3955/J XXII. GP
Eingelangt am 15.02.2006
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind
möglich.
ANFRAGE
der Abgeordneten Öllinger, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Inneres
betreffend verfassungs- und rechtswidrige Bespitzelung von Abgeordneten und BürgerInnen
Am Donnerstag, 19.1. 2006, fand in Villach am
Hauptplatz eine von den Grünen angemeldete Kundgebung statt, bei der anlässlich
des informellen Treffens der EU-Sozialminister in Villach auf die Schere
zwischen Arm und Reich innerhalb der Europäischen Union hingewiesen wurde.
Bei dieser Kundgebung waren Funktionäre der Grünen, Gemeinderäte, die
Kärntner Landtagsabgeordneten Barbara Lesjak und Rolf Holub und der
Anfragesteller Karl Öllinger anwesend.
Im Verlauf der Kundgebung wurden auch - teilweise vertrauliche - Gespräche
mit PassantInnen und über Mobiltelefon geführt.
Auch Mag. Markus Platzer, Leiter der Sicherheits- und Kriminalpolizeilichen
Abteilung, besuchte gegen Mittag die Kundgebung und stellte an den
Landesgeschäftsführer der Kärntner Grünen die Frage, ob die zwei Herren, die
vor einem Parfümeriegeschäft mit einem großen tragbaren Koffer postiert waren,
auch Teilnehmer der Kundgebung seien.
Die Herren, die – wie aus
Fotos hervorgeht – offensichtlich mit Filmkamera und Mikrophon die Kundgebung
observierten, wurden von Funktionären der Grünen über ihre Tätigkeit befragt
und gaben dabei ausweichende Antworten, wie etwa, dass es sich ihrem Gerät um
ein Feinstaubmessgerät handle.
Von einem Funktionär der Grünen wurde ich (Karl Öllinger) daraufhin auf die
Observierung aufmerksam gemacht, wobei er einen der Observanten als ihm
namentlich bekannten Beamten der Abteilung für Verfassungsschutz beschrieb.
Ich habe daraufhin den Klubdirektor des Parlamentsklubs der Grünen angerufen, ihn über die Situation informierte und um eine rechtliche Bewertung gebeten. Unmittelbar nach diesem Telefongespräch verließen die beiden Herren samt ihren elektronischen Geräten den Platz.
Alle während und seit diesem Vorfall eingeholten Informationen bzw. das
Fotomaterial machen glaubhaft, dass eine angemeldete Kundgebung der Grünen und
die Anwesenheit von grünen Abgeordneten durch Ihre Behörde überwacht,
dokumentiert und bespitzelt wurde.
Da die Anwesenheit von Landtags- und Nationalratsabgeordneten der Grünen
schon im Vorfeld der Kundgebung bekanntgegeben wurde, kann die Überwachung der
Kundgebung mittels Videokamera und Mikrophon nur als bewusster Akt der
Bespitzelung von Abgeordneten und BürgerInnen interpretiert werden.
Die Überwachung von Abgeordneten durch
Kamera und Mikrofon stellt nach Ansicht der AnfragestellerInnen nicht nur einen
Verstoß gegen die Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes und gegen die
Grundrechte wie das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art 10 MRK) und das Recht
auf freie Berufsausübung (Art 4 MRK) sondern auch eine gravierende Verletzung des
Grundsatzes des freien Mandats (Art 56 B-VG) und allenfalls der Immunität von
Abgeordneten (Art 57 B-VG) dar.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
Der erst jüngst novellierte § 54 des Sicherheitspolizeigesetzes bestimmt in Absatz 7, dass die Sicherheitsbehörden ermächtigt sind, an öffentlichen Orten personenbezogene Daten mittels Bild – und Tonaufzeichnungsgeräten zu ermitteln, wenn an diesen Orten oder in deren unmittelbarer Nähe nationale oder internationale Veranstaltungen unter Teilnahme von besonders zu schützenden Vertretern ausländischer Staaten, internationaler Organisationen oder anderer Völkerrechtssubjekte (§ 22 Abs. 1 Z 3) stattfinden. Diese Massnahme darf nur in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Veranstaltung und bei Vorliegen einer Gefährdungssituation gesetzt werden und ist auf eine Weise anzukündigen, dass sie einem möglichst weiten Kreis potentiell Betroffener bekannt wird. Die ermittelten Daten dürfen zur Abwehr und Aufklärung gefährlicher Angriffe und zur Abwehr krimineller Verbindungen sowie für Zwecke der Fahndung (§ 24) verwendet werden. Soweit sie nicht zur weiteren Verfolgung aufgrund eines Verdachts strafbarer Handlungen erforderlich sind, sind sie nach längstens 48 Stunden zu löschen.
1). Durch welche Behördeneinheit wurde die
beschriebene Bespitzelung
vorgenommen?
2). Stützte sich die Ermittlung auf den § 54 Abs. 7 des
Sicherheitspolizeigesetzes?
3). Wenn ja:
a)
Welche
Gefährdungssituation war durch die Kundgebung der Grünen gegeben?
b)
Wer waren
die „besonders zu schützenden“ Personen bzw. Vertreter?
c)
Sind
Abgeordnete zum Nationalrat bzw. zum Landtag auch „besonders zu schützende
Personen im Sinne des Sicherheitspolizeigesetzes?
d)
Durch welche
Handlungen Ihrer Behörden wurden im konkreten Fall die beteiligten Abgeordneten
in ihren Rechten geschützt?
e)
Durch welche
Handlungen Ihrer Behörden wurden im konkreten Fall die BürgerInnen, die sich an
die Abgeordneten wandten, in ihren Rechten geschützt?
f)
Warum wurde
die Überwachung gegenüber Kundgebungsteilnehmern verheimlicht und nicht – wie
gesetzlich vorgeschrieben – auf eine Weise angekündigt, dass sie einem
möglichst weiten Kreis potentiell Betroffener bekannt wird?
g)
Hat die
ermittelnde Behörde rechtswidrig gehandelt?
h)
Hat die
ermittelnde Behörde gegen das Sicherheitspolizeigesetz verstoßen und damit die
Betroffenen und insbesondere die
Abgeordneten in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt?
i)
Welche
Maßnahmen haben Sie mittlerweile in der beschriebenen Angelegenheit
unternommen?
j)
Welche
Maßnahmen werden Sie setzen, damit Ihre Behörden in Zukunft das rechtskonform ermitteln?
4). Wenn nein:
a)
Auf welche
sonstige gesetzliche Grundlage wurde die Bespitzelung von Abgeordneten und BürgerInnen
bei der Kundgebung der Grünen am 19.1. 2006 gestützt?
b)
War die
Bespitzelung gegen konkrete Abgeordnete gerichtet und handelte es sich in
diesem Fall daher um eine Verfolgung im Sinne Art 57 B-VG, vor deren
Inangriffnahme die Zustimmung des Nationalrats hätte eingeholt werden müssen?
5). Was geschah mit den ermittelten Daten?
6). An wen wurden die ermittelten Daten übermittelt bzw. weitergegeben?