3428/J XXII. GP

Eingelangt am 21.09.2005
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Van der Bellen, Brosz, Grünewald, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft & Kultur
betreffend Bildungs-Misere

Begründung
Bedrohliche Anzahl von RisikoschülerInnen und wenige im Spitzenfeld

Wir haben es in Österreich mit einer bedrohlichen Anzahl von sogenannten
RisikoschülerInnen zu tun. Die PISA-Studie hat ergeben, dass jedeR Fünfte, also 20% der
15jährigen SchülerInnen derartige Defizite aufweisen, dass sie in ihrer zukünftigen Teilhabe
am gesellschaftlichen und beruflichen Leben gefährdet sind. Im PISA-Siegerland Finnland
haben beispielsweise nur 6 % der SchülerInnen derartige Schwächen. Es ist eine der
zentralen Herausforderungen für die Bildungspolitik, diesen Anteil zu minimieren. Die
Bildungsministerin hat bisher kein Bekenntnis dazu gezeigt. Im Gegenteil: im
Bildungsbudget sind keine zusätzlichen Mittel für ein effizientes Fördersystem vorgesehen.
Bei den FörderlehrerInnen wird weiter gekürzt. Im Jahr 2000 - also vor der schwarz-blau-
orangen Koalition - gab es noch 2.000 LehrerInnen für Förderunterricht, heute gibt es nicht
einmal mehr 1.000.

Im Übrigen forderte auch die von der Bildungsministerin eingesetzte Zukunftskommission in
ihrem Endbericht, die Anzahl der FörderlehrerInnen aufzustocken. Individuelle Förderung
könne derzeit in den meisten Fällen durch nur eine Lehrperson in der Klasse nicht geleistet
werden. Das von der Regierung beschlossene Schulpaket wird diesen Herausforderungen
nicht gerecht. Es wurde lediglich beschlossen, dass die gleiche Anzahl an Förderstunden
nun geblockt gehalten werden kann.

Alle Schülerinnen und Schüler müssen gefördert und bestmöglich ausgebildet werden.
Dafür muss die private Nachhilfe endlich durch ein effizientes Fördersystem ersetzt werden.
Die Begabungen aller SchülerInnen müssen gefördert werden. Mit Schwächen dürfen
SchülerInnen und Eltern nicht alleine gelassen werden. Die Zukunft liegt nicht in der
privaten Nachhilfe. Wir brauchen ein Schulsystem, das sich auch mit den Schwächsten
auseinandersetzt und sie nicht einfach liegen lässt. Es geht hier nicht nur um soziale
Gerechtigkeit. Österreich kann es sich nicht leisten, auf ein Potential von 20 % qualifizierter
Personen am Arbeitsmarkt zu verzichten.

Österreich schneidet aber nicht nur bei sogenannten RisikoschülerInnen schlecht ab. Auch
die Zahl der 15-jährigen, die bei der PISA-Studie die höchste Kompetenzstufe erreicht hat,
ist wesentlich geringer als in den führenden Ländern. 8 % in Österreich gegenüber 15 % in
Finnland sprechen eine deutliche Sprache. Auch hier macht sich die mangelnde individuelle
Förderung von besonderen Begabungen negativ bemerkbar.

Die Grünen fordern daher einen massiven Ausbau bei FörderlehrerInnen, muttersprachlichen LehrerInnen, StützlehrerInnen, IntegrationslehrerInnen, Legasthenielehrerlnnen und Psychagoglnnen zur Unterstützung des Unterrichts.


Das "historische Fenster" der rückläufigen Zahl an SchulanfängerInnen in den nächsten 6
Jahren muss genützt werden. Im Pflichtschulbereich geht es, wenn sich die
Schülerprognosen bewahrheiten, zumindest bis zum Schuljahr 2011/2012 nicht um
zusätzliche Investitionen, sondern um die Aufrechterhaltung des Budgets. Schon durch
einen Verzicht auf Einsparungen könnte die Qualität des österreichischen
Pflichtschulsystems drastisch angehoben werden.

