Arbeitsgruppe Menschenrechte für Kinderflüchtlinge

 

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Bundesministerium für Inneres

Postfach 100

A-1014 Wien

 

                                                                                                          Wien, 8.4.05

 

Betrifft: Stellungnahme der Arbeitsgruppe Menschenrechte für Kinderflüchtlinge zum Entwurf des Asylgesetzes 2005 und des Fremdenpolizeigesetzes 2005

 

Um den Schutz von Flüchtlingen zu gewährleisten, ist ein qualitativ hochwertiges Verfahren genauso notwendig wie der Zugang zu diesem. In beiden Fällen ist es wesentlich, auf die spezifische Situation und die eigenständigen Bedürfnisse bestimmter Gruppen von Flüchtlingen einzugehen, wobei (unbegleiteten) minderjährigen Flüchtlingen jedenfalls besondere Aufmerksamkeit zukommen muss. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte hat die Arbeitsgruppe Menschenrechte für Kinderflüchtlinge den vorliegenden Gesetzesentwurf einer kritischen Betrachtung unterzogen.

 

Die Begutachtung der Arbeitsgruppe Menschenrechte für Kinderflüchtlinge beschränkt sich dabei auf jene Punkte, die in ihren Auswirkungen speziell unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) betreffen. Da es aber zu kurz greifen würde, die jeweiligen Bestimmungen Paragraph für Paragraph durchzuarbeiten, sollen zunächst, in einem kurzen Abriss, grundsätzliche Fragestellungen angesprochenen werden, die durch den vorliegenden Gesetzesentwurf aufgeworfen werden.

 

Die unterzeichnenden Organisationen hoffen, dass die in der Stellungnahme genannten Kritikpunkte dazu beitragen, ein Asylgesetz zu entwickeln, welches den Geist der Genfer Konvention – den Schutz der Flüchtlinge! – wieder ins Zentrum stellt.

 

 

 

Heinz Fronek

für die Arbeitsgruppe Menschenrechte für Kinderflüchtlinge

 

Unterzeichnende Organisationen:

asylkoordination österreich, Asyl in Not, BAOBAB, Caritas Wien, Caritas der Diözese Graz – Seckau Projekt Welcome, Deserteurs- und Flüchtlingsberatung, Don Bosco Flüchtlingswerk Austria, Evangelischer Flüchtlingsdienst, Katholische Jungschar, Jugendanwaltschaft Niederösterreich, Kinder und Jugendanwaltschaft Salzburg, Kinder- und Jugendanwaltschaft Tirol, Kinder- und Kinderstimme, Österreichische Kinderfreunde, Roten Falken Österreichs, SOS Kinderdorf BIWAK, SOS Kinderdorf Clearing-house Salzburg, SOS Menschenrechte Österreich, Österreichische Komitee für UNICEF, Verein Projekt Integrationshaus, Volkshilfe Oberösterreich, Verein Ute Bock, Verein Zebra Graz


 

I Allgemeiner Teil

Vorab ist aus der Sicht der Arbeitsgruppe Menschenrechte für Kinderflüchtlinge anzumerken, dass ein Asylgesetz dem Schutz von Flüchtlingen verpflichtet sein muss. Daneben sollte das Asylgesetz auch einen deutlichen Hinweis auf das „Best interest of the Child“ - Prinzip, welches in der Kinderrechtskonvention verankert ist, beinhalten.

Mit dem vorliegenden Entwurf zum neuen Asyl- und Fremdenpolizeigesetz verfolgt der Gesetzesentwurf aber primär den Grundsatz, jede denkbare Form von Asylmissbrauch zu verhindern, und nennt im Allgemeinen Teil der Erläuterungen u.a. folgende zentrale Zielsetzungen:

·         Dublin-Verfahren so rechtzeitig sichern zu können, dass dieses Instrument effizient angewendet werden kann;

·         die Traumatisierungsbestimmungen so zu fassen, dass die bloße Behauptung nicht mehr in jedem Fall zur Zulassung des Verfahrens führt;

·         die Mitwirkungspflichten von Asylwerbern genau zu beschreiben und diese – soweit nötig – durchzusetzen;

·         die Verfahren in zweiter Instanz zu vereinfachen;

·         Lösungen für straffällige Asylwerber zu schaffen.

