4480/J XXII. GP
Eingelangt am 30.06.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Dr. Matznetter
und GenossInnen
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend Zigarettenschmuggel in Österreich und der Europäischen Union
In den letzten Jahren hat sich die
„Organisierte Kriminalität“ zusehends auf den
Schmuggel von Tabak verlagert. Während
Drogenschmuggel mit hohen Strafen
geahndet wird, wird Tabakschmuggel in Österreich
als reines Zolldelikt geahndet. Es
sind mir in den letzten Wochen Informationen zugegangen, die den österreichischen
und den europaweiten
Zigarettenschmuggel betreffen. Dabei stellt sich folgender
Sachverhalt dar:
Das Unternehmen Weswaldi
International Ltd. mit Sitz in Zypern (Teileigentümer
Helmut Günter
Weswaldi, österr. Staatsbürger, ebenfalls
Eigentümer von Günther
Weswaldi Marketing-Logistic
GmbH) steht mit mehreren Duty Free Shops in
Rumänien,
Bosnien Herzegowina, der Tschechischen Republik bzw. Slowakischen
Republik in geschäftlichem Kontakt und beliefert diese mit
Zigaretten der Gallaher
Austria Tabak Europe
GmbH & Co KG.
Konkret stellt sich das folgendermaßen dar:
Weswaldi bestellt über die zypriotischen Unternehmen
Platinium Leaf Limited
(Zypern, Limassol) und BDF Distribution Ltd. (Zypern, Limassol) in regelmäßigen
Abständen (ca. 3
mal pro Woche) Zigaretten der Marken Memphis Classic, Memphis
lights, Milde Sorte,
Memphis Blue, Memphis Blue lights, etc... bei Gallaher Austria
Tabak Europe GmbH & Co KG (Österreich,
Wien), die für Duty Free Shops in
Rumänien bestimmt sind. Die Zigaretten
sind u.a. für den Standort Signus
Distribution S.A. in Curtici oder Globus International SRL Duty Free Shop in
Nadlac
sowie für das Zollfreilager in Curtici
bestimmt. Der Umfang der Zigarettenlieferung
beträgt pro LKW-Lieferung ca. 4. bis 6
Mio. Stück Zigaretten (200.000 bis 300.000
Stangen Zigaretten).
Die
Zigaretten werden auf zwei verschiedene Formen in die Duty Free Shops bzw. in
das Zolllager Curtici
geliefert:
Einerseits erreichen
die Zigaretten von Österreich stammend das rumänische
Staatsgebiet, indem sie von der Zollfreizone an der Grenze in organisierter
Weise
über einen „Ameisenverkehr" von den Duty Free
Shops nach Rumänien
geschmuggelt werden. Im Detail sieht dieser
„Ameisenverkehr" wie folgt aus: Die in
die Duty Free Shops gelieferten Master
Cases (50 Stangen pro Schachtel) werden
geöffnet und einzelne Stangen werden
via Hintertür an Schmuggler verteilt bzw.
verkauft. Diese Schmuggler lagern die
Zigarettenstangen in ihre Privat-PKW um und
schleusen sie in Kolonnen durch den rumänischen Zoll.
Eine
andere Form des Schmuggels geschieht dadurch, dass große Mengen,
der auf
den LKW geladenen
Zigaretten, kurz vor dem Grenzlager Curtici direkt auf einen
anderen LKW geladen werden. Der neu beladene LKW schmuggelt die Zigaretten
direkt nach Österreich zurück. Die restlichen Zigaretten werden in
das Zolllager
Curtici gebracht und werden dort vom rumänischen Zoll als gesamte Ladung
deklariert. Die LKW werden in Ungarn zwar bis zur rumänischen Grenze von einer
ungarischen Sicherheitsfirma begleitet, in Rumänien fährt der LKW jedoch ohne
Begleitschutz, wodurch das vorzeitige Ausladen erst ermöglicht wird.
Die österreichischen
Zigarettenmarken werden via „Ameisenverkehr"
in Rumänien in
Zwischenlager
gebracht, in Tarnladungen verpackt und per LKW bzw. Schiff nach
Österreich zurückgeschmuggelt.