Vorbild Finnland

Die Finnen schaffen es am besten, auch die schwächsten SchülerInnen „nach oben zu
ziehen". Das Schulsystem setzt sich auch mit diesen auseinander und schiebt sie nicht ab.
Lernprobleme werden sofort gelöst - nicht durch Sitzenbleiben. In allen
Gesamtschulklassen sind durchschnittlich knapp über 20 % der SchülerInnen in
Teilzeitfördermodellen, weitere 6 % sind der „Special need education", also
Sonderpädagogik zugeordnet. In den ersten beiden Schulstufen beträgt der besonders
geförderte Anteil mehr als 30 %! Diese Förderungen finden zum Teil als Einzelunterricht
statt. Schwerstbehinderten Kindern ist oft eine Betreuungsperson zugewiesen.

Drohende LehrerInnen-Massenarbeitslosigkeit

Schon bei der Beschlussfassung der Budgets für die Jahre 2005 und 2006 haben die
Grünen nachdrücklich vor einem weiteren massiven Rückgang bei den
Pflichtschullehrerposten gewarnt. Die Befürchtungen werden auch im Schuljahr 2005/2006
bestätigt. Alleine in Niederösterreich werden heuer 126 PflichtschullehrerInnen weniger
beschäftigt werden als im letzten Schuljahr. In der Steiermark 184! Österreichweit werden in
diesem Schuljahr etwa 600 Dienstposten gekürzt.

Bildungsministerin Gehrer setzt ihren Sparkurs unbeirrt fort. Anstatt die Jahre des
Schülerrückgangs für eine Qualitätsverbesserung im Schulsystem zu nutzen, werden fleißig
LehrerInnenposten abgebaut. Der große Knall wird aber erst in den nächsten Jahren
kommen. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern hat der Landesschulrat für
Niederösterreich eine Prognose über die Schülerentwicklung in den nächsten Jahr erstellt.
Diese Prognose ist dramatisch:

 

Schuljahr

SchulanfängerInnen

Veränderung
gegenüber
dem Vorjahr

Veränderung
gegenüber
2005/2006

2005/2006

16310

 

 

2006/2007

15809

-   3,1 %

-   3,1 %

2007/2008

14071

-11    %

-13,7%

2008/2009

13200

- 6,2 %

-19,1 %

2009/2010

11700

-11,4%

- 28,3 %

2010/2011

10200

-12,8 %

- 37,5 %

Die Prognose geht von 132.500 SchülerInnen in den ersten 9 Schulstufen in
Niederösterreich im Jahr 2010/2011 aus. Im Schuljahr 2003/2004 waren es noch 164.500.
Wenn diese Prognose eintrifft, werden innerhalb von nur 7 Jahren durch die gültigen
Finanzausgleichsregelungen etwa 20 % der LehrerInnenposten für SchülerInnen der ersten
9 Schulstufen gestrichen. Alleine in Niederösterreich würden dadurch bis 2010/2011 fast
3.000 Pflichtschullehrerdienstposten gestrichen. Abgesehen von Wien sind die Prognosen
in den Bundesländern ähnlich wie in Niederösterreich, zum Teil - wie etwa in Kärnten - noch
dramatischer. Wenn man von gleichbleibenden SchülerInnenzahlen in Wien ausgeht und


die niederösterreichische Prognose auf Österreich hochrechnet, errechnet sich bis
2010/2011 ein Rückgang von 12.500 Pflichtschullehrerdienstposten. Das entspricht
der derzeitigen LehrerInnen-Zahl in den steirischen und burgenländischen
Pflichtschulen insgesamt.

