3088/J XXII. GP

Eingelangt am 03.06.2005
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz

 

 

betreffend Arbeit mit Morphium zumutbar?

 

 

Frau Elisabeth K. hat nach zweimaligem Bandscheibenvorfall, der jeweils mit operativem Eingriff verbunden war, um Berufsunfähigkeitspension angesucht. Trotz der operativen Eingriffe hat sich der gesundheitliche Zustand von Frau K. nicht gebessert. Vor allem braucht sie nach 15 Minuten Tätigkeit in einer Arbeitshaltung eine entsprechende Ausgleichsbewegung. „Durch Arbeitshaltungen bei Büroarbeiten im Stehen, Gehen und Sitzen treten Schmerzen auf...“

Dieser äußerst schmerzhafte Zustand „besteht trotz laufender ausreichender und optimierter Schmerzmedikation und lässt sich durch Einnehmen von Medikamenten nicht weiter bessern“, heißt es in der Urteilsbegründung.

Die Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten hat dennoch die Berufsunfähigkeitspension für Frau K. abgelehnt. Frau K. klagte gegen diese Entscheidung der PVAng beim Arbeits- und Sozialgericht, welches folgende merkwürdige Entscheidung traf:

Frau K. wurde im Juni 2002 rückwirkend eine Berufsunfähigkeitspension zugesprochen, die Leistung allerdings zeitlich mit Ende Juli 2002 befristet.

 

Die Begründung für diese Befristung ist ausgesprochen zynisch.

 

Das Arbeits- und Sozialgericht war der Ansicht, dass der Klägerin die Implantation einer Morphiumpumpe und eine dauernde Morphiumzufuhr zumutbar sei, um so ihre Arbeitsfähigkeit wieder zu erlangen!

 

Wörtlich heißt es in dem Urteil: „Eine Möglichkeit zur Besserung besteht jedoch:

Es besteht die medizinische Möglichkeit, der Klägerin eine Morphiumpumpe zu implantieren. Dabei wird im Zuge einer Operation ein dünner Schlauch durch den Spinalkanal zur Schmerzstelle geleitet und unter der Haut wird die Morphiumpumpe eingesetzt, wobei das Medikament in die Morphiumpumpe mittels Injektionsnadel nachgefüllt wird. Dieses lokal wirkende Medikament bringt für die Klägerin Vorteile gegenüber der bisherigen Medikation, die gesamtsystemisch in den Körper eingebracht wurde, weil die Morphiumpumpe eine niedrigere Dosis erlaubt und direkt im Schmerzenbereich ansetzt. Die Operation ist weitgehend einfach und gefahrlos. Wie bei jeder Operation ist jedoch eine Körperöffnung nötig mit dem üblichen Infektionsrisiko, wobei es in ganz seltenen Fällen auch zu einer Infektion in Form der Entzündung des Rückenmarks in Form einer Meningitis kommen kann, die jedoch auch wiederum behandelbar wäre.“

 

Das Arbeits- und Sozialgericht schreibt weiter, dass die Klägerin im Rahmen der Gerichtsverhandlung am 6.6.2002 „umfassend über Risken und Chancen dieses Eingriffs informiert“ worden sei und verfügte deshalb unter Berufung auf die Duldungs- und Mitwirkungspflicht von Versicherten und die dazugehörige Rechtsprechung (insbes. OGH in 10ObS 40/90), dass die Berufsunfähigkeitspension mit 31.7. 2002 einzustellen sei: „Da die Klägerin erst in der Verhandlung am 6. Juni 2002 über die Möglichkeit dieser Operation und die damit verbundenen Chancen und Risken ausführlich aufgeklärt wurde, setzt die Pflicht, sich dieser Operation zu unterziehen, erst ab diesem Zeitpunkt ein. Etwa 14 Tage später könnte sie mit einem Operationstermin rechnen und geht das Gericht nun davon aus, dass sich der Heilungserfolg spätestens mit Ende Juli 2002 einstellen hätte müssen, sodass die Pension bis zu diesem Zeitpunkt zu befristen war. Unterzieht sich die Klägerin der als zumutbar erachteten Operation und bringt sie wieder Erwarten doch keinen Erfolg, dann steht es ihr naturgemäß frei, unter Hinweis auf dieses Ergebnis die Weitergewährung der Pension zu beantragen“. Das Landesgericht Wels als Arbeits- und Sozialgericht hat mit der Entscheidung 17 Cgs 64/00s ein skandalöses Urteil getroffen!

