784/J XXII. GP

Eingelangt am 02.09.2003
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

 

ANFRAGE

der Abgeordneten Dr. Cap, Dr. Gusenbauer, Mag. Barbara Prammer, Heidrun Silhavy,

Dr. Einem, Mag. Moser, Eder, Dr. Matznetter

und GenossInnen

an den Bundesminister für Finanzen

betreffend Freunderlwirtschaft statt Wirtschaftspolitik am Beispiel von ÖIAG und voestalpine

Die Feststellungen im Bericht des Rechungshofs über die ÖIAG und die Vorgangsweise beim
geplanten voestalpine-Verkauf belegen exemplarisch die These jenes Standard-Journalisten,
der letzten Samstag in einem Kommentar meinte: „In Österreich wird Parteifilz und
Freunderlwirtschaft für Wirtschaftspolitik gehalten". Der RH-Bericht zeigt, dass die
Regierungsparteien ÖVP und FPÖ sich - bzw. richtigerweise eigentlich den Steuerzahler - die
überfallsartige Einfärbung der ÖIAG und deren Unternehmen durch Bestellung von
genehmen, befreundeten und „richtig" gefärbten Vorständen und Aufsichtsräten zumindest
6,1 Millionen Euro kosten ließen. Der Bericht zeigt weiters, dass dabei die Anti-Privilegien-
Gesetze der letzten SPÖ-ÖVP-Regierung - im Speziellen das Stellenbesetzungsgesetz und die
Vertragsschablonen-Verordnung - „nicht einmal ignoriert" wurden.

Noch viel größerer Schaden droht Österreichs Wirtschaft und Österreichs Steuerzahlern
allerdings durch den geplanten, unnötigen und überhasteten Verkauf der voestalpine über die
Börse. Die voestalpine ist Europas modernstes und erfolgreichstes Stahlunternehmen, das
tausende Beschäftigte hat, tausende Zulieferbetriebe beschäftigt und jährlich Dividenden in
Millionenhöhe an den österreichischen Staat abliefert. Mit eine Ursache dieses Erfolges ist die
gemischte Eigentümerstruktur der voestalpine, in der der (Minderheits-)Anteil des Staates für
die nötige Sicherheit sorgt und die private Mehrheit für den nötigen Druck auf Gewinne. Es
gibt daher keinen Grund, die Staatsanteile an der voestalpine zu verkaufen. Es sei denn, es
geht wieder einmal darum, einen Freundeskreis - diesmal „das Linzer Kaffeehaussyndikat"
rund um den Chef der OÖ-Raiffeisenbank Scharinger - mittels eines „Börsetricks" zu
bedienen. Auch wenn man damit in Kauf nimmt, dass eben nicht mehr garantiert ist, dass die
Privatisierungsziele des ÖIAG-Gesetzes (Halten der Entscheidungszentralen sowie der
Forschungs- und Entwicklungskapazitäten, Schaffung bzw. Erhaltung sicherer Arbeitsplätze
und möglichst hohe Erlöse) erreicht werden. Die diesbezügliche „Garantie" von
Bundeskanzler Schüssel ist ebenso viel wert wie seine Ankündigung im Herbst 2002, eine
„Wirtschaftsplattform" werde dafür sorgen, dass der Abfangjägerkauf Österreich keinen Cent
kosten werde.


Rechnungshof belegt Verschwendung von Steuergeld

Die von der SPÖ beantragte Rechnungshofsonderprüfung hinsichtlich der Bestellung und
Abberufung von Aufsichtsräten und Vorständen sowie die damit im Zusammenhang stehende
Vertragsgestaltung ergab massive Gesetzesverstöße bei der Bestellung von Vorständen und
Aufsichtsräten in ausgewählten Unternehmen der staatsnahen Wirtschaft, darunter vor allem
die Österreichische Industrieholding AG.

Die Prüfung des Rechnungshofes mündete in nachfolgender Kritik (Rechnungshofbericht
III
/42 d.B.):

     In der Mehrzahl der geprüften Unternehmen traten eine Reihe von Veränderungen in der
Zusammensetzung der Aufsichtsräte oder der Vorstände ein.

