Präs. 1611-3/05

 

 

Stellungnahme des Obersten Gerichtshofes im

Begutachtungsverfahren zum Entwurf eines Bundesgesetzes

mit dem das Wohnungseigentumsgesetz 2002,

das Mietrechtsgesetz und das Landpachtgesetz geändert werden

(Wohnrechtsnovelle 2005 - WRN 2005).

 

 

 

Allgemein:

Die Bereitschaft (insbesondere auch des BMJ), bei der Ausarbeitung von Gesetzen, auf Anregungen aus der Praxis einzugehen, ist vorweg grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings sollte nicht jeder Zuruf eines Fachschriftstellers oder Lobbyisten schon Anlass für eine Gesetzesänderung sein. Der Versuch, alle auftretenden Probleme möglichst in Gesetzesform lösen zu wollen, muss zwangsläufig zum Scheitern verurteilt sein. Vielmehr wirft jede Gesetzesänderung regelmäßig wieder eine Fülle von neuen Auslegungsfragen auf. Gerade im Wohnrecht sind Rechtsänderungen sehr häufig, eine gewisse Zurückhaltung wäre angebracht. Insbesondere sollte jeweils überlegt werden, ob nicht im Einzelfall die vorhandene Judikatur ausreicht bzw die Problemlösung künftiger Judikatur überlassen werden kann.

 

Zu § 2 Abs2 WEG (hier und im Folgenden idF des Entwurfs):

Die klarere Regelung des Entwurfs ist dem Formulierungsvorschlag Vonkilchs vorzuziehen.

Um auch zukünftige technische Entwicklungen und das in den Erläuterungen angesprochene Problem des Verschiebesystems zu erfassen, wäre noch folgende Formulierung zu überlegen: „Eine technische Vorrichtung zur Platz sparenden Unterbringung eines Kfz ist einem Abstellplatz gleich zu halten, wenn sie der ausschließlichen Nutzung eines Wohnungseigentümers oder einer Eigentümerpartnerschaft vorbehalten (Alternative: zugewiesen) werden kann.“

 

Zu § 3 Abs 2 WEG:

Um das Anliegen einer möglichst umfassenden Begründung von Wohnungseigentum nicht zu verwässern, wäre folgende Formulierung zu überlegen: „Die Begründung von Wohnungseigentum ist nur zulässig, wenn sie sich auf alle nicht Gemeinschaftszwecken gewidmeten Wohnungen und sonstigen selbständigen Räumlichkeiten sowie auf alle jene ... bezieht, die ...“.

 

Zu § 5 Abs 2 Satz 4 WEG:

Zu bedenken wäre der - wohl unerwünschte - Fall, dass der Organisator Kfz-Abstellplätze bis zum Ablauf der dreijährigen Frist hortet, um sie dann frei verkaufen zu können.

 

Zu § 8 Abs 1 WEG:

Die vorgeschlagene Regelung könnte zu unbilligen Ergebnissen führen, da sie Wohnungseigentumsbewerber/ Wohnungseigentümer (etwa bei der Entfernung von Zwischenwänden) zunächst mit den Kosten der Umgestaltung und dann (wegen des dadurch erzielten Zugewinns an Nutzfläche) laufend mit höheren Bewirtschaftungskosten belastet. Der letzte Halbsatz des § 8 Abs 1 sollte daher im Rechtsbestand bleiben.

 

Zu § 9 Abs 6 WEG:

Gegen eine einvernehmliche Festsetzung der Nutzwerte selbst nach gerichtlicher Festsetzung bestehen unter dem Aspekt der Privatautonomie keine Bedenken, wenn klargestellt wird, dass auch nach einer Festsetzung auf Grund eines neuen Nutzwertgutachtens gem Abs 6 eine gerichtliche Kontrolle gem  Abs 2 möglich ist.

 

Zu § 10 Abs 3 WEG:

Den Erläuterungen ist nicht zu entnehmen, ob die bisher vorgeschlagene analoge Anwendung der Ausgleichszahlungspflicht bei bloßer Grundbuchsberichtigung (T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch § 10 WEG       Rz 36; Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht21 § 10 WEG Rz 7) mit Einführung der Grenze von 10 % noch in Frage kommen soll. Die Festlegung einer solchen Pflicht wäre zu begrüßen.

Grundsätzliche Bedenken erweckt die vorgesehene Neuregelung, weil sie zu wenig auf bücherliche Rechte Dritter Bedacht nimmt. Diese sollten in das Verfahren zur Berichtigung des Grundbuchs einbezogen werden (vgl Hoyer zu  5 Ob 241/98x = NZ 1999, 175/441; derselbe zu 5Ob51/99g = NZ 2000, 57/459). Das könnte allenfalls dadurch geschehen, dass das Zitat „§ 136 Abs 1 GBG“ durch „§ 136 GBG“ ersetzt und der letzte Satz des Abs 3 gestrichen wird. Auf diese Weise wären wenigstens die bücherlichen Rechte Dritter nach Maßgabe der Abs 2 und 3 des § 136 GBG gewahrt.

