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Amt der Wiener
Landesregierung
Dienststelle: Magistratsdirektion
Geschäftsbereich
Recht
Verfassungsdienst
und
EU-Angelegenheiten
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DVR: 0000191
MD-VD - 478/05 Wien, 12. April 2005
Entwurf eines Bundesgesetzes,
mit dem das Asylgesetz 2005 und
das Fremdenpolizeigesetz 2005
erlassen sowie das Bundesbetreu-
ungsgesetz, das Personenstands-
gesetz, das UBAS-Gesetz und das
Einführungsgesetz zu den Ver-
waltungsverfahrensgesetzen 1991
geändert werden;
Begutachtung;
Stellungnahme
zu 76.201/1383-III/1/c/05/TM
An das
Bundesministerium für Inneres
Sektion III-Recht
Zu dem mit Schreiben vom 7. März 2005 übermittelten Entwurf eines Bundesgesetzes wird nach Anhörung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien wie folgt Stellung genommen:
Grundsätzliches:
Auf gesetzlicher Ebene ist zu bemerken, dass die Geldstrafen immer mehr in den Hintergrund getreten sind und an deren Stelle Freiheitsstrafen vorgesehen wurden. Diese Entwicklung zeigt, dass eine eindeutige Verschärfung der strafrechtlichen Tatbestände und damit einhergehend der Strafandrohungen im Bereich der irregulären Immigration und der Umgehung der äußerst restriktiven Einwanderungsvorschriften erfolgt ist. Diese fortschreitende Verschärfung ist aber in solchen Fällen, in denen das Leben und die Gesundheit von Menschen nicht in Gefahr gebracht werden (zu denken ist etwa an den Tatbestand der Scheinehe) nicht erforderlich.
In erster Linie ist es Aufgabe des Asylgesetzes, Rahmenbedingungen zu schaffen, die ein rasches, faires und ein nach den rechtstaatlichen Prinzipien entsprechendes Asylverfahren (zu Gunsten des Asylwerbers) ermöglichen. Demgegenüber zielt der vorliegende Entwurf eines Asylgesetzes 2005 bloß darauf ab, ein kompliziertes und formalistisches Verfahren zu regeln, das Missbräuche im bzw. durch das Asylverfahren verhindern möchte (Beispiel: das Ausnützen der Nichtabschließbarkeit des Asylverfahrens).
Die den Erläuterungen vorangestellte Begründung, wonach die Asylverfahren wegen der hohen Antragsdichte mit – zusätzlichen – schnellen Verfahrensregeln ausgestattet werden müssen, steht in Widerspruch dazu, dass auch in Österreich die Asylwerberzahlen sinken. So werden in den Erläuterungen selbst folgende Zahlen angeführt:
2001: 30.135
2002: 39.354
2003: 32.364 und
2004: 24.676.
Das europaweite Problem der illegalen Einwanderung von Personen aus ökonomisch schwachen Regionen kann nicht nur durch die Schaffung neuer Normen gelöst werden. Dazu bedarf es einer gesellschaftspolitischen Lösungsbereitschaft unter Einbeziehung aller Betroffenen.
Zu Art. 1:
In allgemeiner
Hinsicht:
Das Hauptziel der beschleunigten Abwicklung der Verfahren soll dadurch erreicht werden, dass „Standardsituationen“ vorgegeben werden: Unzulässigkeit des Asylantrages bei einem „Eurodac – Treffer“ (d. h. Registrierung bereits in einem anderen Staat), Ausschluss aufschiebender Wirkung bei unzulässigen Anträgen, bei einem dreimonatigen Aufenthalt vor Asylantragstellung, bei Antragstellern aus sicheren Herkunftsländern, verkürzte Entscheidungsfristen bei Anträgen in Schubhaft oder Haft oder bei vorliegendem Aufenthaltsverbot, Musterverfahren (Leitentscheidungen).
Diese schematischen Vorgaben können dazu führen, dass die für die Feststellung der Schutzbedürftigkeit erforderliche Einzelfallprüfung unterbleibt. Ferner sind diese Vorgaben zur Beschleunigung der Verfahren nur bedingt geeignet. Eine Beschleunigung der Verfahren wird ohne zusätzliche Personalaufstockung beider Instanzen jedenfalls auch durch die im vorliegenden Entwurf vorgesehenen Neuerungen nicht erreicht werden können.
Aus dem vorliegenden Entwurf kann der Eindruck gewonnen werden, dass das Asylverfahren in erster Linie dazu dient, Kriminalität zu bekämpfen. Es darf jedoch nicht aus den Augen verloren werden, dass der Zweck des Asylverfahrens darin besteht, Hilfesuchenden Schutz zu gewähren und nicht die Gewährung von Asyl zu verhindern. Es wird betont, dass Asyl und Menschenrechte unmittelbar miteinander verknüpft sind.
Zu den einzelnen
Bestimmungen:
Zu §§ 2 und 4 Abs.
4 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005):
Die §§ 2 Z 18 und 4 Abs. 4 des Asylgesetzes 2005 sollten auch Geschwister als Familienangehörige ansehen, da vermehrt beobachtet werden konnte, dass unbegleitete minderjährige Asylwerber mit ihren Geschwistern einreisen, Asylanträge stellen und wegen der gleichen Gründe ihre Heimat verlassen haben.
Zu § 3 Abs. 3 und
§ 11 AsylG 2005:
Die „innerstaatliche Fluchtalternative“ ist in der UN - Flüchtlingskonvention nicht ausdrücklich geregelt, wird aber vom UNHCR dann für zulässig erachtet, wenn eine Einzelfallprüfung erfolgt und dabei bestimmte Kriterien (z.B. keine Flucht vor staatlichen Organen, Erreichbarkeit des sicheren Gebietes, usw.) berücksichtigt werden. Diese Kriterien sollten zusätzlich im Gesetz verankert werden.
Zu § 10 AsylG
2005:
Es muss sicher gestellt sein, dass gegen die mit einer zurück- oder abweisenden Entscheidung verbundene Ausweisung ein abgesondertes Rechtsmittel zulässig ist. Dies ergibt sich aus der vorliegenden Bestimmung nicht.
Zu § 12 AsylG
2005:
§ 12 enthält Mitwirkungspflichten von Asylwerbern im Verfahren (etwa die Verpflichtung, wahrheitsgemäße Angaben zu machen, persönliche Anwesenheit, etc.). Unter anderem hat der Asylwerber alle Gründe und Tatsachen anzugeben, nach denen die Behörde ausdrücklich fragt. Dies erscheint zu unbestimmt und zu allgemein, wenngleich sich aus den Erläuterungen ergibt, dass das Fragerecht der Behörde auf den Zweck des Verfahrens beschränkt sei. Die Beschränkung des Fragerechtes auf den Zweck des Verfahrens sollte in den Gesetzestext aufgenommen werden.
Bezüglich der Information des Asylwerbers über seine Mitwirkungspflichten sollte sichergestellt werden, dass er seine Pflichten verstanden hat (z.B. durch eine schriftliche Bestätigung durch den Asylwerber). Erforderlichenfalls sollte ein Dolmetsch zur Verfügung gestellt werden.
Zu § 13 AsylG 2005
und § 48 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG 2005):
§ 13 sieht eine Beschränkung des Aufenthaltes des Asylwerbers im Zulassungsverfahren auf das Gebiet der Bezirksverwaltungsbehörde, in der er versorgt wird, vor. Während des Zulassungsverfahrens hat der Asylwerber kein Aufenthaltsrecht, er wird lediglich „geduldet“. Die Wortwahl ( laut Duden: dulden: (Schweres, Schreckliches) über sich ergehen lassen, ertragen, aushalten) wird im Hinblick auf den Schutz- und Hilfsgedanken des internationalen Asylrechts als sehr missglückt angesehen. Es wird angeregt, eine andere Bezeichnung für diesen Aufenthaltstitel zu suchen; als mögliche Varianten werden „bedingte Aufenthaltsberechtigung“ oder „bedingt gestatteter Aufenthalt“ vorgeschlagen.
Die Erläuterungen zu § 13 verweisen auf Art. 7 der Aufnahmerichtlinie (Richtlinie 2003/9/EG des Rates), der zulässt, dass Asylwerbern ein Gebiet zugewiesen wird, in dem sie sich frei bewegen dürfen. Die Genfer Flüchtlingskonvention räumt jedoch das Recht ein, sich ungehindert im Land zu bewegen.
