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Betreff: Stellungnahme zum Entwurf eines Behindertengleichstellungsgesetzes

 

Sehr geehrte Damen und Herren!                                     Wien, am 21.09.04

 

Innerhalb offener Frist erlaubt sich der OBDS zu der angeführten Gesetzesinitiative im Rahmen der Begutachtungsfrist folgende

STELLUNGNAHME

abzugeben:

 

Prinzipiell begrüßen wir natürlich die Intentionen, die hinter einem Behindertengleichstellungsgesetz stehen. Um eine gleichberechtigte Teilhabe im täglichen Leben für Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten, ist der vorgelegte Entwurf aber viel zu „zahnlos“.

Dieser Entwurf schließt behinderte Menschen in vielen Bereichen des täglichen Lebens aus und setzt damit die Diskriminierung fort.

Der Entwurf erfüllt all das, was die Behindertenbewegung in den letzten Jahren gefordert hat zum überwiegenden Teil nicht.

Nur Antidiskriminierung - keine Gleichstellung
Der vorliegende Entwurf ermöglicht nur Klagen bei Diskriminierungen und auch das nur im eingeschränkten Rahmen.

Behindertengleichstellung besteht nicht nur aus Diskriminierungsschutz, sondern muss vor allem auch detaillierte materielle Gleichstellungsrechte - z. B. ein Recht auf barrierefreien Zugang bzw. barrierefreie Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln, Gebäuden, Internetangeboten usw. mit geregelten Standards der Barrierefreiheit und ein Recht auf inklusive Bildung enthalten.

Ein klares Bekenntnis zur Integration in sämtlichen Bereichen des Lebens - das sich bekanntlich nicht nur in der Arbeitswelt abspielt - sowie eine Definition zur Barrierefreiheit, entsprechende Fristen um Diskriminierungen abzuschaffen bzw. hintanzustellen, fehlen im Entwurf.

Keine Anerkennung der Gebärdensprache
Die Anerkennung der Gebärdensprache wurde ganz aus dem Text herausgenommen und befindet sich nur mehr in den erläuternden Bemerkungen.

Kein Recht auf Integration:
Weiterhin liegt es bei den Betroffenen selbst (in diesem Fall bei den Eltern behinderter Kindern in Vertretung ihrer Kinder) diskriminierende Tatbestände aufzuzeigen, diese einzuklagen und darauf zu vertrauen, dass sich diese verändern. Außerdem beschränkt sich die Klagemöglichkeit nur auf Angelegenheiten des Bundes. Da fast alle Schulen der Kompetenz der Länder unterliegen, wäre es für Eltern weiterhin im höchsten Maße ungewiss, ob ihre Klage tatsächliche Veränderungen mit sich bringt. Auch im Bildungsbereich bringt dieser Entwurf keinerlei Verbesserungen. Es werden nicht einmal diskriminierende Gesetzesstellen in Schulgesetzen repariert. Auch in Zukunft würden Eltern, die ihre behinderten Kinder in der Schule integriert haben möchten, nicht vor Diskriminierungen geschützt.

Keine Frauenspezifische Regelungen
Frauenspezifische Forderungen - wie in den Stellungnahmen von SLIÖ und dem Forum Gleichstellung angeregt - sind im vorliegenden Begutachtungsentwurf wiederum nicht enthalten. Wir fordern die Verankerung eines allgemeinen Frauenförderungsgrundsatzes.

Diskriminierende Gesetze bleiben unverändert
Statt diskriminierende Gesetze zu überarbeiten, werden sogar neue diskriminierende Gesetze beschlossen. Als Beispiel sei das e-Government-Gesetz genannt, welches eine Bestimmung enthält, die duldet, dass neue Internetangebote bis 2008 nicht barrierefrei zugänglich sein müssen.

Keine Gleichstellung auf Länderebene
Die für behinderte Menschen wichtigen Materien wie etwa Baurecht, Schulrecht, Beförderungswesen, fallen überwiegend in Landeskompetenz und sind ausdrücklich vom Diskriminierungsschutz des Entwurfes nicht umfasst; der bloße Hinweis in den Erläuterungen auf - vielleicht irgendwann - abzuschließende Vereinbarungen gem. Art. 15a B-VG ist völlig unzureichend für die Gewährleistung eines umfassenden österreichweiten Behindertengleichstellungssystems.

Der Bereich barrierefreies Bauen, der in die Gesetzgebung der Länder fällt, fehlt ebenso wie der Bereich öffentlicher Verkehr oder Integration in Schule und Berufsausbildung. Die barrierefreien Nutzung bei Um- und Neubauten im gesamten öffentlichen Bereich inklusive des öffentlichen Verkehrs und der Verkehrsflächen bedarf der gesetzlichen Sichergestellung.

 

So erklärt sich der OBDS solidarisch mit den Forderungen von BIZEPS, Selbstbestimmt Leben Österreich, Integration:Österreich und dem Österreichischen Gehörlosenbund und lehnt den Begutachtungsentwurf des Behindertengleichstellungsgesetzes in der vorliegenden Fassung vom 28.7.2004 ab, da wesentliche oben genannte Punkte, wie ein klares Bekenntnis zur Integration in sämtlichen Bereichen des Lebens, eine Definition zur Barrierefreiheit und entsprechende Fristen um Diskriminierungen abzuschaffen bzw. hintanzustellen, darin fehlen.

Unser gemeinsames Ziel ist ein Gleichstellungsgesetz mit einklagbaren Rechten und kein Alibientwurf.

Wenn die Gleichstellung behinderter Frauen und Männer der Republik Österreich mit Gemeinden, Ländern und dem Bund tatsächlich ein Anliegen ist, dann muss ein neuer Entwurf vorgelegt werden

Wir fordern weitere eingehende Diskussionen - vor allem mit Betroffenen - und halten auch eine Weiterarbeit ohne Einbeziehung der anderen Bundesministerien und der Bundesländer für nicht zielführend.

Wir fordern ein Behindertengleichstellungsgesetz, das seinen Namen verdient und die gleichberechtigte und chancengleiche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen gewährleistet und ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht. Ein Antidiskriminierungsgesetz alleine ist unzureichend.

 

Für den OBDS:

 

DSA Mag. Judith Haberhauer-Stidl

Geschäftsführerin des OBDS

 

Ergeht in 25-facher Ausfertigung und per e-mail an das Präsidium des Nationalrates, sowie per post und per e-mail an das BMSG.