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Bundesministerium für Justiz

 

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                                                                                              09.09.2004

 

 

 

 

Betrifft: Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (VbVG)

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Der Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaftsverband (ÖWAV) ist ein gemein-nütziger Verein. Er versteht sich als unabhängiger Anwalt für die Erreichung der nachhaltigen Ziele der Wasser-, Abwasser- und Abfallwirtschaft in Österreich und vertritt die Gesamtheit der Wasser- und Abfallwirtschaft in Österreich.

 

Der ÖWAV bildet eine neutrale und unabhängige Plattform aller fachlichen Kräfte mit hoher Sachkompetenz, die den Interessensausgleich in der österreichischen Wasser-, Abwasser- und Abfallwirtschaft suchen.

 

Stellungnahme:

Der Österreichische Wasser- und Abfallwirtschaftsverband beehrt sich, zum Entwurf eines Bundesgesetzes über die Verantwortlichkeit von Verbänden für mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlungen (Verbandsverantwortlichkeitsgesetz – VbVG), BM f. Justiz, JMZ 318.017/0001-II 2/2004, vom 14.6.2004, wie folgt Stellung zu nehmen:

 

Von der geplanten strafrechtlichen Verantwortlichkeit von juristischen Personen sind Bund, Länder und Gemeinden zur Gänze, sowohl in Bezug auf hoheitliches als auch in Bezug auf privatwirtschaftliches Handeln, ausgenommen, weil sie als verfassungsmäßige Glieder der Republik Österreich „den Staat repräsentieren“ (so die EB) und eine Bestrafung des Staates durch den Staat selbst nicht in Betracht kommt. Andere Körperschaften öffentlichen Rechts sind insoweit ausgenommen, als sie in Vollziehung der Gesetze (hoheitlich) handeln.

 

Den Gemeinden sind zahlreiche öffentliche Aufgaben überantwortet, wie insbesondere solche der kommunalen Infrastruktur auf den Gebieten Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallbeseitigung und Hochwasserschutz. In vielen Fällen übersteigt die Besorgung derartiger öffentlicher Aufgaben jedoch die Kräfte der einzelnen Gemeinde. Um diese Aufgaben überhaupt bzw. effizienter und kostengünstiger erfüllen zu können, muss die Aufgabenerfüllung oft durch mehrere Gemeinden gemeinsam erfolgen. Die Rechtsordnung stellt für solche Fälle des gemeinsamen Handelns von Gemeinden die organisatorische Rechtsform des Verbandes zur Verfügung, etwa in Form von Gemeindeverbänden nach Art. 116a B-VG oder von Wasserverbänden nach dem WRG 1959, BGBl 1959/215 igF. Eine solche interkommunale Zusammenarbeit in Verbandsform ist gesetzlich teils optional, teils zwingend (z.B. Abfallwirtschaftsverbände nach Landesrecht) vorgesehen oder auch unmittelbar sondergesetzlich begründet (z.B. Wasserleitungsverband Nördliches Burgenland); die Bildung eines Verbandes bzw. die Teilnahme an einem solchen steht damit unter Umständen gar nicht in der Dispositionsbefugnis der betroffenen Gemeinden.

 

Gemeinde- und Wasserverbände sind Körperschaften öffentlichen Rechts (vgl. bzgl Wassergenossenschaften und Wasserverbänden ausdrücklich die §§ 74 Abs 2 und 88 Abs 2 WRG 1959). Ihr Handeln ist letztlich (gemeinsames) Handeln der im Verband zusammengeschlossenen Gemeinden selbst und gleich diesem als Handeln von Gebietskörperschaften anzusehen.

