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Rechtswissenschaftliche
Fakultät O.Univ.-Prof. Dr. Kurt Schmoller Dekan |
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6.4.2005 |
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Stellungnahme zum
Entwurf einer
Exekutionsordnungs-Novelle 2005
Vorbemerkung: Mit Begleitschreiben von Herrn
Sektionschef Hon.-Prof. Dr. Gerhard Hopf vom 16.2.2005 wurde der Entwurf
einer Exekutionsordnungs-Novelle 2005 (BMJ-B12.115/0007-I5/2005) zur
Begutachtung bis 8.4.2005 übersandt. Die nachfolgende Stellungnahme betrifft allein
die geplante Änderung des § 292a StGB. Gegen dessen vorgesehene
Neufassung bestehen in mehrfacher Hinsicht Bedenken.
I n h a l t s v e r z e i c h n i s :
I.
Bedenken gegen die geplante Änderung des § 292a StGB....... 2
1. Unpräzise Tathandlung.. 2
2. Undifferenzierte Bezugnahme auf EO, KO und AO................... 2
3. Vorangegangene Belehrung über die
Strafbarkeit als Tatbestandsmerkmal?.............. 3
II. Alternativen.. 4
1. Schriftliche „Unterfertigung“ eines
ausgedruckten Vermögensverzeichnisses...... 4
2. Anknüpfung an „eidesstattliche Erklärung“...... 5
3. Ausgestaltung der Belehrung als objektive
Bedingung der Strafbarkeit..... 5
Derzeit enthält § 292a
StGB eine präzise Tathandlung, nämlich die „Unterfertigung“ eines Vermögensverzeichnisses.
Der Zeitpunkt der Deliktsverwirklichung lässt sich deshalb klar bestimmen. Die
im Entwurf eingefügte zweite Tathandlung, nämlich die „Abgabe“ eines
Vermögensverzeichnisses, ist dagegen äußerst unpräzise. Eine physische „Abgabe“
iS einer Aushändigung des Vermögensverzeichnisses soll ja offenbar nicht
stattfinden. Vielmehr macht der Verpflichtete lediglich mündliche Angaben, die
vom Rechtspfleger oder Gerichtsvollzieher direkt elektronisch eingegeben
werden. Anschließend gibt der Verpflichtete eine mündliche Erklärung zur
Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben ab, die ebenfalls protokolliert
wird. Das Verhalten, an das sich die Strafbarkeit knüpft, könnte dabei die
Abgabe dieser mündlichen Erklärung sein. Der geplante § 292a StGB stellt
aber nicht auf die Abgabe der Erklärung, sondern auf die Abgabe eines
falschen oder unvollständigen Vermögensverzeichnisses ab. Zu welchem
Zeitpunkt das Vermögensverzeichnis „abgegeben“ wird, ist unklar.
Unübersichtlich ist nach der
geplanten Fassung des § 292a StGB ferner die einheitliche Bezugnahme auf
§ 47 EO, § 100 KO und § 38 AO. Inhaltlich bezieht sich offenbar
die Tathandlung „unterfertigt“ künftig nur mehr auf § 100 KO und § 38
AO, während die neue Tathandlung „abgibt“ (bzw eine entsprechend präziser
formulierte neue Tathandlung) im Hinblick auf den neuen § 47 EO konzipiert
ist. Um die beiden Tatbestandsvarianten klarer voneinander abzugrenzen,
könnte etwa folgendermaßen formuliert werden:
§ 292a. Wer vor Gericht oder vor
einem Vollstreckungsorgan
1.
ein falsches oder unvollständiges Vermögensverzeichnis unterfertigt (§ 100
Konkursordnung, § 38 Ausgleichsordnung) oder
2.
wahrheitswidrig erklärt, dass seine Angaben zum Vermögensverzeichnis richtig
und vollständig sind (§ 47 Exekutionsordnung),
und dadurch die
Befriedigung eines Gläubigers gefährdet …
Die im Entwurf vorgesehene
Regelung, wonach gem § 292a 2. Fall StGB nur derjenige strafbar sein soll,
der zuvor „über die Strafbarkeit nach § 292a StGB“ belehrt worden ist,
wäre im Strafrecht soweit ersichtlich ein einzigartiges Novum. Ich kenne
keinen Straftatbestand, der als Tatbestandsmerkmal die vorangegangene Belehrung
über die Strafbarkeit nach eben diesem Straftatbestand verlangt.