 

Für die Umsetzung dieser Zielsetzungen werden Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, häufigere und längere Schubhaft, Zwangsernährung, eingeschränkter Abschiebungsschutz und geringere Rechtssicherheit der Rechtsunterworfenen und andere grundrechtsrelevante Eingriffe demnach in Kauf genommen.

 

Dies ist insofern auch bedenklich, als erst vor knapp drei Monaten eine hochrangige Delegation der österreichischen Bundesregierung vor dem Kinderrechtsausschuss der Vereinten Nationen ein umfassendes Bekenntnis zur Umsetzung der österreichischen Verpflichtungen aus der UNO-Kinderrechtskonvention erklärt hat. In seiner Stellungnahme zur Situation der Kinderrechte in Österreich vom 28. Jänner 2005 rügte der Ausschuss unter anderem den Umgang mit Kinderflüchtlingen: schon die aktuell bestehende Gesetzeslage entspricht nur teilweise kinderrechtlichen Standards, asylwerbende Minderjährige werden diskriminiert, unzureichend untergebracht und unzureichend rechtlich vertreten - konkret wird Österreich zu einer Vielzahl von Reformen aufgefordert: so empfiehlt der Ausschuss die Sicherstellung einer systematischen Bestellung von rechtlichen Vertretern, die konsequent die Interessen unbegleiteter Minderjähriger vertreten; dass jede Art der Einvernahme Minderjähriger durch speziell qualifiziertes Personal erfolgt; dass die Unterbringung der Minderjährigen den Bedürfnissen entsprechend ihrem Alter und ihrer Entwicklung erfolgt; dass vor jeder Abschiebung Minderjähriger eine spezifische Prüfung erfolgt, welche Lösung ihren Interessen/ihrem Wohl bestmöglich entspricht; und dass jedenfalls Schubhaft nicht verhängt wird (UNO-Dok. CRC/C/15/Add.251 vom 28. Jänner 2005, Para. 8, 20, 47, 48). Es ist bezeichnend, dass diese UNO-ExpertInnenempfehlungen in den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf nicht einmal erwähnt werden (ja selbst zur UNO-Kinderrechtskonvention findet sich nur ein einziger Hinweis: allerdings bezüglich Rumänien!)

 

Um falsche Eindrücke vorweg auszuschließen, möchten wir entschieden der in den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf geäußerten Ansicht, dass der Entwurf des Asyl- und Fremdenpolizeigesetzes „unter Einbindung bedeutender NGOs“ erstellt worden sei, widersprechen. Es gab zwar Treffen von NGOs und den BMI, bei welchen die Thematik der Neugestaltung des Asylrechts behandelt wurde, die Standpunkte der NGOs finden sich aber durchaus nicht im vorliegenden Text wieder. Im Gegenteil, die unterzeichnenden NGOs lehnen eine vorgeschlagene Umgestaltung des Asylgesetzes in dieser Form ab und gaben dieser Meinung bereits mehrfach deutlichen Ausdruck.

 

II Spezieller Teil: Veränderungen, die primär UMF betreffen

 

Zugang zum Verfahren für UMF:

Zukünftig ist nicht mehr bei allen AsylwerberInnen eine persönliche Einvernahme durch das zuständige Organen des Bundesasylamtes nötig.

 

§ 45. (1) Vor Durchführung der Vorführung ist diese dem Bundesasylamt anzukündigen. Dieses kann verfügen, dass die Vorführung zu unterbleiben hat, wenn

1. die betreffenden Asylwerber in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft angehalten werden oder

2. auf Grund besonderer, nicht vorhersehbarer Umstände die Versorgung in der Erstaufnahmestelle nicht möglich ist.

Für UMF ist diesbezüglich keine Ausnahmebestimmung vorgesehen.

 

Laut § 19 Abs 3 können Einvernahmen, soweit dies zweckmäßig ist oder Asylwerber sich nicht selbständig zur zuständigen Behörde begeben können, unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Wort- und Bildübertragung vorgenommen und durch einen Mitschnitt dieser dokumentiert werden. Darüber hinaus können alle Einvernahmen unter Verwendung technischer Einrichtungen zur Tonaufzeichnung dokumentiert werden.

 

Diese Form der Einvernahme steht im Widerspruch zu den Prinzipien des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes und schränkt die Möglichkeiten des Einvernehmenden erheblich ein, einen persönlichen Eindruck von der/vom  AntragsstellerIn zu erhalten. Zudem ignoriert sie Vorgaben der Richtlinie des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedsstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft.