     Die vorzeitigen Beendigungen von Vorstandsfunktionen verursachten bei den 11
geprüften Unternehmen mindestens 3,93 Millionen Euro an Kosten. Für die
Bestellung von den Regierungsparteien angenehmen bzw. befreundeten
Funktionsträgern wurden also alleine in 11 Unternehmen 4 Millionen Euro an
Steuergeld verschwendet.

    Für diesbezügliche Personalberatungen wurden rund  0,8 Millionen Euro an Kosten

festgestellt. Die Vergabe der Beratungsaufträge erfolgte entgegen den Bestimmungen
des Bundesvergabegesetzes.

     Die mit den neubestellten Vorständen abgeschlossenen Verträge verstoßen gegen das
anzuwendende Stellenbesetzungsgesetz und weichen von den vorgesehenen
Vertragsschablonen ab.

     Die für den Bestellungsvorgang und den Abschluss der Verträge erforderlichen
Organbeschlüsse lagen nicht in allen Fällen vor.

Der Rechnungshof stellte im Falle des Vorstandssprechers der ÖIAG, Dr. Michaelis, fest,
dass zwar dessen Grundgehalt von 320.633,- Euro pro Jahr nur um 4,3 Prozent über jenem
vom Vorgänger Dr. Streicher liege, der Aufsichtsrat aber den sogenannten
„Bonifikationsanspruch" auf 100 Prozent des Grundgehaltes verdoppelt habe. Inklusive aller
Nebenleistungen bezieht Michaelis damit eine Gesamtvergütung bis zu 684.869,- Euro pro
Jahr. Daneben erhält Michaelis 14 x jährlich einen sogenannten „Mietzuschuss" in der


Gesamthöhe von 43.604,- Euro und hat Anspruch auf eine Abfertigung, die weit über die
Bestimmungen des Angestelltengesetzes hinausgeht. Der Wert der Pensionszusage ist nicht
bekannt, dürfte aber ebenfalls weit über das übliche Maß hinausgehen.

Um die Dimension der vom Rechungshof kritisierten gesteigerten Gehälter der Öl AG-
Vorstände sowie die Aufwandsentschädigungen der ÖIAG-Aufsichtsratmitglieder
aufzuzeigen, erscheint eine entsprechende Summierung notwendig:

     Erhöhung der Jahresbezüge der Aufsichtsräte der ÖIAG:

Aufsichtsratspräsident: 7.271 Euro Erhöhung x 4 Jahre = 29.084 Euro
Stv. Vorsitzender: 6.010 Erhöhung Euro x 4 Jahre = 24.040 Euro
Einfache Mitglieder: 9 x 4.723 Euro Erhöhung x 4 Jahre = 170.028 Euro

     Spesenexplosion des Aufsichtsrates der ÖIAG:
30.000 Euro

     Erhöhung der Jahresbezüge der Öl AG-Vorstände:

50 % Bonifikation: 160.000 Euro x 2 Personen x 3 Jahre = 960.000 Euro
Mietzuschuss: 43.604 Euro x 2 Personen x 3 Jahre = 261.624 Euro

Seit 2000 betrug daher die zusätzliche Kostenbelastung des Steuerzahlers durch Gehälter und
Aufwandsentschädigungen sowie Spesen der ÖIAG-Leitungsorgane rund 1,4 Mio. Euro.

Bewusste Verstöße gegen Anti-Privilegiengesetze

Bei den ÖIAG-Vorstandsverträgen wurde bewusst gegen das Stellenbesetzungsgesetz 1998
und die Verordnung der Bundesregierung betreffend Vertragsschablonen gemäß diesem
Gesetz verstoßen. Damit wurde ein Anti-Privilegiengesetz - in Kenntnis der negativen Folgen
für den Steuerzahler - bewusst durch den Vorstand, den Aufsichtsrat und den Eigentümer,
vertreten durch Finanzminister Mag. Grasser, missachtet.

Diese Vorgangsweise hat System - Verstöße gegen die Anti-Privilegiengesetzgebung wurden
durch den Rechungshof in den 11 geprüften Unternehmen wie folgt festgestellt:

ÖIAG: Missstände bei Abfertigungsansprüchen und Pensionsvereinbarungen
(Rechnungshofbericht III/42 d.B.,  S. 18).


