4659/J XXII. GP

Eingelangt am 14.07.2006
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Johann Maier,

und GenossInnen

an den Bundeskanzler

betreffend „Sicherheitsgewerbe (Berufsdetektive und Bewachungsgewerbe) -

Gesetzliche Regelungen - Daten 2005"

Die Gewerbeordnung regelt in den §§ 129 und 130 GewO 1994 die Tätigkeit des
Sicherheitsgewerbes (Berufsdetektive und Bewachungsgewerbe). Das
Sicherheitsgewerbe ist ein reglementiertes Gewerbe (§ 94 Z 62 GewO). Personen, die
dieses Gewerbe auszuüben beabsichtigen, haben einen Befähigungsnachweis nach § 18
oder § 19 GewO 1994 zu erbringen bzw. vorzulegen oder eine Befähigungsprüfung
abzulegen (§ 22 GewO). Darüber hinaus muss die Zuverlässigkeit nachgewiesen
werden! Den Berechtigungsumfang der Gewerbetreibenden regelt § 129 GewO 1994.

International wie national werden durch den jeweiligen Gesetzgeber immer mehr
Gefahrenabwehraufgaben ausgelagert (Outsourcing) und auf das private
Sicherheitsgewerbe übertragen (z.B. Sicherheitskontrollen). Auch österreichische
Gemeinden (z.B. Wr. Neustadt), Unternehmen (z.B. Gastronomie) und Private (z.B.
Wohnsiedlungen) engagieren selbst auf eigene Kosten schon private Wach- bzw.
Sicherheitsdienste. So sollen mit eigenen Streifendiensten „Randalierer" abgehalten
und Alkohol-Exzesse und Raufereien verhindert werden. Dasselbe gilbt für
Eigentumsdelikte (Einbrüche und Diebstähle), weil die Polizei weniger präsent bzw.
personell nicht mehr in der Lage ist, regelmäßige Kontrollen bzw. Streifendienste
aufrecht zu erhalten. Diese Aufgaben sollen nun die sog. „Security-MitarbeiterInnen"
wahrnehmen, die im Auftrag ihrer Auftraggeber damit einerseits Straftaten
verhindern, wie auch Straftaten aufdecken sollen und insgesamt für mehr Sicherheit
sorgen sollen.

Für diese rasante Entwicklung der privaten Sicherheitsdienste gibt es nationale wie
globale Ursachen. Budget-Nulldefizit-Philosophie und neoliberale Geisteshaltung
(Schlanker Staat) haben in vielen europäischen Staaten — so auch in Österreich — zu


massiven Einsparungen bei der Polizei und Justiz geführt. Gleichzeitig hat die
Kriminalität - durch neue Kriminalitätsformen - zugenommen, das subjektive
Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung hat gleichzeitig dadurch abgenommen (z.B.
durch Zunahme von Eigentumsdelikten). International stieg die Nachfrage nach
privaten Sicherheitsdiensten mit den Terrorattentaten und dem Krieg im Irak. Immer
mehr und neue Sicherheitsdienstleistungen werden angeboten, dies auch in Kriegs-
und Krisengebieten bzw. generell für den militärischen Bereich. Im Irak sind tausende
Söldner und private Sicherheitspersonen tätig. Es entstanden nach 2001 und dem US-
Krieg gegen den Irak weltweit Milliarden-Märkte. Die Kurse von börsennotierten
Sicherheitsunternehmen sind nicht zuletzt dadurch in den letzten Jahren explodiert.
Die Zahl der Sicherheitsfirmen sowie die Anzahl der dort Beschäftigten hat aber auch
in Österreich in den letzten Jahren zugenommen (jährlich plus 18%).

Politisch geht es in Österreich um die Frage, wo die Grenzen von Ausgliederung und
Privatisierung von Sicherheit liegen. Dies ist auch eine latente europäische Diskussion.
Der Verband der schweizerischen Polizeibeamten (VSPB) will nun nach
Presseberichten den privaten Sicherheitsfirmen ihre Grenzen aufzeigen. Er lässt in
einem Rechtsgutachten abklären, zu welchen Einsätzen solche Firmen berechtigt sind,
ohne dass das staatliche Gewaltmonopol verletzt wird. Er reagiert damit auf die
drohende Unterwanderung der polizeilichen Hoheit durch private Sicherheitsdienste.
Diese Fragestellungen ergeben sich im Grunde für alle Mitgliedsstaaten der
Europäischen Union. So haben beispielsweise (in den letzten Jahren) auch
Berufsdetektive in Österreich mehr Kompetenzen eingefordert.