Zum einen ist dazu vorauszuschicken, dass Beschränkungen der Freizügigkeit der Person innerhalb des Staatsgebietes (nach Art. 4 Abs. 1 StGG) durch einfaches Gesetz zulässig sind, wenn der Gleichheitsgrundsatz dabei nicht verletzt wird und zum anderen kann dieses verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht nach Art. 2 Abs. 3 und 4 des 4. ZProt aus bestimmten Gründen (Interesse der öffentlichen und nationalen Sicherheit, Verhütung von Straftaten usw.) durch Gesetz eingeschränkt werden.
Obgleich den Erläuterungen entnommen werden kann, dass die Beschränkung der Freizügigkeit des Asylwerbers der Sicherstellung seiner Erreichbarkeit während des Zulassungsverfahrens dient, bestehen Zweifel ob ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit. Diese - offenbar beabsichtigte - verfahrensvereinfachende Maßnahme steht in keinem Verhätlnis zu ihrer freiheitsbeschränkenden Wirkung und erscheint demnach auch im Hinblick auf Art. 2 Abs. 3 und 4 des 4. Zprot. und Art. 4 Abs. 1. StGG nicht gerechtfertigt.
Darüber hinaus ist zu bedenken, dass der örtliche Zuständigkeitsbereich einer Bezirksverwaltungsbehörde für einen Asylwerber (im Regelfall ohne Deutschkenntnisse) nicht bekannt sein wird und es daher erforderlich wäre, diesen eine Plangrundlage in ausreichender Genauigkeit (1:2.000) zur Verfügung zu stellen. Andernfalls wären die Rechtsfolgen bei (irrtümlichen) Verlassen der „erlaubten Zone“ mangels Bestimmtheit für die Rechtunterworfenen rechtswidrig.
Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit wird auch bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zu massiven Schwierigkeiten führen und es kann - insbesondere im ländlichen Bereich - zu Abbrüchen von begonnenen Kursen bzw. Bildungsmaßnahmen kommen bzw. können Angebote nicht erreicht werden. Auch Kontakte von Asylwerbern untereinander oder Aktivitäten können zur Folge haben, dass die Bezirksgrenzen überschritten werden.
Die Maßnahme und auch die Konsequenzen (da Asylwerber praktisch kaum über finanzielle Ressourcen verfügen, könnte ein Ausflug zu Verwandten zu einer Ersatzfreiheitsstrafe führen) erscheinen unverhältnismäßig.
Die angeführten Bedenken gelten ebenso für § 48 FPG.
Zu § 15 AsylG
2005:
Die Vorgangsweise, wonach die Zustellung einer Berufungsentscheidung, adressiert an schon ins Ausland abgeschobene AsylwerberInnen bereits mit dem Eintreffen an die angegebene ausländische Adresse als erfolgt zu betrachten ist, erscheint problematisch. Es bleibt auch offen, wie dieses Eintreffen feststellbar sein soll. Auch wenn „der Nachweis einer rechtsgültigen Zustellung im Ausland auf schwerwiegende praktische Probleme ... stoßen kann“, rechtfertigt das nicht ein solches Abweichen von den zwingenden Regelungen des Zustellgesetzes und kann zu massiven Verletzungen des Rechts auf Parteiengehör führen.
Zu §§ 19 und 44
Abs. 2 AsylG 2005:
§ 19 sieht die Befragung des Asylwerbers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nach Antragstellung oder in der Erstaufnahmestelle vor. Weiters sieht das Gesetz ausdrücklich vor, dass der Aussage des Asylwerbers im Zulassungsverfahren verstärkte Glaubwürdigkeit zukommt. In diesem Zusammenhang stellt sich einerseits die Frage, warum ein Abgehen vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) vorgeschrieben wird; andererseits wird darauf hingewiesen, dass – bedingt durch die oftmals negativen Erfahrungen der Asylwerber mit Angehörigen von militärisch organisierten Einheiten in ihrer Heimat – die Einvernahme durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, somit durch uniformierte Personen, Angst erzeugen und dazu führen könnte, dass die Aussagen unvollständig gemacht werden. Dies könnte zu einer Verzerrung des Sachverhalts führen und somit der Wahrheitsfindung zuwiderlaufen. In diesem Zusammenhang wird vor allem auf die spezielle Situation von Minderjährigen hingewiesen.
Einer Vernehmung durch besonders geschultes ziviles Personal wäre der Vorzug zu geben, auch wenn sich diese Befragung nicht auf die Fluchtgründe bezieht. Diese Bedenken gelten auch für § 44 Abs. 2.
Weiters wäre in jedem Falle eine persönliche Befragung, nicht eine solche durch Telekommunikation, erstrebenswert. Diese Form der Einvernahme schränkt die Möglichkeiten des Einvernehmenden ein, sich einen persönlichen Eindruck von dem Antragsteller zu machen und steht im Widerspruch zu den Prinzipien des AVG.
Es wäre vorzuziehen, wenn die Entscheidung über die Gewährung von Asyl immer von jener Person getroffen wird, die die Einvernahme selbst durchgeführt hat, da diese über den zu entscheidenden Einzelfall vollständig informiert ist und auch über die Begleitumstände Bescheid weiß.
Zu § 22 AsylG
2005:
§ 22 Abs. 1 sieht u.a. vor, dass eine unrichtige Übersetzung lediglich das Recht auf Wiedereinsetzung in den Stand vor Erlassung der Bescheides begründet. Dies erscheint in Hinblick darauf, dass der Asylwerber der deutschen Sprache nicht mächtig ist und sich auf die Richtigkeit der Übersetzung verlassen muss, problematisch.
Abs. 3 sieht eine Entscheidung binnen drei Monaten vor, wenn sich der Asylwerber in Schubhaft befindet. Falls diese Bestimmung nicht mit einer Personalaufstockung in beiden Instanzen verbunden wird, ist zu befürchten, dass durch eine solche prioritäre Behandlung der in Schubhaft befindlichen Personen die Verfahren anderer Asylwerber aufgeschoben werden und diese noch länger als bisher auf eine Erledigung ihrer Anträge warten müssen.
Die lange Verfahrensdauer in beiden asylrechtlichen Instanzen ist in erster Linie ein Problem mangelnden Personals. Die Bestimmung muss daher mit einer Personalaufstockung beider Instanzen Hand in Hand gehen.
Zu § 23 AsylG
2005:
Die Bestimmung des § 23 des Asylgesetzes 2005, wonach Bescheide trotz bestehender Zustellbevollmächtigungen jedenfalls dem Asylwerber zugestellt werden, stellt eine Abweichung vom auf der Basis der Bedarfsgesetzgebungskompetenz des Bundes erlassenen AVG dar und ist daher am Maßstab der Erforderlichkeit im Sinne des Art. 11 Abs. 2 B-VG zu prüfen. Diese abweichende Regelung ist nur dann als erforderlich anzusehen, wenn sie für die Regelung des Gegenstandes unerlässlich ist. Diese Unerlässlichkeit ist aber - auch aus den erläuternden Bemerkungen - nicht zu ersehen, weshalb ihre verfassungsrechtliche Zulässigkeit in Zweifel gezogen werden muss.
Ferner sind die Erläuterungen insoferne irreführend, als dort durch die Betonung der schnellstmögliche Zustellung auch an den Zustellbevollmächtigten per Fax oder E-Mail der Eindruck entsteht, dass dieser Zustellung eine Rechtswirkung zukommt, die aber im Gesetz nicht vorgesehen ist.
Zu § 24 AsylG
2005:
Die in § 24 Abs. 3 vorgesehene Regelung der ex lege Zurückziehung des Antrags für den Fall, dass sich der Asylwerber dem Verfahren entzogen hat, birgt für den Jugendwohlfahrtsträger insofern Schwierigkeiten, als auf Grund von Anhaltungen durch Sicherheitsorgane und Überstellungen in Untersuchungshaft zuweilen mehr als drei Tage vergehen, bis eine entsprechende Meldung im Zentralen Melderegister erfolgt bzw. ersichtlich ist. Der Jugendwohlfahrtsträger wird aber von Anhaltungen der Asylwerber durch Sicherheitsorgane und durch Überstellungen in Untersuchungshaft nahezu nie informiert. Es ist daher zu befürchten, dass die zu wahrende Frist deshalb nicht eingehalten werden kann, weil der Jugendwohlfahrtsträger über den aktuellen Aufenthalt nicht Bescheid weiß. Dies führt letztlich dazu, dass der Jugendwohlfahrtsträger seinem gesetzlichen Auftrag, nämlich die Vertretung von unbegeleiteten minderjährigen Flüchtlingen, nicht nachkommen kann.
