Wien, am 04.10.2004

                                                                                                            Dr. Br/mo

 

 

Bundesministerium für

soziale Sicherheit und Generationen

und Konsumentschutz

Sektion II/A/1

Stubenring 1

A- 1010 Wien

 

 

 

Betreff: Entwurf des Bundesministeriums für soziale Sicherheit, Generationen und
              Konsumentschutz betreffend ein Pensionsharmonisierungsgesetz;
              Begutachtungsverfahren; GZ: 21.113/26-1/04

 

Zu obigem Entwurf erlauben wir uns wie folgt Stellung zu nehmen:

 

Die erste Säule der Alterssicherung für alle Österreicherinnen und Österreicher einheitlich zu gestalten, ist seit langem eine der wesentlichen Forderungen der Vereinigung der Österreichischen Industrie auf sozialpolitischem Gebiet. So erfolgte auch unsere Zustimmung zur Pensionsreform 2003 nur unter der Bedingung, dass es auch zu der im Regierungsprogramm vorgesehenen Harmonisierung der Pensionssysteme kommt.

 

Wir begrüßen den vorliegenden Entwurf daher ausdrücklich. Unseres Erachtens sind bei seiner Gesetzwerdung Auswirkungen vor allem in drei Richtungen zu erwarten:

 

·         Durch die Harmonisierung wird im Pensionsbereich Gerechtigkeit zwischen den einzelnen Pensionssystemen und damit den verschiedenen Berufsgruppen geschaffen; nicht mehr zeitgemäße Privilegien werden beseitigt. Wir würden es sehr bedauern, wenn diese Wirkung auf den verfassungsmäßigen Einflussbereich des Bundes beschränkt bliebe und verlangen mit Nachdruck, dass die Länder und Gemeinden dem Beispiel des Bundes folgen.

 

·         Durch die Schaffung eines Pensionskontensystems und die damit verbundene hohe Übereinstimmung zwischen geleisteten Beiträgen und späterer Pensionsleistung wird auch innerhalb eines Systems eine höhere Pensionsgerechtigkeit erreicht.

 

·         Schließlich führt die Reform – nach vorübergehenden Mehrausgaben – längerfristig zu Einsparungen und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Finanzierbarkeit des österreichischen Pensionssystems.

 

Kritisch merken wir allerdings an, dass die Bundesregierung, offenbar in der – leider nicht erfüllten – Hoffnung, einen breiteren Konsens zu erzielen und insbesondere die Zustimmung der Arbeitnehmervertretungen zum Entwurf zu erhalten von ihrer ursprünglichen Konzeption nicht unerhebliche Abstriche gemacht hat. Dies betrifft vor allem die Einschränkung der Harmonisierung auf unter 50-Jährige und die verminderten Abschläge bei Vorliegen von Schwerarbeit.

 

Im Einzelnen erlauben wir uns zu bemerken:

 

Zu Artikel 1,

Allgemeines Pensionsgesetz:

 

Zu § 1 Abs 3

 

Wir treten dafür ein, das Allgemeine Pensionsgesetz auf alle Personen, die am 31. Dezember 2004 das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, anzuwenden. Da durch das Instrument der Parallelrechnung die Umstellung auf ein Pensionskonto ohnehin langsam und gleitend erfolgt, ist unseres Erachtens die Einschränkung auf unter 50-Jährige aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht erforderlich. Wir halten es sogar für möglich, dass ein heute 50-Jähriger, der nach dem alten System eine Durchrechnungszeit von 30 oder 31 Jahren zu erwarten hat, durch die wesentlich schlechtere Aufwertung der alten Beitragsgrundlagen durch die Nichteinbeziehung in das neue System benachteiligt wird.

 

 


Zu § 4 Abs 3 und 4

 

Wir stellen die Notwendigkeit einer eigenen Schwerarbeitspension grundsätzlich in Frage. Erstens erfolgt die Aufnahme von Schwerarbeit in aller Regel in Erwartung einer höheren Entlohnung, bzw. von Zuschlägen, weshalb weitere Maßnahmen im Pensionsrecht zweifelhaft erscheinen; zweitens existiert für besondere Fälle das Instrumentarium des Nachtschwerarbeitsgesetzes bzw für Fälle von Gesundheitseinschränkungen die Invalidäts- bzw Berufsunfähigkeitspension; drittens war es bisher in monatelangen Gesprächen nicht möglich, eine geeignete und befriedigende Definition der Schwerarbeit zu finden und viertens befürchten wir, dass für eine vergleichsweise kleine Anzahl von Fällen ein ungeheurer administrativer Aufwand notwendig ist.

 

 

Zu § 5 Abs 2

 

Stellen wir schon die Berechtigung einer Schwerarbeitspension überhaupt in Frage, so treten wir umso mehr dagegen ein, diese auch noch privilegiert auszugestalten und mit niedrigeren Abschlägen als andere Pensionen zu versehen. Die hier vorgeschlagene Regelung führt dazu, dass es schon genügt, ein Drittel seines Arbeitslebens in Schwerarbeit verbracht zu haben, um mit halben Abschlägen in Pension zu gehen.

 

 

Zu §§ 10 ff

 

Die Bestimmungen über das Pensionskonto sind das eigentliche Kernstück der Neuregelung. Wir begrüßen diese Umstellung nachdrücklich, auch wenn wir einschränken müssen, dass wir einem beitragsbezogenen Modell den Vorzug gegeben hätten. Wir nehmen zur Kenntnis, dass wenigstens die Formel "65-45-80" relativ weitgehend außer Streit gestellt werden konnte und dass die Umsetzung dieser Formel ein leistungsbezogenes System mit sich bringt. Ein gewisses Problem sehen wir darin, dass (nach den Erläuternden Bemerkungen und in gewissen Widerspruch zum Wort "rechtsunverbindlich" im § 13 Abs 1) ein gesetzlich garantierter Anspruch auf die auf dem Pensionskonto ausgewiesenen Gutschriften bestehen soll. Dies schränkt den Spielraum allfällig notwendiger weiterer Pensionsreformen sehr stark ein.

