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Wien, 7. Oktober 2004

Bundesministerium für soziale Sicherheit

Generationen und Konsumentenschutz

Sektion II/A/1

 

Stubenring 1

1010 Wien

 

 

 

 

 

 

 

Betrifft:  Entwurf des Bundesministeriums für soziale Sicherheit,

               Generationen und Konsumentenschutz betreffend ein

               Pensionsharmonisierungsgesetz;

               GZ 21.113/26-1/04                                                                

 

 

I.              Allgemeiner Teil:

 

Der Österreichische Landarbeiterkammertag begrüßt ausdrücklich das Vorhaben, die verschiedenen Systeme der gesetzlichen Pensionsversicherung anzugleichen und langfristig eine Finanzierbarkeit der Alterssicherung zu gewährleisten.

 

Der Österreichische Landarbeiterkammertag kann sich auch mit der Richtung der vorliegenden Gesetzesentwürfe in vielen Punkten identifizieren, zumal zahlreiche Forderungen der Stellungnahme zum Entwurf des Budgetbegleitgesetzes 2003 vom 24.04.2003 aufgegriffen wurden. Insbesondere sind dies das Pensionskonto, sinngemäß der Pensionskorridor, eine deutlich verbesserte Aufwertung von Beitragsgrundlagen in vergangenen Jahren, ein besonderer Vertrauensschutz für Versicherte, die das 50. Lebensjahr bereits vollendet haben und eine Verringerung der maximalen Pensionsverluste durch eine verbesserte Deckelung zu nennen. Im Grundsätzlichen begrüßt werden ferner das freiwillige „Pensionssplitting“ für Zeiten der Kindererziehung, die Parallelrechnung nach dem Pro-rata-temporis-Prinzip, die Verlängerung der so genannten „Hacklerregelung 1“ und die langfristige Sicherung der Finanzierung durch Nachhaltigkeitsfaktoren, soweit dadurch eine höhere Berechenbarkeit zukünftig erforderlich werdender Nachjustierungen gewährleistet werden kann.

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Die Gesetzesentwürfe enthalten aber auch Vorhaben, die Bedenken auslösen. So erfolgt in verschiedenen Reformvorschlägen eine teilweise Abkehr von der sozialen Pensionsversicherung und dem Solidaritätsprinzip. Wenngleich – wie bereits oben dargestellt – die Definierung sachlich nachvollziehbarer Indikatoren für die Notwendigkeit zukünftiger Eingriffe ins Pensionssystem vernünftig ist und dem Vertrauensschutz dient, ist die Schaffung von Nachhaltigkeitsfaktoren, die an die veränderte Situation „gleichmäßig“ (nach den Erläuterungen „möglichst gleichmäßig“) anzupassen sind, bedenklich, weil das eine Abkehr vom Gedanken einer „allgemeinen Sozialversicherung“ darstellt. So darf beispielsweise einer relevanten Abweichung der Erwerbsquote der über 55 bis 64jährigen von den Prämissen der Pensionsharmonisierung nicht etwa mit einer Anhebung des Anfallsalters begegnet werden, weil gerade dies zu sozialpolitisch unerwünschten Ergebnissen führen würde und unsachlich wäre.

 

Auch die faktische Schlechterstellung unverschuldeter Arbeitslosigkeit gegenüber der bisherigen Rechtslage führt zu einer Diskriminierung sozial unterprivilegierter Gruppen von Versicherten (z.B. Saisonbeschäftigte in der Land- und Forstwirtschaft im strukturschwachen ländlichen Raum). Der Österreichische Landarbeiterkammertag fordert, dass bei Arbeitslosigkeit die volle Bemessungsgrundlage in der Arbeitslosenversicherung für die Beitragsleistung herangezogen wird.

 

Eine nicht wünschenswerte Benachteiligung ganzer Arbeitnehmergruppen stellt die Berücksichtigung sämtlicher Beitragszeiten für die Pensionsbemessung dar. Wie sämtliche Untersuchungen belegen, werden immer mehr Dienstnehmer nur teilzeitbeschäftigt, wobei viele Betroffene eine Vollzeitbeschäftigung vorziehen würden. Um eine Flucht in atypische Vertragsverhältnisse zu vermeiden, ist in einem System der sozialen Pensionsversicherung zu fordern, dass für die Bemessung der Pension die Beitragsgrundlagen zumindest der 60 schlechtesten Versicherungsmonate keine Berücksichtigung finden.