Dies wäre ein schwerer Rückschlag für die Schule, die Eltern und die Kinder, die anstatt
verstärkter individueller Förderung in der Schule noch mehr dazu gezwungen würden,
horrende Beträge in private Nachhilfe zu stecken. Der LehrerInnen-Rückgang wäre aber
nicht nur ein verheerendes Signal für die Bildungspolitik - und damit auch den
Wirtschaftsstandort Österreich. Er würde auch die angespannte Situation am Arbeitsmarkt
weiter verschärfen. Und das insbesondere bei jüngeren Menschen, da von den
Streichungen vor allem JunglehrerInnen betroffen sein würden.

Ausgangsbasis für die dramatische Entwicklung war der im Jahr 2000 von der Regierung
gemeinsam mit der SPÖ beschlossene Finanzausgleich.

SchülerInnen und Eltern haben ein Anrecht zu erfahren, ob die Bildungsministerin ohne mit
der Wimper zu zucken die drohende LehrerInnen-Massenarbeitslosigkeit zur Kenntnis
nehmen will. Die Bildungsministerin ist eine umgehende Erklärung schuldig, ob, wann und
mit welchen Maßnahmen die Regierung gegen diese katastrophale Entwicklung vorgehen
wird.

Statt der Kürzungen im Lehrerbereich sollte ein umfassendes Förderlehrersystem
aufgebaut werden. Die Zahl der PflichtschullehrerInnen darf trotz rückgehender
SchülerInnenzahlen nicht gekürzt werden, bis ein Kontingent von 10 % an
FörderlehrerInnen erreicht ist.

Bildungsbudget

Die öffentlichen Bildungsausgaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) sinken in
Österreich weiter. Dies zeigt die am 13. September 2005 präsentierte neue Ausgabe der
OECD-Studie "Education at a Glance" (Bildung auf einen Blick). Wurden 1997 noch 6,0
Prozent des BIP für Bildung ausgegeben, waren es 2002 (die Studie des Jahres 2005
erfasst die Entwicklung nur bis zum Jahr 2002) nur mehr 5,4 Prozent. Der
Durchschnittswert betrug in den OECD-Staaten sowohl 1997 als auch 2002 5,1 Prozent des
BIP. Damit liegt Österreich, das über viele Jahre einen Spitzenplatz bei den
Bildungsausgaben innehatte, nur mehr knapp über dem OECD-Schnitt. Berücksichtigt man,
dass die massivsten Einsparungen erst nach dem Jahr 2002 stattgefunden haben, ist
davon auszugehen, dass Österreich im Jahr 2005 im OECD-Vergleich bereits
unterdurchschnittliche Bildungsausgaben aufweist.

In der aktuellen Studie wird die Entwicklung in den Jahren 1995 bis 2002 verglichen. Dabei
weist Österreich nach Irland den größten Rückgang bei den Bildungsausgaben aus. Die
OECD stellt dazu fest: „Der Anstieg der Ausgaben für Bildungseinrichtungen zwischen 1995
und 2002 blieb tendenziell in ungefähr der Hälfte der 21 OECD-Länder mit verfügbaren
Daten hinter dem Wachstum des Volkseinkommens zurück. Die größten Unterschiede
waren in Irland, Österreich, der Slowakischen Republik, Spanien und der Tschechischen
Republik zu beobachten, wo der für Bildungsausgaben verwendete Anteil des BIP zwischen
1995 und 2002 um mindestens 0,4 Prozentpunkte sank." („Bildung auf einen Blick 2005",
Seite 196)


Im Vergleich zu den Gesamtausgaben des Bundes haben sich die Bildungsausgaben von
2000 auf 2006 in wesentlich geringerem Ausmaß erhöht. Insgesamt stiegen die
Bildungsausgaben in diesem Zeitraum um 9 %. Das Gesamtbudget hingegen stieg um
14%.

