3298/J XXII. GP

Eingelangt am 08.07.2005
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend den Vollzug von Stellenbesetzungsgesetz und Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesetz

 

 

 

Beim fließbandmäßigen Versorgen von Parteifreunden mit hochdotierten Posten durch BMVIT-Ressortleiter werden – neben dem Herabsetzen von Qualifikationsschwellen - auch verfassungsmäßig fragwürdige Bestimmungen des Bundesbahnstrukturgesetzes ausgenützt, um Ausschreibungen überhaupt zu vermeiden.

Dem Programm der FPÖ ist (Kapitel 8, Artikel 1, Absatz 4) in diesem Zusammenhang zu entnehmen:

„Eine deutliche Verringerung der Parteien-Allmacht muß im Ergebnis zur Abschaffung ihres Einflusses auf die Bestellung (...) der Aufsichtsräte und in Folge der Vorstände im Bereich der öffentlichen Wirtschaft führen.“
Angesichts der krassen Widersprüche zwischen diesem Programm und Ihrem Verhalten an der BMVIT-Spitze wird nachvollziehbar, warum Sie die FPÖ verlassen und eine programmfreie neue Gruppierung mitbegründet haben.


Um die beschriebenen Vorgänge zur Versorgung von Parteifreunden zu erleichtern, wurde im Jahre 2004 in das Bundesbahngesetz § 54 Abs 11 neu aufgenommen. Dieser ist verfassungsmäßig mehrfach fragwürdig. § 54 Abs 11 Bundesbahngesetz lautet: „Insoweit die Bestellung der ersten Mitglieder der Vorstände oder Geschäftsführungen der ÖBB-Holding AG und deren umzuwandelnden oder zu gründenden Tochter- und Enkelgesellschaften aus dem Personenkreis der Mitglieder des Vorstandes bzw. der Geschäftsführung sowie der Leiter der Geschäftsbereiche der von den im Art. 1 dieses Bundesgesetzes angeordneten Umstrukturierungsmaßnahmen betroffenen Gesellschaften erfolgt, ist für diese Bestellungen das Stellenbesetzungsgesetz, BGBl. I Nr. 26/1998, in der jeweils geltenden Fassung mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Ausschreibung der erstmals zu besetzenden Funktion nicht erforderlich ist.“

 

Die Eile bei der Umsetzung dies Bundesbahnstrukturgesetzes ist jedoch freigewählte politische Willkür ohne sachliche Rechtfertigung, Ausschreibungen wären zudem im Zeitraum bis zur Eintragung der Unternehmen ins Firmenbuch immer noch problemlos möglich gewesen, weshalb die enthaltene Ausnahme vom Stellenbesetzungsgesetz BGBl. I Nr. 26/1998 als verfassungswidrige Verletzung u.a. des Gleichheitsgrundsatzes erscheint.

 

Darüberhinaus legen konkrete Vorkommnisse bei der SCHIG nahe, daß dieser Passus offenbar auch außerhalb der ÖBB-Holding Anwendung gefunden hat, wofür die gesetzliche Deckung überhaupt fehlen dürfte. 

 

Überdies ist eine sachlich korrekte Antwort auf eine von Ihnen in 2541/AB unzutreffend beantwortete Frage ausständig.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

  1. Wie lässt es sich mit dem Stellenbesetzungsgesetz vereinbaren, dass vor
    der Bestellung durch den Aufsichtsrat bereits vom BMVIT Herr Mag. Santer als Nachfolger des zuvor zum Zug gekommenen ehemaligen FPÖ-Finanzverantwortlichen Gilbert Trattner in der „zweiten“ SCHIG-Geschäftsführungsfunktion öffentlich genannt wurde?

 

  1. Ist es zutreffend, dass auch der Vertrag des in dieser Funktion verbleibenden bisherigen „ersten“ SCHIG-Geschäftsführers ohne Ausschreibung gemäß Stellenbesetzungsgesetz verlängert wurde, wenn ja wann, wenn nein warum nicht?

 

  1. Läßt sich die Verlängerung des Vertrages des in dieser Funktion verbleibenden bisherigen „ersten“ SCHIG-Geschäftsführers ohne Ausschreibung mit dem Stellenbesetzungsgesetz vereinbaren, wenn ja, warum im einzelnen?

 

  1. Können Sie ausschließen, dass § 54 Abs 11 Bundesbahngesetz im Widerspruch zur österreichischen Bundesverfassung, zB im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz, steht?

 

  1. Ist es zutreffend, dass die SCHIG (Schieneninfrastruktur- Dienstleistungsgesellschaft mbH, Vivenotgasse 10, A-1120 Wien, Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Firmenbuchnummer FN 261480 f) nicht Bestandteil der ÖBB Holding ist?

 

  1. Auf welcher gesetzlichen Grundlage ist die Verlängerung des Vertrages des in dieser Funktion verbleibenden bisherigen „ersten“ SCHIG-Geschäftsführers erfolgt, nachdem sie nicht mit § 54 Abs 11 Bundesbahngesetz begründet werden kann?

 

  1. Welchen Beitrag hat Ihre parteiorientierte Postenbesetzungspolitik im BMVIT-Umkreis seit Amtsantritt zur Umsetzung des im FPÖ-Parteiprogramm festgehaltenen Zieles „Eine deutliche Verringerung der Parteien-Allmacht muß im Ergebnis zur Abschaffung ihres Einflusses auf die Bestellung (...) der Aufsichtsräte und in Folge der Vorstände im Bereich der öffentlichen Wirtschaft führen“ geleistet?

 

  1. Bei der Beantwortung der Frage 2 der Anfrage 2572/J XXII. GP behaupten Sie, die österreichische Umsetzung von RL 2001/12/EG in der Frage der für einen gerechten und nichtdiskriminierenden Zugang zur Infrastruktur ausschlaggebenden Funktionen nach Anhang II dieser RL sei in der gegenwärtigen, für Privatbahnen aufwendigen Form durch die Richtlinie erzwungen. Da in Deutschland jedoch eine für kleine Eisenbahnunternehmen weniger belastende und dennoch gemeinschaftsrechtskonforme Umsetzung der Richtlinie 2001/12/EG – siehe die Drucksache 15/3280 des Deutschen Bundestags - gewählt wurde, kann diese Argumentation nicht den Tatsachen entsprechen.

a)     Weshalb hat sich das BMVIT trotz dieser Faktenlage für diese und nicht für eine weniger kostenintensive gemeinschaftsrechtskonforme Lösung entschieden?

b)     Welche Mehrkosten verursacht diese nicht von der Richtlinie erzwungene
Lösung für die Privatbahnen?

c)      Welche sachliche Erklärung gibt es für die unterschiedliche Behandlung
von ÖBB und Privatbahnen in dieser Frage?