Nach den allgemeinen
Strafrechtsregeln hängt die Strafbarkeit nicht davon ab, ob dem Täter die
Strafbarkeit seines Verhaltens bewusst ist. Eine gewisse Relevanz kommt nur der
Frage zu, ob der Täter sein Verhalten als rechtswidrig oder rechtmäßig
einstuft. Falls jemand sein Verhalten aufgrund eines Rechtsirrtums irrtümlich
für rechtmäßig hält, ist er nur strafbar, wenn der Irrtum als vorwerfbar bewertet
wird (§ 9 StGB). § 292a StGB in der vorgesehenen Fassung wäre dagegen
der einzige Straftatbestand, bei dem das Bewusstsein der Strafbarkeit eine
Rolle spielt.
Noch schwerer zu erklären
ist, dass es nach § 292a StGB idF des Entwurfs letztlich gar nicht auf das
tatsächliche Bewusstsein der Strafbarkeit, sondern streng formal allein auf die
vorangegangene Belehrung ankommt. Dies bedeutet, dass auch derjenige, der
tatsächlich im vollen Bewusstsein der Strafbarkeit gehandelt hat, straflos
wäre, sofern bloß formal die Belehrung unterblieben ist (dies vielleicht
gerade deshalb, weil dem Richter oder Vollstreckungsorgan klar war, dass der
Täter die Strafbarkeit ohnehin kennt).
Die Ausgestaltung der
vorangegangenen Belehrung als Tatbestandsmerkmal hat ferner nach allgemeinen
Regeln zur Konsequenz, dass sich der Vorsatz des Täters auf die
vorangegangene Belehrung erstrecken muss, dh dem Täter muss bewusst sein,
dass er zuvor über die Strafbarkeit belehrt worden ist. Würde ein Täter etwa
glaubhaft behaupten, er habe die Belehrung nicht richtig, nämlich nicht im Sinn
einer Strafbarkeit verstanden, würde er einen fehlenden Vorsatz darauf, zuvor
über die Strafbarkeit belehrt worden zu sein, geltend machen und könnte, sofern
das Bewusstsein der vorangegangenen Belehrung über die Strafbarkeit nicht
nachgewiesen werden kann, nicht bestraft werden.
Auch inhaltlich ist nicht
ganz klar, warum gerade bei § 292a 2. Fall StGB die Strafwürdigkeit
von der vorangegangenen Belehrung über die Strafbarkeit abhängen soll. Weder
bei einer Falschaussage gem
§§ 288, 289 StGB oder bei der Verwendung gefälschter Beweismittel gem
§ 293 Abs 2 StGB, noch bei § 292a 1. Fall StGB hängt die
Strafbarkeit von einer vorangegangenen Belehrung über die Strafbarkeit ab. Es
leuchtet nicht recht ein, warum gerade bei der neu geschaffenen Tatvariante des
§ 292a 2. Fall StGB etwas anderes gelten soll.
Schließlich stellt sich auch
folgende grundsätzliche Strafwürdigkeitsfrage: Aufgrund der allgemein
anerkannten Subsidiarität des Strafrechts soll der Einsatz strafrechtlicher
Sanktionen auf gravierende und untragbare Störungen des Zusammenlebens
beschränkt bleiben. Straftatbestände sollen deshalb Verhaltensweisen
umschreiben, die einen gravierenden Unwert verkörpern. Wenn nun die
Strafbarkeit eines Verhaltens davon abhängig gemacht wird, dass die betreffende
Person vor diesem Verhalten über dessen Strafbarkeit eigens belehrt worden ist,
so besteht der Verdacht, dass das betreffende Verhalten selbst nicht als ein
hinreichend strafwürdiger Unwert bewertet wird. Denn ein entsprechender Unwert
wird offenbar erst dann angenommen, wenn ein „Ungehorsamsmoment“ hinzukommt,
indem der Täter gegen die ihm zuvor mitgeteilte Verhaltensregel verstoßen hat.
Bloße Ungehorsamkeiten sind aber typischerweise nur Verwaltungsunrecht, nicht
strafrechtliches Unrecht. Wenn eine Strafbarkeit deshalb von einer
vorangegangenen Belehrung über die Strafbarkeit abhängig gemacht wird, besteht
der Verdacht, dass der Gesetzgeber ein inhaltlich nicht hinreichend gewichtiges
Unrecht nur durch Anreicherung um ein Ungehorsamsmoment zur Straftat
aufgewertet hat. Damit wird die Strafbarkeit aber letztlich an einen bloßen
Ungehorsam (ohne ausreichende materielle Rechtsverletzung) geknüpft.
Will der Gesetzgeber deshalb
den Eindruck vermeiden, er habe eine gerichtliche Strafe an einen bloßen
Ungehorsam geknüpft, darf ein Straftatbestand nicht so formuliert werden, dass
das tatbestandsmäßige Unrecht erst durch den Verstoß gegen eine vorangegangene
Belehrung ausgelöst wird.
