fett- bzw.
Dickleibigkeit von
Jugendlichen in
Österreich zurück?
7.
Welche Maßnahmen müssten deshalb aus Sicht Ihres
Ministeriums unternommen
werden?
8.
Gibt
es Richtlinien für Vergaben bzw. Ausschreibungen zur Führung von
Betriebsküchen oder Kantinen und der
Zusammenstellung der Verpflegung in ihrem
Bundesministerium (Zentralstelle) oder nachgeordneten Dienststellen?
9.
Wenn ja, wie lauten im Wortlaut diese Richtlinien oder
Vorgaben (ersuche um
Übermittlung
dieser)? Inwieweit sind darin „gesunde und vollwertige Verpflegung“ etc.
als Bedingung
normiert?
10.
Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen, dass das Angebot
in Getränkeautomaten in
Ihrem Ressort (z.B.
Zentralstelle) sowie den nachgeordneten Dienststellen auf andere -
nämlich zuckerarme - Getränke umgestellt wird?
11.
Welche
Maßnahmen werden Sie ergreifen, dass Betriebsküchen im
Bundesministerium oder in nachgeordneten
Dienststellen im Sinne einer betrieblichen
Gesundheitsförderung auf gesunde und vollwertige Ernährung umsteigen?
12.
Welche Richtlinien, Erlässe, Rundschreiben o.a. Ihres
Bundesministeriums regeln die
Art und
Zusammensetzung der Verpflegung in Justizwacheanstalten? Welche
Ernährungsgrundsätze müssen durch die jeweilige Küche eingehalten werden?
13. Nach welchen Grundsätzen werden diese
Küchen in Justizwacheanstalten geführt?
14.
Werden
Sie aus den im Einleitungstext dargelegten Gründen gegenüber der
Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft
und Kultur einwirken, dass die im Schuljahr
2003/2004 erfolgten Stundenkürzungen
beim Turnunterricht korrigiert werden (siehe auch
AB2519/XXII.GP)?
15.
Wenn nein, warum nicht? Wie sollen dann die
Bewegungsdefizite bei Jugendlichen
beseitigt werden?
16.
Wie sieht das tägliche bzw. wöchentliche
Bewegungsprogramm bei jugendlichen
Häftlingen in den
Justizwacheanstalten aus?
17.
Werden
Sie innerhalb der Bundesregierung dafür eintreten, dass im Zuge der
Einführung der Ganztagesschule oder des
Ausbaues der Tagesbetreuung eine tägliche
Bewegungsstunde für alle Schulkinder
eingeführt wird (weil damit auch die
Konzentrations- und Leistungsfähigkeit gesteigert wird)?
18.
Werden Sie innerhalb der Bundesregierung dafür eintreten,
dass mit dem Ausbau der
Tagesbetreuung
in den Schulen ein gezieltes Bewegungs- und Sportangebot mit
qualifizierter
Betreuung erstellt wird?
19.
Werden Sie innerhalb der Bundesregierung Initiativen des
Gesundheitsressorts
unterstützen,
damit in Österreich die derzeit freiwilligen Nährwertangaben auf
Lebensmittel
zumindest verbessert und verständlicher gemacht werden?
20.
Werden
Sie auf europäischer Ebene - wie die internationalen und nationalen
Verbraucherorganisationen - für eine
gesetzlich verpflichtende
Nährwertkennzeichnung für alle
verpackten Lebensmittel eintreten? Wenn nein,
warum nicht?
21.
Werden
Sie innerhalb der Bundesregierung Gesetzesinitiativen, mit denen
gesundheitsbezogene (irreführende) Werbung
für „ungesunde" Produkte gesetzlich
verboten werden soll, unterstützen?
22. Wenn nein,
warum nicht?
23.
Werden
Sie innerhalb der Bundesregierung Initiativen unterstützen, dass
Lebensmittelhersteller und Gastronomen
(inkl. der Kantineuren) Fett, Zucker und Salz
in ihren Produkten reduzieren?
24.
Werden
Sie innerhalb der Bundesregierung dafür eintreten, dass zumindest bei
Lebensmitteln des täglichen Bedarfs (z.B.
Brot und Backwaren) jeweils der Fettgehalt
aufgeführt werden muss?
25. Wenn nein,
warum nicht?
26.
Werden Sie innerhalb der Bundesregierung gesetzliche
Maßnahmen unterstützen, dass
Werbung
an Kinder - speziell für fette, süße und salzige Produkte - reduziert bzw.
generell verboten
wird?
27. Wenn nein, warum nicht?
28. Vertreten
auch Sie die Ansicht, dass nur solche Unternehmen als Schulsponsoren aus
dem Lebensmittel-, Getränke- und Gastronomiebereich akzeptiert
werden dürfen, deren Produkte und Angebote den Grundsätzen einer gesunden und
vollwertigen Ernährung entsprechen?
29. Wenn nein,
warum nicht?
30.
Können
Sie Angebote von „Anti-Fat-Food"-Produkten in Ihrem
Bundesministerium, nachgeordneten
Dienststellen und Justizwacheanstalten unterstützen?
Wenn ja, in welcher Form? Wenn nein, warum nicht?
31. Inwieweit wird bei Ausschreibungen für Lebensmittel
für Justizwacheanstalten durch
die
Bundesbeschaffungsagentur auf eine gesunde und vollwertige Ernährung bzw. auf
„Anti-Fat-Food" Rücksicht genommen?