4664/J XXII. GP
Eingelangt am 14.07.2006
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ANFRAGE
der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend angebliche politische Einflußnahme nach der nicht erwartungsgemäßen Vergabeentscheidung beim PPP-Transitstraßenprojekt A5 (Nordautobahn)
Kürzlich erfolgte durch die im Bundeseigentum und hier im Zuständigkeitsbereich des Verkehrsministers stehende ASFINAG die Ermittlung des Bestbieters für das erste Paket des PPP-Projekts Nordautobahn (incl. Teilen des Autobahnrings um Wien).
Die verkehrspolitische Fragwürdigkeit einer Pendlerautobahn in Konkurrenz zu bestehenden Bahn-Angeboten sowie einer hochrangigen Transitstrecke in Konkurrenz zur bestehenden, nicht ausgelasteten Autobahn Brünn-Preßburg war dabei kein Thema. Die Vehemenz, mit der dieses Projekt dennoch von der derzeitigen Regierungsmehrheit mit Unterstützung VP- und SP-naher Bau- und Finanzkreise vorangetrieben wurde, unterstreicht vielmehr, dass es hier gar nicht um Verkehrspolitik, sondern um die Interessen der Baukonzerne und Großbanken geht.
Auch hier ist der Auftrag „Nordautobahn“ jedoch angesichts der wenig eindrucksvollen Renditen im Tiefbaugeschäft weniger aus Bauperspektive als im Hinblick auf die im Finanzierungsbereich erzielbaren Renditen lukrativ. Schließlich ist mit der Finanzierung von hochrangigen Straßenbauprojekten ein weit größerer Kostenanteil als mit deren Bau selbst verbunden. Für typische ASFINAG-Projekte mit langfristiger Schuldenfinanzierung wird über die Lebenszeit gerechnet ein Verhältnis von 40% Bau-/Errichtungskosten und 60% Finanzierungskosten bestätigt - zB in offiziellen Anfragebeantwortungen im Vorarlberger Landtag.
Anders gesagt kommen auf jede Million, die in Baumaßnahmen fließt, eineinhalb Millionen, die für die Finanzierung incl. Schuldenbedienung an die nationalen und internationalen Großbanken und die entsprechenden Spezialberater fließen.
Dazu kommen für Großbanken noch Vorteile aus der mit PPP-Projekten verbundenen langfristigen, für die privaten Partner weitgehend risikofreien Geschäftsbeziehung mit der Öffentlichen Hand: Auf diesem Weg sind erstklassige Bonitätseinstufungen („Ratings“) erzielbar, die wertvolle Zinsvorteile bei der Refinanzierung am internationalen Kapitalmarkt bringen.
Es soll schon vorgekommen sein, dass bestimmte PPP-Projekte überhaupt nur aus diesem Grund ventiliert wurden – wie zB beim Pyhrn- bzw. Summerauerbahn-PPP, an dem eine oberösterreichischen Bank aus dem ÖVP-Umkreis aufgrund dringend benötigter Bonitätsverbesserungen heftig interessiert war und ist.
Erst dieses Zusammenspiel zwischen angeblicher Verkehrs- und tatsächlicher Finanz- und Bankenförderungspolitik erklärt, warum das gewaltige Anschwellen schuldenfinanzierten Infrastrukturausbaus (ASFINAG: derzeit etwa 10 Mrd Euro Schulden, Tendenz stark steigend) bei den politischen Freunden der erwähnten Nutznießer niemanden stört, obwohl für das damit in Bewegung gehaltene Finanzkarussell die Gesamtheit der mautzahlenden AutofahrerInnen und letztlich der SteuerzahlerInnen gerade stehen muß. Dasselbe Zusammenspiel erklärt auch die beträchtliche Unlust der den Großbanken und Beratern verbundenen politischen Kräfte, anstelle weiterer Verschuldung durch immer weitere Ausbauprogramme endlich der Rückzahlung der angehäuften Schulden bei ASFINAG & Co größeres Augenmerk zu widmen:
Es verdienen einige viel zu gut an diesem Schuldenkarussell, das mit Verkehrspolitik schon längst nichts mehr zu tun hat.
Umso überraschender ist, wenn trotz dieser Gemengelage manchmal seitens der politischen Auftraggeber nicht intendierte Ereignisse eintreten. So ist bei der nunmehrigen Vergabe zur Nordautobahn das lange im Vorfeld favorisierte „Akor“-Konsortium, bei dem unter anderem Raiffeisen mit der Baufiliale Strabag sowie Bank Austria mit der Baufiliale Porr mit dabei sind und dessen Vertreter wiederholt und sicher nicht ohne Grund siegessicher in der Öffentlichkeit auftraten, überraschend nicht an erster Stelle gelandet. Offenbar war die angeblich „rein österreichische“ Zusammensetzung – die angesichts der Eigentümerstrukturen zB bei Strabag oder BA-CA nicht den Tatsachen entspricht - in der europaweiten Ausschreibung trotz entsprechender Intensiv-PR in der Öffentlichkeit doch nicht ausschlaggebend. In internationalen Finanzkreisen hat man über diese Argumentation im Zusammenhang mit einer europaweiten Ausschreibung ohnehin den Kopf geschüttelt.
Medienberichten war nun zu entnehmen, es würde daraufhin „von Seiten der Politik Bemühungen geben, einen Teil des Auftrags doch noch dem ‚Akor’-Konsortium zukommen zu lassen“ (vgl. „Die Presse“).
Derlei wurde zwar bereits in der gesamten Vorbereitungsphase des Nordautobahn-PPP-Projekts von unabhängigen wie internationalen ExpertInnen erwartet, wäre aber natürlich mit der geltenden europäischen wie österreichischen Rechtslage nur unter größten Verbiegungen unter einen Hut zu bringen. Angesichts der klaren (partei)politischen Naheverhältnisse einiger der in diesem Konsortium vertretenen Unternehmen und Finanzinstitutionen ist aber dennoch nicht auszuschließen, dass diese Gerüchte Substanz haben.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
Wie groß wird dieser „überwiegende Teil der Wertschöpfung“ konkret sein, und wie gelangen Sie zu diesem Ergebnis?
Wie hoch wird im Fall einer Realisierung des PPP-Projekt Nordautobahn die Einsparung a) für die mautzahlenden AutofahrerInnen, b) für die steuerzahlende Allgemeinheit konkret pro Jahr bzw. über die Laufzeit insgesamt unter Einbeziehung der in Frage 16 angesprochenen Zahlungen sein, und welches Nicht-PPP-Referenzszenario legen Sie diesem Vergleich zugrunde?
Können Sie erklären, auf welcher Grundlage Sie (siehe Frage 17) trotzdem bereits abschließende Aussagen über die Erreichung der gesteckten Einsparungsziele treffen können?