 

Zu § 13 Abs 6 WEG:

Die Konstellation Teilungsklage des Kindes gegen die hochbetagte Ehegattin des Verstorbenen ist wohl ein seltener Einzelfall, der nicht unbedingt zu einer gesetzlichen Ausnahmeregelung führen muss. Für Extremfälle wird mit den allgemeinen Teilungshindernissen des § 830 ABGB das Auslangen zu finden sein. Gerade Formulierungen wie „triftige Gründe“ sind eine absehbare Quelle künftiger Rechtskontroversen.

 

Zu § 14 Abs 5 WEG:

Die neue Rechtsfigur des Abschlusses „vor einem Notar oder unter anwaltlicher Mitwirkung“ ist abzulehnen. In der Regierungsvorlage zu § 14 Abs 4 WEG 2002 war noch ein Notariatsakt vorgesehen, im WEG2002 sodann bloße Schriftform (vgl Würth/Zingher, Wohnrecht 2002 § 14 WEG Anm7), im Entwurf taucht jetzt die erwähnte „singuläre“ Neuerung auf. Auch bei anderen rechtlich schwierigen Vereinbarungen wird eine fachkundige Beratung nützlich sein, ohne dass daraus gleich ein Gültigkeitserfordernis gemacht wird. Wenn bei §14 WEG „spezifische Bedürfnisse“ gesehen werden, so heißt dies offenbar, dass das Gesetz nur für Spezialisten verständlich ist. Dies lässt daran zweifeln, dass die Norm gelungen ist. Es ist auch inkonsequent, dass die anwaltliche Vertretung nur einer Partei genügen soll. Insgesamt ist daher die Alternative der öffentlichen Beglaubigung der Unterschriften als bei weitem sachgerechter vorzuziehen.

 

 

 

Zu § 18 Abs 2 WEG:

Die vor 5 Ob 147/97x = SZ 70/129 überwiegende Auffassung, Gewährleistungsansprüche gegen den Bauträger hinsichtlich allgemeiner Teile des Hauses seien Gesamthandforderungen der Miteigentümer, führte häufig zu unbefriedigenden Ergebnissen, weil sich die Herbeiführung eines Mehrheitsbeschlusses als schwierig erwies und Verfristung drohte. Die ständige Rechtsprechung seit SZ70/129 gibt daher dem einzelnen Wohnungseigentümer das Recht, auf der Grundlage seines Vertrages mit dem Bauträger diesem gegenüber Gewährleistungsansprüche auch wegen Mängel allgemeiner Teile des Hauses geltend zu machen. Es wäre nun ein Rückschritt, dem einzelnen Wohnungseigentümer seine vertraglichen Ansprüche gegen den Bauträger durch Einführung einer „Verwaltungslösung“ wieder zu nehmen. Die sogenannten Verwaltungslösungen (Varianten 4 bis 6) sind daher strikt abzulehnen. Es sollte vielmehr bei der von der Judikatur (5 Ob 181/03h, 5 Ob 148/04g) eröffneten Abtretungslösung (Variante1) bleiben; die Varianten mit Zusatztexten (2 und 3) bieten keine wesentliche Verbesserung. Der Vollständigkeit halber wird noch auf die Entscheidung 5 Ob 304/04y hingewiesen, derzufolge der Gemeinschaft auch Rechtsfähigkeit dafür zukommt, (ohne Zession) einen Rechtsanwalt mit der Klagsführung im Namen eines einzelnen Wohnungseigentümers zu beauftragen und das Kostenrisiko zu übernehmen. Es bestehen also ausreichende Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung durch den Einzelnen oder die Gemeinschaft; eine Systemänderung ist nicht erforderlich.

 

Zu § 19 WEG:

Zur Erleichterung der (bloß deklarativen) Ersichtlichmachung kann die Beglaubigung der Unterschriften überhaupt entfallen. Auf die einschlägige Entscheidung 5Ob86/98b = MietSlg50.602 wird hingewiesen (idS auch Hoyer, NZ1999, 173/439). Im Verhältnis zur dort dargestellten Rechtslage sollte keine Verkomplizierung erfolgen.

