4573/J XXII. GP

Eingelangt am 12.07.2006
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend Blutzoll auf Eisenbahnkreuzungen – Taferl als Scheinlösung

 

 

Der Blutzoll auf österreichischen Eisenbahnkreuzungen ist – das haben mehrere Unfälle in den letzten Wochen unterstrichen – immer noch unzumutbar hoch: 141 getötete und 537 verletzte Menschen bei 495 Unfällen auf österreichischen Eisenbahnkreuzungen waren in den Jahren 2000 – 2005 zu verzeichnen. In die „Ära Gorbach“ fallen davon 240 Unfälle mit 236 verletzten und 78 getöteten Menschen. 
 
Seit 1999 gab es zumindest drei offensichtlich wenig wirksame bis untaugliche und mit sachlichen Unzulänglichkeiten (etwa fehlende Festlegungen zu § 6) versehene Versuche, den entsprechenden rechtlichen Rahmen (Eisenbahnkreuzungs-Verordnung) zu verbessern. 
 
Nachdem es seit Jahren nicht gelungen ist, die Sicherungsmaßnahmen an österreichischen Eisenbahnkreuzungen für alle Verkehrsteilnehmer zu verbessern, soll nun trotz Gesprächsrunden des BMVIT mit Selbsthilfeorganisationen behinderter Menschen erneut keine sichere Lösung für alle VerkehrsteilnehmerInnen – also auch für Hör- und Sehbehinderte – erfolgen. Denn das jahrelange Nachdenken über die Verbesserung der Sicherheit an den österreichischen Eisenbahnkreuzungen wurde mit der Erfindung eines kleinen Taferls, des so genannten „Pfeifsignal“-Schilds, eindrucksvoll „abgeschlossen“.
 
Leider bringt diese vom BMVIT zB in der APA (22. März 2006) als geradezu sensationelle Verbesserung der Sicherheit an Eisenbahnkreuzungen dargestellte Lösung für seh- und hörbehinderte Menschen keinerlei Fortschritt. Nach großangelegten Gesprächsrunden und jahrelangen behördlichen Überlegungen mit einem ungeeigneten Taferl konfrontiert zu werden sorgt daher verständlicherweise für Unmut unter den Betroffenen. Weder ist verständlich, warum im Ressort keine für alle VerkehrsteilnehmerInnen geeigneten Lösungsansätze entwickelt werden konnten, noch wurde bekannt, dass der Minister als politisch Verantwortlicher diesem Thema die nötige Aufmerksamkeit gewidmet hätte. 
 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1.      Bereits in den vergangenen Jahren wurde der Verkehrsminister in mehreren parlamentarischen Anfragen auf die Sicherheitsdefizite an österreichischen Eisenbahnkreuzungen hingewiesen, in genereller Hinsicht wie auch speziell im Zusammenhang mit den Bedürfnissen von Seh- und Hörbehinderten. Trotzdem sind die erforderlichen Reformen ausgeblieben.

 

Welche Veranlassungen haben Sie getroffen, als sie durch die parlamentarischen Anfragen auf Ihre Säumigkeit aufmerksam gemacht wurden?

Welche Lösungsvorschläge wurden seitens der Spezialisten Ihres Ministeriums entwickelt?

 

2.      Der nunmehrige Vorschlag für das Pfeifsignal-Taferl wurde nicht im BMVIT, sondern von einer externen Forschungsgesellschaft entwickelt (in einem Arbeitsausschuss „Eisenbahnkreuzungen“, offenbar im Auftrag des BMVIT).

 

Werden vom BMVIT neben wesentlichen Genehmigungsverfahren jetzt auch noch Regelungsaufgaben für Eisenbahnsicherheit an Außenstellen abgegeben?

Wird es zukünftig auch bei anderen Problemen Ihre Linie sein, heikle Fragen nach jahrelanger Nichtklärung durch Forschungsgesellschaften bearbeiten zu lassen?

 

3.      Der Leiter des Arbeitsausschusses „Eisenbahnkreuzungen“ der Forschungsgesellschaft hat im Rahmen eines „Experten-Hintergrundgesprächs“ in der APA über die neuen Taferl begeistert darauf hingewiesen, dass Österreich das erste Land in Europa sei, das diese Maßnahme an Eisenbahnkreuzungen setzt. Das ist natürlich noch kein Wert an sich, wie andere österreichische Spezialitäten wie zB Eisenbahn-Staatskommissäre als Sitzungsaufsichtsorgane ohne Verantwortung belegen, und sollte Sie daher misstrauisch machen. Vielmehr ist zu befürchten, dass Österreich mit dieser Schein-Sicherheitslösung alleine bleibt und diesem Beispiel keine anderen Länder mehr folgen werden.

 

Halten Sie es für richtig, dass in Österreich trotz der wohl unstrittig bestehenden Sicherheitsdefizite an Eisenbahnkreuzungen jetzt auch noch Maßnahmen ausprobiert werden, für die es offenbar nirgends Erfahrungswerte über ihre Wirksamkeit gibt?

Welche Untersuchungen liegen Ihnen zur Frage vor, weshalb diese Maßnahme in anderen Ländern Europas nicht vorgesehen wurde oder wird?

