Staatsanwaltschaft Korneuburg

 

 

 

 

Bezug: BMJ-L708.001/0002-II 1/2005

 

Betrifft: Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Asylgesetz 2005 und das Fremdenpolizeigesetz 2005 erlassen sowie das Bundesbetreuungsgesetz, das Personenstandsgesetz, das UBASG und das EGVG geändert werden; Begutachtungsverfahren – Stellungnahme

 

 

 

Die Staatsanwaltschaft Korneuburg erstattet zu Artikel 2 (Fremdenpolizeigesetz 2005) des im Betreff genannten Gesetzesentwurfs die nachfolgende Stellungnahme:

 

 

Zu § 2 Abs. 4 Z. 5:

Diese Bestimmung entspricht der bisherigen Bestimmung des § 1 Abs. 4 FrG 1997. Aus Anlass der vorgeschlagenen Gesetzesänderung darf allerdings auf in der Praxis immer wieder auftretende Abgrenzungsprobleme zwischen ausländischen öffentlichen Urkunden, die inländischen gleichgestellt sind, und jenen, bei denen dies nicht der Fall ist, hingewiesen werden. Diese Probleme resultieren zum einen daraus, dass insbesondere die zwischenstaatlichen Vereinbarungen, mit denen Dokumente für Reisen anerkannt werden, kaum zu überblicken sind. So werden seit der letzten EU-Erweiterung offenbar auch die Personalausweise der neuen EU-Mitgliedsstaaten als Reisedokumente anerkannt, ein Rechtsgrund für diese Vorgangsweise war allerdings bisher nicht eindeutig feststellbar. Eine entsprechende Anfrage an das BmaA wurde nur fernmündlich dahingehend beantwortet, dass es angeblich keine Rechtsgrundlage für die Anerkennung der Personalausweise der neuen EU-Mitglieder gebe, sondern dass dies einfach aus dem Prinzip der Reisefreiheit für EU-Bürger resultiere. Weitere Unklarheiten werden durch das Europäische Personenverkehrsübereinkommen verursacht, in dessen Anhang eine Vielzahl von als Reisedokument anerkannten ausländischen Ausweisen angeführt wird. Da dieser Anhang allerdings in deutscher Sprache verfasst ist, kann oft nicht festgestellt werden, ob mit ausländischen Aufschriften versehene Ausweise zu den im Anhang angeführten und daher gleichgestellten Ausweisen gehören (beispielsweise ist unsicher, ob der im Anhang des Personenverkehrsübereinkommens als Reisedokument angeführte italienische Personalausweis ident mit den in der Praxis häufig verwendeten, als „carta d´identita“ bezeichneten italienischen Ausweisen ist). Da Anfragen an das BMI oder das BmaA in diesem Zusammenhang bisher ergebnislos blieben, wird um Klarstellung ersucht.

 

 

Zu § 118:

Abs. 1: Entgegen den Erläuterungen war die Förderung der rechtswidrigen Durchreise schon bisher nach § 104 FrG strafbar, da die Durchreise durch einen Staat die Einreise in diesen Staat zwingend voraussetzt. Zur Vereinfachung des Gesetzestextes und zur Vermeidung von Unklarheiten sollte die Wortfolge „...oder Durchreise...“ daher entfallen.

 

Abs. 2: In den Erläuterungen werden Überlegungen zur Geringfügigkeit des geleisteten Entgelts angestellt. Diese Erläuterungen führen zu Unklarheiten, da der im Begutachtungsentwurf vorgeschlagene Gesetzestext im Gegensatz zum geltenden Recht (§ 104 Abs. 1 FrG) keine Ausnahme für geringfügige Entgelte vorsieht. Sollte – wie dies die Erläuterungen nahe legen – eine Ausnahme für geringfügige Entgelte bezweckt sein, so wäre dies im Gesetzestext zum Ausdruck zu bringen (Vorschlag: „...durch ein dafür geleistetes, nicht bloß geringfügiges Entgelt...“).