 

„45 Beitragsjahre sind genug“ – insbesondere Versicherte, die durch besonders lange Beitragsleistungen wesentlich zur Erhaltung des Pensionssystem beigetragen haben, dürfen in ihrem Vertrauen auf die staatliche Alterssicherung nicht enttäuscht werden. Rein versicherungsmathematisch begründete Abschlagsregelungen sind für diese Personengruppe nicht angebracht. Auch Zeiten saisonbedingter und somit unverschuldeter und auch unerwünschter Arbeitslosigkeit müssen bei der Ermittlung der Beitragsjahre Berücksichtigung finden.


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Der Verlängerung der so genannten „Hacklerregelung 1“ wird grundsätzlich zugestimmt. Ein Kritikpunkt an dieser Regelung bereits im geltenden Recht ist aber, dass sie eine Verlängerung vorteilhafter und auch begrüßenswerter Sonderregeln für eine bestimmte Gruppe Versicherter darstellt, ohne dass Übergangsregelungen geschaffen worden wären. Eine Verlängerung von Bestimmungen, die im Wesentlichen der Rechtslage vor der Pensionsreform 2000 entsprechen, bis in das Jahr 2010 ohne jede Übergangsfrist führt buchstäblich über Nacht zu extremen Differenzierungen aufgrund rein zufälliger Kriterien, die ein Ausmaß erreichen würden, das sie dem Verdacht der Unsachlichkeit und damit der Verfassungswidrigkeit aussetzt.

 

Ein grundsätzlicher Kritikpunkt besteht darin, dass die Pensionsharmonisierung auch zu einer Vereinfachung des Pensionsrechts führen soll. Deshalb ist zu fordern, dass das APG das Recht der gesetzlichen Pensionsversicherung abschließend regeln sollte und lediglich für die Übergangszeit pensionsversicherungsrechtliche Regelungen des ASVG Anwendung finden.

 

Insgesamt wird im Rahmen der Pensionsharmonisierung streng darauf zu achten sein, dass positive Aspekte nicht durch einen überhöhten und nicht notwendigen Verwaltungsaufwand verloren gehen.

 

Grundsätzlicher Einschub und Forderung:

 

a)    Für die zukünftige Schwerarbeiterregelung gibt es deutliche Tendenzen zunächst am Geltungsbereich des Nachtschichtschwerarbeitsgesetzes festzuhalten und weitere Personengruppen je nach erfolgreichem Lobbyismus (z.B. Exekutivbeamte) dazu zunehmen. In allen Sozialpartnergesprächen zur Verordnungserstellung war klar, dass Forstarbeit, diese wurde immer an 1. Stelle gereiht, aber auch andere Tätigkeiten von land- und forstwirtschaftlichen Arbeitnehmern, zu Schwerarbeit zählt. Aus diesem Grunde weist der Österreichische Landarbeiterkammertag bereits an dieser Stelle nachdrücklich darauf hin, dass diese Arbeitnehmer in der zukünftigen Schwerarbeitsregelung aufzunehmen sind.

 

b)   Sozialpolitisch muss der Arbeitsmarkt und neu entstehende Beschäftigungen stets genauestens beobachtet werden. Sollte sich die Tendenz zu sog. „atypischen Beschäftigungsverhältnissen“ (Flucht vor dem Arbeitsrecht) verstärken, so ist rasch Vorsorge zu treffen, dass diese im selben Ausmaß pensionsbegründend, mit ausreichender Bemessungsgrundlage, sind.

 


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II.     Besonderer Teil:

 

Artikel 1: Allgemeines Pensionsgesetz (APG)

 

Zu § 1 Abs. 3:

Damit für Personen, die am 31.12.2004 das 50. Lebensjahr bereits vollendet haben, § 4 Abs. 3 in der Praxis Anwendung finden kann, müsste auch ein Verweis auf § 4 Abs. 4 (Verordnungsermächtigung für den Bundesminister für Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) aufgenommen werden.