Postbus-AG: Vorstandspensionsvereinbarungen stehen mit Vertragsschablonen Verordnungen
nicht im Einklang (Rechnungshofbericht III/42 d.B., S. 22).

Bundesforste: Die Vorstandsvertragsgestaltung widerspricht in mehreren Punkten der
Vertragsschablonenverordnung, insbesondere der Pensionsanspruch ab dem 55. Lebensjahr
und Wertsicherungsklausel (Rechnungshofbericht III/42 d.B., S. 27).

ASFINAG: Das Unternehmen vereinbarte weitreichende Zugeständnisse um den Verzicht
eines Vorstandsmandates zu erreichen - Schaden: 137.524 Büro (Rechnungshofbericht III/42
dB., S. 33).

ÖBB: Den Bewerbungsqualifikationen entsprach nur einer der drei bestellten Vorstände, die
dritte Bewerbung erfolgte nur mündlich. Die Vorstandsauswahl war nicht transparent und
nachvollziehbar. Die Dienstverträge entsprechen nicht der Vertragsschablonenverordung,
nicht einmal ein Kündigungsrecht aus wichtigen Gründen ist vorgesehen
(Rechnungshofbericht III/42 d.B., S. 39).

Österreich-Werbung: Bewerbungsfristen wurden nicht eingehalten, durch fehlerhafte
Vorgangsweise wurde eine zweite Ausschreibung notwendig. Das Vorgehen der Österreich-
Werbung stimmte mit dem Stellenbesetzungsgesetz nicht überein. Der Vorstandsvertrag
verstößt in mehreren Punkten (Wertsicherung des Bruttogehaltes, keine Beschränkung beim
Erwerb von Beteiligungen, Alterspension ab 55) gegen die Vertragsschablonenverordnung
(Rechnungshofbericht III/42 d.B., S. 52).

Seit 13.9.2002 ist die Kritik des Rechnungshofes öffentlich bekannt (Kurier vom
13.9.2002).
Durch den zuständigen Finanzminister wurden seither keine entsprechenden
Maßnahmen zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes durchgeführt, noch Mitte August
2003 wurde „Lob" vom Rechnungshof eingefordert. Erst am 22.8.2003 verlangte
Finanzminister Grasser einen Bericht von ÖIAG-Aufsichtsratvorsitzenden Heinzel über die
Divergenzen zwischen den abgeschlossenen Verträgen und der Anti-Privilegiengesetzgebung.

Rechnungshofpräsident Fiedler hatte bereits am 27.3.2003 im Zuge einer
Rechnungshofausschuss-Sitzung zur Schablonenverordnung und deren Anwendung Stellung
genommen. Diesbezüglich führte Fiedler aus, dass eine Nichtanwendung dieser Rechtsnorm,
weil man sie für gesetzwidrig halte, einem „Tritt in das Gesicht des Rechtsstaates"
entspreche. Ungeachtet dessen erfolgte bis zum heutigen Tag keine Korrektur der
gesetzwidrig abgeschlossenen Vertragsverhältnisse.


Allein aus den vom Rechnungshof aufgezeigten Fällen ergibt sich ein Schaden für den
Steuerzahler in Höhe von 6,1 Millionen Euro (bestehend aus den Erhöhungen der
Jahresbezüge der Aufsichtsräte und der Vorstände in Höhe von 1,4 Millionen Euro, den
unbegründet hohen Beraterhonoraren in Höhe von 0,8 Mio. Euro sowie Abfindungszahlungen
an missliebige Vorstände in Höhe von 3,9 Millionen Euro).

Diese Zahlen betreffen lediglich einen Bruchteil der Umbesetzungen durch die blau-schwarze
Regierung, da durch den Rechnungshof nur 11 von mehreren Hundert staatsnahen
Unternehmen geprüft wurden, insgesamt ist mit einem viel größeren Schaden zu rechnen,
denn seit 4. 2. 2000 wurden 16 Vorstände und rund 100 Aufsichtsräte in den ÖIAG-
Unternehmen ausgetauscht.