Das private Sicherheitsgewerbe verzeichnet in Österreich Zuwächse, dabei gibt es aber
zunehmend auch Anbieter, die nicht einmal über eine Gewerbeberechtigung verfügen
oder aus einem der neuen EU-Mitgliedsstaaten kommen und mit Dumpingtarifen bei
uns tätig werden wollen (Grenzüberschreitender Dienstleistungsverkehr). Besonders
problematisch ist die (illegale) ausländische Konkurrenz aus Polen, Slowakei,
Tschechien oder Ungarn (Einmanngewerbe bzw. Scheinfirmen), die nicht nur alle
Tarife unterbieten und keine Abgaben und Steuern zahlen, sondern über deren
Leumund (Zuverlässigkeit) und Vergangenheit (z.B. Tätigkeit im Geheimdienst;
Gerichtliche Verurteilungen) den österreichischen Sicherheitsbehörden sowie privaten
Auftraggebern kaum etwas bekannt ist.


Der Aufgabenbereich von MitarbeiterInnen im Sicherheitsgewerbe hat sich in den
letzten Jahren grundsätzlich geändert, zu den traditionellen Aufgaben sind neue
Aufgaben (spezialisierte Dienstleistungen) hinzugekommen, die allerdings auch eine
besondere Ausbildung erfordern.

Bedauerlicherweise gibt es für „private Sicherheitsdienste" europaweit noch immer
keine verpflichtende harmonisierte Ausbildung (inkl. Fortbildung) bzw. Zulassung,
Zertifizierung und Qualitätssicherung. Freiwillige Ausbildungslehrgänge, die durch
Berufs- bzw. Interessenorganisationen zwar in Österreich und in anderen Ländern
angeboten (z.B. Grundausbildung oder Spezialausbildung) werden, können allerdings
eine verpflichtende Ausbildung nicht ersetzen. Damit gibt es auch keine genormten
Qualifikationskriterien für Sicherheitsdienstleistungsangebote, die auch bei
Ausschreibungen zu berücksichtigen wären. Die europäische Vereinigung der
Sicherheitsdienste (CoESS) hat gemeinsam mit dem europäischen
Gewerkschaftsdachverband „Uni-Europa" ein Handbuch von Anfragen an Wach- und
Sicherheitsdienste herausgegeben. Einige EU-Mitgliedsstaaten haben bereits eigene
Gesetze für Sicherheitsdienste verabschiedet bzw. stehen kurz davor.

Sicherheitsaufgaben inkl. des behördlichen Vollzuges wurden in der Vergangenheit
ausgegliedert und Privaten übertragen, ohne dass es in Österreich zu einer
umfassenden und generellen gesetzlichen Regelung gekommen wäre. Für bestimmte
übertragene Sicherheitsaufgaben wurden aber spezielle Regelungen geschaffen
(Flugsicherheitskontrollen, Gerichtssicherheit, Mautaufsicht, Parkraumüberwachung
etc.). So regelt beispielsweise das Luftfahrtsicherheitsgesetz die Übertragung der
Sicherheitskontrollen auf Unternehmen, MitarbeiterInnen müssen geeignet sein und
eine Sicherheitsüberprüfung nach § 55 Abs. 1 Z 2 SPG erfolgreich bestehen. § 134a
Luftfahrtsicherheitsgesetz regelt gesondert die Zuverlässigkeitsüberprüfung von
FlughafenmitarbeiterInnen. Diese müssen sich beim Betreiber des Zivilflughafens um
Ausstellung eines Flughafenausweises bewerben und eine Zustimmung zur
Überprüfung der Zuverlässigkeit geben. Die Zuverlässigkeitsüberprüfung wird von
den jeweils zuständigen Sicherheitsbehörden durchgeführt. Das
Bundesstrassenmautgesetz wiederum regelt Qualifikation und Kompetenzen der sog.
„Maut-Sheriffs". Es fehlt allerdings in Österreich weiterhin eine generelle -
umfassende - bundesgesetzliche Regelung.