 

Artikel 15 (4)

Die Mitgliedsstaaten stellen sicher, dass

die persönliche Anhörung eines unbegleiteten Minderjährigen nach den Artikeln 10, 11 und 12 von einer Person durchgeführt wird, die über die nötigen Kenntnisse der besonderen Bedürfnisse Minderjähriger verfügt;

 die Entscheidung der Asylbehörde über einen Asylantrag eines unbegleiteten Minderjährigen von einem Bediensteten vorbereitet wird, der über die nötige Kenntnis der besonderen Bedürfnisse Minderjähriger verfügt.

 

Wie in Fällen, in welchen die Vorführung unterbleibt, die Rechtsvertretung sichergestellt werden soll, bleibt im Entwurf ungeklärt (siehe auch die oben erwähnten Empfehlungen des UNO-Kinderrechtsauschusses an Österreich). Die Einvernahme von minderjährigen AsylwerberInnen darf jedenfalls nur in Anwesenheit des Rechtsvertreters durchgeführt werden.

 

§19 Abs 5 Asylwerber dürfen in Begleitung einer Vertrauensperson sowie eines Vertreters vor der Behörde zu Einvernahmen erscheinen; auch wenn ein Rechtsberater anwesend ist, kann der Asylwerber durch eine Vertrauensperson oder einen Vertreter begleitet werden. Minderjährige Asylwerber dürfen nur in Gegenwart eines gesetzlichen Vertreters einvernommen werden.

 

Die Bestimmungen der §§ 45 Abs 1 und 19 Abs 3 vermindern die Rechtssicherheit von UMF und erhöht den bürokratischen Aufwand bei der Rechtsvertretung, daher sollte jedenfalls diese Gruppe, vom Wirkungsbereich der Bestimmung ausgenommen werden.

 

Die Arbeitsgruppe Menschenrechte für Kinderflüchtlinge spricht sich zudem gegen die Differenzierung zwischen mündigen und unmündigen Minderjährigen bei der Bestellung eines gesetzlichen Vertreters aus. Die Bestimmung, mündige minderjährige Asylwerber erst ab dem Zeitpunkt der Einbringung des Asylantrags durch einen Rechtsberater zu vertreten, widerspricht dem im Übereinkommen über die Rechte des Kindes enthaltenen Grundsatz des Wohls des Kindes  und ermöglicht eine Befragung des Minderjährigen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes außerhalb eines Zulassungsverfahrens ohne Beisein eines gesetzlichen Vertreters.

 

Schubhaftverhängung bei UMF

Die im Entwurf vorgeschlagenen Änderungen führen zu einer deutlichen Erweiterung der Gründe für Schubhaftverhängung und werden zu einer starken Erhöhung der Schubhaftzahlen führen, von diesem Anstieg werden auch UMF betroffen sein - in krassem Widerspruch zum Auftrag des UNO-Kinderrechtsauschusses vom Jänner dieses Jahres.

 

Insbesondere ist daran gedacht, dass zeitgleich mit der Mitteilung, dass ein Dublin Verfahren eingeleitet wird, ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wird. In der Folge wird die Fremdenpolizeibehörde verständigt, diese kann Schubhaft verhängen (§79 Abs 2 Z 2).

 

§ 79 (2) Die örtlich zuständige Sicherheitsbehörde kann über einen Asylwerber Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

2. gegen ihn nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

 

Im Zeitraum von Mai bis Dezember 2004 wurden bei 4252 AsylwerberInnen Eurodac Treffer erzielt, in 4013 Fällen wurden in der Folge Anträge auf Übernahme an einen Mitgliedsstaat gestellt. Nur 2645 mal kam es im angegebenen Zeitraum zu einer Zustimmung zur Übernahme durch den Mitgliedsstaat. Der Gesetzgeber nimmt somit in Kauf, dass jährlich hunderte AsylwerberInnen in Schubhaft genommen werden, die danach in Österreich zum Asylverfahren zuzulassen sind.

Gerade für UMF ist die Ermittlung der Zuständigkeit komplex, da auch der Aufenthaltsort von Familienangehörigen berücksichtigt werden muss. Die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rate vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, legt im Artikel 6 die Zuständigkeiten fest:

 

Art 6 Handelt es sich bei dem Asylbewerber um einen unbegleiteten Minderjährigen, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich ein Angehöriger seiner Familie rechtmäßig aufhält, für die Prüfung seines Antrags zuständig, sofern dies im Interesse des Minderjährigen liegt.