Es stellt sich die Frage,
welche Alternativen sich bieten, ohne die Strafbarkeit zu überdehnen.
Nach § 47 Abs 2 EO
idF des Entwurfs hat der Verpflichtete „gegenüber dem Gericht oder
Vollstreckungsorgan zu erklären, dass seine Angaben richtig und vollständig
sind und dass er von seinem Vermögen nichts verschwiegen habe. Dies ist im
Protokoll über das Vermögensverzeichnis festzuhalten.“ Dabei ist nicht ganz
klar, ob mit dem „Protokoll“ das elektronisch erstellte Vermögensverzeichnis
selbst oder ein gesondertes schriftliches Protokoll gemeint ist. Würde man die
Erklärung nur elektronisch eingeben, so bestünde mangels Unterschrift durch den
Verpflichteten erst recht wieder das Beweisproblem, ob die Erklärung wirklich
abgegeben wurde. Zweckmäßiger wäre es deshalb, § 47 EO idF des Entwurfs so
zu verstehen (bzw noch in diese Richtung zu präzisieren), dass das elektronisch
eingegebene Protokoll samt Erklärung des Verpflichteten ausgedruckt und von
diesem unterschrieben werden muss. Dieser Ausdruck könnte als Nachweis der
abgegebenen Erklärung zu den Akten genommen werden. In diesem Fall könnte § 292a
StGB in der geltenden Fassung belassen werden, denn der Täter, der trotz
falscher oder unvollständiger Angaben den Ausdruck des Vermögensverzeichnisses
samt Erklärung über dessen Richtigkeit und Vollständigkeit unterfertigt, hat
ohnehin iS des geltenden § 292a StGB „vor Gericht oder vor einem
Vollstreckungsorgan ein falsches oder unvollständiges Vermögensverzeichnis
unterfertigt“.
Sollte die Lösung über einen
vom Verpflichteten zu unterfertigenden Computerausdruck als undurchführbar
angesehen werden, sodass eine Beschränkung auf eine mündliche Erklärung, die
lediglich elektronisch protokolliert wird, erfolgt, so könnte eine Lösung darin
liegen, dass man zur Verdeutlichung in § 47 EO eine „eidesstattliche
Erklärung“ verlangt. Denn der Ausdruck „eidesstattliche Erklärung“ macht
wegen des Naheverhältnisses zum „Eid“ für jedermann erkennbar, dass bei einer
unrichtigen Erklärung ein Strafbarkeitsrisiko besteht. In § 292a StGB
könnte dann auf das Tatbestandsmerkmal der vorangegangenen Belehrung über die Strafbarkeit
verzichtet werden und die Vorschrift etwa folgendermaßen lauten:
§ 292a. Wer vor Gericht oder vor
einem Vollstreckungsorgan
1.
ein falsches oder unvollständiges Vermögensverzeichnis unterfertigt (§ 100
Konkursordnung, § 38 Ausgleichsordnung) oder
2.
wahrheitswidrig eidesstattlich erklärt, dass seine Angaben zum
Vermögensverzeichnis richtig und vollständig sind (§ 47
Exekutionsordnung),
und dadurch die
Befriedigung eines Gläubigers gefährdet …
Sollte auch der vorstehend
aufgezeigte Weg als nicht gangbar angesehen und darauf beharrt werden, die
Strafbarkeit von einer vorangegangenen Belehrung über die Strafbarkeit abhängig
zu machen, so würde sich am ehesten die Ausgestaltung als eine objektive
Bedingung der Strafbarkeit in die allgemeine Strafrechtsdogmatik einfügen.
§ 292a StGB könnte dann etwa folgendermaßen lauten:
§ 292a. Wer vor Gericht oder vor
einem Vollstreckungsorgan
1.
ein falsches oder unvollständiges Vermögensverzeichnis unterfertigt (§ 100
Konkursordnung, § 38 Ausgleichsordnung) oder
2.
wahrheitswidrig erklärt, dass seine Angaben zum Vermögensverzeichnis richtig
und vollständig sind (§ 47 Exekutionsordnung),
und dadurch die
Befriedigung eines Gläubigers gefährdet, ist, wenn er im Fall der Z 2 zuvor
über die Strafbarkeit belehrt worden ist, mit Freiheitsstrafe bis zu 6
Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
Es ist aber darauf
hinzuweisen, dass auch die vorstehende Ausgestaltung als objektive Bedingung
der Strafbarkeit nur als eine Notlösung einzustufen ist. Die oben unter 1.
und 2. unterbreiteten Vorschläge wären demgegenüber vorzugswürdig.