Präsidium des Natinalrates
Parlament
1016 Wien
In
Ergänzung zu den bereits schriftlich übermittelten
Stellungnahmen werden diese nunmehr auch elektronisch übermittelt.
Dr.
PLEISCHL e.h.
Mit freundlichen Grüßen:
Franz PÖLL
Oberstaatsanwaltschaft Wien
mailto:franz.poell@justiz.gv.at
Jv
3570-2/04
Betrifft: Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Strafprozess-
ordnung 1975, das Jugendgerichtsgesetz 1988, das Bundes-
gesetz über die judizielle Zusammenarbeit in Strafsachen
mit den Mitgliedstaaten der europäischen
Union, das
Auslieferungs-
und
Rechtshilfegesetz und das Staatsanwaltschaftsgesetz
geändert
werden (Strafprozessnovelle 2005);
Begutachtungsverfahren.
An das
Bundesministerium
für Justiz
in W i
e n
zu BMJ-578.021/002-II 3/04
Unter Bezugnahme auf den
Erlassvom 29.7.2004 werden zumEntwurf
derStrafprozessnovelle
2005dieStellungnahmen
der
ErstenOberstaatsanwältin Dr. Marie-Luise
NITTEL und des Oberstaatsanwaltes Mag.
Alexander BAUER für die
Oberstaatsanwaltschaft
Wien sowie die
Stellungnahmen der
Staatsanwaltschaften
Wien und Krems an der Donau vorgelegt.
Eine gleichzeitige Übermittlung per e-mail an die Adresse
Kzl.l.@bmj.gv.at wurde veranlasst.
Je 25 Ausfertigungen der Stellungnahmen wurden dem Präsidium
des
Nationalrats übermittelt.
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An den
Herrn Behördenleiter
zu Jv
3570-2/04
Betrifft:
Stellungnahme zum Entwurf
eines Bundesgesetzes mit dem die
Strafprozessordnung 1975, das Jugendgerichtsgesetz, das
Bundesgesetz über die über die justizielle Zusammenarbeit
in Strafsachen mit den
Mitgliedstaaten der Europäischen Union,
das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz und das Staatsanwalt-
schaftsgesetz geändert werden (Strafprozessnovelle 2005).
Zur geplanten Änderung der §§ 13 Abs. 1 , 19 Abs. 2 StPO:
Wie in den Erläuterungen
zu Punkt I A (Seite des
Erlasses)
erwähnt,
brächte die in Rede
stehende
Verkleinerung des
Schöffengerichtes auf einen Senat von (bloß) einem
Berufsrichter und
zwei Schöffen mit sich,
dass Laien alleine eine Mehrheitsentscheidung
über die Schuldfrage herbeiführen könnten, die zufolge der
Bestimmungen über das Rechtsmittelverfahren wirksam nicht
bekämpfbar
wäre. Es bestünde daher die
Gefahr von Fehlurteilen sowohl zu Gunsten
als auch zu Lasten des Angeklagten,
und das auch in Fällen der
Schwerkriminalität,
für die das Kollegialgericht zuständig ist. Zu
denken
ist dabei beispielsweise an Sexualdelikte , die einer sensiblen
Beweiswürdigung bedürfen, in die
ein zweiter BerufsrichterIn
Erfahrungen einbringen können sollte.
Um nicht erhebliche Qualitätseinbußen in der Rechtsprechung der
Kollegiealgerichte gerade
in heiklen Fällen hinnehmen zu
müssen, ist
es
daher unentbehrlich, gleichzeitig mit einer "Verkleinerung" des
Schöffengerichtes auch die bezughabenden
Rechtsmittelbestimmungen zu
adaptieren
und
den
Prozessparteien
(Angeklagten
und
Staatsanwaltschaft) die Möglichkeit einzuräumen, die Entscheidung über
die Schuldfrage anzufechten.
Dies um so mehr als der Anklagebehörde
derzeit nicht einmal die
Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde nach §
281 Abs. 1 Zi. 5a StPO offen steht. Da
allerdings bei Zulassung einer
Schuldberufung gegen die Entscheidung der Schöffengerichte
mit einer
Steigerung der Anzahl der Rechtsmittel und einem
Mehraufwand bei den
Rechtsmittelgerichten
(Beweiswiederholungen)
gerechnet werden muss,
bleibt
dahingestellt,
ob der mit der
Novelle beabsichtigte
Einsparungseffekt insgesamt tatsächlich zu erzielen ist.