Ist kein Familienangehöriger anwesend, so ist der Mitgliedstaat,  in dem der Minderjährige seinen Asylantrag gestellt hat, zuständig.

 

Wenn keine Familienangehörigen auffindbar sind, wird in fast allen Fällen Österreich das Asylverfahren zu führen haben. Einem Eurodac Treffer, der fast zwangsläufig zur Einleitung eines Dublin Verfahrens führt, und somit die Verhängung von Schubhaft rechtfertigt, kommt demnach gerade bei UMF nur geringer prognostischer Wert zu.

 

Gerade in diesen Fällen, wird die Behörde aber von der Anwendung des gelindere Mittel absehen. Sie kann die Notwendigkeit der Schubhaftverhängung damit begründen, dass sich der Jugendliche bereits einmal einem Asylverfahren entzogen hat – dies wiederum kann durch den Eurodac Treffer belegt werden.

 

Das FrPoG definiert noch weitere Gründe, die künftig zur Verhängung von Schubhaft führen können, auch von diesen Bestimmungen sind Minderjährige betroffen:

 

§79

1. gegen ihn eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

3. gegen ihn vor Stellung des Asylantrages eine durchsetzbare Ausweisung (§ 56 oder 57) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 63) verhängt worden ist oder

4. auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Selbst über AsylwerberInnen im laufenden Asylverfahren kann nun Schubhaft verhängt werden, wenn eine negative Entscheidungsprognose vorliegt und sie eine strafbare Handlung begehen.

 

Die Anordnung von Schubhaft ist in all diesen Fällen jedenfalls unverhältnismäßig und widerspricht der selbst vom BMI immer wieder vertretenen Zielsetzung, die Schubhaft bei Minderjährigen nur als letztes Mittel anzuordnen. Ebenso ignoriert sie die UNHCR-Richtlinien über allgemeine Grundsätze und Verfahren zur Behandlung asylsuchender unbegleiteter Minderjähriger. Dort heisst es:

 

7.6 Asylsuchende Kinder sollten nicht in Haft gehalten werden. Das gilt ganz besonders für

unbegleitete Kinder.

 

Ebenso entspricht die Regelung nicht den Empfehlungen des Menschenrechtsbeirats und des UNO-Kinderrechtsausschusses vom 28. Jänner 2005.

 

Dauer der Schubhaft bei UMF

Nicht nur die Zahl der Schubhaftverhängungen wird – auch bei UMF - zunehmen, auch die durchschnittliche Schubhaftdauer wird aufgrund der geplanten Regelungen deutlich ansteigen. Dass dies durchaus gewollt ist, äußert der Gesetzgeber deutlich im Allgemeinen Teil der Erläuterungen:

In den Fällen, in denen die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit eines Fremden nicht möglich ist, die für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt, oder in denen der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt widersetzt oder über ihn die Schubhaft nach bestimmten asylrechtlichen Tatbeständen verhängt worden ist, soll künftig eine Schubhaft grundsätzlich ohne Einschränkung der zeitlichen Dauer möglich sein.

 

Künftig wird, durch einen Verweis auf § 69 des Strafvollzuggesetzes auch die Zwangsuntersuchung, Zwangsbehandlung und Zwangsernährung von Schubhäftlingen ermöglicht. Von dieser Maßnahme sind Minderjährige nicht ausgeschlossen.

 

§ 82. (1) Für die Anhaltung in Schubhaft in Hafträumen einer Sicherheitsbehörde gilt § 53c Abs. 1 bis 5 VStG, für die Anhaltung in gerichtlichen Gefangenenhäusern und Strafvollzugsanstalten gilt § 53d VStG. Darüber hinaus ist für den Vollzug der Schubhaft § 69 des Strafvollzugsgesetzes (StVG), BGBl. Nr. 144/1969, mit Ausnahme des letzten Satzes des Abs. 1, sinngemäß anzuwenden.

