Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz
Allgemeiner Teil
Der vorliegende Entwurf enthält nach Ansicht der Verfasser dieser Stellungnahme eine ungeheuer große Zahl an problematischen Bestimmungen. Es ist zu erwarten, daß vielleicht nicht alle, aber doch viele der kritisierten Gesetzesstellen verfassungswidrig und/oder europarechtswidrig sind und damit das Gesetzeswerk in seiner Gesamtheit unanwendbar wird.
Im einzelnen ist zu beanstanden:
Die Umsetzung jener Richtlinien, die für dieses Rechtsgebiet einschlägig sind, ist als mangelhaft einzustufen. Besonders hervorzuheben sind die Richtlinien 2003/86/EG und 2004/38/EG.
Auch verfassungsrechtlich sind einige Defizite festzustellen. Hier ist ganz besonders auf Art 8 EMRK und die Tatsache hinzuweisen, daß richtlinienkonforme Umsetzung nicht gleichzeitig EMRK-konforme Umsetzung bedeutet.
Insgesamt wird daher empfohlen die Systematik
und die Inhalte des NAG, auch im Zusammenhang mit dem FPG, nochmals zu
überdenken.
Besonderer Teil
§ 2 (1) Z.9
Diese Bestimmung der Richtlinie 2003/86/EG betrifft
Ob die Möglichkeit des Mindestalters von 21 Jahren für die Einreise Zwangsehen verhindern kann, soll dahingestellt bleiben, sachlich wäre aber in jedem Fall ein Abstellen auf die Volljährigkeit mit 18 Jahren (unbeschadet der z.T. geringeren Ehefähigkeitaltersgrenzen in Europa) und eine Anwendung auf die Einreise von Ehegatten aus Drittländern – eine Binnenmigration scheint unbedenklich.
Aus den erläuternden Bestimmungen zu dieser Regelung geht hervor, dass der Gesetzgeber von seiner Möglichkeit, welche ihm nach Art 4 (5) der RL 2003/86 geboten wird, Gebrauch zu machen beabsichtigt, damit Zwangsehen verhindert werden können, in dem das Alter des nachziehenden Ehegatten auf das 21. Lebensjahr gehoben wird. Einerseits wird seitens HH die Frage aufgeworfen, ob eine schlichtwege Anhebung des Zuzugsalters des Ehegatten gemessen an der Intensität des Eingriffs verhältnismäßig ist und das verfolgte Ziel durch diese gesetzliche Maßnahme tatsächlich erreicht werden kann.
In der gewählten Formulierung vermag die geplante Bestimmung nicht die Zwangsehen zu verhindern, sondern zwingt den zwangsverheirateten Ehepartner bis zu seinem/ihren 21. Lebensjahr in seiner/ihrer Heimat zu verbleiben. Die Zwangsehe bleibt weiterhin bestehen und wird lediglich nach Erreichen des geforderten Alters in Österreich geführt. Ausgehend von den familiären Strukturen der Länder, in denen die Problematik der Zwangsehen bekannt ist, muß festgestellt werden, dass in der Regel die zwangsverheirateten Ehefrauen sich gegen diesen Umstand mit 21 Jahren genauso wenig wehren können wie mit 16 oder mit 30, und zwar unabhängig vom Aufenthaltsort. Darüber hinaus ist die Annahme, daß Ehegatten von EWR-Bürgern und Österreichern nie zwangsverheiratet sein können, nicht begründet. Dies ist vor allem auf Grund der Vielzahl von eingebürgerten Personen aus den problematischen Ländern lebensfremd.
Da die Erstantragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels persönlich vor den österreichischen Vertretungsbehörden im Ausland erfolgen muß, besitzen die Behörden über ein taugliches Mittel, um allfällige Zwangsehen feststellen zu können, ohne einen Generalverdacht auf alle Eheschließungen ausdehnen zu müssen. Ausgehend von der derzeitigen Rechtslage, dass Ehegattennachzug von Fremden ab dem 18. Lebensjahr möglich ist, wird vorgeschlagen, dass diese Regelung beibehalten werden soll und die Intention der Verhinderung von Zwangsehen durch Interviews mit Antragstellern, die die Ehe als Minderjährige geschlossen haben, vor den Vertretungsbehörden erreicht werden kann.
Wird das Aufenthaltsrecht von Ehegatten und das von Kindern gemeinsam betrachtet, wäre es unter der Annahme, dass mit höherem Alter der Druck zum Eingehen einer Zwangsehe geringer wird oder leichter abgewehrt werden kann, durchaus sinnvoll, die Kindeseigenschaft von im EWR lebenden Fremden analog den Freizügigkeitsregeln der EU auf 21 hinaufzusetzen. Damit fällt der Druck auf nicht im Erwerbsleben stehende Personen weg, sich ggf. mit 18 verehelichen zu müssen, um erneut einen Aufenthaltstitel als Familienangehöriger zu erlangen.
Schließlich muß noch darauf hingewiesen werden, daß zwar die RL 2003/86/EG in ihrem Art 4 Abs 5 den Mitgliedsstaaten die Option eröffnet, auf ein Ehegattenmindestalter abzustellen, der österreichische Gesetzgeber aber darüber hinaus auch an die EMRK gebunden ist, insbesondere an Art 8 EMRK. Hier ein Mindestalter von 21 Jahren für Ehegatten zu fordern stellt eine Verletzung des Rechts auf Familienleben dar.
§ 2 (1) Z.15
Nach vorliegender Formulierung ist nicht geregelt, ob und wie eine Haftungserklärung ihre Rechtsgültigkeit verliert, wenn der Fremde entweder nicht mehr niedergelassen ist oder eine Zweckänderung des Aufenthaltstitels zu einer Art erfolgt, die keine Haftungserklärung verlangt. Sollte es tatsächlich die Intention des Gesetzgebers sein, dass die Haftungserklärung vor der Erfüllung dieser Fünfjahresfrist nicht ungültig werden kann, so ist dies aufgrund der umfassenden Mindestumfangs einer solchen Haftungserklärung abzulehnen. Es sind sehr wohl Sachverhalte denkbar, in denen dem Haftenden später entstehende Kosten (etwa nach einer illegalen Wiedereinreise) nicht mehr zurechenbar sind. Aus diesem Grund sollte im Gesetz genau determinierte Bestimmungen enthalten sein, mit denen das Ende der Rechtsgültigkeit dieser Haftungserklärung geregelt wird, wie etwa mit Ende der Niederlassung des Fremden oder Änderung des Aufenthaltstitel zu einem derartigen, bei dem keine Haftungserklärung gefordert wird.
Hinsichtlich des Verweises auf § 15a B-VG wird
angemerkt, dass der Begutachtungsentwurf offensichtlich auf den Personenkreis
der aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht abschiebbaren Menschen
abstellt. Es scheint unverhältnismäßig zu sein, vom Haftenden unter Umständen
die Vorhersage über die politische Entwicklung in bestimmten Weltgegenden auf
fünf Jahre zu verlangen.
§ 2 (2)
Hinsichtlich dieser Regelung muß angemerkt werden, dass sie nicht ausreichend klar formuliert ist. Es ist den erläuternden Bemerkungen zu dieser Bestimmung zu entnehmen, dass entweder Z.1 und 2 oder aber Z.3 vorliegen müssen. Dies steht in Widerspruch zu den §§ 62-66, in denen Fremden, die eine Erwerbstätigkeit, die länger als die in § 2 (2) Z. 7 und 8 genannten 6 Monate andauern kann, keine Niederlassungs- sondern bloß eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden soll.