Was das Argument einer rein
passiven Beteiligung des
Beisitzers, auf den daher generell verzichtet werden könne, anbelangt,
sei auf die Diskussion zum "kleinen Schöffengericht" im
Zusammenhang
mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1987
verwiesen. Schon damals wurde
- unter
anderem - die Meinung vertreten,
dass ein inaktiver Beisitzer
ein Problem der individuellen Bereitschaft jedes einzelnen Richters,
aber nicht ein Mangel der Strafprozessordnung sei (vgl. Steiniger,
ÖJZ
1988, 489). Mag auch in manchen Fällen eine aktive Beteiligung des
Beisitzers nicht erfolgen oder sogar
aufgrund der klaren Sach- und
Rechtslage entbehrlich sein, dürfen jedoch die zahlreichen
komplexen
und
schwierigen Fälle (z.B. Anklagen nach dem Finanzstrafgesetz, wegen
anderer
Wirtschaftskriminalität,
aber auch Sexualdelikten), in denen
der/die BeisitzerIn zur Lösung von
Schuld- und Rechtsfrage
einen
erheblichen Beitrag leistet, nicht außer Acht gelassen werden.
Schon 1987 wurde im
Zusammenhang mit der Frage nach der
Gerichtsbesetzung geäußert, dass
sich möglichst mehrere
Richter bei
der Stoffsammlung, der Beweiswürdigung und
der rechtlichen Subsumtion
gegenseitig beraten und
kontrollieren sollen, sodass ein Ausgleich in
den individuellen Positionen erzielt werden
kann (vgl. Steininger aaO
S 493) Dieser Effekt kann nicht
erreicht werden, wenn die
Laien
zahlenmäßig überlegen sind, zumal Laien ohne einschlägige
Vorbildung
und Qualifikation mit komplizierten Rechts- und Sachfragen vielfach
überfordert sind. Nachdem einerseits auch
über den Fortbestand der
Geschworenengerichte
in der derzeitigen Form
diskutiert und die
Laiengerichtsbarkeit
generell in Frage gestellt wird, ist es um so
weniger
verständlich
,wenn
andererseits
(beim
"kleinen
Schöffengericht")
Laien ein Übergewicht bei der Entscheidung im
Schöffengericht
eingeräumt
wird
(vgl.
Bertel- Venier
Strafprozessrecht7 Rz97 ff).
Zur Neugestaltung der Protokollführung (§ 23 StPO) ist auf die
erhebliche Mehrbelastung des Vorsitzenden durch die Erstellung eines
Diktatprotokolles hinzuweisen.
(Dr. Maria-Luise NITTEL,
Wien, am
10.9.2004 Erste
Oberstaatsanwältin)
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(Ergänzende) Stellungnahme von OStA Mag. Bauer zum
Entwurf zur Strafprozessnovelle 2005 (JMZ 578.021/0002):
zu Art.
I Z 1, 2 und 15 (§§ 13 Abs. 1, 19 Abs. 2, 221 Abs. 3 StPO):
Die - offensichtlich allein aus Rationalisierungsgründen ins
Auge gefasste -
Verkleinerung des Schöffensenates durch Abschaffung
des beisitzenden Richters und die daraus resultierende Möglichkeit
einer dem erklärten Willen des
Vorsitzenden
entgegenstehenden
Entscheidung der Laienrichter birgt
zwangsläufig die Gefahr
einer
mangelhaften oder gar falschen
Lösung der -
zumindest nominell
vorwiegend in den Händen der Schöffen liegenden - Schuldfrage und
damit von Fehlurteilen, die nach geltender
Rechtslage zu Gunsten des
Angeklagten allein im Wege des - nur
begrenzt tauglichen - Mittels
einer Tatsachenrüge nach § 281 Abs. 1 Z
5 a StPO anfechtbar und zu
dessen Lasten gänzlich unanfechtbar sind. Um dieser auch im
Geschworenenverfahren
bestehenden Gefahr manchmal sogar bewusster
Fehlentscheidungen
(Philipp in WK-StPO § 334 Rz 2 mwN) zu begegnen,
wurde vom Gesetzgeber das Rechtsinstitut
der "Aussetzung der
Entscheidung"
nach §334 StPO geschaffen, das - im Gegensatz zu der
nunmehr im Entwurf vorgesehenen
"Aussetzung" der Urteilsverkündung
gemäß § 257 StPO - tatsächlich geeignet erscheint, besonders krasse
Fehlentscheidungen zu
überprüfen. Diese Kontrollfunktion, von der die
Praxis
behutsam und offensichtlich nur in durchaus berechtigten Fällen
Gebrauch macht (Philipp aaO Rz 2 und 26), ist für das Verfahren vor
dem verkleinerten Schöffengericht im vorliegenden Entwurf
bedauerlicherweise
ebenso
wenig
vorgesehen, wie die der
Staatsanwaltschaft
einzuräumende
Möglichkeit, die Lösung der
Schuldfrage auch zum Nachteil des Angeklagten zu bekämpfen.