 

Es ist daher nicht verständlich, dass Gemeinden dann, wenn sie öffentliche Aufgaben allein besorgen, als Teil des Staates vom Geltungsbereich des VbVG ausgenommen sind, wenn sie hingegen die gleiche Aufgabe gemeinsam besorgen, die Verbandsverantwortlichkeit greifen soll. Immerhin sind Wasser- und Gemeindeverbände als Körperschaften öffentlichen Rechts Instrumente (Formen) des Gemeindehandelns und damit auch des Staatshandelns im Sinne der Erläuterungen, hinsichtlich dessen letztlich ebenfalls eine „Selbstbestrafung des Staates“ zu vermeiden ist.

 

Die Wahrnehmung solcher Infrastrukturaufgaben erfolgt teils in hoheitlichen, teils in privatwirtschaftlichen Handlungsformen. Bei Besorgung solcher Aufgaben sind die Gemeinden – als Glieder des Staates – von der vorgesehenen Verbandsverantwortlichkeit ausgenommen. Auch Zusammenschlüsse von Gemeinden in Verbandsform erfüllen regelmäßig unentbehrliche öffentliche Aufgaben der Mitgliedsgemeinden in den Bereichen kommunale Wasserversorgung, kommunale Abwasserbeseitigung, Hochwasserschutz und Abfallbeseitigung. Ihre Tätigkeit ist dabei nur teilweise als „Vollziehung der Gesetze“ anzusehen (vgl. OGH 1.3.1989, 1 Ob 3/89), zumal auch die „Vollziehung der Gesetze“ nicht ohne Infrastruktur auf privatwirtschaftlicher Basis (z.B. Bau- und Beschaffungswesen) ihr Auslangen finden kann. Dabei treten in der Praxis schwierige Abgrenzungsfragen auf, weshalb eine Differenzierung der Rechtssicherheit nicht dienlich ist und auch bei Wasser- und Gemeindeverbände entfallen sollte.

 

Wasser- und Gemeindeverbände sind nicht gewinnorientiert. Vielmehr sind die Kosten der Erfüllung der Verbandsaufgaben (Herstellungs-, Erhaltungs- und Betriebskosten für Ver­bands­einrichtungen) anteilsmäßig auf die Mitgliedsgemeinden umzulegen (vgl zB § 88d WRG 1959) und werden von diesen überwiegend über Gebühren finanziert. Da die Kosten für die Errichtung und Vorhaltung entsprechend dimensionierter Verbandsanlagen nicht allein aus Gebühren aufgebracht werden können, ist regelmäßig zusätzlich eine massive staatliche Förderung (z.B. nach Wasserbautenförderungsgesetz bzw. Umweltförderungsgesetz) notwendig, um die Verbandsaufgaben erfüllen zu können.

 

Die ökonomischen Folgen der Verbandshaftung auch von Wasser- und Gemeindeverbänden träfe zufolge des gesetzlich verankerten Umlagesystems zwangsläufig die Mitgliedsgemeinden. Da der Verband selbst kein disponibles Vermögen hat – verbandseigene Anlagen und Liegenschaften dienen dem Verbandszweck und stehen damit in einer Art Miteigentum der Verbandsgemeinden, muss ein allfälliges Verbandsbußgeld auf die Mitgliedsgemeinden umgelegt werden; die Strafe würde daher letztlich die Gemeinden treffen und wäre damit eine ungewollte „Selbstbestrafung“ des Staates. Da die Gemeinden ihre Verbandsbeiträge notwendigerweise im Wege von Gebührenvorschreibungen auf die Bürger überwälzen müssen, wären letztlich jene „bestraft“, was nicht das Ziel des Gesetzes sein kann.

 

In diesem Zusammenhang sind auch etwaige weitere Konsequenzen der Verbandshaftung zu berücksichtigen. Sollte etwa der Ausschluss oder die Rückforderung staatlicher Förderungen als Rechtsfolge zu gewärtigen sein, dann wäre die Erfüllung der Verbandsaufgaben nicht mehr möglich und das Verbandsziel nicht mehr erreichbar; dies steht in krassem Gegensatz zur erklärten Absicht, die Existenz (und weitere Geschäftstätigkeit) des Verbandes nicht in Frage zu stellen, und trifft durch Unterbleiben von Infrastrukturmaßnahmen die Bevölkerung unmittelbar.

