Rechtswissenschaftliche Fakultät
Strafrecht und Strafverfahrensrecht

 

 

O.Univ.-Prof.

Dr. Kurt Schmoller

Dekan

 

 

FB Öffentliches Recht

Kapitelgasse 5-7

A-5010 Salzburg

 

 

Tel. +43 (0)662 8044-3361

Fax +43 (0)662 8044-140

kurt.schmoller@sbg.ac.at

 

 

6.4.2005

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Stellungnahme zum

Entwurf einer Exekutionsordnungs-Novelle 2005

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

Vorbemerkung: Mit Begleitschreiben von Herrn Sektionschef Hon.-Prof. Dr. Gerhard Hopf vom 16.2.2005 wurde der Entwurf einer Exekutionsordnungs-Novelle 2005 (BMJ-B12.115/0007-I5/2005) zur Begutachtung bis 8.4.2005 übersandt. Die nachfolgende Stellungnahme betrifft allein die geplante Änderung des § 292a StGB. Gegen dessen vorgesehene Neufassung bestehen in mehrfacher Hinsicht Bedenken.

 

I n h a l t s v e r z e i c h n i s  :

I. Bedenken gegen die geplante Änderung des § 292a StGB....... 2

1. Unpräzise Tathandlung.. 2

2. Undifferenzierte Bezugnahme auf EO, KO und AO................... 2

3. Vorangegangene Belehrung über die Strafbarkeit als Tatbestandsmerkmal?.............. 3

II. Alternativen.. 4

1. Schriftliche „Unterfertigung“ eines ausgedruckten Vermögensverzeichnisses...... 4

2. Anknüpfung an „eidesstattliche Erklärung“...... 5

3. Ausgestaltung der Belehrung als objektive Bedingung der Strafbarkeit..... 5

 

I. Bedenken gegen die geplante Änderung des § 292a StGB

1. Unpräzise Tathandlung

Derzeit enthält § 292a StGB eine präzise Tathandlung, nämlich die „Unterfertigung“ eines Vermögensverzeichnisses. Der Zeitpunkt der Deliktsverwirklichung lässt sich deshalb klar bestimmen. Die im Entwurf eingefügte zweite Tathandlung, nämlich die „Abgabe“ eines Vermögensverzeichnisses, ist dagegen äußerst unpräzise. Eine physische „Abgabe“ iS einer Aushändigung des Vermögensverzeichnisses soll ja offenbar nicht stattfinden. Vielmehr macht der Verpflichtete lediglich mündliche Angaben, die vom Rechtspfleger oder Gerichtsvollzieher direkt elektronisch eingegeben werden. Anschließend gibt der Verpflichtete eine mündliche Erklärung zur Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben ab, die ebenfalls protokolliert wird. Das Verhalten, an das sich die Strafbarkeit knüpft, könnte dabei die Abgabe dieser mündlichen Erklärung sein. Der geplante § 292a StGB stellt aber nicht auf die Abgabe der Erklärung, sondern auf die Abgabe eines falschen oder unvollständigen Vermögensverzeichnisses ab. Zu welchem Zeitpunkt das Vermögensverzeichnis „abgegeben“ wird, ist unklar.

2. Undifferenzierte Bezugnahme auf EO, KO und AO

Unübersichtlich ist nach der geplanten Fassung des § 292a StGB ferner die einheitliche Bezugnahme auf § 47 EO, § 100 KO und § 38 AO. Inhaltlich bezieht sich offenbar die Tathandlung „unterfertigt“ künftig nur mehr auf § 100 KO und § 38 AO, während die neue Tathandlung „abgibt“ (bzw eine entsprechend präziser formulierte neue Tathandlung) im Hinblick auf den neuen § 47 EO konzipiert ist. Um die beiden Tatbestandsvarianten klarer voneinander abzugrenzen, könnte etwa folgendermaßen formuliert werden:

§ 292a. Wer vor Gericht oder vor einem Vollstreckungsorgan

1. ein falsches oder unvollständiges Vermögensverzeichnis unterfertigt (§ 100 Konkursordnung, § 38 Ausgleichsordnung) oder

2. wahrheitswidrig erklärt, dass seine Angaben zum Vermögensverzeichnis richtig und vollständig sind (§ 47 Exekutionsordnung),

und dadurch die Befriedigung eines Gläubigers gefährdet …

3. Vorangegangene Belehrung über die Strafbarkeit als Tatbestandsmerkmal?

Die im Entwurf vorgesehene Regelung, wonach gem § 292a 2. Fall StGB nur derjenige strafbar sein soll, der zuvor „über die Strafbarkeit nach § 292a StGB“ belehrt worden ist, wäre im Strafrecht soweit ersichtlich ein einzigartiges Novum. Ich kenne keinen Straftatbestand, der als Tatbestandsmerkmal die vorangegangene Belehrung über die Strafbarkeit nach eben diesem Straftatbestand verlangt.