 

Jahr

Gesamtbudget     des
Bundes in Mio. Euro

Bildungsbudget   des
Bundes in Mio. Euro

2000

58,247

7,777

2006

66,161

9,093

Quelle: Budgetbericht 2006: Bericht der Bundesregierung

Die Ausgaben für das Gesamtbudget steigerten sich um 5 % mehr als die für Bildung. In
absoluten Zahlen beträgt diese Differenz 350 Mio. Euro. Das macht die Prioritätensetzung
der derzeitigen Bundesregierung deutlich. Ein bildungspolitischer Schwerpunkt ist in den
Budgetzahlen jedenfalls weit und breit nicht zu finden.

Österreich fehlen Studierende und AkademikerInnen

Die Einführung von Studiengebühren hat einen Rückgang der Studierendenzahlen um

20% auf 194.776 Studierende bewirkt. Auch wenn in der Zwischenzeit die Anzahl der
StudienanfängerInnen wieder auf das Niveau vor der Einführung der Studiengebühren
gestiegen ist, liegt die Gesamtzahl der Studierenden im Jahr 2005 mehr als 10 % unter dem
Niveau von 1999. Zur Zeit sind 211.000 Studierende an österreichischen Unis inskribiert.
Österreich ist neben Frankreich das einzige Land, in dem es in dem für die OECD-Studie
relevanten Erhebungsjahr weniger Studierende gab als 1995. Österreich hatte mit 241.576
Studierenden im Wintersemester 2000/01 bereits vor Einführung der Studiengebühren
deutlich weniger Studierende als die meisten EU- und OECD-Staaten.

Faktum ist, dass nicht nur die Anzahl an Studierenden in Österreich, sondern auch die
Akademikerlnnenquote weit unter dem OECD-Schnitt liegt. In keinem dieser Bereiche hat
sich Österreich innerhalb des für die OECD relevanten Untersuchungszeitraumes steigern
können. Das ist ein bildungspolitisches Armutszeugnis. Die AkademikerInnenquote in
Österreich ist mit 15 % im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich; der OECD-
Durchschnitt beträgt 24 %. In den USA, in Japan, Finnland, Schweden und Australien liegt
die AkademikerInnenquote über 30 %, in Kanada sogar bei 44 %.

 

OECD-
Staaten

AkademikerInnenquote
in Prozent

Kanada

44

USA

38

Japan

37

Finnland

33

Schweden

33

Dänemark

32

Australien

31

Neuseeland

31

Norwegen

31

Belgien

29

Korea

29

Großbritannien

28

Schweiz

27

Irland

26

Island

26

Spanien

25


Niederlande

24

Deutschland

24

Frankreich

23

OECD-Schnitt

24

Griechenland

18

Luxemburg

15

Mexiko

15

Österreich

15

Quelle: OECD-Kennzahlen 2004

Laut Weltbank ist Österreich nach der Schweiz, Dänemark, Schweden, USA und
Deutschland das 7. reichste Land der Welt. Verglichen mit diesem Reichtum ist die
AkademikerInnenquote beschämend niedrig - als einziges der sieben reichsten Länder der
Welt liegt Österreichs AkademikerInnenquote unter dem OECD-Schnitt. Für die zukünftigen
Herausforderungen der Globalisierung - Stichwort: Wissensgesellschaft - ist das eine
denkbar schlechte Ausgangslage.

Nachdem sich die Zahl der Studierenden in den letzten 40 Jahren vervierfachte, die Anzahl
der HochschullehrerInnen jedoch nur um den Faktor 1,9 stieg, hat sich das
Betreuungsverhältnis (Studierende/Lehrende) und damit wohl auch die Qualität des
Unterrichtes verschlechtert. Laut Statistischem Taschenbuch des
Wissenschaftsministeriums kommen in Österreich ca. 20 Studierende auf einen Lehrenden.
Damit liegt Österreich in negativem Sinne deutlich über dem OECD-Ländermittel von 15
Studierenden pro Lehrkraft. Darunter liegen etwa Schweden mit 9, Japan mit 11 sowie
Finnland und Deutschland mit 12 Studierenden pro Lehrer/in.