 

Zu § 4 Abs. 1:

Unter Rücksichtnahme auf die gegenwärtigen typischen familiären Situationen ist die vorgeschlagene Einführung einer Mindestversicherungszeit für die weitaus überwiegende Zahl der Mütter eine begrüßenswerte und sachlich gerechtfertigte Verbesserung gegenüber der bisherigen Rechtslage. Für die – heute wohl nur noch kleine – Gruppe an Frauen mit fünf oder mehr Kindern kann sie jedoch eine Schlechterstellung bedeuten. Für diese ohne Zweifel besonders schützenswerte Gruppe sollte daher subsidiär die bestehende Rechtslage in Geltung bleiben, sofern diese zu vorteilhafteren Ergebnissen führte.

 

Zu § 4 Abs. 3:

Begrüßt wird, dass durch das nunmehrige Abstellen auf Versicherungsmonate Schwerarbeiter in der Landwirtschaft, die häufig im Winter zum Aussetzen gezwungen sind, nicht mehr von der Anwendung der Schwerarbeitspension faktisch ausgeschlossen werden.

 

Zu § 4 Abs. 5:

Z 3 regelt, dass Zeiten einer Familienhospizkarenz nach § 14a und 14b des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes 1993 als Versicherungsmonate die aufgrund einer Erwerbstätigkeit erworben wurden, für die Erfüllung der Mindestversicherungszeit gelten. Die diesbezüglichen Bestimmungen des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes 1993 sind (zumindest im Zeitpunkt des gegenständlichen Gesetzesentwurfes) noch nicht im Landarbeitsrecht umgesetzt worden. Um die Notwendigkeit einer umgehenden Anpassung des APG zu verhindern, sollte § 4 Abs. 5 Z 3 wie folgt lauten:

 

„3. Zeiten einer Familienhospizkarenz nach den § 14a und 14b des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes (BGBl. Nr. 459/1993) sowie sonstiger gleichartiger gesetzlicher Regelungen.“


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Zu § 5 Abs. 2:

Im 2. Satz bezieht sich die Wortfolge „dieser Wert“ grammatikalisch eindeutig auf die Wortfolge „so beträgt die Verminderung 0,175 % für jeden Monat des früheren Pensionsantrittes“. Damit die Bestimmung aber jenen nachvollziehbaren Inhalt erhält, der auch aus den Erläuterungen hervorgeht, müsste diese Formulierung durch nachfolgende ersetzt werden:

 

„...so beträgt die Verminderung 2,1 % für jedes Jahr des früheren Pensionsantrittes...“

 

Zu § 6:

Die an dieser Stelle vorgeschlagenen Anpassungen im Bereich der Invaliditäts-, Berufsunfähigkeits- und Erwerbsunfähigkeitspensionen sind im Gesamtkonzept der Pensionsharmonisierung stimmig. Der Österreichische Landarbeiterkammertag beharrt aber entschieden darauf, dass dem nur unter der Voraussetzung zugestimmt werden kann, dass das gegenwärtige System der Pensionen aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit beibehalten wird.

 

Zu § 8:

Vor dem Hintergrund, dass die gesetzliche Pensionsversicherung eine Alterssicherung gewährleisten soll, ist die Garantie eines gleich bleibenden Realeinkommens für Pensionisten zu begrüßen. Der Österreichische Landarbeiterkammertag hofft, dass dem bei der Festsetzung der Anpassungsfaktoren auch in der Realität entsprochen wird.

 

Zu § 12:

Grundsätzlich beurteilt der Österreichische Landarbeiterkammertag eine Bindung der Aufwertung der jährlichen Beitragsgrundlagen an die Lohnentwicklung positiv. Dies entspricht auch einer Forderung, die der Österreichische Landarbeiterkammertag stets erhoben hat. Insgesamt und insbesondere an dieser Stelle ist aber am Regierungsentwurf Kritik angebracht, als durch das völlige Abgehen von der bisherigen Systematik konkrete Auswirkungen für Institutionen, nicht mit speziellen versicherungsmathematischen Rechenprogrammen ausgestattet sind, unmöglich wird. Bei einem derart grundlegenden und zentralen Reformwerk wären zur seriösen Beurteilung der Auswirkungen beispielhafte Berechnungen für typische Fallkonstellationen aufzunehmen gewesen. Ebenso ist die Diktion dieser Bestimmung grammatikalisch zu verbessern.