Folgende Schmuggelwege wurden mir für österreichische Zigaretten genannt:
•
Rumänien →Bulgarien →Mazedonien → Griechenland
→Italien →
Österreich
• Rumänien → Ungarn→Österreich
Es handelt
sich dabei um in Österreich hergestellte Zigaretten! Die
Zigaretten werden
von den Schmugglern
in österreichische Großlager (Wien, Krems, etc..) gebracht,
und über Kleindealer auf dem österreichischen Schwarzmarkt (bis zur
Lieferung in
die Wohnung) verkauft.
Gallaher muss es in
den letzten Jahren aufgefallen sein, dass es zu einer
Überlieferung von Duty Free Shops
vor allem in Rumänien durch die Gruppe
Weswaldi gekommen ist. Der Konzern wurde auch von der Antibetrugsbehörde der
EU (OLAF) mit diesem Sachverhalt
konfrontiert. Erst die Überlieferung der Duty Free
Shops ermöglichte das Schmuggeln von österreichischen
Zigarettenmarken. Auffällig
ist, dass der
Gallaher Konzern mit Unternehmen (Weswaldi, Platinium Leaf)und
Menschen (Helmuth Weswaldi, ...) geschäftlich in Kontakt ist, die beim großen
Reemtsma Tabakskandal in Deutschland
verwickelt waren.
Während vorhin
der Schmuggel von in Österreich produzierten Zigaretten
dargestellt
wurde, wurde ich auch
über die Fälschung von österreichischen Zigarettenmarken
(v.a. Memphis)
informiert. Meinen Informationen zufolge werden in China gefälschte
Zigaretten
der Marke Memphis hergestellt und über Zypern → Rumänien →
Bulgarien
→ Mazedonien → Griechenland → Italien → bzw. mit
dem Schiff über
Deutschland (Hamburg,
ein Container wurde im März
2006 beschlagnahmt) nach
Österreich geschmuggelt. Die gefälschten Zigaretten sind nur durch die Länge der
Filter als gefälscht identifizierbar.
Der Zigarettenschmuggel wird
bekanntlich in ganz Europa betrieben. Die
Steuereinahmen aus dem Zigarettenverkauf
gingen in den letzten Jahren dramatisch
zurück. Österreich stellt aufgrund seiner
geografischen Lage und seiner geringen
Strafen für Tabakschmuggel eine wichtige
Drehscheibe im internationalen
Schmuggel dar.
Laut dem Magazin des
Innenministeriums „Öffentliche Sicherheit" (NR.
3-4/2004
März bis April) beschlagnahmten
Zollfahnder im Jahr 2003 allein in Ostösterreich 87
Millionen Zigaretten im Wert von 13 Millionen Euro - um 12 Millionen Zigaretten
mehr
als im bisherigen Rekordjahr 2001. Über
90 Prozent davon wurden in
Großsicherstellungen aus dem Verkehr
gezogen, das sind Sicherstellungen von
mehr als 10.000 Zigaretten. Bundesweit gingen den Fahndern über 100 Millionen
geschmuggelte Zigaretten ins Netz. Bisher lag der Rekord bei 90 Millionen aus
dem
Jahr 2001, 1995 zogen
die Zollfahnder 27 Millionen Zigaretten aus dem Verkehr.
Sie haben sich im letzten Jahr der Aufdeckung großer Zigarettenschmuggel
gebrüstet!
10.08.2005 OTS 160 „Riesenerfolg des Zolls..."
11.08.2005 OTS 175 „Wieder erfolgreicher Zigarettenaufgriff"
19.10.2005 OTS 287 „Schwunghafter Zigarettenschmuggel in Wien aufgeflogen"
16.12.2005 OTS 164 „Ungarischer Zigarettenschmuggler von Beamten des
Zollamtes Wien bei Übergabe von mehr als 3 Millionen Schmuggelzigaretten
festgenommen"
Nach
vorliegenden Informationen sind die eben beschriebenen Aktivitäten nur
einige
plakative Aktionen,
die aber den Gesamtumfang des Zigarettenschmuggels kaum
erfassen. Insbesondere der oben beschriebene Schmuggel „en gros“ wird de facto
nicht verfolgt. Des Weiteren liegen uns Informationen vor, die besagen, dass
die
Zusammenarbeit zwischen dem
Bundeskriminalamt des Innenministeriums und der
österreichischen Zollfahndung nicht
optimal funktioniert. Das ist auch kein Wunder,
da der österreichischen Zollverwaltung
fast ihr gesamtes Personal weggenommen
wurde. Ein Beispiel für die fehlenden Ressourcen ist,
dass Erkenntnisse aus dem
von EUROPOL
initiierten Analytical Work File (AWF) von den Finanzbehörden
zumeist nicht an das
Bundeskriminalamt weitergeleitet werden.