Deutlich wurden Defizite im privaten Sicherheitsgewerbe im Rahmen Aufklärung des
Saliera-Diebstahles: Der verdächtige und nun angeklagte Salieradieb war ein
Spezialist für Alarmanlagen. Andererseits gab es so genannte Sicherheitsmitarbeiter
im Kunsthistorischen Museum, die 6,55 Euro die Stunde bekamen (maximal 6 Tage im
Monat). Oder bei Heros, dem größten deutschen Geldtransportunternehmen. Mit
extremen Dumpingangeboten wurde in Deutschland ein ruinöser Wettbewerb
betrieben. Mitglieder des Vorstandes sollen 300 Mio. Euro abgezweigt haben.
Insolvenzanträge wurden gestellt.

Entscheidend für die gewerbliche Tätigkeit in Österreich sollen Zuverlässigkeit und
Befähigung (Eignung) der Gewerbetreibenden und deren MitarbeiterInnen sein. Dies
wird so auch in den EB zur österreichischen Gewerbeordnung gesehen: „Bei der
Beurteilung, ob die zur Ausübung des Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit vorliegt,
wird ein entsprechend strenger Maßstab anzulegen sein. Auch die Spielleidenschaft,
Verschwendungssucht, Missbrauch von Giften und dgl. können zu einer negativen
Beurteilung der Zuverlässigkeit führen." (EB 1973)

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundeskanzler nachstehende

Anfrage:

1.    Befürworten Sie in Österreich eine gesetzlich vorgeschriebene einheitliche und
obligatorische Ausbildung im Sicherheitsgewerbe (d.h. sowohl für die
Gewerbetreibenden als auch für deren MitarbeiterInnen)?

Wenn nein, weshalb nicht?

2.      Sehen Sie die Notwendigkeit, auf EU-Ebene für eine gemeinschaftsrechtliche
Rechtsgrundlage für eine einheitliche und obligatorische Ausbildung von
privaten Sicherheitsdiensten einzutreten?

3.      Treten Sie für eine Ausweisführung (sog. Berufsausweis) und
Ausweisverpflichtung - analog zu den öffentlichen Sicherheitsorganen nach dem


SPG - von Personen die im Sicherheitsgewerbe tätig sind, gegenüber Dritten

ein?

Wenn nein, weshalb nicht?

4.   Wenn ja, werden Sie dafür eintreten, dass in Zukunft Gewerbetreibende die zur
Ausübung des Sicherheitsgewerbes berechtigt sind und deren MitarbeiterInnen

analog zu § 5 Abs. 1 Z 9 Luftfahrtsicherheitsgesetz - ihre Legitimation
(Ausweis) auch gegenüber Privaten vorzuweisen haben?

5.      Sehen Sie grundsätzlich oder in Teilbereichen eine Konkurrenz zwischen den
öffentlichen Sicherheitsbehörden bzw. der Polizei und den privaten
Sicherheitsgewerbe?

6.      Welchen Stellenwert bzw. Aufgaben räumen Sie den sog. privaten
Sicherheitsgewerbe für die Zukunft in der österreichischen Sicherheitspolitik
ein?

7.      Wo liegen aus Ihrer Sicht die Grenzen der Übertragung von staatlichen
Sicherheitsaufgaben auf private Sicherheitsdienste?

8.      Soll es zu weiteren Ausgliederungen im Sicherheitsbereich und der
Übertragung dieser Aufgaben an private Unternehmen kommen? Wenn ja,
welche Bereiche sollen aus Sicht des Ressorts ausgegliedert werden?

9.      Welche Sicherheits- oder Überwachungsaufgaben wurden in Österreich bereits
ausgegliedert und durch Gesetz privaten Sicherheitsunternehmen übertragen?
Welche Positionen hat der Verfassungsgerichtshof zur Ausgliederung bzw.
Privatisierung von Sicherheitsaufgaben entwickelt?

10.  Welche bundesgesetzlichen Bestimmungen regeln - neben der Gewerbeordnung

-  die Voraussetzungen, den Umfang der Tätigkeit sowie Rechte und Pflichten


von Personen, die das Sicherheitsgewerbe ausüben bzw. von dem Beschäftigen
im Sicherheitsgewerbe (z.B. LSG)? Ersuche um Auflistung und Darstellung
dieser Bestimmungen.