Soweit der Entwurf die Frage der
Anpassung der
Rechtsmittelmöglichkeiten
einem künftigen Reformprozess vorbehält,
nimmt er für die bis dahin verstreichende
Zeit - offensichtlich
bewusst - Fehlurteile in Kauf, die zu Lasten des Angeklagten (in
rechtsstaatlich bedenklicher Weise) überhaupt nicht und auch zu seinem
Vorteil
(wie die bisherige Judikatur des OGH zu §281 Abs. 1 Z 5 a StPO
zeigt) nur beschränkt
anfechtbar sind, nämlich nur dann, wenn die der
Entscheidung
entgegenstehenden
Beweismittel vom Rechtsmittelwerber
formal einwandfrei bezeichnet werden und die vom
erkennenden Gericht
daraus gezogenen Schlüsse geradezu denkunmöglich sind (vgl. Ratz in
WK-StPO
§ 281 Rz 470 ff).
In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass es gerade in
rechtlich schwierigen und
zugleich besonders öffentlichkeitswirksamen
Verfahren (z.B. wegen Amtsmissbrauch oder wegen
Sexualdelikten), die
für den
Laien bereits zuvor in den Medien "aufbereitet" werden (und in
welchen - etwa im Falle [partei]politischer Hintergründe - die
Standpunkte zunehmend polarisiert werden), erforderlich sein kann, den
zum Teil überforderten,
teilweise aber auch vor Selbstüberschätzung
nicht
gefeiten Laien nicht nur bei der Stoffsammlung, sondern auch bei
der Abstimmung (siehe § 221 Abs. 3 StPO idF des
Entwurfes) in
ausreichendem Maße geschulte und erfahrene unabhängige
Berufsrichter
zur
Seite zu stellen.
Letztlich darf - im
Hinblick auf den Einwand
des oft
"unnötigen"
Beisitzers - nicht übersehen
werden, dass die
Verhandlungsführung
und
Entscheidungsvorbereitung
des Vorsitzenden
durch einen weniger engagierten
Beisitzer in aller Regel nicht
beeinträchtigt wird, während im
umgekehrten Fall - wie die
Praxis
vielfach gezeigt hat -
ein einsatzfreudiger und kompetenter
beisitzenden Richter allfällige Nachlässigkeiten
des Vorsitzenden
durchaus
kompensieren kann.
zu Art.
I Z 6 (§ 114 Abs. 1 StPO):
Bei
Verankerung
eines
grundsätzlich
zweiseitigen
Beschwerdeverfahrens
vor den Gerichtshöfen II.
Instanz ist zu
beachten, dass durch die damit erforderliche Verständigung
des
Beschuldigten
zumindest in einigen Fällen
der Zweck der Ermittlungen
gefährdet oder der Erfolg der angestrebten Maßnahme sogar unmöglich
gemacht werden können, etwa wenn die
Staatsanwaltschaft Beschwerde
gegen eine Enthaftung
oder gegen einen die
Überwachung einer
Telekommunikation abweisenden Beschluss der Ratskammer einbringt (§149
b Abs. 6
StPO).
Es wird daher empfohlen,
in solchen Fällen, in
welchen die
Zwecke des Strafverfahrens
durch verfrühte Bekanntmachung der von der
Anklagebehörde
beantragten
Ermittlungsschritte
gefährdet wären, von
der Einbindung des Beschuldigten
in das Rechtsmittelverfahren
abzusehen (vgl. §§ 38 Abs.
4, letzter Satz; 149 b Abs. 4; 149 f Abs.2
StPO
u.v.a.),
zumal dieser ohnehin gegen
die von der
Staatsanwaltschaft
allenfalls
erwirkte
Maßnahme seinerseits
Rechtsmittel ergreifen kann.
Wien,
am 1.9.2004
.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.-.
Der Leiter
der Staatsanwaltschaft Krems a.d.Donau
Jv
695-2/04
Krems
a.d.Donau, am 09.09.2004
3500
Krems a.d.Donau
Josef
Wichner Straße 2
Tel.:
02732/809-0
Fax:
02735/809-404
Betrifft: Strafprozessnovelle 2005
Begutachtungsverfahren
Bezug: BM für Justiz, GZ BMJ - 578.021/0002-II
3/2004 vom 29.7.2004
An den
Herrn Leiter der
O b e r s t a a t s a n w a l t s c h a f t
Wien
Zu obigem Bezug wird
lediglich zur beabsichtigten Änderung des § 119 Abs. 1 StPO, wonach als
Sachverständiger auch der Leiter eines Institutes einer Universität bestellt
werden kann (...) und dem geplanten Wortlaut des § 128 Abs. 1 StPO, nach
welchem jede Leichenbeschau und Leichenöffnung nur mehr durch den Leiter eines
Institutes für gerichtliche Medizin einer Universität vorgenommen werden kann,
wie folgt
S t e l
l u n g g e n o m m e n :
Es
ist nicht einzusehen, weshalb das Recht des Untersuchungsrichters bei
Leichenbeschau und Leichenöffnungen darauf eingeschränkt werden soll, lediglich
vier Personen in Österreich bestellen zu können. Die Weitergabe des
Gerichtsauftrages durch den Leiter eines Institutes ist abzulehnen, denn damit
bestimmt dieser den Sachverständigen, was die richterliche
Entscheidungsfreiheit in nicht zu rechtfertigender Weise einschränkt.
Angesichts der großen Zahl erforderlicher gerichtlicher Leichenöffnungen und
anschließender Gutachtenserstattungen sowie Vernehmung der Sachverständigen in
Hauptverhandlungen müsste die Tätigkeit dieser vier Sachverständigen in
Österreich, wenn sie sich nicht ohnehin in den meisten Fällen vertreten ließen,
zu unüberwindbaren Terminproblemen führen. Wenn aber die an den
Universitätsinstituten beschäftigten Gerichtsärzte in der Lage sind,
Leichenöffnungen durchzuführen und Gutachten zu erstatten, dann ist nicht
einzusehen, warum als Sachverständige nur die Leiter der Institute bestellt
werden können. Aus meiner
langjährigen Tätigkeit in der Strafjustiz ist mir kein Fall bekannt, in welchem
ein von einem Angehörigen des Institutes für gerichtliche Medizin der
Universität Wien (auch Linz oder Salzburg) erstattetes Obduktionsgutachten in
irgendeiner Weise mangelhaft gewesen wäre oder dem hohen wissenschaftlichen
Standard bei Obduktionsgutachten nicht entsprochen hätte. Es ist daher nicht
einzusehen, weshalb ein Bedarf nach einer derart ausgefallenen Regelung wie im
geplanten § 128 Abs. 1 StPO bestehen sollte. Dagegen kann nur angeführt werden, dass der nunmehrige
Leiter des Institutes für gerichtliche Medizin der Universität Wien im Bereich
des Landesgerichtes Krems a.d.Donau bisher erst eine einzige Obduktion
durchgeführt hat, das Gutachten aber nach wie vor noch nicht erstattet
wurde. Aus diesen Gründen spreche
ich mich gegen die geplante Novellierung der §§ 119 und 128 StPO aus.
Dr. Karl Reinberg
Leitender Staatsanwalt der
Staatsanwaltschaft Krems a.d.Donau