 

Zu § 24 Abs 5 WEG:

Der Entfall der zwingenden individuellen Zustellung ist als Verschlechterung abzulehnen. Von der Rückführung auf ein „angemessenes Maß“ kann hiebei keinesfalls gesprochen werden. Es ist auch nicht klar, woher der Wohnungseigentümer jetzt den für den Beginn der Anfechtungsfrist maßgeblichen Tag des Anschlages wissen soll. Eine vertretbare Vereinfachung wäre es, den Anschlagstag auf dem Anschlag selbst zu vermerken und auf die Anführung dieses Tages (und des Fristendes) in der individuellen Verständigung zu verzichten. Diese könnte dann gleichzeitig mit dem Anschlag veranlasst werden. Als Verschlechterung abzulehnen ist auch der Vorschlag Calls, den Hausanschlag durch die Auflage der Information beim Verwalter zu ersetzen. Schließlich ist auch der Vorschlag, die Art der Bekanntmachung in der Gemeinschaftsordnung zu regeln, mit gebotener Zurückhaltung auzunehmen.

 

Zu § 25 Abs 3 WEG:

Um eigenwilligen Interpretationen einer Abstimmungser- klärung (eines Abstimmungsverhaltens) durch den Verwalter keinen Raum zu geben, sollte die Schriftform beibehalten werden.

 

Zu § 43 WEG:

Auf die Entscheidung 5 Ob 184/03z, welche der Ansicht Vonkilchs folgte, wird hingewiesen.

 

Zu § 52 Abs 2 Z 2 WEG:

Den Erläuterungen ist kein zwingender Grund für die zusätzliche Parteistellung des Verwalters zu entnehmen. Es entspricht allgemeinen Grundsätzen, auf die unmittelbare Berührung von Interessen abzustellen (vgl § 2 Abs1 Z 3 AußStrG nF, § 37 Abs 3 Z 2 MRG, § 22 Abs 4 Z2 WGG). Auch das gegebene Beispiel kann nicht davon überzeugen, dass die Beiziehung des Verwalters zu einem Beschlussanfechtungsverfahren dringend geboten wäre.

 

Zu § 56 Abs 1 WEG:

Dass der Nutzwert-Zuschlag für einen Kfz-Abstellplatz im Zubehör-Wohnungseigentum regelmäßig dem Nutzwert eines im selbständigen Wohnungseigentum stehenden Kfz-Abstellplatzes entspricht, ist keineswegs ständige Praxis, wie die Erläuterungen unterstellen.

 

 

Zu § 57 WEG:

Es bestehen prinzipielle Bedenken dagegen, Übergangsrecht erst mehrere Jahre nach Inkrafttreten eines Gesetzes zu schaffen sowie eine damalige, offensichtlich gesetzwidrige „Empfehlung“ des BMJ nach Vorliegen höchstgerichtlicher Judikatur nunmehr in Gesetzesrang zu heben.

 

Zu § 58 Abs 2 WEG:

Der Schutz des Vertrauens auf die Aussagen „mancher Berater und Kommentatoren“ ist kein zureichender Grund für eine gesetzliche Regelung und die Schaffung eines eigenen Stichtages (1.2.2005).

 

Zu § 58 Abs 6 WEG:

Die atypisch anmutende Verpflichtung des Verwalters, von einer Gesetzesänderung zu informieren, wäre hinfällig, beließe man es bei der individuellen Verständigung der Wohnungseigentümer (siehe zu §24 Abs5 WEG).

 

Zu § 1 MRG:

Zu der hier in Aussicht genommenen Kasuistik ist auf die allgemeinen Ausführungen zu Beginn dieser Stellungnahme zu verweisen.

 

Zu § 3 MRG:

Die in den Erläuterungen vertretene Auffassung, sämtliche Folgearbeiten (wie Verfliesung, Tapezierung) seien Erhaltungsmaßnahmen, ist bei Altmietverträgen (etwa über Kategorie-D-Wohnungen) übergangsrechtlich nicht unproblematisch.

 

Zu §§ 12 und 14 MRG:

Es ist nicht sachgerecht, hier zwischen Deszendenten und anderen Angehörigen zu Lasten der Ersteren zu unterscheiden. Deszendenten müssen nicht wesentlich jünger als Ehegatten oder Geschwister sein. Sind sie selbst schon 60Jahre alt oder älter, können sie durchaus einen Bedarf an einer altengerechten Wohnung haben (Beispiel: Mutter 90 Jahre, Tochter 70 Jahre). Es wäre daher sinnvoll, auch hier auf das 60. Lebensjahr abzustellen.

 

Zu § 12a Abs 3 MRG:

Es ist zu begrüßen, dass wenigstens hier eine Neuregelung unterbleiben soll. Mittelfristig wäre zu überlegen, Geschäftsräumlichkeiten - einem Vorschlag Schauers beim Symposium in Laxenburg folgend - überhaupt aus dem MRG herauszunehmen und dieses als besonderes Verbraucherschutzrecht für Wohnungsmieter zu gestalten.

Beim Lobbying für die Unternehmer mit günstigen Altmieten wird oft übersehen, dass sie mit ihren Wettbewerbsvorteilen das Entstehen und die Existenz neuer Unternehmen behindern.

 

 

Wien, am 3. März 2005

Dr. Rzeszut