 

Im Bereich der Schubhaftdauer und -bedingungen kommt es demnach zu einer weiteren gravierenden Schlechterstellung für UMF im Vergleich zum geltenden Gesetz, die keinesfalls akzeptiert werden kann. Die UNO-Normen für den Schutz von Jugendlichen in Haft vom Dezember 1990 (Para. 2) sehen vor, das jede Form von Freiheitsentzug bei Minderjährigen nur strikt in Ausnahmefällen zulässig ist (z.B. nach Begehung eines Verbrechens) und die UNO-Richtlinien für eine Jugendstrafrechtspflege von 1985 erklären grundsätzlich, dass Freiheitsentzug nur für Gewaltverbrechen Minderjähriger oder ähnlich schwerwiegender Taten und nur bei Fehlen jeglicher alternativer Sanktionsmöglichkeiten verhängt werden dürfen (Para. 17/1). Kurz, die Schubhaft für Minderjährige sollte entsprechend internationalen Standards gesetzlich ausgeschlossen werden.

 

Aberkennung der aufschiebenden Wirkung

Zunächst ist positiv anzumerken, dass im Entwurf vom Spezialverfahren nach § 6 „offensichtlich unbegründete Asylanträge“ abgegangen wird, da nun auch die Behörde zur Einsicht gekommen ist, dass es dadurch in der Praxis zu einer Verlängerung der Verfahrensdauer gekommen ist. Allerdings wird dieser positive Umstand mit der Möglichkeit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wieder zunichte gemacht.

 

Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung

§ 38. (1) Entscheidungen über Anträge auf internationalen Schutz kann die aufschiebende Wirkung der Berufung aberkannt werden, wenn

1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 39) stammt;

2. sich der Asylwerber vor der Antragstellung schon längere Zeit im Inland aufgehalten (§ 40) hat;

3. der Asylwerber die Asylbehörde, ein österreichisches Gericht oder eine andere österreichische Behörde über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente getäuscht hat;

4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht einmal vorgebracht hat oder

5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht.

 

Mit dieser Bestimmung kommt es zu einer weiteren Einschränkung der Rechtssicherheit von AsylwerberInnen.

Die Festlegung sicherer Herkunftsländer ist grundsätzlich abzulehnen, da eine Einzelfallprüfung, wie die Praxis zeigt, zu einer abweichenden Entscheidung führen kann: So gab es etwa 2004 eine positive § 7. Entscheidung bei einem rumänischen Staatsbürger und 2005 eine positive § 8. Entscheidung bei einem bulgarischen Staatsbürger. Beide Staaten sind in der Liste der sicheren Herkunftsstaaten aufgelistet.

 

Die Begründung, dass sich ein/e AsylwerberIn vor Antragsstellung bereits länger im Inland aufgehalten hat, ist als Begründung für das Aberkennen der aufschiebenden Wirkung abzulehnen. Gerade unbegleitete Jugendliche wissen oft nicht, dass sie einen Asylantrag stellen können oder werden daran von Dritten gehindert, daher leben sie oft für längere Zeit in der Illegalität, bevor sie mit den Behörden in Kontakt kommen. Deswegen ihre Rechte im Verfahren einzuschränken, kann nicht die Intention des Gesetzgebers sein.

 

Handlungsfähigkeit bei UMF

Während die Handlungsfähigkeit im Asylgesetz (§16) und im Bundesbetreuungsgesetz (§ 2 Abs 7) einheitlich und sinnvoll geregelt ist, weicht das Fremdenpolizeigesetz von dieser ab, auch wenn das Gegenteil in den erläuternden Bemerkungen behauptet wird.

 

§ 12. (1) Minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, sind in Verfahren nach den Hauptstücken 2 bis 7 handlungsfähig. Sie können zu einer mündlichen Verhandlung einen gesetzlichen Vertreter und eine an der Sache nicht beteiligte Person ihres Vertrauens beiziehen. Verfahrensfrei zu setzende Maßnahmen bleiben unberührt.

 

Anstatt das Alter für die Erreichung der Handlungsfähigkeit auf 18 Jahre anzuheben, wird sie im Entwurf vom 16. auf das 14. Lebensjahr herabgesetzt. Ein 14-jähriger kann aber seine eigenen Interessen im fremdenpolizeilichen Verfahren keinesfalls selbst vertreten.