§ 24 Abs. 5 ist dahingehend zu präzisieren, dass eine Entscheidung ohne vorhergehende Einvernahme des Asylwerbers nur im Falle einer Entziehung aus dem Verfahren gefällt werden kann.
Zu § 27 AsylG
2005:
Aktenvermerke werden dem Jugendwohlfahrtsträger nicht zur Kenntnis gebracht. Die Einleitung einer Ausweisung erfolgt jedoch mittels Aktenvermerk. Es ist daher auch hier zu befürchten, dass der Jugendwohlfahrtsträger seinem gesetzlichen Auftrag (Vertretung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen) nicht nachkommen kann.
§ 27 sieht vor, dass Verfahren, bei denen ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde, binnen drei Monaten zu entscheiden sind. Ein Ausweisungsverfahren ist insbesondere dann einzuleiten, wenn der Antrag voraussichtlich zurück- oder abzuweisen sein wird und der Asylwerber eine Straftat begangen hat. Es ist zu befürchten, dass durch diese bevorzugte Behandlung von Straftätern Asylwerber, die keine Straftat begangen haben, noch länger als bisher auf eine Entscheidung ihres Antrages warten müssen. Auf die Ausführungen zu § 22 AsylG 2005 zur Notwendigkeit zusätzlichen Personals in beiden Instanzen wird verwiesen.
Ein Ausweisungsverfahren kann auch bei Sachverhalten eingeleitet werden, die noch zu keiner gerichtlichen Verurteilung geführt haben. Es kommt dadurch zu einer ungerechtfertigten Vorverurteilung mit der für die Asylwerber besonders empfindlichen Sanktion der Ausweisung. Das hat zur Folge, dass im Falle eines sich nachträglich herausstellenden falschen Verdachts auch unschuldige Asylwerber ausgewiesen werden können.
Zu § 30 AsylG
2005:
Positiv zu vermerken ist, dass erstmals im Gesetz die Traumatisierung definiert wird. Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, warum diese auf psychische Störungen beschränkt ist, die durch Folter oder Geschehnisse eingetreten sind, die im Zusammenhang mit dem die Flucht auslösenden Ereignis eingetreten sind.
Es ist durchaus denkbar, dass das Ereignis, welches die „Traumatisierung“ auslöst, erst während der Flucht eintreten kann. Als Beispiel könnte man schwerste Menschenrechtsverletzungen (systematische Vergewaltigungen während der Flucht) oder auch Traumatisierungen, die durch die Umstände der Flucht entstanden sind (tagelanger Transport in geschlossenen Behältern) sehen. Es wird daher gefordert, diese Regelung entsprechend zu erweitern.
Es gilt weiters anzumerken, dass die Bestimmung nicht dem in den erläuternden Bemerkungen formulierten Ziel „für diese besonders schützenswerte Gruppe .... im Verfahren besondere Sicherheitsmechanismen einzubauen“ entspricht, da die Möglichkeit besteht, diese Menschen in andere Dublin-Staaten abzuschieben. Es ist zu bedenken, dass jene Personen, die am ehesten Schutz brauchen, obwohl sie durch ihre psychische Störung gehindert sind, ihre Interessen wahrzunehmen, nochmals eine Reise auf sich nehmen und ein neuerliches Asylverfahren beginnen müssen. Die Verhinderung des Missbrauchs der bisherigen Ausnahmebestimmung für Folteropfer und Traumatisierte kann nur durch ausführlichere Gutachten erreicht werden und nicht durch die Abschaffung von besonderen Bestimmung der Asylgesetz-Novelle 2003.
Zu § 32 AsylG
2005:
Es sollte im Gesetzestext sichergestellt werden, dass die „Sicherung der Zurückweisung“ am Flughafen zeitlich befristet ist.
Zu § 33 AsylG
2005:
Die Verkürzung der Berufungsfrist im Flughafenverfahren von 14 auf 7 Tage ist aus Rechtsschutzgründen und im Hinblick auf die unsachliche Ungleichbehandlung gegenüber Asylwerbern im Verfahren vor den Erstaufnahmestellen aus verfassungsrechtlicher Sicht problematisch.
Zu §§ 37, 38 und
40 AsylG 2005:
Zusätzlich zu den in § 37 Abs. Z. 1 und 2 genannten Gründen sollte die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Ausweisung auch in den Fällen möglich sein, wo das Bundesasylamt bereits erkennen kann, dass die Zurückweisung nicht zu Recht erfolgt ist und durch die Berufungsbehörde aufzuheben sein wird.
Gemäß § 38 ist eine Entscheidung, mit der einer Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt wird, sieben Tage nach Vorlage der Berufung an den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS) durchsetzbar, wenn dieser der Berufung nicht die aufschiebende Wirkung zuerkennt. Eine Abschiebung ist somit auch möglich, wenn der UBAS seine Entscheidung nicht innerhalb der vorgesehenen Frist von sieben Tagen trifft. Es erscheint rechtsstaatlich höchst bedenklich (Arg. „Effektivität des Rechtsschutzes“), dem Asylwerber das Risiko des Verzuges des UBAS aufzuerlegen, insbesondere im Hinblick darauf, dass hier die Sicherheit von Leib und Leben von den gerade verfügbaren Kapazitäten beim UBAS abhängig gemacht wird.
In diesem Zusammenhang ist wieder darauf hinzuweisen, dass die zum Zweck der Verfahrensbeschleunigung eingeführten Neuerungen dieses Entwurfes nur im Zusammenhang mit einer personellen Aufstockung beider Instanzen Erfolg haben können.
Weiters sind die Bestimmungen zur aufschiebenden Wirkung der Berufung sehr schwer verständlich. Einerseits ist die faktische Durchsetzung der erstinstanzlichen Entscheidung bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist auszusetzen, andererseits ist diese Entscheidung bereits sieben Tage nach Vorlage einer Berufung an den UBAS durchsetzbar, wenn dieser der Berufung nicht doch aufschiebende Wirkung zuerkennt. Wird bereits am Tag der Erlassung der Entscheidung Berufung gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung erhoben und gleich an den UBAS weitergeleitet, muss die Frage gestellt werden, ob bei Ablauf der siebentägigen Frist die erstinstanzliche Entscheidung durchsetzbar wird oder die in diesem Fall längere Rechtsmittelfrist abzuwarten ist. Dies sollte legistisch verbessert werden, vor allem auch deshalb, weil die aufschiebende Wirkung entscheidende Bedeutung für den Asylwerber hat.
Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung scheint als Sanktion für „nicht konformes Verhalten“ während des erstinstanzlichen Verfahrens (längerer Aufenthalt im Inland, Täuschung über die wahre Identität, die Staatsangehörigkeit oder die Echtheit der Dokumente) eingesetzt zu werden. Diese Bestimmung erscheint aus zwei Gründen verfassungsrechtlich problematisch. Zum einen ist sie aus rechtsstaatlichen Überlegungen abzulehnen (Arg. „Effektivität des Rechtsschutzes“). Zum Anderen ist ihre Verfassungskonformität mit Blick auf Art. 11 Abs. 2 B-VG in Frage zu stellen, zumal die Unerlässlichkeit dieser - von § 64 AVG abweichenden - Regelung nicht zu ersehen ist.
Wenn sich ein Asylwerber vor Antragstellung länger im Inland aufgehalten hat, ist dies nicht automatisch eine Begründung für das Aberkennen der aufschiebenden Wirkung. Gerade unbegleitete Minderjährige wissen beispielsweise oft nicht, dass sie einen Asylantrag stellen können oder werden daran von Dritten gehindert. Sie können daher oft für längere Zeit in der Illegalität leben, bevor sie mit Behörden in Kontakt kommen.