Nach den allgemeinen Strafrechtsregeln hängt die Strafbarkeit nicht davon ab, ob dem Täter die Strafbarkeit seines Verhaltens bewusst ist. Eine gewisse Relevanz kommt nur der Frage zu, ob der Täter sein Verhalten als rechtswidrig oder rechtmäßig einstuft. Falls jemand sein Verhalten aufgrund eines Rechtsirrtums irrtümlich für rechtmäßig hält, ist er nur strafbar, wenn der Irrtum als vorwerfbar bewertet wird (§ 9 StGB). § 292a StGB in der vorgesehenen Fassung wäre dagegen der einzige Straftatbestand, bei dem das Bewusstsein der Strafbarkeit eine Rolle spielt.

Noch schwerer zu erklären ist, dass es nach § 292a StGB idF des Entwurfs letztlich gar nicht auf das tatsächliche Bewusstsein der Strafbarkeit, sondern streng formal allein auf die vorangegangene Belehrung ankommt. Dies bedeutet, dass auch derjenige, der tatsächlich im vollen Bewusstsein der Strafbarkeit gehandelt hat, straflos wäre, sofern bloß formal die Belehrung unterblieben ist (dies vielleicht gerade deshalb, weil dem Richter oder Vollstreckungsorgan klar war, dass der Täter die Strafbarkeit ohnehin kennt).

Die Ausgestaltung der vorangegangenen Belehrung als Tatbestandsmerkmal hat ferner nach allgemeinen Regeln zur Konsequenz, dass sich der Vorsatz des Täters auf die vorangegangene Belehrung erstrecken muss, dh dem Täter muss bewusst sein, dass er zuvor über die Strafbarkeit belehrt worden ist. Würde ein Täter etwa glaubhaft behaupten, er habe die Belehrung nicht richtig, nämlich nicht im Sinn einer Strafbarkeit verstanden, würde er einen fehlenden Vorsatz darauf, zuvor über die Strafbarkeit belehrt worden zu sein, geltend machen und könnte, sofern das Bewusstsein der vorangegangenen Belehrung über die Strafbarkeit nicht nachgewiesen werden kann, nicht bestraft werden.

Auch inhaltlich ist nicht ganz klar, warum gerade bei § 292a 2. Fall StGB die Strafwürdigkeit von der vorangegangenen Belehrung über die Strafbarkeit abhängen soll. Weder bei einer  Falschaussage gem §§ 288, 289 StGB oder bei der Verwendung gefälschter Beweismittel gem § 293 Abs 2 StGB, noch bei § 292a 1. Fall StGB hängt die Strafbarkeit von einer vorangegangenen Belehrung über die Strafbarkeit ab. Es leuchtet nicht recht ein, warum gerade bei der neu geschaffenen Tatvariante des § 292a 2. Fall StGB etwas anderes gelten soll.

Schließlich stellt sich auch folgende grundsätzliche Strafwürdigkeitsfrage: Aufgrund der allgemein anerkannten Subsidiarität des Strafrechts soll der Einsatz strafrechtlicher Sanktionen auf gravierende und untragbare Störungen des Zusammenlebens beschränkt bleiben. Straftatbestände sollen deshalb Verhaltensweisen umschreiben, die einen gravierenden Unwert verkörpern. Wenn nun die Strafbarkeit eines Verhaltens davon abhängig gemacht wird, dass die betreffende Person vor diesem Verhalten über dessen Strafbarkeit eigens belehrt worden ist, so besteht der Verdacht, dass das betreffende Verhalten selbst nicht als ein hinreichend strafwürdiger Unwert bewertet wird. Denn ein entsprechender Unwert wird offenbar erst dann angenommen, wenn ein „Ungehorsamsmoment“ hinzukommt, indem der Täter gegen die ihm zuvor mitgeteilte Verhaltensregel verstoßen hat. Bloße Ungehorsamkeiten sind aber typischerweise nur Verwaltungsunrecht, nicht strafrechtliches Unrecht. Wenn eine Strafbarkeit deshalb von einer vorangegangenen Belehrung über die Strafbarkeit abhängig gemacht wird, besteht der Verdacht, dass der Gesetzgeber ein inhaltlich nicht hinreichend gewichtiges Unrecht nur durch Anreicherung um ein Ungehorsamsmoment zur Straftat aufgewertet hat. Damit wird die Strafbarkeit aber letztlich an einen bloßen Ungehorsam (ohne ausreichende materielle Rechtsverletzung) geknüpft.

Will der Gesetzgeber deshalb den Eindruck vermeiden, er habe eine gerichtliche Strafe an einen bloßen Ungehorsam geknüpft, darf ein Straftatbestand nicht so formuliert werden, dass das tatbestandsmäßige Unrecht erst durch den Verstoß gegen eine vorangegangene Belehrung ausgelöst wird.

