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Amt der Tiroler Landesregierung |
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Bundesministerium für Inneres Herrengasse 7 1010 Wien |
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E-Mail: verfassungsdienst@tirol.gv.at |
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Zu GZ. 76.201/1383-III/1/c/05 TM vom 07. März 2005 |
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Die Tiroler Landesregierung gibt aufgrund ihres Beschlusses vom 12.04.2005 zum übersandten Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Asylgesetz 2005 und das Fremdenpolizeigesetz 2005 erlassen sowie das Bundesbetreuungsgesetz, das Personenstandsgesetz, das UBASG und das EGVG geändert werden, folgende Stellungnahme ab:
I.
Allgemeines
Die Schaffung eines aufeinander abgestimmten Systems des Asyl- und Fremdenpolizeirechtes wird, vor allem im Interesse der Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren, begrüßt. Dabei werden insbesondere die vorgesehenen Maßnahmen für Fremde, die nach Begehung einer Straftat einen Asylantrag stellen, und für Asylwerber, die eine strafbare Handlung nach der Stellung des Asylantrages begehen, sowie die Festlegung durchsetzbarer Mitwirkungspflichten von Asylwerbern als notwendig angesehen.
Die Einführung des Rechtsinstitutes der Duldung (Art. II) (§ 48 des Fremdenpolizeigesetzes 2005) trägt dem Umstand Rechnung, dass verhängte aufenthaltsbeendende Maßnahmen oft deshalb nicht unmittelbar durchgesetzt werden können, weil der betroffene Fremde aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht abgeschoben werden kann, und wird daher befürwortet. Die grundsätzliche Problematik, dass die Mehrzahl der abschlägig beurteilten Asylwerber de facto nicht abgeschoben werden kann, da die nötigen Heimreisepapiere nicht beschafft werden können, ist durch den vorliegenden Gesetzentwurf nicht zu lösen. Die vermuteten Herkunftsstaaten, aus denen die Antragsteller dem Anschein nach (Sprache, feststellbare Ortskenntnisse etc.) kommen, erkennen diese Personen, die behaupten keine Papiere zu haben, nicht als ihre Staatsbürger an und nehmen sie auch nicht zurück. Zur Lösung dieser Problematik wären entsprechende politische Verhandlungsinitiativen der Europäischen Union mit Drittstaaten dringend notwendig.
Der vorliegende Gesetzentwurf enthält keine Darstellung der finanziellen Auswirkungen auf die Länder und widerspricht daher den Vorgaben der Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften. Bei In-Kraft-Treten eines dem Entwurf entsprechenden Gesetzes entstehen den Ländern aber jedenfalls Mehrkosten (Mehrbelastung im Bereich der unabhängigen Verwaltungssenate sowie der erstinstanzlichen Sicherheitsbehörden).
II.
Bemerkungen zu einzelnen Bestimmungen
Zu
Art. 1 (Asylgesetz 2005)
Zu § 2 Z. 18:
Es stellt sich die Frage, ob nicht der Begriff des
Familienangehörigen vor dem Hintergrund des Gemeinschaftsrechtes und der
UN-Kinderrechtskonvention weiter gefasst werden sollte.
Zu § 8 Abs. 1:
Diese Bestimmung sollte klarer und grammatikalisch
richtig formuliert werden.
Zu den §§ 9 und 11:
Die Auswirkungen innerstaatlicher Konflikte sowie das Vorliegen
innerstaatlicher Fluchtalternativen werden von der Behörde nur schwer beurteilt
werden können.
Zu § 16:
Die Formulierung in den Erläuternden Bemerkungen zu dieser Bestimmung, wonach
der unmündige Minderjährige nicht selbstständig einen Asylantrag einbringen
könne, die Stellung des Antrages aber noch vom unmündigen Minderjährigen selbst
erfolgen könne, ist widersprüchlich. Es sollte wie bisher (§ 25
Abs. 3 Asylgesetz 1997) im Gesetzestext festgelegt werden, dass bei
unbegleiteten unmündigen Minderjährigen der Rechtsberater den Asylantrag
einbringt.
Zu § 26:
Die vom Bundesasylamt angeordnete Festnahme ist als Maßnahme unmittelbarer
verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt beim unabhängigen
Verwaltungssenat zu bekämpfen. Damit hat der unabhängige Verwaltungssenat
ebenso wie bei der im § 83 Abs. 6 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 vorgesehenen
Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung über eine von den
Asylbehörden behandelte Angelegenheit zu befinden. Hinsichtlich der Bedenken
gegen eine derartige Konstruktion wird auf die Stellungnahme des unabhängigen
Verwaltungssenates in Tirol, GZ. uvs-2005/71-14 vom 29.03.2005 verwiesen.
Zu § 37:
Es wäre zu überlegen, ob den Berufungen von unbegleiteten minderjährigen
Flüchtlingen nicht grundsätzlich aufschiebende Wirkung zuerkannt werden
sollte. Im Interesse des Wohles der Minderjährigen bedarf nämlich eine allfällige
Rückkehr in die Herkunftsstaaten einer besonderen Vorbereitung.
Zu den §§ 48 und 50:
Es stellt sich die Frage, ob nicht für Eingriffe in
das Recht auf persönliche Freiheit und für die Ausübung unmittelbarer
Zwangsgewalt Sonderbestimmungen für Minderjährige vorgesehen werden sollten.