 

Die willkürliche Festlegung der Handlungsfähigkeit widerspricht der UN - Kinderrechtskonvention (KRK), die in Österreich am 5.9.1992 in Kraft getreten und somit Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung geworden ist. Innerstaatliche Rechtsnormen müssen daher so erlassen werden, dass sie nicht in Widerspruch zu den Bestimmungen der KRK stehen. Der UNO-Kinderrechtsauschuss interpretiert Altersgrenzen entsprechend ihrer Zielsetzungen: Altersgrenzen, die der Verselbständigung von Kindern und Jugendlichen entgegen stehen, sollten tendenziell gesenkt werden, während Schutzgrenzen im Interesse des Kindes möglichst hoch angesetzt werden sollen. Im Kontext der spezifischen Situation von Kinderflüchtlingen steht eindeutig der Schutzzweck im Vordergrund; gerade hier die Altersgrenzen zu senken, steht klar in Widerspruch zu den Zielsetzungen der Kinderrechtskonvention, zu deren Umsetzung sich Österreich vertraglich verpflichtet hat. Einzig die Anhebung der Handlungsfähigkeit im fremdenpolizeilichen Verfahren auf das 18. Lebensjahr und somit eine tatsächliche Harmonisierung mit den diesbezüglichen Bestimmungen im Asyl- und Bundesbetreuungsgesetz kann demnach eine notwendige und sinnvolle Änderung darstellen.

 

Rechtsvertretung von UMF

Mit dem vorgeschlagenen §16 des AsylG 2005 wird die bisher bestehende Lücke in der Rechtsvertretung von UMF geschlossen. Ob die Rechtsberater die am besten geeignete Personengruppe für die Vertretung von UMF darstellt, da sie nicht über das spezifische Fachwissen im Umgang mit Minderjährigen verfügen, ist zumindest fragwürdig. Eine bessere und kinderrechtskonforme Möglichkeit wäre es, die Rechtsvertretung durch den zuständigen Jugendwohlfahrtsträger wahrzunehmen. Für die notwendige personelle Aufstockung müsste eine Finanzierungsregelung ähnlich der Bund - Länder Vereinbarung gefunden werden.

 

Eine neue Rechtsschutzlücke könnte sich in der Praxis daraus ergeben, dass der Zeitpunkt der Zuweisung nicht eindeutig feststellbar ist. Auch derzeit kommt es immer wieder zu problematischen Bescheidzustellungen. So wurde ein Bescheid an die BH Baden zugestellt, obwohl zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung die Zuweisung bereits an das Land Oberösterreich erfolgt war und der JWTr Linz bereits rechtlicher Vertreter war.

 

Durch gesetzliche Maßnahmen muss daher sichergestellt werden, dass ein eindeutiger und für alle Beteiligten transparenter Zeitpunkt des Übergang der Rechtsvertretung (Vermerk im Akt) jeweils den bisherigen als auch den neuen RechtsvertreterInnen zur Kenntnis gebracht werden.

 

Entzug des Aufenthaltsrechts von AsylwerberInnen

§ 68 des FrPoG sieht vor, dass AsylwerberInnen unter bestimmten Voraussetzungen das Aufenthaltsrecht entzogen werden kann.

 

§ 68. (1) Einem Asylwerber kann das Aufenthaltsrecht (§ 14 AsylG 2005) entzogen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen, insbesondere jener des § 63 Abs. 2 Z 1 bis 5, 8 bis 10 und 12 bis 15, die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

1. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

2. anderen im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

 

Absatz 1 verweist auf § 63, der die Tatsachen auflistet, die zum Entzug des

Aufenthaltsrechts führen.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

1. von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. mehr als einmal wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, i.V.m. § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1a, 1b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, oder gemäß den §§ 9 oder 14 in Verbindung mit § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder mehr als einmal wegen einer schwerwiegenden Übertretung dieses Bundesgesetzes, des Fremdengesetzes, des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

3. im Inland wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen, mit Ausnahme einer Finanzordnungswidrigkeit, oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

4. im Inland wegen eines schwerwiegenden Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft oder im In- oder Ausland wegen Zuhälterei rechtskräftig verurteilt worden ist;

5. Schlepperei begangen oder an ihr mitgewirkt hat;

8. von einem Organ der Zollbehörde, der regionalen Geschäftsstellen oder der Landesgeschäftsstellen

des Arbeitsmarktservice bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht ausüben hätte dürfen;

9. eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder eines Befreiungsscheines auf die Ehe berufen, aber mit dem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat;

10. an Kindes statt angenommen wurde und die Erlangung oder Beibehaltung der Aufenthaltsberechtigung ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat;

nach § 75 wieder eingereist ist; 12. der Fremde als Mitglied einer kriminellen Vereinigung oder kriminellen Organisation (§§ 278 und 278a StGB) oder als Mitglied einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährden könnte;

13. bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Fremde einer kriminellen Organisation oder terroristischen Vereinigung angehört oder angehört hat;

14. bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Fremde durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet;

15. wenn der Fremde öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein

Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbaren Gewicht billigt oder dafür wirbt.