 

4.      Selbstverständlich sind die vom Leiter des Arbeitsausschusses „Eisenbahnkreuzungen“ ebenfalls angesprochenen internationalen Vergleiche bei Sicherheitsfragen besonders wichtig. Dabei ist es aber weniger von Bedeutung, was es in anderen Ländern in Europa nicht gibt, sondern es sollten besser erfolgreiche und erprobte Maßnahmen anderer Länder für Österreich übernommen werden. Gerade im Bereich der Europäischen Union sollte ein derartiger Informationsaustausch zwischen den Verkehrsministern und -ministerien leicht möglich sein.

 
Mit welchen Ländern haben Sie bzw. Ihre MitarbeiterInnen in den letzten Monaten konkret Erfahrungen über mögliche Sicherheitsmaßnahmen an Eisenbahnkreuzungen ausgetauscht?
Welche Maßnahmen in welchen Ländern wurden hinsichtlich einer Anwendung konkret näher untersucht und schließlich zu Gunsten der Taferl-Lösung verworfen?
Welche Maßnahmen werden in Ihrem Ministerium derzeit konkret noch geprüft?

 

5.      Innerhalb der nächsten Wochen sollen gemäß der öffentlichen Berichterstattung in Österreich insgesamt 4.800 „Pfeifsignal“-Schilder an 3.500 Eisenbahnkreuzungen montiert werden. Nach dem Eisenbahngesetz (§ 49, zweiter Abs) muss die Eisenbahnbehörde jedoch „im Einzelfall“ entscheiden, wie eine Eisenbahnkreuzung zu sichern ist. Da nicht davon auszugehen ist, dass die Eisenbahnunternehmen diese kostspielige Maßnahme nach Studium der Medienberichte freiwillig durchführen werden, ist wohl eine entsprechende Vorgabe der Behörde erforderlich.

 
Nach welcher Rechtsgrundlage wird die Anbringung der Taferl angeordnet?

Welche Rechtsstellung haben die Taferl, handelt es sich um a) Sicherungseinrichtungen, b) Zusatzeinrichtungen oder c) nur um bloße Informationen für die Straßenbenützer ohne weitere rechtliche Bedeutung?

 

6.      Die Berücksichtigung der Anliegen von seh- und hörbehinderten Menschen ist bei dieser Taferl-Aktion nicht leicht erkennbar.

 
Welche konkreten Verbesserungen ergeben sich durch die Taferl für sehbehinderte Menschen?

Welche konkreten Verbesserungen ergeben sich durch die Taferl für hörbehinderte Menschen?

 

7.      Die Eisenbahnkreuzungs-Verordnung legt fest, welche Einrichtungen zum Warnen der Verkehrsteilnehmer bei einer „Pfeifsignal-Eisenbahnkreuzung“ vorhanden sein müssen (§ 6, dritter Absatz). In diesen Bestimmungen ist allerdings nur von einem Andreaskreuz und einem Straßenverkehrszeichen „Halt“ die Rede. Es ist daher eine naheliegende Rechtsfrage, ob die geplanten Taferl überhaupt angebracht werden dürfen bzw. welche Haftungen sich ergeben, wenn die Taferl fehlen und ein Unfall passiert. Wir gehen davon aus, dass diese Rechtsfragen von Ihren Experten vor dem Anlaufen der Taferl-Aktion sorgfältig geprüft wurden.

 
Können Sie verbindlich erklären, dass die Anbringung der Taferl zwischen dem Andreaskreuz und dem Straßenverkehrszeichen „Halt“ nach den geltenden Rechtsvorschriften zulässig ist?
Welche Haftungen ergeben sich für das Eisenbahnunternehmen, wenn sich an einer Eisenbahnkreuzung ein Unfall ereignet und das Taferl vom Eisenbahnunternehmen nicht oder noch nicht angebracht worden ist?

Welche Rechtsfolgen ergeben sich bei einem Verlust oder einer Beschädigung der Tafel für das Eisenbahnunternehmen bzw. den Straßenbenützer?

 

8.      Es ist anzunehmen, dass die Taferl-Aktion bei insgesamt 4.800 „Pfeifsignal“-Schildern an 3.500 Eisenbahnkreuzungen nicht gerade billig ist.

 
Welche Kosten werden für die Herstellung und Montage der Tafeln voraussichtlich anfallen?
Welche Kosten werden für die Erhaltung (Erneuerung) der Taferl voraussichtlich jährlich anfallen?

Wer wird für die Kosten bzw. die Montage der Taferl aufkommen?

 

9.      Die jubelnde APA-Meldung lässt befürchten, dass die nunmehrige Taferl-Lösung als Reformschritt für die nächsten Jahre herhalten muss und vor lauter Begeisterung für die Taferl die weiterhin ungelösten Probleme bei Eisenbahnkreuzungen nicht bearbeitet oder gelöst werden.

 
Wie geht es jetzt mit den Reformen bei Eisenbahnkreuzungen weiter?
Wann ist mit der Reform der Eisenbahnkreuzungs-Verordnung zu rechnen?
In welcher Weise wird sich das BMVIT um die Anliegen behinderter Menschen an Eisenbahnkreuzungen nun weiter annehmen?

Welche Schritte sind als nächstes geplant?