
A-1060 Wien,
Mariahilferstraße 81/I/14
Tel.: 01/587 46 56 Fax: 01/587 46 56/10 Dw.;
E-Mail:oesterreich@sozialarbeit.at
http://www.sozialarbeit.at
Bankverbindung:
Bank Austria BLZ: 20151 Kto.Nr.: 610 696 700
BM
f. soziale Sicherheit, Generationen & Konsumentenschutz
Stubenring
1
1010
Wien
Betreff:
Stellungnahme zum Entwurf eines Behindertengleichstellungsgesetzes
Sehr
geehrte Damen und Herren! Wien,
am 21.09.04
Innerhalb
offener Frist erlaubt sich der OBDS zu der angeführten Gesetzesinitiative im
Rahmen der Begutachtungsfrist folgende
abzugeben:
Prinzipiell
begrüßen wir natürlich die Intentionen, die hinter einem
Behindertengleichstellungsgesetz stehen. Um eine gleichberechtigte Teilhabe im
täglichen Leben für Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten, ist der
vorgelegte Entwurf aber viel zu „zahnlos“.
Dieser Entwurf schließt
behinderte Menschen in vielen Bereichen des täglichen Lebens aus und setzt
damit die Diskriminierung fort.
Der Entwurf erfüllt all das, was
die Behindertenbewegung in den letzten Jahren gefordert hat zum überwiegenden
Teil nicht.
Nur Antidiskriminierung - keine Gleichstellung
Der
vorliegende Entwurf ermöglicht nur Klagen bei Diskriminierungen und auch das
nur im eingeschränkten Rahmen.
Behindertengleichstellung besteht nicht nur aus Diskriminierungsschutz,
sondern muss vor allem auch detaillierte materielle Gleichstellungsrechte - z.
B. ein Recht auf barrierefreien Zugang bzw. barrierefreie Benützung von
öffentlichen Verkehrsmitteln, Gebäuden, Internetangeboten usw. mit geregelten
Standards der Barrierefreiheit und ein Recht auf inklusive Bildung enthalten.
Ein klares Bekenntnis zur Integration in sämtlichen Bereichen des Lebens
- das sich bekanntlich nicht nur in der Arbeitswelt abspielt - sowie eine
Definition zur Barrierefreiheit, entsprechende Fristen um Diskriminierungen
abzuschaffen bzw. hintanzustellen, fehlen im Entwurf.
Keine Anerkennung der Gebärdensprache
Die
Anerkennung der Gebärdensprache wurde ganz aus dem Text herausgenommen und
befindet sich nur mehr in den erläuternden Bemerkungen.
Kein Recht auf
Integration:
Weiterhin liegt
es bei den Betroffenen selbst (in diesem Fall bei den Eltern behinderter
Kindern in Vertretung ihrer Kinder) diskriminierende Tatbestände aufzuzeigen,
diese einzuklagen und darauf zu vertrauen, dass sich diese verändern. Außerdem
beschränkt sich die Klagemöglichkeit nur auf Angelegenheiten des Bundes. Da
fast alle Schulen der Kompetenz der Länder unterliegen, wäre es für Eltern
weiterhin im höchsten Maße ungewiss, ob ihre Klage tatsächliche Veränderungen
mit sich bringt. Auch im Bildungsbereich bringt dieser Entwurf keinerlei
Verbesserungen. Es werden nicht einmal diskriminierende Gesetzesstellen in
Schulgesetzen repariert. Auch in Zukunft würden Eltern, die ihre behinderten
Kinder in der Schule integriert haben möchten, nicht vor Diskriminierungen
geschützt.
Keine Frauenspezifische
Regelungen
Frauenspezifische
Forderungen - wie in den Stellungnahmen von SLIÖ und dem
Forum Gleichstellung angeregt - sind im vorliegenden Begutachtungsentwurf
wiederum nicht enthalten. Wir fordern die Verankerung eines allgemeinen Frauenförderungsgrundsatzes.
Diskriminierende
Gesetze bleiben unverändert
Statt
diskriminierende Gesetze zu überarbeiten, werden sogar neue diskriminierende
Gesetze beschlossen. Als Beispiel sei das e-Government-Gesetz genannt, welches eine Bestimmung
enthält, die duldet, dass neue Internetangebote bis 2008 nicht barrierefrei
zugänglich sein müssen.
Keine Gleichstellung
auf Länderebene
Die für
behinderte Menschen wichtigen Materien wie etwa Baurecht, Schulrecht,
Beförderungswesen, fallen überwiegend in Landeskompetenz und sind ausdrücklich
vom Diskriminierungsschutz des Entwurfes nicht umfasst; der bloße Hinweis in
den Erläuterungen auf - vielleicht irgendwann - abzuschließende Vereinbarungen
gem. Art. 15a B-VG ist völlig unzureichend für die
Gewährleistung eines umfassenden österreichweiten
Behindertengleichstellungssystems.
Der Bereich barrierefreies Bauen, der in die Gesetzgebung der Länder
fällt, fehlt ebenso wie der Bereich öffentlicher Verkehr oder Integration in
Schule und Berufsausbildung. Die barrierefreien Nutzung bei Um- und Neubauten
im gesamten öffentlichen Bereich inklusive des öffentlichen Verkehrs und der
Verkehrsflächen bedarf der gesetzlichen Sichergestellung.
So erklärt sich der OBDS
solidarisch mit den Forderungen von BIZEPS, Selbstbestimmt Leben Österreich,
Integration:Österreich und dem Österreichischen Gehörlosenbund und lehnt den
Begutachtungsentwurf des Behindertengleichstellungsgesetzes in der vorliegenden
Fassung vom 28.7.2004 ab, da wesentliche oben genannte Punkte, wie ein klares Bekenntnis
zur Integration in sämtlichen Bereichen des Lebens, eine Definition zur
Barrierefreiheit und entsprechende Fristen um Diskriminierungen abzuschaffen
bzw. hintanzustellen, darin fehlen.
Unser gemeinsames Ziel ist ein
Gleichstellungsgesetz mit einklagbaren Rechten und kein Alibientwurf.
Wenn die Gleichstellung
behinderter Frauen und Männer der Republik Österreich mit Gemeinden, Ländern
und dem Bund tatsächlich ein Anliegen ist, dann muss ein neuer Entwurf
vorgelegt werden
Wir fordern weitere eingehende
Diskussionen - vor allem mit Betroffenen - und halten auch eine Weiterarbeit
ohne Einbeziehung der anderen Bundesministerien und der Bundesländer für nicht
zielführend.
Wir fordern ein Behindertengleichstellungsgesetz, das seinen Namen
verdient und die gleichberechtigte und chancengleiche Teilhabe von Menschen mit
Behinderungen gewährleistet und ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht. Ein
Antidiskriminierungsgesetz alleine ist unzureichend.
Für den OBDS:
DSA Mag. Judith Haberhauer-Stidl
Geschäftsführerin des OBDS
Ergeht in 25-facher Ausfertigung
und per e-mail an das Präsidium des Nationalrates, sowie per post und per
e-mail an das BMSG.