Bundesminister Grasser begründet die Verstöße gegen das Vergaberechtsgesetz bei der
Beauftragung von Personalberatern, darunter auch Egon Zehnder (Zehnders Geschäftsführer
Joachim Kappel hält engste Kontakte zu den Regierungsparteien, seine Frau Barbara ist
Bürochefin von Thomas Prinzhorn, er selbst war an Andreas Mölzers W3-Verlag beteiligt),
mit dem Umstand, dass er mit dem früheren ÖIAG-Aufsichtsratspräsidenten Josef Staribacher
sowie drei weiteren ÖIAG-Aufsichtsräten, die Mitarbeiter früherer SP-Regierungsmitglieder
gewesen seien, konfrontiert gewesen wäre (APA385 22.8.2003). Deshalb habe er
Personalberater nicht einem „offenen Verfahren" gesucht und die vorgeschriebene
dreiwöchige Anbotsfrist um über 2 Wochen unterschritten.

Bei dieser Vorgangsweise handelt es sich klar um einen Bruch der bestehenden Gesetze,
um politische Günstlinge mit Jobs zu versorgen.

Durch die Nichteinhaltung des Stellenbesetzungsgesetzes und der Vertragsschablonen-
Verordnung - beides Bestimmungen, die durch die rot-schwarze Regierung geschaffen
wurden, um Privilegien in der staatsnahen Wirtschaft hintan zu halten - wurde ein Schaden zu
Lasten der Republik Österreich und damit des Steuerzahlers bewirkt. Das
Stellenbesetzungsgesetz ist eine zwingende Norm, von der nicht abgewichen werden darf.
Einzuhalten sind diese gesetzlichen Bestimmungen für die Bestellung von Vorständen durch
den Aufsichtsrat. Jedes einzelne Mitglied des Aufsichtsrates ist daher zwingend an die
Normen des Stellenbesetzungsgesetzes samt Vertragsschablonenverordnung gebunden.
Aufsichtsratsmitglieder, die ihre Obliegenheiten verletzen, sind der Gesellschaft zum Ersatz
des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Der Finanzminister ist
verantwortlich für die Bestellung der Mitglieder des Aufsichtsrates - ihn trifft einerseits ein
Auswahlverschulden, denn trotz extrem hoher Beraterhonorare wurden durch das BMF keine


Aufsichtsräte vorgeschlagen, die dafür sorgten, dass die bestehende Rechtslage eingehalten
wurde, andererseits kam der Finanzminister als Eigentümervertreter seiner
Kontrollverpflichtung - trotz mindestens einjähriger Kenntnis der gravierenden Missstände -
in keiner Weise nach.

Dadurch ist ein Schaden von rund 6,1 Millionen Euro entstanden. Obwohl der Finanzminister
spätestens seit 13. 9. 2002 zumindest über die Gage von ÖIAG-Vorstandssprecher Peter
Michaelis informiert sein musste, wurden durch Grasser keine entsprechenden Maßnahmen
gesetzt, sondern hat dieser erst in den letzten Tagen einen diesbezüglichen Bericht von
Aufsichtsratsvorsitzenden Heinzel eingeholt.

Besonders skandalös sind Wortmeldungen sowohl von Finanzminister Grasser als auch von
Aufsichtsratsvorsitzenden Heinzel, wonach bewusst von der Antiprivilegiengesetzgebung
abgegangen wurde, um parteinahe Manager mit sogenannten „internationalen" Honoraren zu
belohnen. Diesbezüglich ist anzumerken, dass es die Intention des Stellenbesetzungsgesetzes
und der Vertragsschablonenverordnung ist, die Gehälter der österreichischen Manager in der
staatsnahen Industrie an internationale Verhältnisse anzupassen. Ebenso spiegelt die Aussage
Heinzels (APA340, 26.8.2003), wonach dieser „so rasch als möglich den Finanzminister um
eine Anpassung der Schablonenverordnung an marktwirtschaftliche Erfordernisse" ersuchen
werde, sowie die Erklärung von Bundeskanzler Schüssel, dass man bezüglich der bestehenden
ÖIAG-Verträge praxisnahe und gute Lösungen finden und diese Ergebnisse dann zu einer
neuen Schablonenverordnung berücksichtigen werde, das Abgehen von der
Antiprivilegiengesetzgebung früherer Regierungen wider: Nicht die gesetzeswidrigen
Verträge sollen angepasst werden, sondern die Gesetze.

