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                   Vp25638/38/04/Dr.Gr/Bi                   4024                   19.11.2004

                   Dr. Michael Grubmann

 

 

Entwurf einer 7. FSG-Novelle

Einführung eines Vormerksystems

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

 

Die Wirtschaftskammer Österreich erlaubt sich, zum vorliegenden Entwurf einer

7. FSG-Novelle – Einführung eines Vormerksystems - wie folgt Stellung zu nehmen:

 

Die Wirtschaftskammer unterstützt alle Vorstöße, um im Sinne der Verkehrssicherheit Maßnahmen gegen Hochrisikolenker zu setzen. Die Einführung eines Vormerksystems bringt einschneidende Änderungen hinsichtlich des jetzigen Entziehungsverfahrens und der Bestimmungen über die Verkehrszuverlässigkeit mit sich. So müssen auch die Kriterien, ab wann etwa eine Vormerkung einzutragen ist oder auch wann eine Maßnahme anzuordnen ist oder die Entziehung der Lenkberechtigung auszusprechen ist, klar und präzise festgelegt und für den Normadressaten leicht fassbar und nachvollziehbar sein. Diesen Anforderungen wird der vorliegende Entwurf der 7. FSG-Novelle nicht gerecht.

 

Zu Z 3 (§ 7 Abs 3 u. 4):

In Abs 3 Z 3 wird das Unterschreiten eines zeitlichen Sicherheitsabstandes von 0,2 Sekunden nunmehr als Entziehungstatbestand normiert. In § 30 a Abs 2 Z 5 wird das Übertreten des § 18 Abs 1 StVO (hintereinander Fahren) mit einem Sicherheitsabstand von weniger als 0,4 jedoch mehr als 0,2 Sekunden als Vormerkdelikt eingeführt. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass sehr häufig überholende Fahrzeuge nach Abschluss des Überholvorganges in die „Lücken“ einer Kolonne drängen und somit meist überholte Fahrzeuge häufig ohne Verschulden in die Situation eines zu geringen Sicherheitsabstandes kommen. Es müsste hier sichergestellt werden, dass eine derartige Situation nicht zur Eintragung einer Vormerkung führen kann.

 

Zu Z 5 – 8 (§ 16):

Mit diesen Änderungen wird die Eintragung der Delikte in das „örtliche Führerscheinregister“ geregelt. Anstelle des Entfalls des örtlichen Registers zugunsten eines Zentralregisters wird die Doppelgleisigkeit (Datensätze werden sowohl im zentralen als im örtlichen Register gespeichert) aufrecht erhalten.

 

Gerade bei Einführung des Vormerksystems müssten alle Daten, die in örtlichen Registern gespeichert sind, den Behörden österreichweit zur Verfügung stehen und nicht lediglich der Wohnsitzbehörde.

 

Zu Z 15 (§ 30 a u. § 30 b):

In § 30 a werden die einzelnen Delikte genannt, die in das Vormerksystem aufgenommen werden sollen. Dem Entwurf zufolge soll die Eintragung ins Vormerksystem dann vorgenommen werden, wenn das Strafverfahren in erster Instanz oder diversionell erledigt ist. Im Sinne der Rechtssicherheit sollte diese Eintragung aber erst dann erfolgen, wenn das Strafverfahren nicht nur in erster Instanz, sondern rechtskräftig abgeschlossen worden ist. Gerade in letzter Zeit häufen sich die Fälle, in denen im Rahmen eines Verwaltungsgerichtshofsverfahren oftmals Strafbescheide erster Instanz aufgehoben werden.

 

Auch die Regelung des § 30 a Abs 5 wird in diesem Fall keine zufriedenstellende Lösung bringen.

 

Wie unausgereift der nunmehrige Vorschlag für ein Vormerksystem ist soll an folgendem Beispiel erläutert werden:

 

§ 99 Abs 6 StVO geht davon aus, dass „eine Verwaltungsübertretung dann nicht vorliegt, wenn durch die Tat lediglich Sachschaden entstanden ist, die Bestimmungen über das Verhalten beim Verkehrsunfall mit bloßem Sachschaden eingehalten worden sind und nicht eine Übertretung“ der „Alkoholbestimmungen“ vorliegt.