Überdurchschnittlich an der Bildungspolitik der Regierung ist lediglich, dass es in Österreich
(wie sonst nur noch in Deutschland) eine OECD-weit einzigartige und überproportional
hohe soziale Selektion Studierender gibt: Der OECD-Bildungskoordinator Andreas
Schleicher kritisiert denn auch, dass die soziale Zugehörigkeit hierzulande stärker über die
Teilhabe an höherer Bildung entscheidet als die individuelle Leistung. Die sogenannte
„Kolland-Studie" des Bildungsministeriums über „Auswirkungen der Einführung von
Studiengebühren auf die Studienbeteiligung und das Studierverhalten" belegt diesen
Zusammenhang.

Österreich braucht mehr und nicht weniger Studierende, um den Anschluss an die
europäische Spitze zu finden. Die Grünen treten daher für einen Ausbau der Studienplätze
von 200.000 auf 300.000 ein. Laut OECD betragen die Ausgaben pro Studierender in
Österreich durchschnittlich rund 7.000.- €. Daher würden die Kosten für die mittelfristige
Anhebung der Studienplätze um 100.000 etwa 700 Millionen - € jährlich betragen.

Bereits im Juni 2001 hat Ministerin Gehrer in Zusammenhang mit der Einführung eines
neuen Dienstrechts an den Universitäten die Besetzung von 500 „Vorziehprofessuren"
versprochen. Dieses nach wie vor nicht eingelöste Versprechen harrt dringend einer
Umsetzung.

Studienplätze für ÖsterreicherInnen in Gefahr

Die Regierung hat Zugangsbeschränkungen an den österreichischen Universitäten
eingeführt. Faktum ist, dass nicht nur die AkademikerInnenquote, sondern auch die
Hochschulübertrittsquote, also die Zahl der Übertritte von MaturantInnen an die Unis, in
Österreich weit unter dem europäischen Schnitt liegen. Dies mit Zugangsbeschränkungen
zu beantworten ist kontraproduktiv. Österreich braucht nicht weniger, sondern mehr
Studierende, um den Anschluss an die europäische Spitze zu finden. Dazu bedarf es eines
klaren politischen Bekenntnisses mit einem entsprechenden Universitäts-Budget.

 


Die OECD-Kennzahlen belegen, dass die Hochschulzugangsquote, also die
Übertrittsraten von MaturantInnen in den tertiären Bildungssektor, in Österreich geringer
sind als in vergleichbaren Staaten. So hat Österreich ein Hochschulzugangsquote von
lediglich 35 %, während im OECD-Ländermittel 53 % eines Maturajahrganges an einer
Universität oder FH studieren. In Island, Neuseeland, Schweden, Finnland und Polen sind
es sogar über 70 %. Kurz: In der OECD studiert jeder zweite, in Österreich nur jeder Dritte.

 

OECD-
Staaten

Zahl   der   Übertritte   von
MaturantInnen               an
Universitäten in Prozent

Island

83

Neuseeland

81

Schweden

80

Finnland

73

Polen

70

Norwegen

68

Australien

68

USA

63

Italien

54

Dänemark

53

OECD-Schnitt

53

Niederlande

52

Korea

50

Großbritannien

48

Spanien

46

Japan

42

Irland

41

Slowakei

40

Frankreich

39

Schweiz

38

Deutschland

36

Österreich

35

Belgien

34

Quelle: OECD-Kennzahlen 2004

Im OECD-Ländermittel absolvieren 66 % eines Jahrgangs im typischen Abschlussalter die
Matura (AHS + BHS). Der betreffende Wert liegt in Österreich lediglich bei 36,4 %. Niedrige
MaturantInnenquoten und unterdurchschnittliche Hochschulzugangsquoten verstärken
Österreichs schlechte Bildungsposition und legitimieren die Forderung nach höheren
Studierendenzahlen.