 

Unabhängig von solchen grundsätzlichen Bedenken erscheint angesichts der gesetzlich normierten Aufkommensneutralität verbandsinterner Kosten- und Beitragsregelungen eine Bemessung des Verbandsbußgeldes nach dem Jahresumsatz zumindest untunlich. Gerade Infrastrukturmaßnahmen in den Bereichen Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallbeseitigung sowie Hochwasserschutz sind enorm kostenträchtig und können nur mit staatlicher Förderung realisiert werden. Ob in den Umsatzbegriff auch diese zur Erfüllung der Verbandsaufgaben notwendigen staatlichen Förderungen eingerechnet werden sollten, ist unklar und jedenfalls abzulehnen.

 

Setzt man den Umsatz mit dem Investitionsvolumen oder gar mit dem Gesamtbudgetrahmen des Verbandes gleich, wäre dies im Vergleich zu industriellen Unternehmen unangemessen und gleichheitswidrig und widerspräche auch den Erläuterungen, wonach es Ziel sein soll, dem Verband „Überschüsse zu entziehen, ohne dass die Betriebsgrundlage gefährdet wird“, wobei als Zahlungsüberschuss der für Ausschüttungszwecke an Eigentümer verfügbare Betrag verstanden wird. Auch soll das Unternehmen in seiner „Vermögensbildung nicht behindert“ werden. Gerade ein solcher Zahlungsüberschuss oder gar die Bildung von disponiblem Vermögen kommt bei den hier in Rede stehenden Verbänden gesetzlich gar nicht in Betracht. Damit fehlt es an einem Substrat für die Bemessung der Verbandsbuße. Dass diesfalls Mindestertragsäquivalente anzuwenden sein sollen (so die EB), kann nicht helfen, weil es sowohl an Erträgen als auch selbst für geringe Bußgelder an disponiblem Vermögen fehlt. Die vorgesehene Art der Strafbemessung erscheint hinsichtlich der Wasser- und Gemeindeverbände sachlich verfehlt und rechtsstaatlich bedenklich.

 

Nach den Erläuterungen bedarf die geplante Regelung flankierender Bestimmungen in anderen Rechtsmaterien, wie etwa bezüglich allfälliger Rechtsfolgen und Abstimmung der gerichtlichen Vorgangsweise mit aufsichtsbehördlichen Maßnahmen. Es erscheint ratsam, bereits hier zumindest die wichtigsten solcher notwendiger Nebenbestimmungen vorzusehen, um Unstimmigkeiten zu vermeiden.

 

Zusammenfassung:

Zusammenfassend darf festgehalten werden, dass es nach Auffassung des Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverbandes und der bei ihm organisierten Verbände aus sachlichen Erwägungen - und wohl auch verfassungsrechtlich - geboten erscheint, sowohl Gemeindeverbände als auch Wasserverbände (§§ 87 ff WRG 1959) in gleicher Weise wie Gemeinden selbst von der Verbandshaftung auszunehmen, um eine „Selbstbestrafung“ des Staates zu vermeiden. Im Sinne der oben genannten Ausführung schließt sich der ÖWAV auch der Stellungnahme des Österreichischen Gemeindebundes an.

 

Abschließend darf seitens des ÖWAV die Bereitschaft bekundet werden, die angeschnittenen spezifischen Probleme von Wasser- und Gemeindeverbänden näher zu erläutern und zu einer sachdienlichen Lösung beizutragen.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

ÖSTERREICHISCHER

WASSER- UND ABFALLWIRTSCHAFTSVERBAND

                 Der Präsident                                                Der Geschäftsführer

 

 

        Baurat h.c. DI Dr. W. Flögl                                         DI M. Assmann

 

 

Ergeht an:

Präsidium des Nationalrates in 25facher Ausfertigung

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