11.  Sind Gewerbetreibende bzw. die MitarbeiterInnen von privaten
Sicherheitsdiensten zur Ausübung von Zwang und/oder zur Verhängung von
Sanktionen berechtigt?

Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen (ersuche um Aufschlüsselung der
entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen)?

12. Benötigen Sie aus Ihrer Sicht für eine rechtsstaatlich abgesicherte Kooperation
Ihres Ressorts mit dem privaten Sicherheitsgewerbe eine ausdrückliche
gesetzliche Regelung?

Wenn nein, weshalb nicht?

13. Treten Sie auch - nicht zuletzt aufgrund offensichtlicher Probleme (wie
Datenschutz und SPG) und eines offensichtlich rechtsfreien Raumes - für ein
eigenes Bundesgesetz für private Sicherheitsdienste ein?

Wenn nein, weshalb nicht?

Wenn ja, sind Sie bereit einen entsprechenden Entwurf vorzulegen?

14.  Wie ist die Zulassung und Ausübung des Sicherheitsgewerbes in den übrigen
Mitgliedsstaaten der Europäischen Union geregelt? In welchen Staaten gibt es
eine ausdrückliche Regelung durch ein eigenes Gesetz, wie in der Slowakei?

15.       Welche technischen Mittel (z.B. Abhöreinrichtungen, RFID) dürfen
Berufsdetektive - insbesondere aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen
und der Persönlichkeitsrechte - mit oder ohne Zustimmung Betroffener - bei
ihrer Tätigkeit (z.B. bei privaten Ermittlungen) nicht verwenden?


16. Besitzen Privatpersonen (inkl. der sog. Zielpersonen) ein Auskunftsrecht nach
§ 26 DSG gegenüber dem Sicherheitsgewerbe (Privatdetektive, private
Ermittlungsdienste, Wachdienste) nach dem Datenschutzgesetz?

Wenn ja, unter welchen Bedingungen?

17.  Unter welchen Voraussetzungen kann dabei die Auskunft vom
Datenverarbeiter (z.B. Berufsdetektiv) verweigert werden?
Wie sieht dabei die Interessensabwägung aus?

18.  Wie viele Gewerbetreibende die das Sicherheitsgewerbe ausüben haben eine
Meldung nach § 17 Abs. 1 Datenschutzgesetz in den Jahren 2003, 2004 und
2005 an die Datenschutzkommission erstattet (Aufschlüsselung der
Gewerbetreibenden auf die einzelnen Bundesländer)?

19.       Wie viele Gewerbetreibende des Sicherheitsgewerbes haben 2003, 2004 und
2005 Meldungen beim Datenverarbeitungsregister erstattet (Aufschlüsselung
der Gewerbetreibenden auf die einzelnen Bundesländer)? Wie viele
Datenanwendungen wurden insgesamt von diesem Gewerbe gemeldet?

20.  In wie vielen Fällen erfolgte 2003, 2004 und 2005 bei Datenanwendungen durch
Gewerbetreibende des Sicherheitsgewerbes eine Vorabkontrolle durch die
Datenschutzkommission (§ 18 Abs. 2 DSG)?

Welche Datenanwendungen betraf dies?

21.  Benötigt ein Sicherheitsunternehmen oder ein Privatdetektiv für die
Überwachung eines öffentlichen Raumes mit einer „Videokamera" die
Zustimmung der Datenschutzkommission? Wenn nein, warum nicht?

22.  Wenn ja, wie viele diesbezügliche Anträge wurden 2004 und 2005 bei der DSK
durch Personen, die das Sicherheitsgewerbe ausüben gestellt? Wie viele


Anträge wurden genehmigt?
Welche Aufgaben wurden erteilt?

23. Wie viele Personen haben sich 2003, 2004 und 2005 wegen einer behaupteten
Verletzung seiner Rechte durch einen Berufsdetektiv nach § 30 DSG an die
Datenschutzkommission gewandt?

Wie hat die Datenschutzkommission jeweils entschieden?

24.  Ist es zulässig, dass MitarbeiterInnen des BMI in ihrer Freizeit in
Sicherheitsunternehmen nebenberuflich tätig sind?

25.  Wird das „Handbuch zur Vergabe von Aufträgen an Wach- und
Sicherheitsdienste" vom öffentlichen Sektor bei der Auftragsvergabe
herangezogen?

Wenn nein, warum nicht? Wie steht des BKA zu diesem Handbuch?