Schwarz-Blaue „Privatisierungen" bedrohen Wirtschaftsstandort Österreich

Abweichend vom blau-schwarzen Regierungsprogramm 2000 geht das Regierungsprogramm
2003 nicht mehr von der schrittweisen Schuldentilgung der ÖIAG aus. Aus den
Privatisierungserlösen wird ausschließlich das Budget bedient und damit der
Handlungsspielraum der ÖIAG als Beteiligungsholding eingeschränkt.

Mit dem Verkauf von österreichischen Schlüsselunternehmen droht die Gefahr der
Abwanderung von strategisch wichtigen Unternehmensteilen und damit der Verlust an
inländischer Wertschöpfung und Beschäftigung in den betroffenen Unternehmen, ihrer


Zulieferer und damit auch ganzer Regionen. Am Beispiel Semperit wurde uns diese Strategie
deutlich vor Augen gefuhrt: von der Abwanderung der Forschungsabteilung bis hin zu Teilen
der Produktion, wobei letztlich der gesamte Standort aufgegeben wurde - mit negativen
Auswirkungen auf die Arbeitsplätze in der Zulieferindustrie und insbesondere auch im
Bereich der industrienahen Dienstleistungen.

Die Veräußerung der Bundesanteile an der ÖIAG ist ökonomisch in keiner Form begründbar.
Vielmehr hat sich die bisherige Misch-Eigentums-Strukrur einer public-private ownership
bestens bewährt. Der stabile öffentliche Kerneigentümer sorgt für Sicherheit gegen feindliche
Übernahmen und für ein besseres Standing sowohl beim Auftritt auf neuen Märkten als auch
bei der Refinanzierung.

Der unnötige Abverkauf, unter nunmehr nicht nachvollziehbarem Zeitdruck, führt quasi zu
einer Notverkaufssituation, in der bekanntlich Preis und Bedingungen durch mögliche Käufer
diktiert werden.

Letztlich geht das im Fall der voestalpine so weit, dass der Erlös des Abverkaufs sogar unter
dem Wert der Eigenmittel zu liegen kommen könnte. Kein anderer Eigentümer würde so
verantwortungslos mit seinem Eigentum umgehen. Schließlich geben Analysten einen
möglichen Kurswert von rund 50 Euro an, wogegen sich die Bundesregierung mit
kolportierten 37 Euro zufrieden geben soll. Damit wird bewusst gegen die Zielsetzung der
Erlösoptimierung im ÖIAG-Gesetz verstoßen. Somit wird klar, dass hier auch massive andere
Interessen im Spiel sind und bestimmte Gruppen bedient werden sollen.

Verschärft wird die Situation laut profil Nr. 36/2003 durch kolportierte Geheimabsprachen,
die den Börsenmechanismus außer Kraft setzen sollen. Preise sowie mögliche künftige
Eigentümer sollen offenbar vorab festgelegt werden. Das alles ist zum Nachteil der
österreichischen Bevölkerung als bisherigen Eigentümer, zum Nachteil des Unternehmens
und des Kapitalmarktes in Österreich.

Die voestalpine hat aufgrund der Höhe ihres Jahresumsatzes und auch des
Beschäftigtenstandes wesentliche Bedeutung für die österreichische Wirtschaft. Von den ca.
22.300 Beschäftigten weltweit arbeiten 15.000 Menschen in Österreich - vor allem in
Donawitz und Linz. Wesentlich erscheint auch die Sicherung von Arbeitsplätzen im
Zulieferbereich, denn allein für den Standort Linz liefern 3.000 österreichische Unternehmen
für den Bereich Stahl, davon etwa die Hälfte aus Oberösterreich, zu. Das Einkaufsvolumen
der voestalpine GmbH in Linz beträgt für das Jahr 2003 227 Millionen Euro ohne Rohstoffe,


davon gehen 167 Millionen Euro direkt nach Oberösterreich. Im Zuge des Projektes „Linz
2010" werden bis zum Jahr 2010 2 Milliarden Euro zur Kapazitätserweiterung und
Absicherung des Standortes Linz investiert. Am Standort Donawitz wird die Investition in ein
neues Schienenwalzwerk für rund 60 Millionen Euro Investitionskosten überlegt. In den
letzten 5 Jahren lieferte die voestalpine insgesamt 84 Millionen an Dividende ab. Das
Unternehmen hat enorme Bedeutung für die gesamte Kaufkraft in der jeweiligen Region,
ebenso für die Lehrlingsausbildung: 750 Lehrlinge werden im Konzern ausgebildet. Eine
Abwanderung der Konzernzentrale ins Ausland würde Standortinvestitionen und letztlich den
Wirtschaftsstandort Oberösterreich selbst samt sämtlicher Zulieferbetriebe gefährden.