II. Alternativen

Es stellt sich die Frage, welche Alternativen sich bieten, ohne die Strafbarkeit zu überdehnen.

1. Schriftliche „Unterfertigung“ eines ausgedruckten Vermögensverzeichnisses

Nach § 47 Abs 2 EO idF des Entwurfs hat der Verpflichtete „gegenüber dem Gericht oder Vollstreckungsorgan zu erklären, dass seine Angaben richtig und vollständig sind und dass er von seinem Vermögen nichts verschwiegen habe. Dies ist im Protokoll über das Vermögensverzeichnis festzuhalten.“ Dabei ist nicht ganz klar, ob mit dem „Protokoll“ das elektronisch erstellte Vermögensverzeichnis selbst oder ein gesondertes schriftliches Protokoll gemeint ist. Würde man die Erklärung nur elektronisch eingeben, so bestünde mangels Unterschrift durch den Verpflichteten erst recht wieder das Beweisproblem, ob die Erklärung wirklich abgegeben wurde. Zweckmäßiger wäre es deshalb, § 47 EO idF des Entwurfs so zu verstehen (bzw noch in diese Richtung zu präzisieren), dass das elektronisch eingegebene Protokoll samt Erklärung des Verpflichteten ausgedruckt und von diesem unterschrieben werden muss. Dieser Ausdruck könnte als Nachweis der abgegebenen Erklärung zu den Akten genommen werden. In diesem Fall könnte § 292a StGB in der geltenden Fassung belassen werden, denn der Täter, der trotz falscher oder unvollständiger Angaben den Ausdruck des Vermögensverzeichnisses samt Erklärung über dessen Richtigkeit und Vollständigkeit unterfertigt, hat ohnehin iS des geltenden § 292a StGB „vor Gericht oder vor einem Vollstreckungsorgan ein falsches oder unvollständiges Vermögensverzeichnis unterfertigt“.

2. Anknüpfung an „eidesstattliche Erklärung“

Sollte die Lösung über einen vom Verpflichteten zu unterfertigenden Computerausdruck als undurchführbar angesehen werden, sodass eine Beschränkung auf eine mündliche Erklärung, die lediglich elektronisch protokolliert wird, erfolgt, so könnte eine Lösung darin liegen, dass man zur Verdeutlichung in § 47 EO eine „eidesstattliche Erklärung“ verlangt. Denn der Ausdruck „eidesstattliche Erklärung“ macht wegen des Naheverhältnisses zum „Eid“ für jedermann erkennbar, dass bei einer unrichtigen Erklärung ein Strafbarkeitsrisiko besteht. In § 292a StGB könnte dann auf das Tatbestandsmerkmal der vorangegangenen Belehrung über die Strafbarkeit verzichtet werden und die Vorschrift etwa folgendermaßen lauten:

§ 292a. Wer vor Gericht oder vor einem Vollstreckungsorgan

1. ein falsches oder unvollständiges Vermögensverzeichnis unterfertigt (§ 100 Konkursordnung, § 38 Ausgleichsordnung) oder

2. wahrheitswidrig eidesstattlich erklärt, dass seine Angaben zum Vermögensverzeichnis richtig und vollständig sind (§ 47 Exekutionsordnung),

und dadurch die Befriedigung eines Gläubigers gefährdet …

3. Ausgestaltung der Belehrung als objektive Bedingung der Strafbarkeit

Sollte auch der vorstehend aufgezeigte Weg als nicht gangbar angesehen und darauf beharrt werden, die Strafbarkeit von einer vorangegangenen Belehrung über die Strafbarkeit abhängig zu machen, so würde sich am ehesten die Ausgestaltung als eine objektive Bedingung der Strafbarkeit in die allgemeine Strafrechtsdogmatik einfügen. § 292a StGB könnte dann etwa folgendermaßen lauten:

§ 292a. Wer vor Gericht oder vor einem Vollstreckungsorgan

1. ein falsches oder unvollständiges Vermögensverzeichnis unterfertigt (§ 100 Konkursordnung, § 38 Ausgleichsordnung) oder

2. wahrheitswidrig erklärt, dass seine Angaben zum Vermögensverzeichnis richtig und vollständig sind (§ 47 Exekutionsordnung),

und dadurch die Befriedigung eines Gläubigers gefährdet, ist, wenn er im Fall der Z 2 zuvor über die Strafbarkeit belehrt worden ist, mit Freiheitsstrafe bis zu 6 Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

Es ist aber darauf hinzuweisen, dass auch die vorstehende Ausgestaltung als objektive Bedingung der Strafbarkeit nur als eine Notlösung einzustufen ist. Die oben unter 1. und 2. unterbreiteten Vorschläge wären demgegenüber vorzugswürdig.