 

Abs. 5: Der vorgeschlagenen Erhöhung des Strafausmaßes für die Begehung der Schlepperei als Mitglied einer kriminellen Vereinigung auf ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe und der damit verbundenen Verlagerung der Zuständigkeit zu den Schöffengerichten wird entgegengetreten.

Nach den bei der Staatsanwaltschaft Korneuburg mit dieser Kriminalitätsform gemachten Erfahrungen, die aufgrund der örtlichen Zuständigkeit für durchwegs grenznahe Gebiete sowie den Flughafen Schwechat wohl als besonders umfangreich bezeichnet werden dürfen, ist davon auszugehen, dass Schlepper – von wenigen Ausnahmen abgesehen – typischerweise als Mitglieder krimineller Vereinigungen oder zumindest in einem Naheverhältnis zu einer solchen Vereinigung tätig werden. Bei der Festnahme eines Schleppers besteht daher nahezu immer der Verdacht, er sei als Mitglied einer kriminellen Vereinigung tätig geworden, insbesondere dann, wenn eine wiederholte Tatbegehung vorliegt. Der Nachweis der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung ist oft von Zufälligkeiten, insbesondere auch von den oft gar nicht oder nur mit großen Aufwand überprüfbaren Angaben des Schleppers über seine Rolle bei der Schleppung, seine Mittäter und die Zahl seiner Tathandlungen abhängig. Die von der derzeitigen Rechtslage (§ 104 Abs. 3 FrG) vorgenommene Wertung, wonach der gewerbsmäßigen Schlepperei und der Schlepperei als Mitglied einer kriminellen Vereinigung der gleiche Handlungsunwert zugeordnet und daher der gleiche Strafrahmen vorgesehen wird, während ein die Zuständigkeit des Schöffengerichts begründender Strafrahmen nur für die selteneren und besonders verwerflichen Begehungsformen des § 104 Abs. 4, 2. Fall, und Abs. 5 FrG vorgesehen wird, sollte beibehalten werden. Sowohl die gewerbsmäßige Schlepperei als auch die Schlepperei als Mitglied einer kriminellen Vereinigung stellen häufig vorkommende Begehungsformen dar, für die der in Abs. 4 vorgeschlagene Strafrahmen von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe ausreichend ist und für die die Schnelligkeit des Einzelrichterverfahrens von großer Bedeutung ist, da es sich meist um Haftsachen handelt. Demgegenüber würde die vorgeschlagene Zuständigkeit des Schöffengerichts für Schlepperei als Mitglied einer kriminellen Vereinigung dazu führen, dass eine erhebliche Mehrbelastung der Staatsanwaltschaften und der Sicherheitsbehörden durch die zu erwartenden zusätzlichen Erhebungen zur Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, eine dadurch bedingte Verlängerung der Untersuchungshaft, weitere Mehrbelastungen und Verzögerungen durch die Notwendigkeit der Einbringung einer Anklageschrift und der Möglichkeit eines Einspruchs dagegen und schließlich weitere Verzögerungen durch das zeitraubendere und schwerfälligere Schöffenverfahren zur Folge haben.

Die Begehung der Schlepperei als Mitglied einer kriminellen Vereinigung sollte als Qualifikation in Abs. 4 eingefügt werden (Vorschlag: „Wer die Tat nach Abs. 2 gewerbsmäßig (§ 70 StGB) oder als Mitglied einer kriminellen Vereinigung oder auf eine Art und Weise...“) und Abs. 5 auf führende Mitglieder einer kriminellen Vereinigung beschränkt werden (Vorschlag: „Wer die Tat nach Abs. 2 als führendes Mitglied einer kriminellen Vereinigung oder auf eine Art und Weise...“).