Ein Lenker mißachtet das Rotlicht der Verkehrsampel und nimmt dem an sich vorrangberechtigten Querverkehr (Grünphase) den Vorrang. Dadurch begeht er eine Verwaltungsübertretung und ist einerseits für diese Übertretung mit einer Verwaltungsstrafe zu bestrafen und andererseits ist gem den Bestimmungen des Vormerksystems nach Abschluss des Strafverfahrens erster Instanz dieses Delikt im Register einzutragen. Der Lenker ist nunmehr als Hochrisikolenker vorgemerkt.

Verursacht der Lenker jedoch durch die oben geschilderte Übertretung einen Verkehrsunfall mit bloßen Sachschaden wird er gem § 99 Abs 6 weder für diese Übertretung bestraft, noch kommt es zu einem Verfahren, sodass auch keine Eintragung ins Vormerksystem erfolgt.

 

Conclusio:

Überfahren des Rotlichtes ohne Verkehrsunfall – Vormerkung als Hochrisikolenker

Überfahren des Rotlichtes mit Verursachung eines Verkehrsunfalls mit bloßem Sachschaden – keine Vormerkung als Hochrisikolenker

 

Dieses Beispiel läßt sich auf beinahe alle Delikte des Vormerksystems ausdehnen.

 

Auch gegen die Formulierung „Gefährdung der Verkehrssicherheit“ in § 30 a Abs 2 Z 12 hegen wir große Bedenken. Eine nicht vorschriftsmäßige Sicherung der Beladung stellt nicht automatisch per se ein höheres Sicherheitsrisiko dar; es müßte daher eine zusätzliche Einschränkung wie zB „offenkundig schwerwiegend“ oder „besonders gravierend“ beigefügt werden, um dass damit verbundene Vorliegen einer „außergewöhnlichen Betriebsgefahr“ auszudrücken.

 

Die Aufnahme von Tatbeständen der „Autobahntunnelverordnung für Gefahrgutfahrzeuge“ in den Vormerkdeliktekatalog scheint sinnwidrig. Mit dem Vormerksystem soll eine Verhaltensänderung des Lenkers bewirkt werden – Lenker sollen durch geeignete Maßnahmen geschult und „erzogen“ werden und unbelehrbare Lenker sollen „aus dem Verkehr gezogen werden“ – und zwar unabhängig davon, welches Gut mit dem entsprechenden Fahrzeug transportiert wird. Ein Abstellen auf das Transportgut stellt einen Bruch des Systems dar.

Aus Sicht der Wirtschaftskammer müssten daher die Delikte in § 30 a Abs 2 Z 9 und 10 entfallen.

 

Weiters müsste das Vormerksystem für Hochrisikolenker auch auf die spezielle Situation von Berufskraftfahrern abgestellt werden. Es wird keineswegs gefordert, dass Berufskraftfahrer einen Freibrief für rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr zugestanden bekommen, aber aufgrund der berufsbedingten Mehrleistung an Fahrten sind Berufskraftfahrer häufiger in Verkehrssituationen mit höherem Risiko involviert. Auch haben Berufskraftfahrer in sehr vielen Fällen eine Spezialausbildung absolviert, die ihnen hilft, die Vielfalt von Verkehrssituationen zu bewältigen.

 

In § 30 a Abs 2 Z 4 sollte die Formulierung dahingehend präzisiert werden, dass eine Gefährdung des Fußgängers nur dann eintreten kann, wenn sich dieser Fußgänger bereits auf dem Schutzweg befindet; ein Fußgänger der sich noch auf dem Gehsteig befindet kann unseres Erachtens nach lediglich „behindert“ jedoch nicht „gefährdet“ werden.

 

Zu § 30 a Abs 4:

Der in Abs 4 gewählte Zeitraum von 2 Jahren, nach dem die vorgemerkten Delikte nicht mehr zu berücksichtigen sind, wird als adäquat gesehen. Zusätzlich sollten derartige Delikte nach einem Zeitraum von 2 Jahren auch von Amtswegen gelöscht werden, anstelle sie „nur“ nicht mehr zu berücksichtigen.

 

Zu § 30 a Abs 5:

In § 30 Abs 5 wird die Löschung von zu unrecht eingetragenen Vormerkungen geregelt. Auch hier sind noch viele Detailfragen zu klären, zB wie etwa vorzugehen ist, wenn der VwGH – ca 3 Jahre nach Tatsetzung – entscheidet, dass das vermeintliche Delikt nicht begangen worden ist. Hat die Behörde, die zB eine Maßnahme (Kurs, etc) angeordnet hat, die Kosten, die dem Lenker dafür entstanden sind, zu ersetzen? Wird auch ein Ersatz für den Zeitaufwand gewährt? Was geschieht in jenem Fall, wenn durch das Verwaltungsgerichtshofserkenntnis der Rechtsgrund für die Entziehung der Lenkberechtigung weggefallen ist? Der Entzug der Lenkberechtigung kann gem der Judikatur der Höchstgerichte auch einen Entlassungsgrund darstellen. Haftet die Republik Österreich auch in jenen Fällen für alle Schäden die sich daraus ergeben?