 

Schon zwei Verwaltungsübertretungen können demnach (Z 2) zum Entzug des Aufenthaltsrechtes führen. Auch bei einigen anderen Punkten ist der Entzug der Aufenthaltsberechtigung jedenfalls völlig überzogen und stellt eine unverhältnismäßige Doppelbestrafung dar. Der Tatbestand der Scheinadoption richtet sich zudem explizit gegen die Gruppe der UMF, da die Adoption von Erwachsenen ohnehin kaum mehr möglich ist.

 

AsylwerberInnen, welchen das Aufenthaltsrecht entzogen wird, steht nur noch der faktische Abschiebeschutz nach § 13 AsylG 2005 zu. Dies bedeutet, dass die/der Fremde nur noch geduldet ist. Das Gebiet der jeweiligen Bezirksverwaltungsbehörde darf sie/er nur verlassen, um Ladungen von Gerichten und Verwaltungsbehörden Folge zu leisten.

 

Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit wird gerade für junge AsylwerberInnen zu massiven Problemen führen. Besonders im ländlichen Bereich kann es dadurch zum Abbruch von begonnen Bildungsmaßnahmen kommen, beziehungsweise wird das Wahrnehmen neuer Angebote verhindert.

Viele AsylwerberInnen haben Landsleute, FreundInnen oder Verwandte, die in anderen Bezirken untergebracht sind. Der Kontakt zu diesen Personen ist für die psychische Gesundheit von enormer Bedeutung. Oft ist die Grenze der Bezirksverwaltungsbehörde selbst Einheimischen nicht bekannt. Wenn ein/e AsylwerberIn mit FreundInnen von Wien zum Einkaufen in die SCS fährt, hat er/sie damit die Bezirksgrenze bereits überschritten und macht sich strafbar.

Gemeinsame Ausflüge von BewohnerInnen einer Unterbringungseinrichtung für UMF werden mit dieser Regelung künftig unmöglich, wenn auch nur eine Person über kein Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz besitzt.

 

Ebenso unverhältnismäßig wie die Maßnahme selbst sind auch die Konsequenzen, die sich aus einer Übertretung ergeben.

§ 123. (1) Wer als Fremder

1. nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet einreist oder

2. sich nicht rechtsmäßig im Bundesgebiet oder einem Teil des Bundesgebietes, in dem er nicht geduldet wird, aufhält oder

3. nicht rechtmäßig aus dem Bundesgebiet ausreist,

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist in den Fällen der Z 1 und 2 mit Geldstrafe bis zu 2180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen. ...

(2) Wer die Tat nach Abs. 1 begeht, obwohl er wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe bis zu 4360 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen.

 

Da AsylwerberInnen praktisch nie über die finanziellen Mittel verfügen, um diese Strafen zu bezahlen, wird zukünftig der Besuch bei Verwandten, ein Einkaufsbummel mit FreundInnen oder ein Schulausflug zu mehrwöchigen Haftstrafen führen.

Die Duldung ist als Instrument völlig ungeeignet und führt nur zur weiteren Kriminalisierung von AsylwerberInnen. Zudem verursacht die Exekution weiteren bürokratischen Aufwand.

 

Altersfeststellung

Die Arbeitsgruppe Menschenrechte für Kinderflüchtlinge spricht sich entschieden gegen die vorgesehene Regelung zur Altersfeststellung im Entwurf zum FrePoG § 12 Abs. 4 aus. Auch die bereits im Rahmen des Asylverfahrens angewandte Praxis der Altesrfeststellung durch den/die Referenten/in wird entschieden abgelehnt.

 

Im Rahmen der Altersfeststellung wäre es zweckmäßig, eine Beurteilung des körperlichen Erscheinungsbildes des Kindes und seiner psychischen Reife ausschließlich durch Beobachtungen über einen längeren Zeitraum von einschlägigen ExpertInnen vornehmen zu lassen. Die Beiziehung eines Amtsarztes, der wohl nur in den seltensten Fällen über die notwendige Expertise zur Durchführung derartiger Einschätzungen verfügt, ist daher abzulehnen.