Gerade eine Privatisierung der Staatsanteile an der voestalpine mittels eines Verkaufs über die
Börse erfüllt weder die Anforderung der Erzielung eines größtmöglichen Erlöses, noch
werden dabei die Interessen der voestalpine selbst berücksichtigt.
Das ÖIAG-Gesetz gebietet, bei Privatisierungen die Interessen der jeweiligen
Beteiligungsgesellschaft, der ÖIAG sowie die Interessen des Bundes insbesondere im
Hinblick auf die Bedienung der Schulden der ÖIAG angemessen zu berücksichtigen (§ 7
ÖIAG-Gesetz 2000). Der oberösterreichische Landeshauptmann Pühringer, der sich noch am
28.8.2003 aufzusagen von Bundeskanzler Schüssel und Finanzminister Grasser verließ und
von einem „totalen Kampf um eine österreichische oberösterreichische Lösung" sprach
(NEWS Nr. 35, 28.August 2003) wird von Rechtsexperten dahingehend widerlegt, dass eine
derartige Bevorzugung inländischer Großanleger illegal sei, weil ausländische Kleinaktionäre
damit klar diskriminiert würden. Diese Vorgangsweise würde dem Gemeinschaftsrecht
widersprechen (Europarechtsexperte Rainer Roninger in der Presse vom 28. August 2003).

Grundsätzlich handelt es sich bei dieser Privatisierung um eine auch innerhalb der Regierung
umstrittene Maßnahme, welche keinesfalls garantieren kann, dass Forschung,
Konzernzentrale und Kernaktionäre bei einem anonymen Börseverkauf im Inland bleiben.
Damit wird - neben dem bereits sicheren finanziellen Misserfolg - auch die Zerschlagung der
bisherigen Kernaktionärsstruktur der ÖIAG betrieben und auch in diesem Fall gegen
geltendes Recht verstoßen.

Mittels der Budgetbegleitgesetzgebung wurde in § 7 Abs. 4 ÖIAG-Gesetz ein Zielkatalog für
Privatisierungsvorhaben eingefugt, der wie folgt lautet: Die Privatisierungen sollen zu einer
möglichst hohen Wertsteigerung der Unternehmen führen und dadurch auch langfristig
sichere Arbeitsplätze in Österreich schaffen bzw. erhalten, möglichst hohe Erlöse für den
Eigentümer erbringen, die Entscheidungszentralen und die Forschungs- und
Entwicklungskapazitäten der zu privatisierenden Unternehmen wenn möglich in Österreich
halten und den österreichischen Kapitalmarkt berücksichtigen.


Durch eine Totalprivatisierung mittels Anteilsverkauf über die Börse wird keine einzige
Anforderung dieses Gesetzes erfüllt.

Finanzminister Grasser, der mit dem Vollzug des ÖIAG-Gesetzes betraut ist, ist auch in
diesem Fall des Verstoßes von ÖIAG-Leitungsorganen gegen Soll-Vorschriften nicht
seiner gesetzlichen Vollzugspflicht nachgekommen - eine Vorgangsweise, die
erheblichen Schaden für die Republik Österreich nach sich ziehen wird.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Finanzen
nachstehende

Anfrage:

1.      Erachten Sie die Einhaltung der Bestimmungen des ÖIAG-Gesetzes, wonach
bestimmte Privatisierungsziele (Halten der Entscheidungszentralen und der
Forschungs- und Entwicklungskapazitäten der zu privatisierenden Unternehmen in
Österreich, Schaffung bzw. Erhaltung von langfristig sicheren Arbeitsplätzen in
Österreich, Berücksichtigung des österreichischen Kapitalmarktes, möglichst hoher
Erlös für den Eigentümer) zu gewährleisten sind, im Falle des Verkaufs der
Bundesanteile an der voestalpine als unverzichtbar? Wenn ja, wie beabsichtigen Sie
diese Ziele im Zuge eines Börsenganges zu garantieren?