§ 2 (5) Z.2
Diese Verschärfung ist überflüssig und sollte ersatzlos gestrichen werden, es wird auf die Ausführungen zu § 32 (2) verwiesen.
§ 2 (5) Z.3
Das Abstellen auf die tatsächliche Unterhaltsleistung ist geeignet, Härtefälle in den Fällen zu verursachen, in denen entweder das Gericht einen Spruch über eine zu geringe Unterhaltsleistung fällt oder der geschiedene Ehepartner temporär nicht in der Lage ist, der Unterhaltspflicht nachzukommen. Zur Vermeidung solcher Härtefälle wird seitens HH vorgeschlagen, dass den Betroffenen eine Möglichkeit zur Überbrückung dieser Notsituation in Form einer einmaligen Erteilung eines Aufenthaltstitels gegeben wird.
§ 3 (3)
Wenn man diese Regelung mit der dort verwiesenen
Regelung des § 21 leg. cit. iVm § 19 (3) leg. cit. zusammen betrachtet, kann in
einzelnen Fällen die Problematik entstehen, dass von den Antragstellern
Dokumente bzw. Nachweise verlangt werden, die in der nationalen Rechtsordnung
der entsprechenden Länder nicht vorgesehen werden. Um solche Fälle aufzulösen
scheint es notwendig zu sein, den Berufsvertretungsbehörden einen
Ermessensspielraum einzuräumen, materiell gleichwertige Nachweise zu
akzeptieren.
§ 3 (4)
Wie zu den §§ 68 und 73 näher ausgeführt wird, liegt die inhaltliche Kompetenz beim Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Kunst. Über derartige Anträge entscheidet sachgerecht also der Bundesminister f. Bildung, Wissenschaft und Kunst im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Inneres.
§ 5 (1)
Dies schließt eine Auslandsantragstellung in der nächstgelegenen Vertretungsbehörde aus. Abhängig von Distanz und Verkehrsverbindungen kann dies zu unnötigen Härtefällen führen, es sollte deshalb der Berufsvertretungsbehörde ein Ermessensspielraum eingeräumt werden.
§ 8 (3)
Hier wird normiert, dass die Aufenthaltsbewilligung
der Kernfamilie gemäß Abs. 1 Z.4 dieser Bestimmung an das Bestehen der
Aufenthaltsbewilligung des Zusammenführenden gebunden. Abs. 1 Z. 4 spricht
allerdings den Aufenthaltstitel gem. § 53 leg. cit. an, in dem das
Aufenthaltsrecht von Familienangehörigen österreichischer Staatsbürger normiert
ist. Es ist bislang unbekannt, unter welchen Bedingungen österreichischer
Staatsbürger eine Aufenthaltsbewilligung besitzen.
Sollte der Begutachtungsentwurf statt dieser denkunmöglichen Rechtslage eher beabsichtigen, auf Abs. 1 Z. 5 derselben Bestimmung zu verweisen, so wird angeregt, dies richtig zu stellen.
§ 8 (4)
Hinsichtlich der Regelung dieser Bestimmung wird ausdrücklich begrüßt, dass eine Zweckänderung der Aufenthaltsbewilligung bzw. Umstieg auf eine Niederlassungsbewilligung vom Inland aus erfolgen kann und dem Antragsteller die Möglichkeit gegeben wird, das Verfahren (teilweise) in Österreich zu führen. Trotzdem kann jedoch nicht außen Acht gelassen werden, dass ein sogenanntes „Bleiberecht“ lediglich bis zur Entscheidung der Behörde erster Instanz gewährt werden soll.
Rechtstaatlich scheint jedoch bedenklich zu sein,
dieses sogenannte „Bleiberecht“ nicht bis zur Rechtskraft der Entscheidung
auszudehnen. Sollte damit das Bedenken zum Ausdruck gebracht werden, dass der
Fremde durch einen rechtsmissbräuchlichen Antrag ein weiteres Aufenthaltsrecht
zu erwerben sucht, kann dem damit entgegengetreten werden, dass gegebenenfalls
der Berufung die aufschiebende Wirkung aberkannt werden kann.
Hinsichtlich des unbestimmten Begriffes „Bleiberecht“ wird angemerkt, dass es keine nähere Gestaltung der Rechtsposition des Betroffenen im Entwurf des NAG oder auch des FPG 2005 gibt. Aus Gründen der Rechtstaatlichkeit sowie der Rechtssicherheit wird empfohlen, z.B. im § 31 FPG 2005 oder an dieser Stelle eine Determinierung der Rechtsposition vorzunehmen. Es scheint auch rechtspolitisch unbedenklich zu sein, diesen Fremden ein Aufenthaltsrecht im Umfang der zuletzt erteilten Aufenthaltsbewilligung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über ihren Antrag auf Zweckänderung zu gewähren. Weiters ist es aus Gründen des Art. 8 EMRK sinnvoll, dieses Recht auch auf die Familienangehörigen auszudehnen.
§10 (1)
Hinsichtlich dieser Bestimmung betreffend das
Wiederaufleben von Aufenthaltstiteln nach der derzeitigen Rechtslage wird
angemerkt, dass der sich rechtskonform verhaltende Fremde, welcher nach
Rechtskraft oder Durchsetzbarkeit der gegen ihn verhängte aufenthaltsbeendenden
Maßnahme das Bundesgebiet verlassen hat, schlechter gestellt ist als derjenige,
der dieser aufenthaltsbeendenden Maßnahme zuwider im Bundesgebiet
niedergelassen bleibt. Während der Zweite die Möglichkeit hat, eine weitere
(daher quotenfreie) Niederlassungsbewilligung zu erhalten, ist der Antrag des
Ersten als Erstantrag auf Niederlassungsbewilligung (quotenpflichtig) zu
bewerten. Um solche Fälle hinkünftig vermeiden zu können wird vorgeschlagen,
eine entsprechende Normierung zugunsten der ersten Personengruppe im § 23 des
Entwurfes vorzusehen.
Weiters wird darauf hingewiesen, dass die Annahme des Ungültigwerdens einer Dokumentation eines Rechts rechtsirrig ist. Anstatt einer deklarativen Aufenthaltsberechtigung im Fall des Erlöschens des Aufenthaltsrechts eine – falsche – konstitutive Dimension zuzumessen, wäre ein Feststellungsbescheid über das Erlöschen des Aufenthaltsrechts die korrekte Vorgangsweise. Es sei auf die Rechtsprechung des VwGH, VwGHE 96/09/0088 vom 25.6.1996 hinsichtlich des Spannungsverhältnisses der Ersichtlichmachung eines gemeinschaftsrechtlich bestehenden Rechtsanspruches innerhalb des österreichischen Verwaltungsverfahrens verwiesen:
Auf dem Boden der dargestellten Rechtslage verbleibt – im Hinblick auf das Fehlen einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage - demnach zu der von der Beschwerdeführerin angestrebten Klärung ob die Voraussetzungen des Assoziationsrechtes im Einzelfall erfüllt sind, nur ein (deklarativer) Feststellungsbescheid als einziges (und letztes) Mittel.
§ 10 (4)
Hierbei kann es sich wohl nur um von österreichischen Behörden ausgestellte, ggf. eigenständige Dokumente nach diesem Bundesgesetz handeln. Ein abgelaufener Reisepaß mit welchen (gleichzeitig abgelaufenen Ersichtlichmachungen des Aufenthaltsrechts) ist wohl der Behörde des Herkunftsstaats abzuliefern.