 


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Artikel 2: Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes

 

Zu Z 15 (§ 44):

Insbesondere für Dienstnehmer in Branchen wie der Landarbeit die saisonbedingtes Aussetzen fast zwangsläufig mit sich bringen, stellt die Bewertung von Ersatzzeiten aus der Arbeitslosenversicherung mit 70 % des monatlichen Bruttoeinkommens, von dem das Arbeitslosengeld bemessen wird, eine unzumutbare Benachteiligung gegenüber der bisherigen Rechtslage dar, weil dadurch de facto die Gesamtbemessungsgrundlage vermindert wird. Im geltenden Recht hingegen wirkte sich das bloße Vorliegen von Ersatzzeiten positiv auf den Steigerungsbetrag und neutral auf die Gesamtbemessungsgrundlage aus. Versicherte, die aufgrund ihres konkreten Berufes ohnehin bereits im Arbeitsleben benachteiligt werden, sollten durch die Pensionsharmonisierung keine weitere soziale Schlechterstellung erfahren.

 

§ 44 Abs. 1 Z 13 lit. a sollte daher wie folgt lauten: „bei Bezug von Arbeitslosengeld oder Überbrückungshilfe oder Übergangsgeld oder Weiterbildungsgeld das monatliche Bruttoeinkommen nach § 21 Abs. 1 und 2 AlVG“.

 

Zu Z 34 (§ 79a):

Abs. 2 Z 1 und 2 sehen vor, dass auf die vorzuschlagenden Maßnahmen zur Sicherung der langfristigen Finanzierung „eine gleichmäßige Verteilung der Maßnahmen auf die Parameter „Beitragssatz“, „Kontoprozentsatz“, „Anfallsalter“, „Pensionsanpassung“ und „Pensionsbeitrag“ zu achten sei. Die erläuternden Bemerkungen sehen hingegen eine bloß „möglichst gleichmäßige“ Berücksichtigung der genannten Faktoren vor.

 

Diese Bestimmung ist höchst sensibel hinsichtlich der Erhaltung des sozialen Gleichgewichts in der gesetzlichen Pensionsversicherung. Eine „gleichmäßige“ Anpassung der genannten Parameter könnte zu einer Entsolidarisierung führen und bestimmte Abweichungen von den dem Gesetzesentwurf zugrunde gelegten Prognosen durch geradezu kontraproduktive und unsachliche Maßnahmen sanktionieren. Um dies zu verhindern, wird eine Aufnahme des Solidaritätsprinzipes ins Gesetz gefordert.

 

In § 79a Abs. 2 Z 1 und 2 wäre daher die Wortfolge „eine gleichmäßige Verteilung der Maßnahmen“ durch die Wortfolge „eine mit dem Solidaritätsprinzip in Einklang stehende


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Verteilung der Maßnahmen“ zu ersetzen. Weiters wird gefordert, dass eine proportionale Beibehaltung der Höhe des Bundesbeitrages gesetzlich garantiert wird.

 

Zu Z 86 (§ 607 Abs. 12):

Der Österreichische Landarbeiterkammertag unterstützt den Vorschlag auf Aussetzung der Bestimmungen des ASVG über die Abschläge bei einem Pensionsantritt vor dem Regelpensionsalter bis 2007 im Rahmen der so genannten „Hacklerregelung 1“.

 

Zu Z 90 (§ 607 Abs. 14):

Die Modifizierung der Regelungen über die „Deckelung des Pensionsverlustes“ nach der Pensionsreform 2003 entspricht der Forderung nach einer langfristigen Sicherung der Finanzierung der Alterspensionen ebenso wie der Forderung von adäquaten Übergangsbestimmungen, die dem Vertrauensgrundsatz Rechnung tragen, und wird daher vom Österreichischen Landarbeiterkammertag begrüßt.

 

 

                        Der Vorsitzende:                                                            Der Generalsekretär:

 

 

     Präsident Abg.z. NR Ing. Josef Winkler e.h.                                  Mag. Walter Medosch e.h.