Zu § 66:
Es wäre zu überlegen, hinsichtlich der Rückkehrhilfe Sonderbestimmungen für
unbegleitete minderjährige Flüchtlinge vorzusehen.
Zu
Art. 2 (Fremdenpolizeigesetz 2005)
Zu § 12:
Im Interesse des notwendigen besonderen Schutzes der Minderjährigen sollte von
der Herabsetzung der Handlungsfähigkeit vom 16. auf das 14. Lebensjahr
abgesehen werden. Insgesamt sollte sich das Schutzniveau für minderjährige
Fremde am Schutzniveau für österreichische Minderjährige orientieren.
Zu § 21 Abs. 6:
Sinn und Zweck der Verpflichtungserklärung ist es sicherzustellen, dass der
öffentlichen Hand durch die Einreise eines Fremden keine Kosten entstehen. Vor
dem Hintergrund der Judikatur des Obersten Gerichtshofes, die die Fiskalgeltung
der Grundrechte zunehmend bejahte, ist aber fraglich, ob mit der gegenständlichen
Bestimmung das angestrebte Ziel erreicht werden kann. So geht der Oberste
Gerichtshof in seiner mittlerweile ständigen Rechtsprechung unter Berufung auf
den Gleichheitssatz davon aus, dass auf eine Leistung, die von einer
Gebietskörperschaft auf der Grundlage eines Selbstbindungsgesetzes erbracht
wird, ein klagbarer Anspruch besteht (vgl. 6/0b514/95, 1/0b272/02k). Es sollte
daher gesetzlich festgelegt werden, dass derjenige, der eine
Verpflichtungserklärung zugunsten eines Fremden abgegeben hat, gegenüber den
Gebietskörperschaften zum Rückersatz von sämtlichen Kosten verpflichtet ist,
die durch Leistungen an den Fremden aufgrund seines Aufenthaltes in Österreich
entstanden sind.
Zu § 80:
Es stellt sich die Frage, ob für Minderjährige nicht grundsätzlich anstelle der
Schubhaft ein gelinderes Mittel vorgesehen werden sollte.
Zu § 83 Abs. 6:
Das vorgesehene Prüfungsverfahren hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung
sollte näher geregelt werden. Es ist nämlich unklar, ob es sich dabei um ein
Überprüfungsverfahren, welches nach Akteneinsicht und mit Aktenvermerk
durchgeführt wird oder aber um ein förmliches Verfahren, welches mit Bescheid
abzuschließen ist, handelt. Es ist aber jedenfalls davon auszugehen, dass durch
das Prüfungsverfahren für den unabhängigen Verwaltungssenat ein erheblicher
Mehraufwand entsteht.
Zu § 85 Abs. 1:
Die Rechtsnatur der „Beschwerde wegen der Behauptung der Rechtswidrigkeit des
Schubhaftbescheides“ ist unklar.
Zu § 85 Abs. 3:
Diese Bestimmung sollte insoweit ergänzt werden, als dem unabhängigen
Verwaltungssenat innerhalb von zwei Werktagen nicht nur die Beschwerde sondern
auch der vollständige Fremdenakt vorzulegen ist. Ansonsten beginnt nämlich die
Entscheidungsfrist bereits mit dem Einlangen der Beschwerde zu laufen, unabhängig
davon, ob dem unabhängigen Verwaltungssenat der für die Entscheidung
wesentliche Fremdenakt vorliegt oder nicht.
Zu § 89:
Es ist fraglich, ob diese Bestimmung den gemeinschaftsrechtlich festgelegten
Verfahrens- und Rechtsschutzgarantien genügt (über die Berufung gegen den
Bescheid entscheidet die Sicherheitsdirektion und erst gegen die faktische
Durchsetzung der Entscheidung der unabhängige Verwaltungssenat).
Zu § 105:
Dem unabhängigen Verwaltungssenat sollte, ebenso wie im Asylgesetz (§ 56
Abs. 3 Z. 15), der Zugang zur zentralen Informationssammlung
ermöglicht werden.
Zu § 122:
Die Ausführungsgesetze der Länder zum Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 sehen Verwaltungsstraftatbestände
der unbefugten oder gegen Entgelt erfolgenden Vermittlung der Annahme an Kindes
statt vor (vgl. § 35 Abs. 1 lit. f des Tiroler
Jugendwohlfahrtsgesetzes 2002, LGBl.Nr. 51, in der Fassung des Gesetzes
LGBl.Nr. 49/2003).
Zu
Art. 3 (Änderung des Bundesbetreuungsgesetzes)
Zu Z. 11 (§ 6 Abs. 2):
Die Bestimmung, wonach die Betreuung durch den Bund auf sieben Tage beschränkt
wird und sich der Asylwerber danach direkt an das Land, in dem er sich aufhält,
um die Gewährung von Sozialhilfe wenden kann, wird abgelehnt. Bei
In-Kraft-Treten einer entsprechenden Bestimmung entstünden nämlich den Ländern
Mehrkosten, die nach der Grundversorgungsvereinbarung nicht vorgesehen sind.
25 Ausfertigungen sowie eine elektronische Fassung dieser Stellungnahme werden unter einem der Parlamentsdirektion zugeleitet.
Für die Landesregierung:
Dr.
Liener
Landesamtsdirektor