Inhaltlich bemerkenswert ist, dass
die Regierung Schüssel die Austria Tabakwerke
im Jahr 2001 viel zu billig an die Gallaher
Group Plc verkauft hat. Politisch brisant ist,
dass genau diese Privatisierung erst den Ausbau des oben beschriebenen
Schmuggels in Österreich möglich gemacht hat. Hier wird das Schüssel System
„Mehr privat, weniger Staat"
konsequent weiterentwickelt. Nicht einmal die Tabak-
und Umsatzsteuer wird gezahlt. Auffällig
war im Zusammenhang mit der
überfallsartigen Einführung der EU-rechtswidrigen
Mindestpreisregelung, dass die
österreichische
Bundesregierung und die Regierungsparteien bei den Wünschen des
Gallaher Konzerns
besonders entgegengekommen sind. Faktisch bedeutet die
Mindestpreisregelung bei Zigaretten eine Unterstützung des Schmuggels. Der
Marktwert der Schmuggelzigarette wird durch den Preisabstand zu den billigsten
Zigaretten noch „verbessert".
Da offensichtlich auch amtsbekannt
ist, dass die in Österreich hergestellten
Zigaretten (österreichische
Marken!) für insbesondere rumänische Duty Free
Shops
auf den Weg des „Ameisenverkehrs" in Millionen Stück zurück nach Österreich
rückgeschmuggelt
werden, ist es unverständlich, dass nicht die gesamte Kette, vom
erzeugenden
Produzenten, der Vertriebsfirmen bis zu den Hintermännern der
organisierten Kriminalität aufgerollt
wird.
Die österreichischen TrafikantInnen sehen sich
in den letzten Jahren einer immer
schwieriger werdenden wirtschaftlichen Situation durch den Zigarettenschmuggel
ausgesetzt. Peter Trinkl, Obmann des Bundesgremiums der Tabaktrafikanten in der
Wirtschaftskammer Österreich
(WKÖ), meint in einer Presseaussendung vom 4. April
2006: „Die Trafikanten in Österreich verlieren durch
Zigarettenschmuggel einen
Verdienst von zirka 62 Millionen Euro.
Davon könnten bis zu 1.000 Trafikanten samt
Mitarbeitern leben".
Aus den oben
genannten Informationen ist davon auszugehen, dass dem
österreichischen
Staat die Hälfte der möglichen Steuereinnahmen von über 1,4 Mrd.
Euro entgehen. Dies
entspricht zumindest dem gleichen Betrag, wie das Budget
2006 Einnahmen aus der Tabaksteuer
vorsieht.
Aufgrund der zahlreichen
Problemstellungen hinsichtlich der oben beschriebenen
Sachverhalte richten die unterzeichneten
Abgeordneten an den Bundesminister für
Finanzen nachstehende
Anfrage:
1. Warum gibt es keine Ermittlungen im Gallaher Konzern?
2.
Warum wird
nicht die Befragung der Verantwortlichen in der Herstellerfirma
des Gallaher Konzerns bezüglich der
offensichtlichen Überlieferung von Duty
Free Shops durchgeführt?
3.
Wurden die Vermögensverhältnisse der
verantwortlichen Produzenten
hinsichtlich unerklärbarer Vermögens- und Einkommensverhältnisse
untersucht?
4.
Wurden die Vermögensverhältnisse der
Händler im
Genaueren hinsichtlich
unerklärbarer Vermögens- und Einkommensverhältnisse untersucht?
5.
Warum wurden bis dato nicht die Großlager
ausgehoben, sondern immer nur
einzelne LKW
Lieferungen?
6.
Warum funktioniert die Zusammenarbeit zwischen BKA und Zollbehörden bei
der Verfolgung von
Zigarettenschmuggler nicht optimal?