Ein gewisser Widerspruch scheint uns darin zu liegen, dass die Pensionskonten offenbar vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger geführt werden sollen, die Kontomitteilungen allerdings durch den jeweiligen Pensionsversicherungsträger erfolgen sollen.

 

 

Zu § 14

 

Die Möglichkeit eines freiwilligen Pensionssplittings für Zeiten der Kindererziehung wird von uns gutgeheißen.

 

 

Zu Art 2

62. Novelle zum ASVG

 

Zu Z. 20 (§ 52 Abs 4)

 

Der Umwandlung der bisherigen Ersatzzeiten in Beitragszeiten und der Beitragstragung nach dem Verursacherprinzip stimmen wir grundsätzlich zu. Hinsichtlich der Tragung des Aufwandes für Kindererziehungszeiten zu 75% (bzw. im Übergangsrecht zu 50%) durch den Familienlastenausgleichsfonds befürchten wir allerdings, dass diese in sehr kurzer Zeit zu einer Überforderung des genannten Fonds führen könnte. Angesichts der Lohnnebenkostensituation in Österreich stellen wir eindeutig fest, dass wir nicht den geringsten Spielraum zur Anhebung des Dienstgeberbeitrages zum Familienlastenausgleichsfonds sehen. Wir würden jede zukünftige Belastung der Dienstgeber mit Nachdruck ablehnen.

 

 

Zu Z. 25 und 26 (§ 70)

 

Wir sprechen uns nachdrücklich gegen die Streichung der Möglichkeit, über die Höchstbeitragsgrundlage geleistete Beiträge zur freiwilligen Höherversicherung anrechnen zu lassen, aus. Dies würde nichts anderes bewirken, als das künftig die betreffenden Dienstgeberbeiträge zwar geleistet werden müssen, für den Dienstnehmer aber in jedem Fall leistungsunwirksam sind.

 

 

Zu Z. 3 (§ 79 a)

 

Wir sehen es als positiv an, dass hier wie auch in Z. 42 (§ 108 e Abs 9, Z. 4 und 5) durch die Definition von „Nachhaltigkeitsfaktoren“ bereits Richtungsvorgaben für allfällig künftig notwendige Pensionsreformen gesetzlich verankert werden, wenn wir auch einen stärkeren Automatismus bevorzugt hätten Zu begrüßen ist, dass die Maßnahmen gleichmäßig auf die Parameter "Beitragssatz", "Kontoprozentsatz", "Anfallsalter", "Pensionsanpassung" und "Bundesbeitrag" verteilt werden sollen und damit ein Ansatz für Lastengerechtigkeit zwischen den Generationen geschaffen wird. Wir sehen uns aber veranlasst, auch in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass für uns auch mittel- und längerfristig eine Erhöhung der Lohnnebenkosten durch eine Anhebung des Arbeitgeberbeitrags nicht in Betracht kommt.

 

 

Zu Z. 37 (§ 108)

 

Dem Übergang vom derzeitigen Nettoanpassungssystem auf eine Pensionsanpassung nach dem Verbraucherpreisindex stimmen wir grundsätzlich zu. Wir geben allerdings zu bedenken, dass in Jahren schlechter wirtschaftlicher Entwicklung die Möglichkeit besteht, dass die Erhöhungen der Löhne und Gehälter der aktiven Bevölkerung unter der Inflationsrate bleiben. Eine Privilegierung der Pensionisten in diesem Fall hätte in der Bevölkerung geringe Akzeptanz. Unseres Erachtens müsste für diesen – und nur für diesen - Fall eine Pensionsanpassung nach der Lohnsteigerung vorgesehen werden.

 

 

Zu Z. 86 (§ 607 Abs 12)

 

Der Fortschreibung der sogenannten "Hacklerregelung" bis zum Jahr 2010 stehen wir skeptisch gegenüber. Wir befürchten, dass dadurch die in der Pensionsreform 2003 gesetzten Maßnahmen zur Anhebung des tatsächlichen Pensionsalters von vielen Versicherten unterlaufen werden können.

Zu Z. 90 (§ 607 Abs 23)

 

Auch die hierfür vorgesehene Absenkung der "Deckelung" der Pensionsverluste ist eine deutliche Abmilderung der Auswirkung der Pensionsreform 2003. Die Erläuternden Bemerkungen erklären nur den Inhalt der Bestimmung, geben aber keine Begründung an. Wir bezweifeln, dass wirklich die sozialpolitische Notwendigkeit zu dieser Maßnahme besteht.

 

 

Zu Artikel 3 – 29. Novelle zum GSVG

und

Artikel 4 – 28. Novelle zum BSVG

haben unsere Bemerkungen zum ASVG analog Gültigkeit.

 

Zu Artikel 5 – Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977,

Artikel 6 – Änderung des Arbeitsmarktpolitik-Finanzierungsgesetzes und

Artikel 7 – Änderung des Dienstgeberabgabegesetzes

haben wir keine Einwendungen.

 

 

Wunschgemäß übermitteln wir 25 Exemplare dieser Stellungnahme dem Präsidium des Nationalrates.

 

Mit freundlichen Grüßen

Industriellenvereinigung

 

 

 

Mag. Markus Beyrer                         Dr. Heinrich Brauner

Generalsekretär                                                   Experte Bereich Arbeit und Soziales