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Bundesministerium
für Justiz |
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Museumstraße
7 |
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1070
Wien |
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GZ: 91870/11-I/B/6/04 |
Betreff: Entwurf eines Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes;
Begutachtung
(do.
GZ 318.017/0001-II.2/2004)
Zu dem im Betreff genannten Gesetzesentwurf erlaubt
sich das Bundesministerium für Gesundheit und Frauen folgende Stellungnahme
abzugeben:
Das geplante
Verbandsverantwortlichkeitsgesetz regelt die strafrechtliche Verantwortlichkeit
von juristischen Personen (hier als „Verbände“ bezeichnet), welche
gemeinschaftsrechtlich geboten ist, sodass kein grundsätzlicher Einwand zu
diesem Gesetzesvorhaben erhoben werden kann.
Ausgenommen
von der Geltung des Gesetzes sind nach § 1 Abs. 3 des Entwurfes der Bund, die Länder und
die Gemeinden, weiters andere Körperschaften des öffentlichen Rechtes,
soweit diese „in Vollziehung der Gesetze handeln“, ausländische Staaten und
internationale Organisationen sowie anerkannte Kirchen und religiöse
Bekenntnisgemeinschaften, soweit sie nicht unternehmerisch tätig.
Zu diesem Anwendungsbereich
gemäß § 1 wird aus Sicht des ho. Wirkungsbereichs Folgendes
festgehalten:
Das
bedeutet, dass das neue Verbandsverantwortlichkeitsgesetz auf die Sozialversicherungsträger
Anwendung findet, soweit diese nicht in Vollziehung der Gesetze handeln.
Gebietskörperschaften
hingegen sollen gänzlich - dh auch hinsichtlich ihrer privatwirtschaftlichen Tätigkeit
- von der Verbandsverantwortlichkeit ausgenommen sein.
Aus
Sicht des ho. Ressorts ist kein sachlich gerechtfertigter Grund ersichtlich,
dass hinsichtlich der strafrechtlichen Konsequenzen von privatwirtschaftlichem
Handeln öffentlich-rechtlicher Körperschaften zwischen den Gebietskörperschaften
und den Sozialversicherungsträgern unterschieden wird. Diese Differenzierung
erscheint daher gleichheitswidrig.
Diese
Bedenken gelten umso mehr, als die – gänzlich von der
Verbandsverantwortlichkeit ausgenommenen – Gemeinden ebenfalls
Selbstverwaltungskörper sind. Die Sozialversicherungsträger sind wie die
Gemeinden Körperschaften des öffentlichen Rechts und unterliegen der
staatlichen Aufsicht; beide handeln sowohl hoheitlich als auch
privatwirtschaftlich.
Auch
die Definition des Anwendungsbereichs als solche wirft Unklarheiten auf:
Insbesondere stellt sich die Frage, ob die Sozialversicherungsträger etwa bei
der Beschaffung diverser Gesundheitsdienstleistungen im Rahmen des gesetzlich
vorgesehenen Sachleistungsprinzips nun „in Vollziehung der Gesetze“ im Sinne
des Entwurfs handeln; die genannten Aufgaben sind nach herkömmlichem
Verständnis jedenfalls keine hoheitlichen, sondern privatwirtschaftliche,
erfolgen
aber
„in Vollziehung der Gesetze“ (Versorgungsauftrag der österreichischen
Sozialversicherung).
Die
Einbeziehung der Sozialversicherungsträger in den Anwendungsbereich des
geplanten Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes erscheint aus Sicht des ho.
Ressorts aus den genannten Gründen problematisch. Das Bundesministerium
für Gesundheit und Frauen geht diesbezüglich von einer weiteren Kontaktnahme
vor Erstellung der Regierungsvorlage aus.
2. Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit
Die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit GmbH (im Folgenden als Agentur bezeichnet) gilt nach § 19 Abs. 5 des Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetzes, BGBl. I Nr. 63/2002, als Körperschaft öffentlichen Rechts und fällt daher unter diese Ausnahme – soweit sie in Vollziehung der Gesetze handelt. Dass die Agentur auch unter den oben zitierten Ausnahmetatbestand fällt, wenn sie unternehmerisch tätig wird und mit Privaten in Konkurrenz tritt (§ 8 Abs. 7 Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz), ist dagegen wohl zu verneinen. Aus dem Wortlaut des Entwurfs und den Erläuterungen ist vielmehr abzuleiten, dass eine strafrechtliche Verantwortlichkeit der Agentur nicht ausgeschlossen werden kann.