§ 11 (1) Z.2
Die tiefergehende Integration innerhalb der EU, nach
der Aufenthaltstitel und in logischer Folge auch –verbote innerhalb des
Schengenraums „vergemeinschaftet“ werden, erfordert in dieser Bestimmung das
Abstellen auf einen Vertragsstaat, für den das Schengener
Durchführungsübereinkommen in Kraft gesetzt wurde. Über den Schengen-Raum
hinaus ist weder der Informationsfluß noch die rechtliche Abstimmung gegeben.
§ 11 (1) Z.3
Sollte die Regelung sich tatsächlich auf § 27 FPG beziehen, würde dies bedeuten, dass diese Bestimmung lediglich bei den Fremden zur Anwendung kommt, welche deswegen ausgewiesen wurden, weil ihre Visa ungültig oder gegenstandslos geworden sind und dies zur Ausweisung geführt hat.
Da dies aufgrund der Gesamtsystematik des Fremdenrechtspakets sinnwidrig zu sein scheint, liegt die Annahme nahe, dass mit dieser Bestimmung statt § 27 FPG wohl § 57 FPG gemeint ist. Wird dieser Annahme gefolgt, so hieße dies, dass das Rechtsinstitut der Ausweisung sinngemäß abgeschafft und in ein einjähriges Aufenthaltsverbot umgewandelt wird. Wenn dies tatsächlich beabsichtigt ist, wird vorgeschlagen aus Gründen der Rechtssicherheit nur mehr Aufenthaltsverbote mit der Dauer von einem, fünf, zehn Jahren und unbefristeter Dauer zu normieren.
Darüberhinaus ist diese Bestimmung geeignet, ähnlich
wie bereits in den zuvor zu § 10 (1) gemachten Ausführungen sich rechtskonform
verhaltende Fremde schlechter zu stellen, vor allem wenn man diese Bestimmung
in Zusammenhang mit § 60 FPG setzt. Nachdem gem. Abs. 2 Z. 1 bzw. Abs. 4 Z. 1
dieser Bestimmung ohnehin die zwingende Voraussetzung für die Erteilung eines
Aufenthaltstitels ist, dass der Aufenthalt des Fremden weder die öffentliche
Ordnung oder Sicherheit gefährdet noch der öffentlichen Interessen
widerstreitet, hat die Behörde ohnedies die Möglichkeit zu überprüfen, ob das
Verhalten des Fremden, welches zur Erlassung der Ausweisung geführt hat, so
schwerwiegend ist, dass die Versagung eines Aufenthaltstitels gerechtfertigt
ist.
§ 11 (1) Z. 5
Nach dieser Bestimmung können Fälle entstehen, in denen z.B. ein zur Inlandsantragstellung legitimierter Student aus einem Drittstaat (Japan, USA) sichtvermerksfrei nach Österreich einreist und hier, gegebenenfalls nach Zulassung an einer Universität, den Antrag auf eine Aufenthaltsbewilligung als Studierender stellt, die Bearbeitung dieses Antrags aber länger dauert als die Frist des sichtvermerksfreien Aufenthalts.
Hier würde ohne Verschulden des Fremden ein Aufenthaltstitelversagungsgrund entstehen, der darüber hinaus gegen das Gebot des Art. 18 der Richtlinie 2004/114/EG (Abl. 375/12 vom 23.12.2004) zur Erledigung des Antrags in einer Frist verstößt, die den Antragsteller nicht daran hindert, die entsprechenden Studien zu absolvieren.
§ 11 (1) Z.6
Aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung ist
hinsichtlich dieser Bestimmung zu empfehlen, dass bei nicht rechtskräftigen
Bestrafungen, das anhängige niederlassungs- und aufenthaltsgesetzliche bis zur
Beendigung des fremdenpolizeigesetzlichen Verfahrens aussetzen ist anstatt
einen Versagungsgrund darzustellen. Es ist weder den Antragstellern noch den
Verwaltungsbehörden zumutbar, immer wieder neue Anträge zu stellen bzw. diese
behandeln zu müssen.
§ 11 (4)
Die Formulierung der Z.2, dass „aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass (er)...zu überzeugen versuchen wird...“ erfordert von den Behördenvertretern geradezu hellseherische Fähigkeiten. Diese sBestimmung scheint darüber hinaus dem Determinierungsgebot zu widersprechen, weswegen eine Neuformulierung unerlässlich ist.
§ 11 (5)
Das Abstellen auf die ASVG-Richtsätze ist eine nicht
nachvollziehbare neue Bestimmung, die die regionalen Unterschiede in den
Lebenserhaltungskosten naturgemäß nicht berücksichtigen kann. Diese Bestimmung
ist auch nicht erforderlich, da eine Belastung einer Gebietskörperschaft vom
Unterschreiten der Sozialhilferichtsätze abhängt und nicht vom ASVG. Die
Heranziehung der Sozialhilferichtsätze ist auch Maßstab des Judikatur des VwGH
zur Sicherung des Lebensunterhaltes.
§ 14 (5) Z.3 & 4
Die Forderung nach einem fünfjährigen Besuch einer Pflichtschule in Österreich geht mit der Erfordernis des positiven Abschlusses in Deutsch in der 9. Schulstufe nicht konform – damit wird abhängig vom Zeitpunkt, in dem der Schulbesuch in Österreich beginnt, ein unterschiedliches Anforderungsniveau geschaffen. Dies wirft die Frage auf, ob damit Fremde in vergleichbarer Situation ohne sachliche Rechtfertigung ungleich behandelt werden. Wenn der postive Abschluß in Deutsch der 5. Schulstufe ausreichend wäre (was die Formulierung des Gesetzes zuläßt) sollte der positive Abschluß dieses Niveaus auch als Erfüllung von Modul 2 der Integrationsvereinbarung festgeschrieben werden.
Darüber hinaus fehlt eine Regelung, die den 5-jährigen Besuch einer deutschsprachigen Schule und den positiven Abschluß zumindest der 5. Schulstufe einschließt (BRD, Schweiz, österr. Schulen im Ausland). Auch hier ist im Sinne einer Gleichbehandlung vorzusehen, dass ein 5-jähriger Besuch einer deutschsprachigen Schule zur Erfüllung des Moduls 2 genügt.
§ 14 (5) Z.6
Hier ist anzumerken, daß die Erreichung zumindest der mittleren Reife über das derzeitige Pflichtschulniveau hinausgeht, welches nach SchulpflichtG für österreichische Staatsbürger und bestimmte Gruppen von Fremden als ausrechendes Niveau einer Allgemeinbildung angesehen wird. Wenn die Überzeugung besteht, dass ein höheres allgemeines Bildungsniveau erforderlich ist, steht einer Initiative zur Anhebung der Dauer der Schulpflicht gerade nach der Diskussion über die PISA-Ergebnisse wohl nichts im Wege.
§15 (4)
Die Verpflichtung des Arbeitgebers eines unselbständig Erwerbstätigen, nicht nur die Kosten des Integrationskurses für den betreffenden Arbeitnehmer zu übernehmen, sondern darüber hinaus gleich für die gesamte Familie des Arbeitnehmers, scheint eine versteckte Diskriminierung des Arbeitnehmers mit mehreren Kindern zu sein. Es ist kein nachvollziehbarer Rechtfertigung, darin zu sehen, weshalb der Arbeitgeber die Kurskosten für die Gesamtfamilie übernimmt.