 

Zu § 121:

Nach der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs in Zivilsachen (s. nur SZ 67/56) sind auch jene Ehen, die nur zur Erlangung des unbehinderten Zugangs zum Arbeitsmarkt geschlossen werden, als Scheinehen anzusehen und unterliegen daher der Nichtigerklärung nach § 23 EheG. Ein nachvollziehbarer Grund, warum die zur Erlangung eines Aufenthaltstitels, zur Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen erfolgte Eheschließung unter Strafdrohung gestellt werden soll, nicht aber die zum Zweck der Erlangung oder Beibehaltung einer Beschäftigungsbewilligung, ist nicht ersichtlich. Es wird daher vorgeschlagen, die Absätze 1, 2, 3 und 4 um die weitere Alternative der nur zum Zweck der Erlangung oder Beibehaltung einer Beschäftigungsbewilligung geschlossenen Ehe zu ergänzen.

 

Tathandlung nach Abs. 1 und 2 ist das Eingehen der Ehe, also der Akt der Eheschließung. Zum Zeitpunkt der Eheschließung wird allerdings noch nicht immer ein gemeinsames Familienleben geführt, sondern wird der Akt der Eheschließung teilweise noch als Voraussetzung für die Begründung eines Familienlebens angesehen.  Es wird daher vorgeschlagen, auf diese, auch durch Art. 8 EMRK geschützte Gestaltungsmöglichkeit des Ehelebens dadurch Bedacht zu nehmen zu nehmen, dass – ähnlich wie in § 121 Abs. 3 und 122 des Entwurfs vorgesehen – folgende Formulierung gewählt wird: „...ohne ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK zu führen oder zu führen beabsichtigt und...“.

 

Da sich der Fremde auf die Ehe wohl erst dann berufen wird können, wenn diese bereits geschlossen ist, müsste es in Abs. 1 und 2 richtigerweise lauten: „...auf diese Ehe berufen will, ist,...“ und in Abs. 3 „...auf diese Ehe berufen wollen, aber..“.

 

Bedenken bestehen gegen die gerichtliche Strafbarkeit für den Fall, dass der österreichische Ehepartner wissen musste, dass sich der Fremde auf die Scheinehe berufen wird. Der Tatbestand wird damit weitgehend einem Fahrlässigkeitsdelikt angenähert. Ein Strafbedürfnis besteht wohl nur dann, wenn dem Ehepartner der Vorwurf gemacht werden kann, dass er sich des Zwecks der Eheschließung bewusst ist. Es wird daher vorgeschlagen, die Wortfolge „...oder wissen musste...“ in Absatz 1 und 2 entfallen zu lassen. 

 

Auf eine vermutlich auf ein Redaktionsversehen zurückzuführende doppelte Verneinung („...wenn die Tat nicht deswegen nicht nach einer anderen Bestimmung ...“) in der Subsidiaritätsklausel des Abs. 1 wird hingewiesen.

 

Abs. 4: Den erläuternden Bemerkungen zufolge sei der Fremde als Opfer anzusehen und müsse daher straffrei bleiben. Fraglich ist, inwieweit dies im Hinblick auf die in den Erläuterungen aufgezeigte Tatsache, dass der – meist aus einfachen sozialen Verhältnissen stammende - österreichische Ehepartner durch die ihm angebotene Geldsumme zur Scheinehe verleitet wird, also die Initiative zur Scheinehe in aller Regel von dem oft finanzstärkeren Fremden ausgeht, zutreffend  ist. In diesem Zusammenhang darf auch auf in der Praxis nicht selten anzutreffende, die Opferrolle in Frage stellende Versuche der fremden Ehepartner, durch oft dem Tatbestand der Nötigung nach § 105 StGB zumindest nahekommende Einflussnahmen auf ihre österreichischen Ehepartner den Ausgang des Ehenichtigkeitsverfahrens zu beeinflussen oder nach erfolgter Nichtigerklärung die Rückzahlung der geleisteten Zahlungen zu erreichen, hingewiesen werden. Eine einerseits effiziente, andererseits mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbare strafrechtliche Verfolgung der Scheinehe scheint mit einer Beschränkung der Strafbarkeit auf den österreichischen Ehepartner jedenfalls schwer möglich.