Der Zeitraum von drei Monaten ist zu kurz, da beispielsweise ein Krankenhausaufenthalt durchaus einer Antragstellung auf Gewährung von Asyl entgegenstehen könnte. Ein Zeitraum von sechs Monaten wäre somit anzustreben.
Es fehlen weiters in den Erläuterungen nachvollziehbare Gründe für die Sonderbestimmungen zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung gegen eine abweisende Entscheidung.
Zu § 39 AsylG
2005:
Die Aufnahme einer Liste sicherer Herkunftsstaaten in das Gesetz erscheint nicht sinnvoll, zumal bei jedem Beitritt eines neuen Mitgliedes zur Europäischen Union eine Gesetzesänderung erfolgen müsste. Es wird daher angeregt, die Liste der sicheren Herkunftsstaaten im Wege einer Verordnung der Bundesregierung festzulegen, da diese flexibel auf Änderungen reagieren kann.
Zu § 45 AsylG
2005:
Das Bundesasylamt kann verfügen, dass eine Vorführung unterbleibt, wenn in der Erstaufnahmestelle aus unvorhersehbaren Gründen die Versorgung nicht möglich ist. Es ist zu erwarten und auch den Erläuterungen, insbes. zu Art. 3 (Bundesbetreuungsgesetz) zu entnehmen, dass diese Bestimmung bei Kapazitätsengpässen in der Erstaufnahmestelle angewendet wird. Der Bund entzieht sich bei Anwendung dieser Bestimmung seiner Funktion als quotenmäßig zuweisende Stelle für Asylwerber (lt. Art. 3 Abs. 2 Z. 1 der Grundversorgungsvereinbarung). Da erfahrungsgemäß viele Asylwerber in Wien Verwandte/Bekannte haben und überdies Wien als Metropole und Hauptstadt ein besonderer Anziehungspunkt für Asylsuchende ist, ist zu befürchten, dass Wien mit neu angekommenen Asylwerbern überdurchschnittlich belastet würde.
Darüber hinaus wird bei AsylwerberInnen, die nicht der Erstaufnahmestelle vorgeführt werden, die vorgesehene, wenn auch nicht verpflichtende, medizinische Untersuchung, insbesondere die Tbc-Untersuchung, nicht durchgeführt. Es entsteht für die Stadt Wien ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko durch diese neu angekommenen, nicht untersuchten Asylwerber. Das bei Einführung des AsylG 2003 seitens des Bundesministeriums für Inneres als bahnbrechende Neuerung präsentierte Konzept der Erstaufnahmestelle mit der „technisch-medizinischen“ Straße, wo alle notwendigen Schritte optimal abgestimmt und zeitsparend durchgeführt werden, wird durch § 45 Abs. 1 stark relativiert. Weiters entzieht sich der Bund auch seiner Aufgabe gemäß Art. 3 Abs. 4 der Grundversorgungsvereinbarung – Schaffung von Vorsorgekapazitäten für die Bewältigung von Unterbringungsengpässen in den Ländern. Die Bestimmung wird daher abgelehnt.
Zu § 52 Abs. 2
AsylG 2005:
Hinsichtlich der Aufenthaltsberechtigungskarte fehlt ein Hinweis, für welches Gebiet die Aufenthaltsberechtigung gilt. Ausgehend von einem rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet ab Zulassung zum Asylverfahren sollte Absatz 2 lauten: „Die Aufenthaltsberechtigungskarte dient dem Nachweis der Identität und der Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes im Bundesgebiet“.
Zu § 56 Abs. 11
AsylG 2005:
Die Übermittlung personenbezogener Daten eines Fremden an das Herkunftsland könnte bei Ablehnung des Asylantrages und Rückkehr des Fremden in sein Heimatland für diesen negative Auswirkungen haben und ist daher abzulehnen.
Zu § 58 AsylG
2005:
Diese Bestimmung sollte dahingehend ergänzt werden, dass der Bundesminister für Inneres vor Erlassung der Verordnung zur Einrichtung von weiteren Erstaufnahmestellen das Einvernehmen mit den Bundesländern herzustellen hat.
Zu § 63 AsylG
2005:
Rechtsberater sind ausdrücklich nur in den Erstaufnahmestellen vorgesehen. Nach § 45 Abs. 1 kann das Bundesasylamt entscheiden, dass manche Zulassungsverfahren nicht in einer Erstaufnahmestelle durchgeführt werden. Den betroffenen Asylwerbern wird dadurch die Möglichkeit der unentgeltlichen Rechtsberatung entzogen, was eine unsachliche Differenzierung darstellt.
Zu Art 2:
In allgemeiner
Hinsicht:
Der Entwurf sieht eine Reihe von restriktiven Bestimmungen vor, welche die Befugnisse der Sicherheitsbehörden erweitern, führt die Möglichkeit der zeitlich unbeschränkten Dauer der Schubhaft, die Möglichkeit der Zwangsuntersuchung, Zwangsernährung und Zwangsbehandlung von Schubhäftlingen (im Sinne von § 69 Strafvollzugsgesetz) ein und sieht eine massive Verschärfung der Strafbestimmungen bei Vorliegen einer sog. „Scheinehe“ oder „Scheinadoption“ vor. Viele der Bestimmungen berühren oder widersprechen verfassungs- und menschenrechtlichen Grundsätzen, die demgegenüber aber jedenfalls berücksichtigt werden müssen.
Zu den einzelnen
Bestimmungen:
Zu § 9 FPG 2005:
Die im Abs. 2 und 3 enthaltenen Ausschlüsse von ordentlichen Rechtsmitteln werden zu einem Ansteigen der Beschwerden bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts führen.
Zu § 11 FPG 2005:
Die vorliegende Regelung bringt unter dem Mantel der Verfahrensökonomie eine wesentliche Einschränkung der Parteienrechte mit sich. So ist der in Abs. 1 verwendete Begriff der „freien Überzeugung“, nach der die Vertretungsbehörde beurteilen kann, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht, dem Rechtstaatsprinzip fremd. Auch die mündliche Verkündung der „Entscheidung“ ist im Hinblick darauf, dass nur ein geringer Teil der AntragstellerInnen der deutschen Sprache und ein noch geringerer Teil der „Behördensprache“ mächtig ist, abzulehnen.
Auf Grund der zwingenden Notwendigkeit, mündlich verkündete Bescheide schriftlich zu dokumentieren, ist auch der Vorteil der Verwaltungsvereinfachung nicht gegeben. Offenbar soll die mündlich verkündete Entscheidung eine erste Hürde für rechts- und behördenunkundige Antragsteller darstellen.
Zu § 12 FPG 2005:
Diese Bestimmung normiert, dass minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben handlungsfähig sind. Eine Herabsetzung der Handlungsfähigkeit auf das 14. Lebensjahr ist insofern bedenklich, als einem 14-jährigen die Konsequenzen seiner Handlungen als auch das Ausmaß des fremdenrechtlichen Verfahrens noch nicht bewusst sein können.
Es wird daher eine analoge Regelung zu den Bestimmungen des § 16 AsylG 2005 gefordert.
Weiters ist die in § 12 Abs. 4 vorgesehene Klärung des Alters des Fremden durch ein amtsärztliches Gutachten insofern schwierig, als eine solche Abschätzung des Alters vor allem bei Jugendlichen äußerst kompliziert und ungenau ist und es in sehr vielen Fällen zu Abweichungen von einem bis fünf Jahren kommt.
Zu § 23 FPG 2005:
Die in Abs. 1 enthaltene Verordnungsermächtigung enthält eine formalgesetzliche Delegation und ist sohin im Hinblick auf das Determinierungsgebot des Art. 18 B-VG verfassungsrechtlich bedenklich. Wie bereits anlässlich der Stellungnahme zur Fremdengesetznovelle 2002 festgehalten wurde, wird des weiteren der volksgesundheitliche Wert dieser Bestimmung bezweifelt, zumal Personen, die keiner Visapflicht unterliegen, nicht erfasst werden.
Zu §§ 31, 32 FPG
2005:
In den §§ 31, 32 FPG zur Rechtmäßigkeit des Aufenthalts findet sich kein Passus mehr, der normiert, dass bei rechtzeitigem Verlängerungsantrag ebenfalls Rechtmäßigkeit des Aufenthalts gegeben ist. Dies war eine wesentliche Änderung im Integrationspaket 1997 und sollte weiterbestehen.
Zu § 40 FPG 2005:
Die Bestimmung sieht keinerlei Unterscheidung zwischen Minderjährigen und Erwachsenen bei der Festnahme vor und bedarf somit einer Abänderung bzw. Differenzierung.
Zu §§ 58, 64 FPG
2005:
Bei Fremden mit Niederlassungsbewilligung, die bereits 10 Jahre ein ununterbrochenes legales Aufenthaltsrecht in Österreich haben, werden in § 58 Abs. 3 die Gründe für ein Verbot der Ausweisung, die mit der Reform 1997 eingeführt wurden, wieder enger gezogen. So ist die Ausweisung auch bei der Beihilfe zu unbefugtem Aufenthalt, Eingehen oder Vermittlung von Scheinehen zulässig.
Nach § 64 Z 3 greift der Schutz vor der Verhängung eines Aufenthaltsverbots bereits bei einer einjährigen statt wie bisher einer zweijährigen Freiheitsstrafe nicht mehr.
Auch die absolute Aufenthaltsverfestigung für Personen der 2. und 3. Generation - ein zentrales Element des Integrationspakets 1997 - soll es nicht mehr geben; bei einer mindestens zweijährigen unbedingten Haftstrafe oder bei Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation oder terroristischen Vereinigung, welche die innere oder äußere Sicherheit Österreichs gefährden könnte, droht ein Aufenthaltsverbot, selbst wenn der Fremde vor dem dritten Lebensjahr langjährig in Österreich niedergelassen war.
Diese Verschlechterungen sind aus integrationspolitischen Gründen abzulehnen.
Zu § 63 FPG 2005:
Wenn das Aufenthaltsverbot gegen einen Fremden erlassen werden soll, der eine unbedingte Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten zu verbüßen hat, so könnte im Falle einer Verurteilung eines uneinsichtigen Tuberkulosekranken nach § 178 StGB, ein an offener Tuberkulose Erkrankter mit möglicherweise multiresistenter Tuberkulose, abgeschoben werden. Eine derartige Abschiebung wird üblicherweise mit öffentlichen Verkehrsmittel (Flugzeug) durchgeführt und würde zu einer Gefährdung der Gesundheit anderer Passagiere führen. Die Abschiebung eines nach § 178 StGB Verurteilten sollte während der Verbüßung seiner Haftstrafe aus diesem Grund solange aufgeschoben und dieser behandelt werden, bis keine Ansteckungsgefahr mehr für andere Personen gegeben ist.
Zu § 68 FPG 2005:
Durch die Formulierung „...insbesondere...“ wird die Möglichkeit des Entzugs des Aufenthaltsrechtes aus unbestimmten Gründen in das Ermessen der Behörde gestellt. Dies erscheint für eine für den Asylsuchenden so wichtige Bestimmung zu unpräzise. Die selben Bedenken gelten für § 63 Abs. 2.
Zu §§ 79, 83, 85
FPG 2005:
Die Möglichkeit, eine zeitlich unbegrenzte Schubhaft auf dem Gebiet des Asylrechts vorzusehen, erscheint insgesamt verfassungsrechtlich höchst bedenklich, da sie einen massiven Eingriff in die verfassungsmäßig gewährleisteten Rechte auf Freiheit und Sicherheit darstellt und in Anbetracht anderer Rechtsgebiete und darin geregelter ähnlicher Rechtsinstitute wie z.B. die Untersuchungshaft, gleichheitswidrig ist. Eine dringende Notwendigkeit der Einführung einer zeitlich unbegrenzten Schubhaft ist insbesondere im Hinblick auf die geplante und gewünschte Beschleunigung des Asylverfahrens nicht ersichtlich. Weiters sind jene Fälle, in denen eine unbegrenzte Dauer zulässig ist, nicht geeignet, einen solch intensiven Eingriff zu rechtfertigen. Besonders ungeeignet, da von AsylwerberInnen nicht beeinflussbar bzw. gewollt, erscheint § 83 Abs. 4 Z. 2 („weil die für die Ein- und Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt“).
Die Dauer der Schubhaft ist durch die Europäische Menschenrechtskonvention und das Bundesverfassungsgesetz vom 29. November 1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit (PerFrG) begrenzt. Allerdings gibt es keine starre Grenze. Die Dauer des Ausweisungsverfahrens darf nicht exzessiv sein (EGMR 15.11.1996, Chahal gegen Großbritannien, Z 113). Aus Sicht des BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrG) erscheint eine zeitlich unbegrenzte Dauer aufgrund des besonders wichtigen Rechtsguts der Freiheit der Person sowie bei Asylwerbern aufgrund der Erfordernisse für ein faires Asylverfahren nicht denkbar. Daran vermag die sechswöchige automatische Prüfungspflicht durch den Unabhängigen Verwaltungssenates (UVS) nichts zu ändern.
Die Schubhaft kann bei Asylwerbern im Unterschied zu anderen Fremden ohne zusätzliche Gründe über zwei Monate hinaus aufrecht erhalten werden. Dafür gibt es keine sachliche Rechtfertigung, weshalb diese Ungleichbehandlung neben der asylrechtlichen Schutzproblematik auch aus verfassungsrechtlicher Sicht unzulässig ist.
Die Bestimmung des § 79 Abs. 2. Z 4 sieht vor, dass die örtlich zuständige Sicherheitsbehörde über den Asylwerber die Schubhaft verhängen kann, wenn anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen wird.
Mit dieser Regelung
nimmt der Gesetzgeber aber in Kauf, dass jährlich hunderte
AsylwerberInnen in Schubhaft genommen werden, wenngleich sie nachträglich in
Österreich zum Asylverfahren zugelassen werden, da in vielen Fällen keine
Zustimmung zur Übernahme durch den Mitgliedsstaat erfolgt.
Gerade aber für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ist eine Ermittlung der Zuständigkeit sehr komplex, da auch Aufenthaltsorte von Angehörigen berücksichtigt werden müssen.
Das Fremdenpolizeigesetz definiert weitere Gründe, die künftig zur Verhängung von Schubhaft führen können – auch davon sind Minderjährige nicht ausgenommen. Schubhaft soll künftig grundsätzlich ohne Einschränkungen der zeitlichen Dauer möglich sein und wird durch einen Verweis auf § 69 des Strafvollzuggesetzes auch die Zwangsuntersuchung, Zwangsbehandlung und Zwangsernährung von Schubhäftlingen möglich – auch davon sind Minderjährige nicht ausgeschlossen.
Im Bereich der Schubhaftdauer und -bedingungen ist insgesamt eine gravierende Schlechterstellung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Vergleich zum geltenden Gesetz vorgesehen, die keinesfalls zu akzeptieren ist.
Die Anordnung von Schubhaft ist unverhältnismäßig und widerspricht selbst der vom Bundesministerium für Inneres vertretenen Zielsetzung, die Schubhaft bei Minderjährigen nur als letztes Mittel anwenden zu wollen.
Nach § 83 Abs. 6 kommt dem UVS die Aufgabe zu, das Bundesasylamt – aber auch den Unabhängigen Bundesasylsenat (UBAS) – hinsichtlich der Schubhaftdauer zu überprüfen. Nach Art 129a und 129c B-VG ist sowohl der UVS als auch der UBAS ein Tribunal auf verfassungsrechtlich gleicher Stufe, die ausschließlich durch die Gerichte des öffentlichen Rechtes nachprüfend kontrolliert werden dürfen. Die Überprüfung des UBAS durch den UVS ist daher als verfassungswidrig abzulehnen.
§ 79 Abs. 2 und § 83 Abs. 6 des Entwurfs lassen eine beträchtliche Zunahme der Schubhaftverfahren beim UVS Wien erwarten.
Im Jahr 2004 hatte der UVS Wien 101 Schubhaftverfahren zu erledigen. Durch die Ausweitung der Schubhaftgründe (auf Grund des Asylgesetzes) sowie auf Grund der periodischen Überprüfung der über sechs Monate dauernden Anhaltungen in Schubhaft könnte es zu einer Zunahme der Schubhaftfälle um bis zu 200 % kommen. Schubhaftverfahren sind grundsätzlich binnen der Frist von einer Woche zu entscheiden und daher sehr arbeitsintensiv.
Dazu kommt, dass der UVS Wien bei der auf Grund asylrechtlicher Bestimmungen verhängten Schubhaft (§ 79 Abs. 2 des Entwurfes) vermutlich das Vorliegen der asylrechtlichen Grundlagen (unter Umständen auch die Zügigkeit der Verfahren vor dem UBAS!) zu prüfen haben wird, weswegen auch der Asylakt eingeholt werden müsste. Dies könnte wiederum das zu Grunde liegende Asylverfahren verlängern.
Es wird darauf hingewiesen, dass die Kosten für die in § 79 Abs. 2 vorgesehenen zusätzlichen Schubhaftmöglichkeiten für Asylwerbern nicht im Rahmen der Grundversorgungsvereinbarung den Ländern verrechnet werden dürfen.
Zu § 90 FPG 2005:
Aus § 2 Abs. 4 Z 1, 10 und 13 ergibt sich, dass der Begriff der "begünstigten Drittstaatsangehörigen" Verwandte von Österreichern nicht umfasst, sondern auf Verwandte von anderen EWR-Bürgern und Schweizer Bürgern beschränkt ist.
Für Angehörige von Österreichern trifft § 90 eigene Bestimmungen. Diese Norm zieht den Kreis der Erfassten allerdings enger: Während in § 2 Abs. 4 Z 13 als begünstigte Drittstaatsangehörige neben Ehegatten und bestimmte Verwandte in aufsteigender Linie "eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt gewährt wird" normiert werden, berücksichtigt § 90 neben Ehegatten und bestimmten Verwandte in aufsteigender Linie nur „eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten von österreichischen Staatsbürgern in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt gewährt wird.“
Die Materialien verzichten auf erläuternde Bemerkungen zu § 90, weshalb eine sachliche Rechtfertigung hiefür nicht ersehen werden kann.
§ 90 letzter Satz erklärt bestimmte Regeln für begünstigte Drittstaatsangehörige von EWR-Bürgern und Schweizern auch für Angehörige von Österreichern für anwendbar: Dies betrifft § 88 Abs. 2 (Befreiung von Stempelgebühren und Verwaltungsabgaben) und § 89 (eingeschränkte Zulässigkeit von Aufenthaltsverboten, Ausweisungen, Zurückweisungen und bestimmter Sicherungsmaßnahmen; etc.). Die voneinander abweichenden Begriffsdefinitionen des § 2 Abs. 4 Z 13 und des § 90 führen allerdings dazu, dass ein kleinerer Kreis von Angehörigen von Österreichern als jener von Angehörigen von EWR-Bürgern in den Genuss dieser vorteilhaften Bestimmungen kommt.
Weiters gelten - da § 90 auf sie nicht verweist - bestimmte vorteilhafte Normen ausschließlich für Angehörige von anderen EWR-Bürgern u. Schweizern, also nicht für Angehörige von Österreichern: § 88 Abs. 1 iVm § 30 Abs. 2 (Niederlassungsfreiheit und damit Anspruch auf Erteilung eines Visums), § 9 Abs. 4 (Berufungsmöglichkeit gegen Entscheidungen im Zusammenhang mit Anträgen auf Erteilung von Einreisetiteln, vgl. auch § 9 Abs. 3) sowie § 11 Abs. 4, vgl. auch Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 6 (schriftliche Ausfertigung von Entscheidungen von Vertretungsbehörden, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung tragen, inhaltliche Standards, Begründungspflichten, ...).
Für die im Entwurf vorgesehenen ausdrücklichen Ungleichbehandlungen sind keine sachlichen Gründe zu erkennen. Die betreffenden Bestimmungen des FPG - Entwurfes verstoßen daher gegen Art. 8 iVm Art 14 § 8 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. 1958/210 (EMRK), gegen das BVG betreffend das Verbot rassischer Diskriminierung (BGBl. 390/1973) bzw. gegen den Gleichheitssatz und sind damit verfassungswidrig.
Zu § 105 FPG 2005:
Um die missbräuchliche Verwendung von Sozialleistungen hintanzuhalten, wäre es wünschenswert, Übermittlungen auch an Organe der Gebietskörperschaften, die Angelegenheiten der öffentlichen Wohlfahrt besorgen, vorzusehen.
Zu § 112 FPG 2005:
Eine derart allgemein formulierte Mitteilungspflicht der Behörde bei Verdacht auf Vorliegen einer Scheinehe oder Scheinadoption an die zuständige Sicherheitsbehörde muss in der Praxis als sehr problematisch bezeichnet werden. Abgesehen von den Einzelfällen, in denen eine solche Absicht von den beteiligten Personen eindeutig geäußert wird, ist ein derartiger Verdacht von der Behörde kaum belegbar und wäre lediglich auf eine subjektive Einschätzung der amtshandelnden Personen zurückzuführen.
Gemäß § 8 EMRK ist das Familienleben im Rahmen der Gesetze frei gestaltbar. Mangels Angabe konkreter objektiver Tatbestandsmerkmale, die einen begründeten Verdacht rechtfertigen und eine Mitteilungspflicht der Behörde auslösen können, erscheint eine nicht diskriminierende, transparente und überprüfbare Vollziehung dieser Bestimmung kaum möglich.
Darüber hinaus ist die gesetzliche Verpflichtung der Behörde in hohem Maße unbestimmt und entspricht nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 18 B-VG. Es ist beispielsweise nicht geregelt, auf welche Art, in welcher Form und innerhalb welcher Frist die Mitteilung an die Sicherheitsbehörden zu erfolgen hat. Insbesondere wird auch nicht dargelegt, welche Konsequenzen eine Mitteilung bzw. Nichtmitteilung im Sinne des § 112 FPG für eine Entscheidung oder Amtshandlung der Behörde hätte. Ein begründeter Verdacht auf Scheinehe oder Scheinadoption führt zwar zu einer (nachträglichen) Mitteilungspflicht der Behörde, kann jedoch nicht allein einen Grund für die Verweigerung der Amtshandlung der Eheschließung oder Beurkundung der Adoption darstellen. Abgesehen von dem Fall einer Mitteilung gemäß § 114 Abs. 2 FPG kann somit eine Eheschließung auch bei Vorliegen eines Verdachtes vom Standesbeamten nicht verweigert werden.
In diesem Zusammenhang ist auch nicht eindeutig und wäre sohin vom Gesetzgeber dringend klarzustellen, ob bereits der Versuch des Eingehens einer Scheinehe strafbar sein kann. Bei gerichtlich strafbaren Handlungen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass auch der Versuch strafbar ist, es sei denn, dieser wäre eindeutig ausgenommen. Nach dem Wortlaut und den darauf bezugnehmenden Erläuterungen ist die Strafbarkeit des Versuches nicht mitumfasst, da nach dem Wortsinn nur nach erfolgter Eheschließung von einer Scheinehe gesprochen werden kann. Eine andere Auslegung würde zu der Konsequenz führen, dass der Standesbeamte die Eheschließung bei Verdacht zu verweigern und zu verhindern hätte, um sich nicht dem Vorwurf der Beihilfe zu einer strafbaren Handlung – dem Eingehen und Vermitteln von Scheinehen – auszusetzen.
§ 114 FPG 2005 in
Verbindung mit § 43 Abs. 3 PStG:
Die Anfrage des Standesbeamten an die zuständige Sicherheitsbehörde nach dem Vorliegen von Umständen gemäß § 114 Fremdenpolizeigesetz bezieht sich nach dem Wortlaut auf beide Verlobte, das bedeutet auch auf den beteiligten österreichischen Staatsbürger. Für den Fall, dass gegen den österreichischen Verlobten Ermittlungen im Sinne des § 114 Abs. Abs. 1 Z 2 FPG geführt werden (ein Aufenthaltsverbot kommt nicht in Betracht), hat die Trauung zu unterbleiben. Die in § 114 Abs. 1 Z 2 genannten Tatbestände stehen jedoch in keinem offensichtlichen Zusammenhang mit der nunmehr beabsichtigten Eheschließung der betroffenen Personen. Es wird insbesondere nicht versucht, den Willen und die Absicht der Verlobten im konkreten Anlassfall zu ermitteln, sondern die Ablehnung der Trauung soll ausschließlich auf bestimmte Tatbestände, die das Vorleben der Verlobten betreffen, gestützt werden.
Dies kommt einem generellen Eheverbot gleich und erscheint im Hinblick auf Art 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat und Familienlebens) und 12 EMRK (Recht auf Eheschließung) bedenklich. Die Ausübung des in Art 12 EMRK festgelegten Rechtes auf Eheschließung hat zwar im Rahmen der gesetzlichen Regelungen zu erfolgen, gleichzeitig muss gemäß Art 14 EMRK der Genuss der in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten ohne Unterschied des Geschlechts, der Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Anschauungen, nationaler oder sozialer Herkunft, Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt oder des sonstigen Status gewährleistet werden. Dies ist insoweit fraglich, als bestimmte Tatbestände – wie Ermittlungen wegen strafbarer Handlungen nach dem FPG 2005 - bei der beabsichtigten Eheschließung von österreichischen Verlobten (EWR –Staatsbürgern) keine Konsequenzen haben, während dieselben Ermittlungen bei Verlobten, von denen wenigstens einer Drittstaatsangehöriger ist, ein (vorläufiges) Ehehindernis darstellen.
Im Hinblick darauf, dass es in der österreichischen Rechtsordnung, im Einklang mit den Menschenrechten, ein Eheverbot selbst für straffällig gewordene (auch für zu lebenslanger Haft verurteilte) Personen nicht gibt, ist es nicht nachvollziehbar, dass ein solches Verbot für Drittstaatsangehörige eingeführt wird. Diese gleichheitswidrigen Bestimmungen wirken sich diskriminierend aus und nicht zwar nur auf Drittstaatsangehörige, sondern genauso auf österreichische Staatsbürger und Staatsbürgerinnen. Zur Verdeutlichung der Absurdität dieser Regelungen muss auf die Möglichkeit hingewiesen werden, dass dadurch unter Umständen einer österreichischen werdenden Mutter verboten werden könnte, den Vater ihres Kindes zu ehelichen.
Gemäß § 114 Abs. 1 und 2 FPG 2005 liegt ein Ehehindernis überdies nur vor, solange das Aufenthaltsverbot noch besteht beziehungsweise die Ermittlungen der Behörden noch nicht abgeschlossen sind. Eine allfällige Verurteilung wegen einer strafbaren Handlung nach dem FPG 2005 kann nach den gegenständlichen Bestimmungen kein Ehehindernis mehr darstellen. Ist die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes nach erfolgter Verurteilung nicht möglich, führt das Ergebnis der Ermittlungen zu keinen Konsequenzen für die Ehe und die Eheschließung wird durch eine Mitteilung gemäß § 114 Abs. 2 FPG 2005 lediglich verzögert.
Eine Anfrage hat nach dem Entwurf zu unterbleiben, wenn beide Drittstaatsangehörige ausschließlich als Reisende in Österreich aufhältig sind.
Die beabsichtigte Eheschließung eines Auslandsösterreichers, der unter Umständen niemals seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hatte und eines Drittstaatsangehörigen ist somit von der Ausnahmeregelung nicht umfasst und würde eine Anfrage der Behörde erfordern. Dies erscheint insofern nicht gerechtfertigt, als der Auslandsösterreicher in diesem Fall ebenso als Reisender anzusehen ist und die Eheschließung in vielen Fällen aus persönlichen Erwägungen in der ehemaligen Heimat erfolgen soll, jedoch eine Niederlassung bzw. Erlangung eines Aufenthaltstitels nicht beabsichtigt ist.
Der Standesbeamte hat die Trauung wegen Nichtvorliegens der Ehefähigkeit abzulehnen, wenn innerhalb von 10 Werktagen eine Mitteilung gemäß § 114 Abs. 2 FPG einlangt. Es ist nicht eindeutig, worin das fristenauslösende Ereignis besteht. Soll das Einlangen einer postalischen schriftlichen Anfrage bei den Sicherheitsbehörden den Fristenlauf begründen? Für den Standesbeamten wäre in diesem Fall nicht ersichtlich, wann die Mitteilungsfrist von 10 Werktagen endet und damit ein allfälliges Ehehindernis nicht mehr besteht.
Die Fristen im § 43 Abs. 3 PStG und § 114 Abs. 2 FPG widersprechen sich insofern, als in der ersten Bestimmung von 10 Werktagen und in der korrespondierenden Regelung im FPG von 10 Tagen die Rede ist. Eine Klarstellung ist hier erforderlich, wobei von einer Fristberechnung gemäß §§ 32 f. des AVG i.d.g.F. auszugehen ist.
Problematisch erscheint auch der Fall einer aus welchen Gründen auch immer verspätet beim Standesamt eingelangten Mitteilung gemäß § 114 Abs. 2 FPG. Nach Ablauf der Frist besteht (trotz offener Anfrage) für den Standesbeamten keine Möglichkeit mehr, die Trauung abzulehnen und kann bei Einlangen der genannten Mitteilung nach einer Trauung nur mehr eine entsprechende Verständigung an die Sicherheitsbehörden erfolgen. Eine noch nicht vollzogene Trauung wird wohl auch bei Einlangen der Mitteilung gemäß § 114 Abs. 2 FPG nach Ablauf der Frist zu verweigern sein. Aus Gründen der Rechtssicherheit wird hier um Klarstellung ersucht.
Die in § 114 Abs. 2 FPG 2005 vorgesehene Mitteilung der Sicherheitsbehörden an das Standesamt sollte jedenfalls den konkreten Tatbestand des § 114 Abs. 1 FPG enthalten, der das Ehehindernis darstellt. Andernfalls ist eine hinreichende Begründung der Ablehnung der Vornahme der Trauung durch den Standesbeamten nicht möglich und kann die Erledigung in Bescheidform nicht mit der gesetzlich geforderten Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit in der Begründung erfolgen.
Zu § 119 FPG:
Die Strafbarkeit der Erleichterung des unbefugten Aufenthaltes für den Fall, dass keine Entgeltlichkeit bzw. kein Bereicherungsvorsatz bestand, erscheint unverhältnismäßig. Die Strafbarkeit ist daher auf den Bereicherungsvorsatz zu beschränken.
Zu § 120 FPG:
Dieser Straftatbestand wird grundsätzlich begrüßt; er sollte aber bestimmter gefasst werden.
Ausdrücklich sollte auch die entgeltliche Vermietung von Schlafmöglichkeiten in Unterkünften zu weit überhöhtem Entgelt erfasst sein. Derzeit fällt eine sogenannte „Bettenvermietung“ weder in den Geltungsbereich des Mietrechtsgesetzes noch in den Geltungsbereich der Gewerbeordnung oder der landesgesetzlichen Regelungen über die Privatzimmervermietung, sofern keine „Betreuung“ durch die Unterkunftgeber (Ausgabe von Bettwäsche, Reinigungsdienst u.s.w.) vorliegt. Bekanntermaßen machen sich diesen gesetzlichen Freiraum dubiose Geschäftemacher zu Nutze, um ohne großen Aufwand in sogenannten „Massenquartieren“ die besondere Situation v.a. auch von Asylwerber auszunützen. Es ist keine Seltenheit, dass dabei für die Benützung eines Bettes in baufälligen Gebäuden mit sehr schlechten sanitären Einrichtungen 100-300 Euro pro Monat verlangt werden. Die Möglichkeit des Zugriffes auf derartige Ausbeuter sollte selbstverständlich sein.
Weiters wird die Aufnahme einer Strafbestimmung für Unternehmer angeregt, die in ihrem Unternehmen Schwarzarbeiter beschäftigen.
§ 121 FPG:
Die Formulierung „oder wissen musste“ wird strikt abgelehnt, da dies zu einer Bestrafung der Opfer einer Scheinehe, die schon nach dem Wortlaut der Bestimmung nicht wussten, dass der Partner keine echte Ehe führen will, führt.
Insgesamt sollte die Schaffung neuer justizieller Straftatbestände in §§ 118, 119, 120, 121und 122 FPG nicht im Fremdenpolizeigesetz sondern im Strafrecht und Strafprozessrecht erfolgen.
Zu Art. 3:
Zu den einzelnen
Bestimmungen:
Zu § 2:
Die Wortfolge „...die Aufrechterhaltung der Ordnung durch grobe Verstöße gegen die Hausordnung der Betreuungseinrichtungen fortgesetzt oder nachhaltig gefährden ...“ in § 2 Abs. 4 Z. 1 unterscheidet sich von der vorhergehenden Fassung. Dort hieß es „... fortgesetzt und nachhaltig...“. Laut den Erläuterungen ist jedoch keine inhaltliche Änderung beabsichtigt. Die Wortfolge soll daher wieder auf „...fortgesetzt und nachhaltig...“ korrigiert werden. Dieser Unterschied ist nicht unbedeutend: Die bisherigen Erfahrungen mit der Erstaufnahmestelle Traiskirchen zeigen, dass dort Entlassungen wegen Verletzung der Hausordnung sehr schnell und häufig durchgeführt werden; lockert man nun die gesetzlichen Rahmenbedingungen für solche Entlassungen, so ist mit einem weiteren Ansteigen der Zahl von aus Traiskirchen entlassenen Asylwerbern in Wien zu rechnen.
§ 2 Abs. 7 des Bundesbetreuungsgesetzes verweist auf die Bestimmungen des § 16 Asylgesetz, sodass in den Verfahren nach dem Bundesbetreuungsgesetz die Vertretung von Minderjährigen durch den Jugendwohlfahrtsträger zu erfolgen hat. Diese zusätzliche Aufgabe führt jedenfalls zu einem Zusatzaufwand.
Zu § 6:
§ 6 Abs. 2 regelt, dass Asylwerbern nach erfolgter Zulassung nur maximal 7 Tage in der Erstaufnahmestelle bleiben können. In den Erläuterungen ist zu lesen, dass mit keiner Übernahme mehr zu rechnen ist, wenn dieser nicht innerhalb von 7 Tagen seitens eines Bundeslandes zugestimmt wurde. Diese Annahme ist unzutreffend: 7 Tage – einschließlich Wochenenden/Feiertagen (!) – sind ein sehr kurzer Zeitraum, denn die Unterbringungskapazitäten der Länder sind begrenzt, und es kann durchaus vorkommen, dass ein Platz, den ein Land gerne anbieten will, erst am 8. oder 9. Tag frei wird. Zudem bedarf es bei der Übernahme von Asylwerbern bestimmter Rücksichten auf die Familiengröße, Nationalität, Religion, etc., weil nicht beliebige Gruppen von Asylwerbern in den Unterkünften gemeinsam untergebracht werden können. Besonders prekär wird die Situation, wenn etwa ein Rollstuhlfahrer untergebracht werden soll, denn behindertengerechte Wohnplätze sind selten akut verfügbar.
Es ist nicht geregelt, was geschieht, wenn sich bis zum 7. Tag kein Bundesland zur Übernahme der Person bereit erklärt hat. Entsprechend der bisherigen Praxis des Bundes ist davon auszugehen, dass in diesem Fall die Asylwerbern kommentarlos oder gar mit einem Zettel mit der Adresse der Wiener und der Niederösterreichischen Landesleitstelle in der Hand entlassen würden. Es ist anzunehmen, dass von den in der Erstaufnahmestelle Traiskirchen solchermaßen entlassenen Personen ein großer Teil nach Wien kommt und hier die Aufnahme in die Grundversorgung beansprucht. In den Erläuterungen zu dieser Bestimmung ist gar zu lesen, dass „es dem Asylwerber unbenommen bleibt, sich direkt an das Land, in dem er sich aufhält, um Gewährung der Sozialhilfe zu wenden.“ Abgesehen davon, dass diese Personengruppe primär Anspruch auf Grundversorgung und zumindest in Wien keinen Anspruch auf Sozialhilfe hat, ist es unrealistisch, dass die Asylwerber aus Traiskirchen sich nur in Niederösterreich um Sozialhilfe bemühen – selbst das wäre aber eine unzulässige Mehrbelastung eines Bundeslandes.
Abs. 2 fördert somit den ungeregelten Neuzuzug von Asylwerbern nach Wien, mit den damit verbundenen finanziellen Auswirkungen. Diese Regelungen wurden mit den Ländern nicht vorbesprochen. Bereits mit der letzten Änderung des Bundesbetreuungsgesetzes, die ohne Begutachtungsverfahren in Kraft trat, stellte der Bund seine Grundversorgungs-Vertragspartner vor vollendete Tatsachen mit der Beschränkung der Zuständigkeit auf AsylwerberInnen im Zulassungsverfahren bzw. bei zurück- oder abweisender Entscheidung und seiner Interpretation, dass daher keine zugelassenen AsylwerberInnen mehr in den Erstaufnahmestellen versorgt werden dürfen und diese daher entlassen werden „mussten“ (Wien hat z.B. unter diesen Voraussetzungen ca. 650 Privatgeher vom Bund in die Grundversorgung Wien übernommen). Diese Personen hätten genauso gut im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung in der Erstaufnahmestelle belassen werden können.
Der Bund entzieht sich vollkommen seiner Koordinationsfunktion laut Art. 3 Abs. 2 Z 1 der Grundversorgungsvereinbarung und ignoriert seine Aufgabe laut Art. 3 Abs. 4 der Grundversorgungsvereinbarung (Schaffung von Vorsorgekapazitäten für die Bewältigung von Unterbringungsengpässen in den Ländern). Die Einhaltung der Grundversorgungsvereinbarung durch den Bund ist somit in Frage gestellt. § 6 Abs. 2 ist daher strikt abzulehnen.
Zu Art 4:
Zu den einzelnen
Bestimmungen:
§ 28 Abs. 2 PStG:
Bemerkt wird, dass die Eintragung des Vaters nach der Totgeburt des Kindes nicht als Anerkenntnis der Vaterschaft anzusehen ist. Unklar ist in welcher Form (etwa mittels Vermerk) die Eintragung zu erfolgen hat, wenn nach Beurkundung die Eintragung des Vaters begehrt wird. Es werden daher in weiterer Folge die Personenstandsverordnung und/oder die Dienstanweisung des Bundesministeriums anzupassen sein.
Die gegenständliche Regelung enthält drei Fälle, in denen ein Vater nach der Totgeburt eines Kindes einzutragen ist, wobei der dritte Fall – „des Mannes, der mit Einverständnis der Mutter die Eintragung als Vater begehrt“ – keine Befristung bzw. keinen Zeithorizont für die Antragstellung vorsieht. Mit Inkrafttreten der Änderungen des Personenstandsgesetzes müsste diese Bestimmung daher auch rückwirkend für in der Vergangenheit liegende Fälle einer Totgeburt gelten, wo der Vater dann mit Einverständnis der Mutter die Eintragung begehren kann.
§ 38 Abs. 1 PStG:
Die Verpflichtung der Personenstandsbehörden Vorgänge, deren Kenntnis für andere Verwaltungsbehörden oder Gerichte zur Wahrnehmung der ihnen gesetzlich übertragenen Aufgaben eine wesentliche Voraussetzung bildet, schriftlich mitzuteilen muss im engen Zusammenhang mit § 112 FPG sowie den Strafbestimmungen der §§ 118 ff FPG gesehen werden. Solche Vorgänge wären etwa eine strafbare Handlung gemäß § 121 FPG (Eingehen und Vermittlung von Scheinehen). Es wird daher auf die Stellungnahme zu § 112 FPG 2005 verwiesen.
§ 43 Abs. 4 PStG:
Die Definition des Reisenden ist insofern nicht ganz eindeutig, als nicht festgelegt ist, ob als „Touristen“ nur Personen mit Reisevisum C und einem 3 Monate nicht übersteigendem Aufenthalt im Bundesgebiet gelten sollen oder beispielsweise auch Personen mit Aufenthaltsvisa D oder Aufenthalts-Reisevisum (Visum D-C) in Betracht kommen, die sich unter Umständen wiederholt, jedoch nicht auf Dauer in Österreich aufhalten und im Bundesgebiet nicht ihren Lebensmittelpunkt haben.
Gleichzeitig werden 25 Ausfertigungen dieser Stellungnahme an das Präsidium des Nationalrates übermittelt. Eine weitere Ausfertigung ergeht an die e-mail Adresse „begutachtungsverfahren@parlament.gv.at“.
Für den Landesamtsdirektor:
Mag.a Sonja Wahrstötter Mag.
Michael Raffler
Senatsrat