§ 19
Zur Wahrung des Rechtstaatlichkeitsprinzips sollten
die Belehrungen im Sinne der Z. 5 und 7 wohl seitens der Behörde in irgendeiner
Form, sei es auch mit einem Aktenvermerk, in einer Weise festgehalten werden,
die einer nachträglichen gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist. Zwecks
Klarheit sollte in Abs. 7 genau determiniert werden, wie viele Zustellversuche
unter Setzung welcher – zumutbaren -
Fristen notwendig sein müssen, um das Verfahren einzustellen. Unklar
bleibt bei der Formulierung der Bestimmung, ob der Antragsteller auf irgendeine
Weise von dieser Einstellung in Kenntnis gesetzt wird bzw. welcher ordentliche
oder außerordentliche Rechtsmittel gegen diese Einstellung offen stehen.
Die erkennungsdienstliche Behandlung von EWR-Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen widerspricht dem Diskriminierungsverbot des Art 24 (1) der Richtlinie 2004/38/EG, solange österr. Staatsbürger nicht etwa bei der Ausstellung eines Reisepasses ebenfalls erkennungsdienstlich behandelt werden. Anträge der genannten Gruppen können aufgrund europarechtlicher Verpflichtungen also nicht aus diesen Gründen zurückgewiesen werden.
§ 20 (1)
Hinsichtlich der örtlichen Gegebenheiten wird auf die Ausführungen zu § 5 (1) des Entwurfes verwiesen.
§ 20 (4)
Hinsichtlich der Betroffenen der Z.4 wird vorgeschlagen, dass diese im Rahmen der Einschränkungen des Abs. 4 ausgenommen werden. Diese Maßnahme ist in Anbetracht der Sensibilität der betroffenen Gruppe verhältnismäßig und die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit kann wohl nicht angenommen werden.
Die Personengruppe der Z. 6 umfaßt größtenteils
höchstgebildete Spezialisten, welche zur Sicherung des Forschungsstandorts
Österreich substanzielle Beiträge leisten können. Ausgerechnet bei dieser
Personengruppe eine derartige Regelung vorzusehen könnte schwerwiegende
Nachteile für den Standort nach sich ziehen.
§ 22 (4)
Laut den Ausführungen der erläuternden Bemerkungen dieses Entwurfes soll diese Bestimmung ausführen, nach welchen Elternteil sich das Aufenthaltsrecht des Kindes richten soll. Unter den vielen denkmöglichen Fallkonstellationen scheint diejenige am problematischsten zu sein, wenn die Mutter des Kindes Drittstaatsangehörige ohne gültigen Aufenthaltstitel ist, auf ihr Recht zur Pflege und Erziehung verzichtet und sich ins Ausland begibt. Ist in einem derartigen Fall die Mutter nicht auffindbar oder nicht willens, tatsächlich die Erziehung und Pflege des Kindes zu übernehmen, steht sowohl der Vater als auch die Behörde vor dem Problem, dass dieses Kind naturgemäß unabschiebbar ist und es im Rahmen dieser Bestimmung keinen Aufenthaltstitel erhält.
Zur Vermeidung derartiger Härtefälle wird vorgeschlagen, allenfalls nach Anhörung des Amtes für Jugend und Familie die Möglichkeit der Ableitung des Aufenthaltsrechts nach dem Vater zu normieren.
§ 23 (1) und (2)
Begrüßenswert ist die Schaffung einer Bestätigung der Antragstellung im Reisedokument, die einen Rechtsanspruch auf sichtvermerksfreie Wiedereinreise begründet. Es geht jedoch aus der Textierung der Bestimmung noch aus den erläuternden Bemerkungen des Entwurfes hervor, ob diese auf drei Monate gültige Ersichtlichmachung lediglich einmaliger Verwaltungsakt ist oder im Falle einer Verzögerung des Verlängerungsverfahrens eine Verlängerung möglich ist, was wünschenswert wäre.
Wenn man die Abs. 2 und 3 dieser Bestimmung, welche ineinander greifen, zusammen betrachtet, sind mehrere Interpretationen der Intention des Gesetzgebers möglich. Dem ersten Anschein nach wird versucht, den Fremden, welche ihren Verlängerungsantrag nach Ablauf der Gültigkeitsdauer der Bewilligung binnen 6 Monaten stellen, Schutz vor aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zu gewähren. Dies wird dadurch erzielt, dass innerhalb dieser Frist Anträge weiterhin als Verlängerungsanträge gelten.
Stellt jedoch der Fremde seinen Antrag nach Ablauf dieser 6-Monats-Frist, so ist dieser als Erstantrag (wohl iSd § 20 leg. cit.) zu behandeln. Fraglich ist, welche Rechtsfolgen an diese Bewertung geknüpft sind. Nach einer wörtlichen Interpretation hieße dies in letzter Konsequenz Unzulässigkeit der Inlandsantragstellung, das Abwarten des Verfahrens im Ausland und Quotenpflicht. Darüber hinaus ist zu erschließen, dass in solchen Fällen der Aufenthalt des Fremden nicht rechtmäßig ist.
Es wird jedoch zugleich im Abs. 3 normiert, dass
Fremde, die ohne irgendeine zeitliche Abgrenzung nach Ablauf der Bewilligung –
wohl auch unrechtmäßig – in Österreich weiterhin niedergelassen sind, einen
Rechtsanspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels mit dem gleichen
Zweckumfang wie der zuletzt erteilte haben, wenn gegen sie keine
aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zulässig sind. So sinnvoll es ist, ein
Instrumentarium beizubehalten, nach dem einzelne Härtefälle aufgelöst werden
können, die in der Vergangenheit aufgrund nicht vollständig kompatibler
Novellierungen der Rechtsordnung entstanden sind, so wäre es doch
empfehlenswert, Verfahren und Status der Betroffenen auch für diese
Sachverhalte zu entwirren.
§24 (2)
Die hier normierte Regelung, dass das Verfahren der Aufenthaltsbehörde im Fall der Aufhebung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht amtswegig, sondern erst durch einen Antrag des Fremden fortzusetzen ist, scheint rechtspolitisch unstatthaft zu sein. Mit dieser Bestimmung wird dem Fremden, dessen Aufenthalt anscheinend unzulässigerweise beendet wurde auch noch aufgetragen, die Initiative zu ergreifen, um den Rechtsirrtum der Behörde wieder gut zu machen.
§ 26 (1) und (2)
Die Konstruktion, dass das Aufenthaltsrecht des nachgezogenen Familienagehörigen ex lege untergeht, ist mit Art. 16 (3) sowie 18 der Richtlinie 2003/86/EG nicht vereinbar. Die Bestimmung des Art. 16 (3) besagt, dass „die Mitgliedstaaten den Aufenthaltstitel eines Familienagehörigen entziehen oder dessen Verlängerung verweigern können...“. Aus dieser Formulierung, besonders in Verbindung mit Art. 18, in dem die Möglichkeit des Einlegens von Rechtsbehelfen normiert wird, geht hervor, dass ein bescheidmäßiger Abspruch notwendig ist.
Selbst wenn ein Konstrukt gefunden werden sollte, in dem das ex-lege-Untergehen richtlinienkonform gestaltet werden kann, ist nicht ersichtlich, in welchem Stadium des Verfahrens und in welcher Form der Familienangehörige das Vorliegen der Gründe nach Abs. 2 der Behörde bekannt geben kann. Aus Gründen der Verfahrensökonomie, aber auch der Rechtssicherheit der betroffenen wird vorgeschlagen, dass die Familienangehörigen unter Setzung einer zumutbaren Frist rechtzeitig die Möglichkeit bekommen, in einer Stellungnahme das Vorliegen der Voraussetzung glaubhaft zu machen. Sollte dies Frist ungenutzt verstreichen, kann der Aufenthaltstitel tatsächlich von gesetzeswegen untergehen. Macht der Familienangehörige von dieser Möglichkeit allerdings Gebrauch, so ist bescheidmäßig abzusprechen. Mit der vorgeschlagenen Vorgangsweise kann u.a vermieden werden, rechtswissenschaftliche Diskussionen führen zu müssen oder neuartige Verfahren erfinden zu müssen, wie ein ex lege untergegangenes Recht wieder auftauchen kann.
§ 26 (3)
Die Forderung, dass eine Ehescheidung aus
überwiegendem Verschulden des anderen Ehepartners erfolgt sein muß,
widerspricht Art 15 (3) der Richtlinie 2003/86/EG. Da dort bloß auf Scheidung
oder auch nur Trennung abgestellt wird und nicht die Verschuldensfrage
thematisiert wird, ist die im Entwurf vorgeschlagene Regelung überschießend und
widerspricht damit dem Gemeinschaftsrecht. Das Erfordernis der Klärung der
Verschuldensfrage im Scheidungsverfahren würde die Möglichkeit der
einvernehmlichen Ehescheidung für diese Personen ausschließen und im vergleich
zur gegenwärtigen Praxis zu einer dramatischen Mehrbelastung der Zivilgerichte
bis hin zum OGH führen.
§ 27 (4)
Die Beschränkung des Aufenthalts außerhalb des EWR aus besonders berücksichtigenswürdigen Gründen auf 24 Monate wird in Art. 9 (2) der Richtlinie 2003/109/EG nicht gefordert; besonders Wehrdienste (Israel: 3 Jahre) oder Wehrersatzdienste können länger andauern.
§ 28
Die Altersgrenze von 14 Jahren – offensichtlich an der Strafmündigkeit gemessen – sollte nicht generell gelten, sondern einen Ermessensspielraum beinhalten bzw. dokumentiert werden, ob der Betroffene den rechtlichen Gehalt des Verfahrensschritts verstanden hat. In Anbetracht des betroffenen Personenkreises sollte hier nicht von Weltbild und Lebenserfahrung des in Europa aufgewachsenen 14-Jährigen ausgegangen werden.
§ 29
Nach Art. 9 der Richtlinie 2003/109/EG iVm Art. 12 leg. cit. ist der Verlust oder Entzug der Rechtsstellung des Fremden „Daueraufenthalt – EG“ aus Gründen des § 57 FPG 2005 nicht zulässig. Es sein an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen, dass die Gründe zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots gem. § 63 FPG 2005 den Erfordernissen von Art. 12 o.g. Richtlinie auch nicht entsprechen.
Das in Art. 10 der Richtlinie 2003/109/EG geforderte Verfahren, gerichtlich gegen die Aberkennung des Status als langfristig aufenthaltsberechtigter Drittstaatsangehöriger vorgehen zu können, ist – wie schon im FPG 2005 –hier ebenfalls nicht umgesetzt. Diese Bestimmung ist damit sinnleer, weil nicht durchsetzbar bzw. von der Kontrolle des EuGH nicht haltbar.
§ 30
Der Sinn dieser Bestimmungen in der vorgelegten Form ist nicht nachvollziehbar. Hier wird die Rückübernahme eines in Österreich langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen aus einem anderen Vertragsstaat, in dem er diesen Status noch nicht erlangt hat mit den Fällen vermengt, in denen der Fremde diesen Status auch im Zweitstaat erlangt hat oder diesen Status nirgendwo erlangt hat.
Eine korrekte Umsetzung des Art. 22 der Richtlinie 2003/109/EG würde vielmehr darin bestehen, den Konsultationsmechanismus zwischen dem ersten und dem zweiten Vertragsstaat zu regeln, nach dem die Entfernung aus dem Gebiet der Union unter Wahrung der Verfahrensgarantien des Art. 12 der Richtlinie verfügt werden kann (die aber hier wie im FPG 2005 fehlen). In allen anderen Fällen ist die Angelegenheit mit der Rückübernahme erledigt bzw. reichen die Gründe der Z.1 bis 3 des Abs. 1 ohnehin nicht aus, um eine Ausweisung oder ein Aufenthaltverbot gegen aufenthaltsverfestigte Drittstaatsangehörige zu erlassen.
Wenn hier nicht langfristig aufhältige Fremde angesprochen werden sollen, ist bei Gründen gem. Abs. 1 Z. 2 darauf zu achten, dass die Verdachtsmomente derart verdichtet sind, dass sie auch einer Grundrechtsbeschwerde vor den Höchstgerichten standhalten..
§ 32 (1)
Ähnlich dem § 121 FPG 2005 (falsch in Abs. 1 & 2, richtig hingegen in Abs. 3) wäre die richtige Formulierung „..ein gemeinsames Familienleben ...nicht führen wollen...“ – damit werden frischvermählte oder unmittelbar vor der Eheschließung stehende Ehegatten nicht durch eine unglückliche Formulierung per se in die Kriminalität gedrängt.
Wenn die Ehe in der Vergangenheit bestanden hat und gegenwärtig nicht mehr besteht, kann dieser Sachverhalt wohl nicht unter dem Begriff „Scheinehe“ subsummiert werden und wäre die sachlich richtige Vorgangsweise der Behörde, in Wahrnehmung der Manuduktionspflicht auf die Möglichkeiten des § 26 leg. cit. hinzuweisen.
§ 32 (2)
Der Auffassung, dass in den letzten Jahren die Problematik von Scheinadoptionen zugenommen hat, wurde vom Gesetzgeber bereits 2004 mit der Novellierung des ABGB – s. § 180a – Rechnung getragen. Nach der nunmehr geltenden Rechtslage wurden die Voraussetzungen für die Bewilligung der Annahme an Kindes statt eines eigenberechtigten Wahlkindes derart heraufgesetzt, sodass es wohl auszuschließen ist, dass eine Schweinadoption existieren kann, wenn die Erfordernisse des ABGB erfüllt sind und dies gerichtlich festgestellt wurde.
Sollte weiterhin die Notwendigkeit gesehen werden, gesetzliche Normierungen zur Bekämpfung von „Scheinadoptionen“ einzuführen, wo wierd vorgeschlagen, dies im § 184 (1) oder 184a (1) ABGB durch Hinzufügung einer Z. 4 zu regeln, in welcher bei Täuschungssachverhalten von Amts wegen ein Aufhebungsverfahren ermöglicht wird. So hätte auch die Behörde die Möglichkeit, Verdachtsmomente einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich zu machen.
Damit würde eine Bestimmung im NAG hinfällig.
§ 33
Abgesehen von den Bedenken, dass diese Bestimmung dem Determinierungsgebot nicht entspricht, was eine Anwendung durch die Behörde verunmöglicht, soll darauf hingewiesen werden, dass die Verfasser des Entwurfs zur EU-Verfassung an der Aufgabenstellung gescheitert sind, allgemeingültige und dennoch ausreichende bestimmte europäische Grundwerte festzuschreiben und ein Kompromiss gefunden werden musste, der der Vielfalt Europas Rechnung getragen hat.
§ 37
Nach der Legaldefinition des Begriffes Fremde umfasst dieser auch Familienangehörige von EWR-Bürgern aus Drittstaaten. Nach Art. 24 (1) der Richtlinie 2004/38/EG ist das Diskriminierungsverbot auch auf diese zu erstrecken. Deshalb widerspricht eine erkennungsdienstliche Behandlung der Familienangehörigen aus Drittstaaten von EWR-Bürgern dieser Richtlinie. Hinsichtlich der Ungleichbehandlung von Familienangehörigen von Österreichern wird auf die Ausführungen zu § 51 zu verweisen.
Sofern der Einreise- und Aufenthaltswunsch nicht per se den Verdacht einer strafbaren Handlung darstellt, stellt eine systematische erkennungsdienstliche Behandlung eine Ungleichbehandlung zu österr. Staatsbürgern dar.
Es ist in diesem Zusammenhang besonders darauf hinzuweisen, daß wegen der Erteilung eines Einreisetitels erhobene erkennungsdienstliche Daten offensichtlich nur in den seltensten Fällen zu löschen sind, wohingegen z.B. die Verordnung 2725/2000 des Rates (Eurodac-Einrichtung) die Daten jedenfalls nach 10 Jahren zu löschen sind, bei illegal eingereisten Personen gem. Art. 8 dieser Verordnung ein Löschen bei Erteilung eines Aufenthaltsgenehmigung oder nach zwei Jahren vorgesehen ist. Darüber hinaus wird auf Abweichungen zu § 102 FPG 2005 verwiesen.
§ 39 (2)
Die aus dem FrG 1992 und FrG 1997 übernommene Bestimmung hat die auf die Tilgungsfrist des VStG abgestellte Löschungsfrist von 5 Jahren enthalten. Zur Wahrung des Grundsatzes der Datenvermeidung lt. DSG 2000 soll dieser Satz ebenfalls übernommen werden.
Weiters scheint es angemessen, aus der weichen Formulierung „...Auswählbarkeit...nicht vorgesehen“ eine Regel zu entwickeln, die dem intendierten Gehalt entspricht, nämlich die „Auswählbarkeit...durch Maßnahmen nach dem Stand der Technik ausgeschlossen wird“.
§ 40 (3)
Die Regelung, dass bereits die Anträge an ein Gericht an die zuständige Behörde mitgeteilt werden müssen, erscheit nicht statthaft zu sein, da dadurch Sachverhalte produziert werden können, welche die Entscheidungsfindung des Gerichtes erschweren können. Auch diese Bestimmung ist geeignet, die ohnehin hohe Belastung der Zivilgerichte unnötig zu steigern. Das anscheinend verfolgte Ziel der Aufklärung von vorgetäuschten Sachverhalten kann in einer rechtstaatlich unbedenklichen Weise auch dadurch erreicht werden, indem den befassten Gerichten ein explizit formuliertes Recht eingeräumt wird, die Verwaltungsbehörden mit Ermittlungsaufträgen zu beauftragen.
§ 41
Die Wortfolge „..von Bedeutung sein können.“ ist nicht determiniert und bedarf einer näheren Konkretisierung, um verfassungskonform zu werden.
§ 42
Aufgrund der Unschuldsvermutung im österreichischen Strafrecht wird eine Mitteilung von Anklagen oder Verhängung bzw. Aufhebung der Untersuchungshaft als überschießend anzusehen sein. Vor Verstößen gegen Art. 6 (2) EMRK (Unschuldsvermutung) wird gewarnt.
§ 44
Das ist die Rasterfahndung nach Staatsangehörigkeit - neben europarechtlichen Bedenken bezüglich begünstigter Gruppen stellt sich die Frage nach dem Sinn einer derartigen Regelung. Der Ermittlung von Daten einer verdächtigen Person oder kleinen Gruppe beginnt wohl bei persönlichen Merkmalen der Verdächtigen, die Staatsangehörigkeit ist hier ein bestenfalls untergeordnetes Merkmal. Hingegen kann durch Verrasterung (die in der Vergangenheit noch nie zu substanziellen Ermittlungsfortschritten geführt hat) ein diskriminierender "Generalverdacht" gegen Bürger eines bestimmten Staates geweckt werden, was bei der notorischen Weitergabe von Ermittlungsständen an Massenmedien die Grundlagen für an der Verhetzung zumindest "entlangschrammende" Berichterstattung liefert.
§ 46 (3) zweiter Satz
Diese Bestimmung sollte bezüglich der Bindungswirkung der Behörden nach dem NAG an das Gutachten der Landesgeschäftsstelle des AMS klarer geregelt werden, um eine Vielzahl von Höchstgerichtsverfahren zu vermeiden, die es in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu § 5 (2) AufG gegeben hat. In jener Bestimmung wurde geregelt, dass „..eine Bewilligung nur erteilt werden dürfe, wenn die zuständige Landesgeschäftsstelle mitgeteilt hätte,...dass keine Bedenken...bestünden“.
Nachdem der VwGH massive Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit geäußert hatte, kam es zur Vorlage an den VfGH, wobei u.a. ausgeführt wurde:
Es ist
Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, dass Verwaltungsakte, die
erhebliche Rechtswirkungen haben, rechtlich nicht als unbekämpfbare Verwaltungsakte
konstruiert werden dürfen, weil das verfassungsgesetzlich gewährleistete
Rechtsschutzsystem sonst leerlaufen würde (vgl. etwa VfSlg. 13223/1992 und
Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 1994, G116/93).
In der Entscheidung des VfGH vom 12.10.1995, VfSlg. 14318, wurde die Verfassungskonformität nur dadurch aufrechterhalten, dass u.a. folgendes festgestellt wurde:
Ferner unterliegt die solcherart ergangene bescheidmäßige Erledigung des Antrages auf Erteilung der Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung gemäß §2 Abs2 AuslBG der Überprüfung im administrativen Instanzenzug. Auch diesbezüglich gilt für das im §5 Abs2 erster Satz AufG geregelte Tatbestandselement allfälliger Bedenken gegen die Aufnahme der vom Antragsteller angestrebten Beschäftigung im Hinblick auf die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes nichts anderes als für die sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Aufenthaltsbewilligung. In diesem Zusammenhang ist der im Instanzenzug zuständige Bundesminister für Inneres (vgl. §15 Abs2 AufG) zur Überprüfung des erstinstanzlichen Bescheides auch insoweit zuständig, als dieser auf die diesbezügliche Feststellung der zuständigen Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zurückgeht. Anders als im erstinstanzlichen Verfahren ist der im Instanzenzug zuständige Bundesminister auch nicht an diese Feststellung gebunden.
Daraus ist zusammenzufassen:
Ist zumindest die Berufungsbehörde nicht an das Gutachten der Landesgeschäftsstelle gebunden, kann die Bestimmung als verfassungskonform angesehen werden, wobei allerdings eine Vielzahl von unnötig aufwendigen administrativen Verfahren, durchaus bis zum VwGH, zu erwarten ist.
Soll hingegen eine unbedingte und unumstößliche Bindung an das per se nicht bekämpfbare AMS-Gutachten angenommen werden, ist aus oben zitierter Judikatur ersichtlich, dass diese Bestimmung nicht verfassungskonform ist.
§ 47 (1)
Bei üblicherweise erzielbaren Kapitalerträgen und nach Abzug der Kapitalertragssteuer erfordert ein Einkommen des Doppelten der Richtsätze nach dem ASVG ein Vermögen von ca. EUR 450.000 – Für eine Einzelperson ist dies keine gerechtfertigte Forderung, zumal die Fähigkeit zur Unterhaltsleistung an Familienangehörige ohnedies gesondert zu überprüfen ist.
§ 47 (4) & (5)
Die Erfüllung der Integrationsvereinbarung (Voraussetzungen des 1. Teiles) muß auf den Spracherwerb beschränkt werden, wenn der Drittstaatsangehörige im ersten Aufnahmestaat bereits eine Integrationsverpflichtung erfüllt hat; hier wäre eine Klarstellung bezüglich Zuwanderung aus einem deutschsprachigen Staat dahingehend angebracht, dass die Erfüllung einer solchen Integrationsvereinbarung auch als Nachweis für Modul 2 gilt. Dies gilt auch für Familienangehörige.
§ 48 Z.4
Es soll darauf hingewiesen werden, dass die Bestimmungen des § 26 Abs. und Abs.3 hinsichtlich des Aufenthaltstitels der in Österreich verbleibenden Familienangehörigen wortident ist. Aus diesem Grund ist nicht ersichtlich, warum der im § 26 Abs. 3 umschriebenen Personengruppe eine Niederlassungsbewilligung – unbeschränkt erlangen können soll, in Fällen des § 26 (2) dies aber nicht vorgesehen ist.
§ 49
Wird angenommen, dass ein systematischer Zusammenhang zwischen § 45 (4) und § 49 besteht – was durch die Quotengliederung des NLV-G untermauert wird – so beinhaltet § 49 eine abschließenden Aufzählung der Varianten des erstmaligen Zugangs zu einer Niederlassungsbewilligung – beschränkt. Zu verbessern wäre allenfalls die Übersicht mitsamt der Feststellung, dass ein Wechsel in eine unselbständige Erwerbstätigkeit eines einmaligen Quotenplatzes nach dem AuslBG bedarf.
Sollte jedoch diese Bestimmung dahingehend verstanden werden, dass obwohl in § 45 (4) festgelegt wird, dass die Inhaber einer „Niederlassungsbewilligung – beschränkt“ sowohl einer selbständigen als auch unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgehen können, die Ausübung dieser Rechte von der jeweiligen Rechtsposition des Betroffenen abhängt, so kommt man zum Ergebnis, dass ein Zugang zu unselbständiger Erwerbstätigkeit abgesehen von Abs.1, 5 und 6 der Bestimmung nicht vorgesehen ist. Der Wechsel von selbständiger zu unselbständiger Erwerbstätigkeit wäre nach den Bestimmungen des NAG nochmals quotenpflichtig und eine Rückkehr, vollkommen losgelöst vom AuslBG, vor Erreichen des Daueraufenthalts ausgeschlossen. Unter den Annahmen, dass eine Konterkarierung von § 45 (4) und NLV-G genauso ungewollt ist wie die Schaffung des skurrilen Wegs von der Selbständigkeit in die unselbständige Erwerbstätigkeit über eine Bewilligung als Schlüsselkraft oder gar als „Privatier“ (ausgen. Erwebstätigkeit), darf um die Klarstellung ersucht werden, dass diese Interpretation nicht den Intentionen des Gesetzgebers entspricht.
§ 49 (1)
Zur Integrationsvereinbarung wird auf die Ausführungen zu § 47 (4) & (5) verwiesen.
§ 49 (6) Z.3 lit. c & d
Wenn der Aufenthalt ausgenommen Erwerbstätigkeit über 5 Jahre hinausgeht, können gem. Art. 5 der Richtlinie 2003/109/EG weder der „Ankerfremde“ noch seine Angehörigen vom Status des langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen ausgeschlossen werden, es wird dafür bloß der Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel und der entsprechenden Krankenversicherung gefordert.
§ 49 (7)
In Art. 14 und 15 der Richtlinie 2003/209/EG wird langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen den Aufenthalt in einem weiteren Mitgliedstaat erlaubt, wenn er binnen drei Monaten den Antrag stellt und die geforderten Nachweise erbringt. Es gibt keine Grundlage für eine Ausreiseverpflichtung nach Ablauf von 3 Monaten, nur weil das Verfahren nicht abgeschlossen ist.
§ 50
Aufgrund der Ausführungen zu § 49 (7) ist der Arbeitsmarktzugang nach 12 Monaten gem. Art. 14 der Richtlinie 2003/86/EG den Angehörigen aller langfristig aufhältiger „Ankerfremder“ zuzugestehen.
§§ 51 und 53
Hier wird die unhaltbare Annahme getroffen, dass eine unterschiedliche Behandlung als der gem. RL 2004/38/EG zulässig wäre. Auch der die Inländerdiskriminierung formal ausschließende Passus bezüglich EWR- und Schweizer Bürger, denen das Recht auf Freizügigkeit nicht zukommt, geht ins Leere: Gem. Art. 3 der RL gilt sie für „...jeden Unionsbürger, der sich in einem anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begibt oder sich dort aufhält, sowie für seine Familienangehörigen...“
Die zitierte Rechtsprechung des EuGH befasst sich in einem einzigen Fall mit der Rechtsstellung von Familienangehörigen deutscher Staatsbürger, die nie einen Freizügigkeitssachverhalt gesetzt haben, in Deutschland, was einen tatsächlich rein nationalen Sachverhalt dargestellt hat. Mit dem Aufenthalt in einem anderen Staat ist dieser bereits gesetzt, die nach EuGH-Judikatur denkbare Inländerdiskriminierung hat der VfGH bereits für verfassungswidrig erklärt.
Sollten diese Bestimmungen aufrecht gehalten werden, ist davon auszugehen, dass der Bund anlässlich der zahlreichen vor den Höchstgerichten zu führenden Verfahren – ähnlich wie den nach der Vorlage des Verfahrens C-136/03 ausgesetzten Verfahren – wohl verpflichtet wird, Kostenersatz in nicht unbeträchtlicher Höhe zu leisten. Darüber hinaus droht ein Vertragsverletzungsverfahren, welches mit weiteren Kosten verbunden ist. Möglicherweise folgende Schadenersatzforderungen tragen weiter dazu bei, dass eine Umsetzung in geplanter Form nur als wissentliche Verschwendung von Steuermitteln zu klassifizieren ist.
§ 54 (3)
Auf die Anmerkungen zu § 27 (4) sei verwiesen.
§ 55
Der Halbsatz „..die ihr Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nehmen...“ ist aus den oben dargelegten Gründen verzichtbar, da ohnehin jeder EWR-Bürger, der in Österreich niedergelassen ist, dies verwirklicht.
§ 59
Zu Abs 1 ist anzumerken, dass in korrekter Umsetzung des Art. 30 der RL 2004/38/EG nicht nur das Nichtvorliegen der Voraussetzungen bzw. die Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, sondern auch Gründe, die die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gefährden, mitzuteilen sind. Nach Art. 30 der Richtlinie ist ferner anzugeben, wo Rechtsbehelf eingelegt werden kann; dies macht die Befassung der Fremdenpolizeibehörde vor Mitteilung an den Betroffenen hinfällig - die Verfahrenseinleitung ist wohl gleichzeitig mitzuteilen, um wirksamen Rechtsbehelf zu ermöglichen (andernfalls die Verfahrensdauer unnötig verlängert wird). Zu den Ausführungen über die erforderliche Beschaffenheit der zuständigen Stelle s. nachfolgende Ausführungen, die bereits zu § 89 FPG 2005 erstattet wurden:
Die Bestimmungen von Art. 30 und 31 der RL 2004/38/EG fordern Verfahrensabläufe, die es in Österreich nicht gibt. Hierbei sind zwei Problemkreise festzumachen:
1. Die Frage der Qualifikation der Berufungsbehörde als Gericht
Die Richtlinie 2004/38/EG scheint in Art. 30 (3) - Benennung der Berufungsinstanz - zwar die Alternative zu erlauben, als Berufungsbehörde für die materielle Entscheidung über aufenthaltsbeendende Maßnahmen entweder ein Gericht oder eine administrative Instanz vorzusehen: "In der Mitteilung ist anzugeben, bei welchem Gericht oder bei welcher Verwaltungsbehörde der Betroffene einen Rechtsbehelf einlegen kann, ..."
