Amt der Tiroler Landesregierung

 

 

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Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Asylgesetz 2005 und das Fremdenpolizeigesetz 2005 er­lassen sowie das Bundesbetreuungsgesetz, das Personenstandsgesetz, das UBASG und das EGVG geändert werden; Stellungnahme

Geschäftszahl

Innsbruck,

Präs.II-1406/336
12.04.2005

 

 

Zu GZ. 76.201/1383-III/1/c/05 TM vom 07. März 2005

Die Tiroler Landesregierung gibt aufgrund ihres Beschlusses vom 12.04.2005 zum übersandten Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Asylgesetz 2005 und das Fremdenpolizeigesetz 2005 erlassen sowie das Bundesbetreuungsgesetz, das Personenstandsgesetz, das UBASG und das EGVG geändert werden, folgende Stellungnahme ab:

 

I. Allgemeines

Die Schaffung eines aufeinander abgestimmten Systems des Asyl- und Fremdenpolizeirechtes wird, vor allem im Interesse der Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren, begrüßt. Dabei werden insbe­sondere die vorgesehenen Maßnahmen für Fremde, die nach Begehung einer Straftat einen Asylantrag stellen, und für Asylwerber, die eine strafbare Handlung nach der Stellung des Asylantrages begehen, sowie die Festlegung durchsetzbarer Mitwirkungspflichten von Asylwerbern als notwendig angesehen.

Die Einführung des Rechtsinstitutes der Duldung (Art. II) (§ 48 des Fremdenpolizeigesetzes 2005) trägt dem Umstand Rechnung, dass ver­hängte aufenthaltsbeendende Maßnahmen oft deshalb nicht unmittelbar durchgesetzt werden können, weil der betroffene Fremde aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht abgeschoben werden kann, und wird daher befürwortet. Die grundsätzliche Problematik, dass die Mehr­zahl der abschlägig beurteilten Asylwerber de facto nicht abgeschoben werden kann, da die nötigen Heim­reisepapiere nicht beschafft werden können, ist durch den vorliegenden Gesetzentwurf nicht zu lösen. Die vermuteten Herkunftsstaaten, aus denen die Antragsteller dem Anschein nach (Sprache, feststellbare Ortskenntnisse etc.) kommen, erkennen diese Personen, die behaupten keine Papiere zu haben, nicht als ihre Staatsbürger an und nehmen sie auch nicht zurück. Zur Lösung dieser Problematik wären entspre­chende politische Verhandlungsinitiativen der Europäischen Union mit Drittstaaten dringend notwendig.

Der vorliegende Gesetzentwurf enthält keine Darstellung der finanziellen Auswirkungen auf die Länder und widerspricht daher den Vorgaben der Vereinbarung über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebietskörperschaften. Bei In-Kraft-Treten eines dem Entwurf ent­sprechen­den Gesetzes entstehen den Ländern aber jedenfalls Mehrkosten (Mehrbelastung im Bereich der unab­hängigen Verwaltungssenate sowie der erstinstanzlichen Sicherheitsbehörden).

 

II. Bemerkungen zu einzelnen Bestimmungen

 

Zu Art. 1 (Asylgesetz 2005)

Zu § 2 Z. 18:
Es stellt sich die Frage, ob nicht der Begriff des Familienangehörigen vor dem Hintergrund des Gemein­schaftsrechtes und der UN-Kinderrechtskonvention weiter gefasst werden sollte.

Zu § 8 Abs. 1:
Diese Bestimmung sollte klarer und grammatikalisch richtig formuliert werden.

Zu den §§ 9 und 11:
Die Auswirkungen innerstaatlicher Konflikte sowie das Vorliegen innerstaatlicher Fluchtalternativen werden von der Behörde nur schwer beurteilt werden können.

Zu § 16:
Die Formulierung in den Erläuternden Bemerkungen zu dieser Bestimmung, wonach der unmündige Min­derjährige nicht selbstständig einen Asylantrag einbringen könne, die Stellung des Antrages aber noch vom unmündigen Minderjährigen selbst erfolgen könne, ist widersprüchlich. Es sollte wie bisher (§ 25 Abs. 3 Asylgesetz 1997) im Gesetzestext festgelegt werden, dass bei unbegleiteten unmündigen Minder­jährigen der Rechtsberater den Asylantrag einbringt.

Zu § 26:
Die vom Bundesasylamt angeordnete Festnahme ist als Maßnahme unmittelbarer verwaltungsbehörd­licher Befehls- und Zwangsgewalt beim unabhängigen Verwaltungssenat zu bekämpfen. Damit hat der unabhängige Verwaltungssenat ebenso wie bei der im § 83 Abs. 6 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 vor­gesehenen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung über eine von den Asylbehörden behan­delte Angelegenheit zu befinden. Hinsichtlich der Bedenken gegen eine derartige Konstruktion wird auf die Stellungnahme des unab­hängigen Verwaltungssenates in Tirol, GZ. uvs-2005/71-14 vom 29.03.2005 verwiesen.

Zu § 37:
Es wäre zu überlegen, ob den Berufungen von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen nicht grund­sätzlich aufschiebende Wirkung zuerkannt werden sollte. Im Interesse des Wohles der Minderjährigen bedarf nämlich eine allfällige Rückkehr in die Herkunftsstaaten einer besonderen Vorbereitung.