Zu §§ 4 ff (Verbandsgeldbuße):
Der
Gesetzentwurf trifft nicht nur jene Fälle, in denen leitende Funktionäre selbst
auch strafrechtlich verantwortlich sein können, sondern ausdrücklich auch jene
Fälle des „systematischen“ Organisationsverschuldens, in denen kein/e
Mitarbeiter/in unmittelbar zur Verantwortung gezogen werden kann. Die Strafe
(Verbandsgeldbuße) soll die juristische Person fühlbar treffen, aber nicht ihre
Existenz in Frage stellen. Die Strafbemessung erfolgt nach dem Jahresumsatz.
Im
Zusammenhang mit der Verbandsgeldbuße, welche in Ertragsäquivalenten bemessen
wird, stellt sich die Frage, wie der Umsatz einer öffentlich-rechtlichen
Körperschaft und konkret jener der Sozialversicherungsträger bestimmt wird.
Dies
gilt umso mehr, als die Sozialversicherungsträger auf Grund ihres
spezifischen gesetzlichen Auftrags eigenen Rechnungslegungsvorschriften
unterliegen und die Begriffsverwendungen nicht mit jenen im privatrechtlichen
Bilanzrecht ident sind.
Im Fall der Agentur
für Gesundheit und Ernährungssicherheit, deren Einnahmen auch im unternehmerischen
Bereich weitestgehend durch – oftmals lediglich kostendeckende - Tarife
geregelt wird, erscheint eine Bemessung des Verbandsbußgeldes nach dem
Jahresumsatz zumindest untunlich. Setzt man den Umsatz nämlich mit dem
Gesamtbudgetrahmen der Agentur gleich, erschiene dies im Vergleich zu
industriellen Unternehmen unangemessen und gleichheitswidrig. Dies ohne weitere
Kriterien der richterlichen Entscheidung zu überlassen, erscheint bedenklich
und wäre wohl abzulehnen.
Zu den Erläuterungen,
Allgemeiner Teil, F. Flankierende Maßnahmen in anderen Bundesgesetzen
im Hinblick auf § 69 LMG Folgendes bemerkt:
Gemäß § 69 Abs. 1 LMG 1975 haftet der/die Betriebsinhaber/in für die Geldstrafen, Kosten der Urteilsveröffentlichung, und als Bereicherung abgeschöpfte Geldbeträge (§ 20 StGB), zu deren Zahlung ein/e Arbeitnehmer/in oder Beauftragte/r seines/ihres Betriebes wegen einer nach den §§ 56 bis 64 leg.cit. mit Strafe bedrohten Handlung verurteilt worden ist, es sei denn, dass der Verurteilte die strafbare Handlung nicht im Rahmen der dienstlichen Obliegenheiten des Betriebes begangen hat.
Gemäß § 69
Abs. 3 leg.cit. ist die Haftung in Anspruch zu nehmen, wenn die Geldstrafe, die
Kosten oder die Geldbeträge aus dem beweglichen Vermögen des Verurteilten nicht
eingebracht werden können.
Wie in den
Erläuterungen zum vorliegenden Entwurf ausgeführt ist, spricht gegen die
Aufhebung, dass das bestehende Instrumentarium, insbesondere die Haftung für
Geldstrafen, einfach handhabbar und daher insbesondere für den unteren
Deliktsbereich unverzichtbar ist, umso mehr, als eine Verfolgung von Verbänden
im bezirksgerichtlichen Verfahren eine seltene Ausnahme sein wird. Weiters
spricht gegen eine gänzliche Aufhebung des § 69 LMG 1975, dass durch das
Verbandsverantwortlichkeitsgesetz Einzelunternehmer nicht erfasst werden.
Dem ho.
Ressort ist nicht ersichtlich, weshalb die genannten Bestimmungen sich
überhaupt widersprechen bzw. einander ausschließen. Im LMG 1975 wird lediglich
ausgesprochen, dass im Fall der Verurteilung eines/einer Arbeitnehmers/-in
der/die Betriebsinhaber/in für die Geldstrafe etc. haftet. Würde gemäß dem
neuen Verbandsverantwortlichkeitsgesetz die juristische Person herangezogen
werden, käme in der Folge § 69 LMG 1975 gar nicht zur Anwendung.
Aus diesem
Grund wird seitens des ho. Ressorts keine Veranlassung gesehen, § 69
LMG 1975 aufzuheben.
Für die Bundesministerin:
AIGNER
Für
die Richtigkeit
der
Ausfertigung:
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Präsidium
des Nationalrats |
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Parlament |
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1010
Wien |
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GZ: 91980/10-I/B/6/04 |
Betreff: Entwurf eines Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes;
Begutachtung
Sehr geehrte Damen und Herren!
Das
Bundesministerium für Gesundheit und Frauen übermittelt die ho. Stellungnahme
zu dem im Betreff genannten Entwurf in elektronischer Form sowie in 25-facher
Ausführung zur gefälligen Kenntnisnahme.
Beilagen
Mit freundlichen Grüßen
Für die Bundesministerin:
AIGNER
Für
die Richtigkeit
der
Ausfertigung: