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BMJ-L318.021/0001-II                   Rp  716/04/CN/Va                   4298                   20.09.2004

1/2004                                     Dr. Christoph Nauer

 

 

Strafrechtliches Budgetbegleitgesetz 2004, Stellungnahme

 

 

Die WKÖ nimmt zum oa Gesetzesentwurf wie folgt Stellung:

 

Das grundsätzliche Anliegen des Entwurfs, Wertgrenzen, Höchstgrenzen für Ordnungs-strafen, Kostenbestimmungen und sonstige ziffernmäßig bestimmte Geldbeträge an die Geldwertentwicklung anzupassen, wird begrüßt. Die geplante Änderung des Tat-bestands der Geldwäscherei (§ 165 StGB) wird jedoch entschieden abgelehnt. Die Änderung ist weder aufgrund einer EU-Richtlinie noch aufgrund einer FATF-Empfehl-ung erforderlich.

 

Zu den Bestimmungen im Einzelnen:

 

Zu Artikel I Z 4 (§ 165 Abs 1 StGB):

Nach dem Entwurf sollen sämtliche gerichtlich strafbare Handlungen, die mit mehr als sechsmonatiger Freiheitsstrafe bedroht sind, als Vortaten des Tatbestand der Geld-wäscherei eingeführt werden. Bisher wurden die Straftatbestände, die Voraussetzung für das Delikt der Geldwäscherei waren, einzeln angeführt.

 

Die vorgeschlagene extensive Ausdehnung des Vortatenkatalogs wird strikt abgelehnt; wenn aus Sicht des BMJ in einzelnen Punkten ein Änderungsbedarf des Vortaten-katalogs besteht, müssen diese Punkte explizit angesprochen werden. Die vorge-schlagene Generalerweiterung hätte inakzeptable Auswirkungen:

 

·         Explosion des Vortatenkatalogs

·         Gefahr der ungerechtfertigten Kriminalisierung 

·         Kollaps des Meldewesens

·         Keine klare Abgrenzung des Tatbestands zu Delikten des FinStrG

 

 

 

Zwei Aspekte führen zur Explosion des Vortatenkatalogs:


Grundsätzlich ist bereits derzeit der Tatbestand der Geldwäscherei sehr weit gefaßt, da der Vermögensbestandteil, der Gegenstand der Geldwäscherei ist, aus einer im Tatbestand des § 165 StGB genannten Vortat „herrühren“ muss und dieser Begriff einen weiten Bedeutungsinhalt hat. Es sind davon zB Beuteerlangung, Bestechungs-einnahme, Belohnungsempfang, Entgelterhalt etc umfaßt (siehe Kirchbacher/Press-lauer in Wr Kommentar zum StGB, § 165 Rz 5).

 

Der Kreis der Vortaten wird im Begutachtungsentwurf auf alle Vergehen erweitert, die mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedroht sind. Dadurch kommen allein im StGB nahezu 100 Tatbestände als mögliche Geldwäscherei-Vortaten neu hin-zu. Die Zahl der neuen Vortaten in Nebengesetzen ist praktisch nicht feststellbar (zB Straftatbestände aus dem LebensmittelG und dem WaffenG).

 

Durch die Explosion des Vortatenkataloges besteht die Gefahr einer ungerecht-fertigten Kriminalisierung. Z.B. könnte ein Bankmitarbeiter pönalisiert werden, wenn Gelder entgegen genommen werden, die ein Kunde als Entgelt für eine Handlung be-kommen hat, die einer (neuen) Vortaten entspricht. Grundsätzlich wird durch § 165 Abs 2 StGB ein an sich sozialadäquates Verhalten im Hinblick auf den Unrechtsgehalt der Vortat pönalisiert. Bei den neu einbezogenen Straftaten ist jedoch der Unrechts-gehalt wesentlich geringer als bei den bisher einbezogenen Vortaten. Die Einbezieh-ung in den Tatbestand der Geldwäsche ist daher nicht in jedem Fall gerechtfertigt.