Maßnahmen zur Erhöhung der AkademikerInnenquote

Das Prinzip des offenen Hochschulzugangs darf nicht in Frage gestellt werden. Es müssen
dringend substantielle Gespräche auf europäischer Ebene geführt werden, um langfristig
eine gemeinsame Regelung zur Frage der grenzüberschreitenden Studierendenströme,
insbesondere ihrer Finanzierung zu erreichen. Die Regierung hat hier viel zu spät und in
kaum vorausschauender Form auf das seit langem erwartete und vorhersehbare EUGH-
Urteil reagiert. Die nun von Wissenschaftsministerin Gehrer geführten Gespräche haben
bislang zu keinen nennenswerten Ergebnissen geführt.

Es gibt keine offiziellen und begründeten Zahlen, wie viel Studierende in einzelnen
Studienrichtungen kapazitätsmäßig bewältigt werden können. Eine genaue Prüfung und
Bedarfserhebung für die einzelnen Studienrichtungen ist daher dringend erforderlich. Die
Forderung nach einer Studienplatzbewirtschaftung, um gewisse Ausbildungsqualitäten zu
garantieren,  muss diese Verbesserungen sichtbar machen.  Erst die Offenlegung aller


Studienplatzkapazitäten ermöglicht eine sachgerechte Diskussion. Mobilitätsfördernde
Maßnahmen könnten einen innerösterreichischen Ausgleich zwischen Überbelegung und
freien Studienplätzen schaffen.

Durch Studieneingangsphasen sollte den Studierenden eine Orientierungshilfe über die
Universität im allgemeinen und ein breiter Überblick über die Studienrichtungen eines
Fachbereichs gegeben werden. Nach dieser Eingangsphase soll die Wahl jedes beliebigen
Studiums möglich sein und nicht als Studienwechsel zählen. Anrechnungen besuchter
Lehrveranstaltungen jeder Richtung sollen in dieser Phase im Sinne der Interdisziplinarität
und Orientierung leicht möglich sein.

Die Schnittstelle Schule - Universität soll zu einer Nahtstelle werden: Zur Erleichterung des
Übergangs von der Schule zur Universität sollten ab der 7. Klasse verstärkt
Informationstage mit Berufs- und Studienberatung sowie „Schnupperwochen" an tertiären
Bildungseinrichtungen angeboten werden.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1.   Die Bildungsausgaben sind in Österreich in den letzten Jahren im Verhältnis zu
den Gesamtausgaben des Staates gesunken. Wie lange werden Schulen und
Universitäten noch kaputt gespart?

2.                In  den  nächsten  Jahren  droht eine  LehrerInnen-Massenarbeitslosigkeit  im
Ausmaß von bis zu 12.500 Stellen. Wie viele arbeitslose LehrerInnen nehmen Sie in
Kauf?

3.                Im   PISA-Siegerland   Finnland   gelten   nur  6   Prozent   der   15-jährigen   als
„RisikoschülerInnen" im Sprachbereich, während es in Österreich 20 Prozent sind.
Was werden Sie unternehmen, um diese Differenz von 14 Prozent auszugleichen?

 

4.         Österreich hat eine AkademikerInnenquote, die weit unter dem Durchschnitt der
OECD-Länder liegt. Wann werden Sie die Zahl der Studienplätze von 200.000 auf
300.000 anheben, um im internationalen Vergleich aufzuholen?

5.         Während in Österreich nur 35 Prozent der SchülerInnen nach der Matura zu
studieren beginnen, sind es in Finnland und Schweden über 70 Prozent. Wie soll die
niedrige Anzahl von StudienanfängerInnen erhöht werden, wenn Sie gleichzeitig
Uni-Zugangsbeschränkungen einführen?

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieser Anfrage unter Verweis auf §93
Abs.2 GOG verlangt.