 

Ein Arbeits- und Sozialgericht stellt ausgerechnet unter Berufung auf den § 16 ABGB (Recht auf körperliche Unversehrtheit) fest, dass eine dauernde Morphiumzufuhr und damit ein Zustand psychischer und physischer Einschränkung bzw. sogar Abhängigkeit zur Herstellung von Arbeitsfähigkeit zumutbar sei!

Das Arbeits- und Sozialgericht geht von einer „Pflicht“ der Versicherten aus, sich dem operativen Eingriff und damit der dauernden Morphiumversorgung zu unterziehen!

Das Arbeits- und Sozialgericht verwendet in diesem Zusammenhang auch den Begriff „Heilungserfolg“, obwohl hier tatsächlich nicht von Heilung, sondern bestenfalls von Schmerztherapie gesprochen werden kann!

Das Arbeits- und Sozialgericht macht nicht einmal ansatzweise den Versuch, mögliche Nebenwirkungen und Kontraindikationen abzuwägen!

Das Arbeits- und Sozialgericht beruft sich in seiner Entscheidung für die Zumutbarkeit eines Morphium-Implantats  auf eine Entscheidung des OGH (10 Obs40/90), in der dieser festhält, dass eben nicht jeder operative Eingriff zumutbar ist und der § 16 ABGB die Persönlichkeit und ihr Recht auf (körperliche) Unversehrtheit schützt.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

  1. Aus welchen Bestimmungen der österreichischen Sozialgesetzgebung ist eine Mitwirkungs- und Duldungspflicht für dauerhafte Morphiuminfusionen ableitbar?

 

  1. Gibt es Richtlinien, Verordnungen oder Erlässe, in denen die Mitwirkungs- und Duldungspflicht von Versicherten definiert bzw. erläutert wird? Wenn ja, wie lauten diese?

 

  1. Werden Sie die geschilderte Entscheidung des Arbeits- und Sozialgerichts zum Anlass nehmen, um Ihrerseits die Pensionsversicherungsträger darauf hinzuweisen, dass eine Therapie mit Opioiden nicht von Versicherten als Voraussetzung ihrer Arbeitsfähigkeit verlangt werden kann bzw. die Verweigerung einer Opioid-Therapie nicht den Verlust einer Leistung der Sozialversicherung bedeuten kann?

 

  1. Werden Sie die zitierte Entscheidung des Arbeits- und Sozialgerichts zum Anlass nehmen, um gesetzlich oder auf dem Verordnungsweg zu definieren, was unter der Mitwirkungs- und Duldungspflicht von Versicherten zu verstehen ist?

 

  1. Die zweimalige Bandscheibenoperation im vorliegenden Fall macht deutlich, dass die Versicherte sehr wohl an der Verbesserung ihres gesundheitlichen Zustandes mitwirken wollte bzw. mitgewirkt hat. Allerdings ist dadurch offensichtlich keine Besserung ihres gesundheitlichen Zustandes erreicht worden. Die Versicherte war im Bürobereich, also vorwiegend sitzend tätig. Für welche berufliche Tätigkeit ist eine Person, die sich einer Opioid-Therapie nach Bandscheibenvorfall unterzieht, nach Ansicht der Pensionsversicherungsträger bzw. Ihres Ressorts geeignet?

 

  1. Der Einsatz von Opioiden bei nicht tumorbedingten Schmerzen kann durchaus eine erfolgreiche Schmerztherapie sein, ist allerdings bei langfristiger Anwendung auch innerhalb der medizinischen Wissenschaft nicht unumstritten, jedenfalls für die Betroffenen mit rechtlichen Komplikationen verbunden. So schreibt beispielsweise
    § 58 der StVO Personen, die ein Kraftfahrzeug lenken, die Verantwortlichkeit über ihre Fahrtauglichkeit zu. Gerade diese kann durch eine Opioid-Therapie beeinträchtigt sein. Welche Konsequenzen ziehen Sie bzw. die Pensionsversicherungsträger daraus?