 

Nachstehende Beispiele sollen dies verdeutlichen:

-          Muss die Entgegennahme von Einkünfte aus einem Eierproduktionsbetrieb abge-lehnt werden, nach dem ein TV-Bericht über Misstände (Tierquälerei) ausgestrahlt wurde?

-          Muss eine Kontoverbindung gekündigt oder gesperrt werden, wenn ein Karikaturist staatliche Symbole herabwürdigt (zB Staatswappen), weil zu befürchten ist, dass das Honorar dafür auf dem Konto eingehen wird?

 

Die Beispiele ließen sich beliebig weiterführen. Welchen Nutzen erwartet sich die Strafrechtspflege davon?

 

Ein weiteres Problem liegt darin, dass bei einer ausländischen Vortat zwar Strafbarkeit der Vortat im Ausland gegeben sein muss, die Strafdrohung im Ausland aber nicht der in Öster-reich entsprechen muss. Es kann daher dazu kommen, dass im Ausland eine Vortat als Ba-gatelldelikt gewertet wird, in Österreich aber dennoch volle Strafbarkeit nach § 165 StGB für die zugehörige Geldwäscherei gegeben ist.

 

Weiters ist durch die Ausweitung des Geldwäschetatbestands der Kollaps des Meldewesens in Geldwäschesachen zu befürchten:

 

Nach § 41 BWG haben Kreditinstitute Transaktionen, bei denen der begründete Verdacht der Geldwäscherei besteht, den Behörden zu melden. Durch die Erweiterung des Vortatenkatalogs käme es zu einer unüberschaubaren Erweiterung der Über-prüfungs- und Meldepflichten und damit zu einem gewaltigen Mehraufwand bei Banken und Behörden. Durch den Entwurf würden daher auch dem Bund erhebliche Mehrkosten entstehen. Die EB übersehen diesen Auf-wand und argumentieren nur mit der geringen Zahl gerichtlicher Strafverfahren; dabei wird der Kostenfaktor des § 41 BWG übersehen. Bei der Beurteilung, ob der Verdacht der Geld-wäsche vorliegt, müssten nunmehr weit über hundert mögliche Vortaten berücksichtigt werden; wurde die mögliche Vortat im Ausland begangen, muss auch noch überprüft werden, ob die Tat im Ausland auch strafbar ist.

 

Insgesamt ist absehbar, dass der neue Vortatenkatalog zum Kollaps des Meldewesens nach § 41 BWG in Sachen Geldwäsche führen würde. Daraus folgt, dass bei Überprüfung der – in Wahrheit unmöglichen - Einhaltung dieser Bestimmungen willkürlicher Vorgangsweise seitens der Behörde Tür und Tor geöffnet wäre. Die Reputation geprüfter Bankinstitute wäre schon durch den bloßen Umstand der Prüfung gefährdet.

 

Auch das Verhältnis des Geldwäschetatbestands zu den Delikten des FinStrG ist unklar:

 

Die meisten Tatbestände des FinStrG erfüllen – soweit gerichtlich strafbar – die Anforderung der neuen Vortatumschreibung („Vergehen, die mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheits-strafe bedroht sind“) des § 165 Abs 1 StGB. Dennoch werden in § 165 Abs 1 StGB weiterhin die Finanzvergehen des Schmuggels und der Hinterziehung von Eingangs- und Ausgangsabgaben als Vortaten angeführt. Es muss daher klargestellt werden, dass nicht sämtliche Delikte des FinStrG, die mit mehr als sechsmonatiger Freiheitsstrafe bedroht sind, von § 165 Abs 1 StGB umfaßt sind, sondern nur die explizit angeführten Finanzvergehen. Auch für die gewerbs-mäßige Abgabenhinterziehung, die als Verbrechen einzustufen ist, wäre klarzustellen, dass keine Vortat für § 165 Abs 1 StGB vorliegt.

 

25 Ausfertigungen der Stellungnahme wurden dem Präsidium des Nationalrats übermittelt; weiters wurde die Stellungnahme an begutachtungsverfahren@parlament.gv.at übermittelt.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

Dr. Christoph Leitl         Dr. Reinhold Mitterlehner

Präsident Generalsekretär-Stv.