Sollte an der Straflosigkeit des fremden Ehepartners festgehalten werden, darf darauf hingewiesen werden, dass dies mit der im Begutachtungsentwurf verwendeten Formulierung nur teilweise erreicht wird. Es wird zwar die Scheinehe zum Zweck der Erlangung eines Aufenthaltstitels erwähnt, nicht aber die anderen Alternativen des Abs. 1, nämlich die Scheinehe zum Zweck der Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, zur Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen oder die Deliktsqualifikation des Abs. 2, für die aufgrund des vorgeschlagenen Textes die Strafbarkeit e contrario zu bejahen wäre.

 

Abs. 5: Der Anwendungsbereich des vorgeschlagenen Strafaufhebungsgrundes ist äußerst fraglich. Eine Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhalts, bevor eine zur Strafverfolgung berufene Behörde von dem Verschulden des Täters erfahren und daher Erhebungen eingeleitet hat, erscheint letztlich nur im Falle einer Art Selbstanzeige denkbar. Ein Strafaufhebungsgrund der Selbstanzeige oder ein sonstiger, der vorgeschlagenen Bestimmung ähnlicher Strafaufhebungsgrund ist dem österreichischen Strafrecht bisher wesensfremd und würde den Täter nach § 121 des Entwurfs in einer nicht verständlichen Weise privilegieren. Zum anderen würden gerade jene, in der Praxis nicht seltenen Fälle erfasst werden, in denen die Täter - in der Regel nach Verbrauch des für die Scheinehe erhaltenen Vermögensvorteils – vor den Bezirksverwaltungsbehörden oder vor den Bezirksgerichten den Sachverhalt der Scheineheschließung einräumen und unter einem die Einleitung eines Ehenichtigkeitsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft anregen, was in Einzelfällen ersichtlich nur dazu dient, nach erfolgter Nichtigerklärung umgehend eine neue Scheinehe eingehen und dafür wiederum einen Vermögensvorteil lukrieren zu können. Es wird daher der Entfall dieses Strafaufhebungsgrundes befürwortet. Für den Fall der Beibehaltung dieses Strafaufhebungsgrundes sollte der dem österreichischen Strafrecht bisher fremde Begriff der erforderlichen Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhalts, was ersichtlich weniger darstellt als ein reumütiges Geständnis oder ein wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung im Sinne des § 34 Abs. 1 Z. 17 StGB, näher präzisiert werden.

 

Zu § 122:

Entsprechend den Ausführungen zu § 121 wird vorgeschlagen, die Absätze 1, 2, 3 und 4 um die weitere Alternative der nur zum Zweck der Erlangung oder Beibehaltung einer Beschäftigungsbewilligung erfolgten Adoption zu ergänzen.

 

Da sich der Fremde auf die Adoption wohl erst dann berufen wird können, wenn diese bereits erfolgt ist, müsste es in Abs. 1 ,2 und 3 richtigerweise lauten: „...auf diese Annahme an Kindes statt berufen wollen, aber..“.

 

Unter Verweis auf die Ausführungen zu § 121 wird vorgeschlagen, die Alternative „...oder wissen musste...“ auch hier entfallen zu lassen.

 

Zu Abs. 4: Die Ausführungen zu § 121 Abs. 4 gelten sinngemäß hier. Es wird daher vorgeschlagen, auch eine für den Fremden geltende Strafbestimmung einzuführen. Sollte an der Straflosigkeit des Fremden festgehalten werden, so müssten auch die in Abs. 4 nicht erwähnten Alternativen der Scheinadoption zum Zweck der Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, zur Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft und zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen sowie die Deliktsqualifikation des Abs. 2 angeführt werden.

 

Zu Abs. 5: Unter Hinweis auf die Stellungnahme zu § 121 Abs. 5 wird für den Entfall, zumindest aber für die Präzisierung dieses Strafaufhebungsgrundes eingetreten.

 

Staatsanwaltschaft Korneuburg

am 5.4.2005

 

 

 

Leitende Staatsanwältin Hofrätin Dr. Sieglinde Puchner e.h.