Zu den §§ 48 und 50:
Es stellt sich die Frage, ob nicht für Eingriffe in das Recht auf persönliche Freiheit und für die Ausübung unmittelbarer Zwangsgewalt Sonderbestimmungen für Minderjährige vorgesehen werden sollten.

Zu § 66:
Es wäre zu überlegen, hinsichtlich der Rückkehrhilfe Sonderbestimmungen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge vorzusehen.

 


Zu Art. 2 (Fremdenpolizeigesetz 2005)

Zu § 12:
Im Interesse des notwendigen besonderen Schutzes der Minderjährigen sollte von der Herabsetzung der Handlungsfähigkeit vom 16. auf das 14. Lebensjahr abgesehen werden. Insgesamt sollte sich das Schutz­niveau für minderjährige Fremde am Schutzniveau für österreichische Minderjährige orientieren.

Zu § 21 Abs. 6:
Sinn und Zweck der Verpflichtungserklärung ist es sicherzustellen, dass der öffentlichen Hand durch die Einreise eines Fremden keine Kosten entstehen. Vor dem Hintergrund der Judikatur des Obersten Ge­richtshofes, die die Fiskalgeltung der Grundrechte zunehmend bejahte, ist aber fraglich, ob mit der gegen­ständlichen Bestimmung das angestrebte Ziel erreicht werden kann. So geht der Oberste Gerichts­hof in seiner mittlerweile ständigen Rechtsprechung unter Berufung auf den Gleichheitssatz davon aus, dass auf eine Leistung, die von einer Gebietskörperschaft auf der Grundlage eines Selbstbindungsgesetzes er­bracht wird, ein klagbarer Anspruch besteht (vgl. 6/0b514/95, 1/0b272/02k). Es sollte daher gesetzlich festgelegt werden, dass derjenige, der eine Verpflichtungserklärung zugunsten eines Fremden abgegeben hat, gegenüber den Gebietskörperschaften zum Rückersatz von sämtlichen Kosten verpflichtet ist, die durch Leistungen an den Fremden aufgrund seines Aufenthaltes in Österreich entstanden sind.

Zu § 80:
Es stellt sich die Frage, ob für Minderjährige nicht grundsätzlich anstelle der Schubhaft ein gelinderes Mit­tel vorgesehen werden sollte.

Zu § 83 Abs. 6:
Das vorgesehene Prüfungsverfahren hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung sollte näher ge­regelt werden. Es ist nämlich unklar, ob es sich dabei um ein Überprüfungsverfahren, welches nach Ak­teneinsicht und mit Aktenvermerk durchgeführt wird oder aber um ein förmliches Verfahren, welches mit Bescheid abzuschließen ist, handelt. Es ist aber jedenfalls davon auszugehen, dass durch das Prüfungs­verfahren für den unabhängigen Verwaltungssenat ein erheblicher Mehraufwand entsteht.

Zu § 85 Abs. 1:
Die Rechtsnatur der „Beschwerde wegen der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides“ ist unklar.

Zu § 85 Abs. 3:
Diese Bestimmung sollte insoweit ergänzt werden, als dem unabhängigen Verwaltungssenat innerhalb von zwei Werktagen nicht nur die Beschwerde sondern auch der vollständige Fremdenakt vorzulegen ist. An­sonsten beginnt nämlich die Entscheidungsfrist bereits mit dem Einlangen der Beschwerde zu laufen, un­abhängig davon, ob dem unabhängigen Verwaltungssenat der für die Entscheidung wesentliche Fremden­akt vorliegt oder nicht.

Zu § 89:
Es ist fraglich, ob diese Bestimmung den gemeinschaftsrechtlich festgelegten Verfahrens- und Rechts­schutzgarantien genügt (über die Berufung gegen den Bescheid entscheidet die Sicherheitsdirektion und erst gegen die faktische Durchsetzung der Entscheidung der unabhängige Verwaltungssenat).

Zu § 105:
Dem unabhängigen Verwaltungssenat sollte, ebenso wie im Asylgesetz (§ 56 Abs. 3 Z. 15), der Zugang zur zentralen Informationssammlung ermöglicht werden.

Zu § 122:
Die Ausführungsgesetze der Länder zum Jugendwohlfahrtsgesetz 1989 sehen Verwaltungsstraftatbe­stände der unbefugten oder gegen Entgelt erfolgenden Vermittlung der Annahme an Kindes statt vor (vgl. § 35 Abs. 1 lit. f des Tiroler Jugendwohlfahrtsgesetzes 2002, LGBl.Nr. 51, in der Fassung des Gesetzes LGBl.Nr. 49/2003).

 

Zu Art. 3 (Änderung des Bundesbetreuungsgesetzes)

Zu Z. 11 (§ 6 Abs. 2):
Die Bestimmung, wonach die Betreuung durch den Bund auf sieben Tage beschränkt wird und sich der Asylwerber danach direkt an das Land, in dem er sich aufhält, um die Gewährung von Sozialhilfe wenden kann, wird abgelehnt. Bei In-Kraft-Treten einer entsprechenden Bestimmung entstünden nämlich den Län­dern Mehrkosten, die nach der Grundversorgungsvereinbarung nicht vorgesehen sind.

 

25 Ausfertigungen sowie eine elektronische Fassung dieser Stellungnahme werden unter einem der Par­lamentsdirektion zugeleitet.

 

 

Für die Landesregierung:

 

 

Dr. Liener
Landesamtsdirektor