7.
Falls die Zusammenarbeit Ihrer Meinung nach gut funktioniert, warum
gibt es
nicht mehr gemeinsam erarbeitete Fahndungserfolge?
8.
Falls die
Zusammenarbeit Ihrer Meinung nach nicht gut funktioniert, was
haben Sie für Schritte
gesetzt, bzw. werden Sie für Schritte zur Verbesserung
der Zusammenarbeit
der beiden Ermittlungsbehörden
setzen?
9.
Wäre es nicht besser gewesen, eine uniformierte und
bewaffnete Zollwache
zur Bekämpfung des Schmuggels beibehalten zu
haben?
10.
Warum ist die
Rufbereitschaft der österreichischen Zollfahndung am
Wochenende so unterbesetzt (eine Person),
dass dringend notwendige
Einsätze bei der Schmuggelbekämpfung nicht mehr möglich sind?
11. Wurde in den letzten Jahren im Bereich Zollfahndung Personal eingespart?
12. Wenn ja, wie viel und warum?
13.
Warum haben Sie die Ressourcen für Ermittlungen in
Ihrem Amtsbereich noch
zusätzlich dadurch geschwächt, indem Sie die "Kontrolle
illegaler Ausländer-
Beschäftigung"
(KIAB) aufgelöst haben und die Beamten auf die einzelnen
Finanzämter verteilt haben?
14.
Warum ist die
Zusammenarbeit mit den rumänischen
Behörden zur
Unterbindung des „Ameisenverkehrs"
zwischen Duty Free Shops und
rumänischen Staatsgebiet unterblieben?
15.
Wenn die Zusammenarbeit mit den rumänischen Behörden nicht
funktioniert
hat, wurden die EU
Betrugsbehörden (OLAF) darüber - vor allem hinsichtlich
der Erfüllung der EU Kriterien für den Beitritt Rumäniens zur Europäischen
Union per 1.1.2007 - informiert?
16. Wenn nein, warum nicht?
17.
Wurde von Seiten der österreichischen Behörden die
Antibetrugsbehörde der
Europäischen Kommission „OLAF"
eingeschaltet?
18. Wenn ja, wie sehen die Ergebnisse der Zusammenarbeit aus?
19.
Wenn nein, warum wurde die Antibetrugsbehörde der Europäischen
Kommission „OLAF" nicht eingeschaltet?
20.
Wurden Geschäftsaufzeichnungen der Hersteller, der Händler sichergestellt,
um die Überlieferung
von Duty Free Shops in Kroatien, Rumänien, Polen, der
Tschechischen Republik und der Slowakischen Republik mit österreichischen
Zigaretten zu
dokumentieren?
21.
Fast alle Fahndungserfolge des Rückschmuggels österreichischer
Zigaretten
aus dem Ausland gehen
auf jene privaten Fahnder zurück,
die vom
Bundesgremium der Trafikanten finanziert
wurde. Ist Ihnen bekannt, dass der
Gallaher Konzern die diesbezügliche
finanzielle Unterstützung für das
Bundesgremium der Trafikanten in der Wirtschaftskammer Österreich
zurückgezogen hat?
22. Wenn ja, welche Schlüsse ziehen Sie daraus für die weiteren Ermittlungen?
23. Wenn nein, werden Sie unverzüglich Ermittlungen aufnehmen?
24.
Warum ist die Abgabe der Tabaksteuern, z.B. in Form einer Steuermarke,
für
den Konsumenten auf
der Schachtel nicht ersichtlich?
25.
Erscheint es
Ihnen nicht auffällig, dass der Verkauf von
Zigaretten nach
Rumänien über Zypern
fakturiert wird, wo doch bekannt ist, dass Zypern durch
die Form von Offshore
LTD ein besonderes Steuerparadies ist?
26.
Sind die Verrechnungen über die zypriotischen Unternehmen so
auffällig,
dass entsprechende Maßnahmen zur Vermeidung von
Ertragssteuerverkürzung erforderlich sind?
27.
Wenn ja, welche Maßnahmen wurden bisher
ergriffen und werden in Zukunft
ergriffen?
28. Wenn nein, warum nicht?