 

Zu § 30 b:

Der Katalog der Maßnahmen scheint ebenfalls noch unausgereift. Es erhebt sich die Frage, ob psychologische Nachschulungen wirklich das geeignetste Mittel zur Bewußtseinsbildung bei Hochrisikolenkern darstellen. Auch das geplante Vorgehen bei Anordnung einer Maßnahme birgt noch sehr viele Unklarheiten in sich. Die Behörde hat bei der Anordnung einer Maßnahme die Art der gesetzten Delikte zu berücksichtigen. Es erhebt sich nun die Frage, welches der gesetzten Delikte für die Anordnung der Maßnahme herangezogen werden soll,

wenn zwei verschiedenartige Delikte gesetzt werden.

In § 30 b Abs 5 wird normiert, dass, sofern die Maßnahme nicht in der von der Behörde gesetzten Frist befolgt wird, die Lenkberechtigung zu entziehen ist. Diese Frist kann offensichtlich seitens der Behörde einseitig festgelegt werden. Im Sinne der Rechtssicherheit wäre es erforderlich, bereits im Gesetz selbst ein Mindestausmaß dieser Frist vorzusehen, um den Eindruck einer „willkürlichen Behördenpraxis“ zu vermeiden.

 

Zu Z 16 (§ 31 Abs 3):

Grundsätzlich wird die Neuregelung des Zugangs zum Moped mit 15 begrüßt. Auch die nunmehrige Vorschreibung der Absolvierung einer praktischen Schulung wird sicherlich einen Beitrag zur Hebung der Verkehrssicherheit bringen.

 

In diesem Zusammenhang sollte jedoch statt der Vorschreibung einer Schulung im Ausmaß von 8 Unterrichtseinheiten, die lediglich auf einem verkehrsfreien Gelände absolviert werden können, mit einer praktischen Ausbildung im Ausmaß von 6 Unterrichtseinheiten, wobei zumindest 3 Unterrichtseinheiten im Fließverkehr unterrichtet werden, das Auslangen gefunden werden.

 

Wie die Unfallstatistik zeigt, sind gerade die jungen Mopedlenker die gefährdetste Gruppe aller Verkehrsteilnehmer. Daher sollte jedenfalls durch Verordnung des Ministers ein Lehrplan erlassen werden, der die Inhalte der praktischen Schulung regelt. Eine Ausbildung, die nur im „Schonraum“ stattfindet, jedoch nicht auch auf die Gefahren im Straßenverkehr vorbereitet, wird sicherlich nicht den gewünschten Erfolg bringen.

 

Eine abschließende Begutachtung des Vormerksystems für Hochrisikolenker ist nicht zuletzt auch aufgrund der Unausgewogenheit des vorliegenden Entwurfes praktisch nicht durchführbar. Wie inhomogen der jetzige Entwurf ist, soll abschließend an folgendem Beispiel dargestellt werden:

Lenken mit einem Alkoholgehalt von 0,5 bis 0,8 Promille bedingt nach diesem System eine Geldstrafe und eine Vormerkung als Hochrisikolenker.

Lenken mit alkoholisierten Zustand von mehr als 0,8 Promille bedingt nach jetzigen System eine Geldstrafe und eine Entziehung der Lenkberechtigung aber keine Vormerkung.

Dieser Lenker, der mit einem weitaus höherem Alkoholgehalt ein Kraftfahrzeug gelenkt hat, wird dabei nicht als Hochrisikolenker vorgemerkt.


 

Die Beibehaltung des jetzigen Entziehungssystems und die zusätzliche Einführung eines Vormerksystems halten wir nicht für sinnvoll. Es sollten daher alle Delikte, ob Entziehungsdelikte oder Vormerkdelikte, in ein System aufgenommen werden und je nach Gewichtung entweder eine „Vormerkung“, eine Maßnahme oder gleich eine Entziehung als Sanktion folgen.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

Dr. Christoph Leitl         Dr. Reinhold Mitterlehner

Präsident Generalsekretär-Stv.