2.       Wie werden Sie die von Bundeskanzler Schüssel im Standard vom 30.8.2003

angekündigte österreichische Mehrheit an der voestalpine nachhaltig sicherstellen,
falls private Eigentümer wie die Gruppe um die RLB Oberösterreich bestimmender
Aktionär wird, wenn einerseits sich deren Unternehmenspolitik ändert bzw. Dritte
über die Börse eine Mehrheit erwerben?

3.       Welchen wirtschaftlichen Vorteil für das Unternehmen voestalpine AG sehen Sie im
Verlassen des nachweislich erfolgreichen Weges einer gemischt öffentlich-privaten
Eigentümerstruktur?

4.     Existiert ein ÖIAG-internes oder extern erstelltes Bewertungsgutachten betreffend
 
die voestalpine-Anteile und zu welchem betragsmäßigen Ergebnis je Aktie kommt
 dieses, mit welchem Privatisierungserlös rechnen Sie daher und würden Sie als


zuständiger Minister einer Veräußerung der voestalpine-Anteile unter dem Wert der
Eigenmittel zustimmen?

5.      Welchem Buchwert entsprach der am 8.8.2003 verkaufte 9-Prozent-Anteil an der
VA-Technologie AG, wie hoch war der Erlös aus dem Verkauf des 9-Prozent-
Anteiles und inwieweit war diese Vorgangsweise geeignet, um den Intentionen des
ÖIAG-Gesetzes hinsichtlich Halten der Entscheidungszentralen, Schaffung bzw.
Erhaltung von langfristig sicheren Arbeitsplätzen in Österreich, hoher Erlös für den
Eigentümer und Sicherstellung der Forschungs- und Entwicklungskapazitäten in
Österreich zu genügen?

6.       In welcher Form nehmen Sie Ihre Eigentümerrechte in sämtlichen - auch den nicht
vom Rechnungshof geprüften - ÖIAG-Töchtern hinsichtlich gesetzwidriger
Managerverträge wahr und welche Maßnahmen wurden von Ihnen hinsichtlich dieser
Unternehmen zur Einhaltung der Antiprivilegiengesetzgebung durchgeführt bzw.
warum wurden von Ihnen keine Maßnahmen unmittelbar nach dem öffentlichen
Bekanntwerden der extremen Erhöhung der Vorstandsgehälter und
Aufsichtsratsentschädigungen in der ÖIAG am 13.9.2002 gesetzt, wann wurden
erstmals Berichte Ihrerseits eingeholt und hatten Sie Kenntnisse über diese Vorgänge
bereits vor der öffentlichen Berichterstattung am 13.9.2002 (Kurier), wenn nein, aus
welchen Gründen ergibt sich Ihr Informationsdefizit?

7.      Wie lautet der exakte Inhalt des Ihnen von ÖIAG-Aufsichtsratsvorsitzenden Heinzel
vorgelegten Berichtes hinsichtlich der Rechtmäßigkeit aller ÖIAG-Managerverträge?

8.      Wurde von Ihnen ein Rechtsgutachten hinsichtlich einer möglichen Nichtigkeit bzw.
Teilnichtigkeit der ÖIAG-Managerverträge im Sinne des § 879 ABGB
(Sittenwidrigkeit) eingeholt? Wenn nein, warum bleibt die intern vorhandene
Infrastrukrur (Finanzprokuratur) in diesem Falle ungenutzt und wenn ja, wie lautet
der exakte Inhalt dieses Gutachtens?

9.      Ab welchem Zeitpunkt werden die im Rechungshofbericht kritisierten Verträge an
die herrschende Gesetzeslage angepasst oder werden Sie die bestehende Anti-
Privilegien-Gesetzgebung an die abgeschlossenen ÖIAG-Verträge anpassen?


10.    In welcher Höhe wurden bzw. werden durch Sie Schadenersatzansprüche gegenüber
den Aufsichtsräten der ÖIAG gemäß § 99 in Verbindung mit § 84 Aktiengesetz,
wonach diese zum Ersatz des aus der Verletzung ihrer Obliegenheiten entstandenen
Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet sind, geltend gemacht?