In den Ausführungen des Art 31 zu den Verfahrensgarantien mangelt es der deutschen Fassung der Richtlinie an Präzision, wenn von "...Rechtsbehelf bei einem Gericht und gegebenenfalls bei einer Behörde des Aufnahmemitgliedstaats..." die Rede ist. In der englischen Fassung wird - treffsicherer - auf "...access to judicial and, where appropriate, administrative redress procedures in the host Member State…" abgestellt; analog auch die französische Fassung "...voies de recours juridictionnelles et, le cas échéant, administratives dans l'État membre d’accueil...".
Damit ist die Frage zu beantworten: Wann ist eine Verwaltungsbehörde geeignet?
Die Richtlinie 2004/38/EG gibt keine nähere Antwort; aus den Gründen und anderen Bestimmungen läßt sich annehmen, daß der Grad der Verbundenheit, der Aufenthaltsdauer, familiärer Beziehungen, etc. wohl Kriterien darstellen, und bezüglich der Aufenthaltsdauer findet sich tatsächlich in der Richtlinie 2003/109/EG über die Rechtsstellung langfristig aufenthaltsberechtigter Drittstatsangehöriger eine analoge Regelung. Dort begründet ein fünfjähriger dauernder Aufenthalt (Art. 4) den Status des "langfristig Aufenthaltsberechtigten", und sowohl dieser Status als auch das Aufenthaltsrecht derartiger Personen unterliegt expliziten Rechtsschutzbedingungen. Zur Aberkennung des geschützten Status ist in Art. 10 (2) diese Richtlinie in der deutschen Fassung wieder nur unscharf "...so kann die betreffende Person in dem betreffenden Mitgliedstaat Rechtsbehelfe einlegen." Die englische Version spricht bereits von "...shall have the right to mount a legal challenge...", und die französische Fassung ist völlig klar: "…a le droit d'exercer un recours juricictionnel…" im Gegensatz zum oben zitierten in bestimmten Fällen zulässigen "recours administratif".
Keine Diskussion gibt es bei der Aufenthaltsbeedigung selbst, hier steht lt. Art. 12 (4) der Richtlinie "...der Rechtsweg offen" und wird im Bedarfsfall "Prozesskostenhilfe zu bewilligt" (Art. 5). Um Spitzfindigkeiten zuvorzukommen: "...a judicial redress procedure..." bzw. "...un recours juridictionnel..." mit nichtdiskriminierendem Zugang zu "Legal aid…" bzw. "L'aide judiciaire..." ist eindeutig.
2. Die Frage der Entscheidung über vorläufigen Rechtsschutz
Zuerst gilt es, den "vorläufigen Rechtsschutz" abzubilden. Dieser ist nur im regulären Verwaltungsverfahren zumindest mit gleicher Wirkung gegeben, nicht aber bei Ausschluß der aufschiebenden Wirkung und auch nicht nach rechtskräftiger Entscheidung in der Sache und noch offener Entscheidung über den Rechtsschutz - Art. 31 der Richtlinie 2004/38/EG sieht hier offensichtlich zwei Verfahren vor. Der einmonatige Durchsetzungsaufschub deckt bei üblicher Verfahrensdauer dies nicht ab. Ausgeschlossen ist dieser Rechtsschutz nur bei einer Entscheidung auf Basis eines Gerichtsurteils, bei vorheriger Befassung eines Gerichts (!) oder bei Vorliegen der bereits diskutierten "zwingenden Gründe".
Damit bietet sich als übersichtliches Verfahren, daß die Vorgaben des Unionsrechts in beiden Problembereichen vollumfänglich erfüllt (die Umsetzung "im Wesentlichen" lt. erläuternden Bemerkungen ist unzureichend und eröffnet wohl nur den Rechtszug zur Amtshaftung), etwa folgendes an:
Berufungsbehörde gegen Entscheidungen über aufenthaltsbeendende Maßnahmen nach diesem Bundesgesetz ist für EWR-Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige der örtlich zuständige UVS als Tribunal iSd Art. 131 (4) B-VG. Der UVS ist weiters für Entscheidungen über den Ausschluß der aufschiebenden Wirkung zuständig, sofern nicht ein ordentliches Gericht im Rahmen eines Verfahrens über die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit (Gefährdungsprognose) abgesprochen hat oder zwingenden Gründe gem. Art. 28 (3) vorliegen.
§ 60
Hier liegt ein Fehlinterpretation der Richtlinie 2004/38/EG vor: Während Familienangehörige gem. Art. 2 Z.2 ein Niederlassungsrecht direkt aus der Richtlinie ableiten können, kann im Fall von Familienangehörigen oder Lebenspartnern gem. Art. 3 (2) der Aufnahmemitgliedstaat nach innerstaatlichen Rechtsvorschriften den Sachverhalt nach "..Untersuchung der persönlichen Umstände.." anders bewerten und ggf. Einreise oder Aufenthalt verweigern. Das Ausschließen des bis zu dreimonatigen Aufenthalts ist damit nicht gedeckt (andernfalls wäre die Formulierung "...oder Aufenthalt" nicht getroffen worden), auch die Unterscheidung zwischen "Familienangehörigen" und "Angehörigen" läßt sich aus der Richtlinie nicht ableiten. Wenn die Prüfung der Umstände nach innerstaatlichem Recht positiv abgeschlossen wird, sind Ungleichbehandlungen unter "Familienangehörigen" jedweder Art unzulässig. So ist z.B. die Forderung einer Haftungserklärung, die durch § 11 (5) mit ASVG-Sätzen verknüpft wird, gem. Art. 8 (4) der Richtlinie explizit ausgeschlossen,
überdies steht Familienangehörigen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die das Recht zum Aufenthalt besitzen, gem. Art. 23 der RL 2004/38/EG der Zugang zu selbständiger und unselbständiger Erwerbstätigkeit offen.
§ 62 - 65
Die sich durch das ganze Gesetz ziehende uneinheitliche Verwendung der Wortfolge „Die Voraussetzungen des 1. Teils erfüllen“ verursacht auch an dieser Stelle Rechtsunsicherheit, da selbst aus den erläuternden Bemerkungen nicht eindeutig hervorgeht, ob und unter welchen Umständen die Integrationsvereinbarung erfüllt werden muß.
Gerade bei Leitungskräften von internationalen Unternehmen, die sich nur für einen kurzen geschlossenen Zeitraum in Österreich aufhalten, dies aber ggf. häufiger wiederholen und damit die in den Erläuterungen angesprochene 12-Monats-Frist überschreiten können, ist die Forderung nach Sprachkenntnissen in Deutsch bestenfalls ein Standortnachteil.
§ 68 (1)
Hier ist wohl der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Kultur die berufenere Instanz, deshalb sollte der BM BWK im Einvernehmen mit dem BM I die Zertifizierung vornehmen.
§ 68 (4) Z.2
Diese Bestimmung ist unterdeterminiert. Gemeint sein kann hier wohl nur der Abbruch der Ausbildung, wobei zu definieren wäre, welche Dauer und welche Gründe Unterbrechungen rechtfertigen.
§ 69 (1) Z.2
Es ist auch nach dem intendierten Sinn laut Erläuterungen dieser Bestimmung unklar, welchen Aufenthaltstitel Drittstaatsangehörige erhalten, die eben einen Universitätslehrgang zum Erlernen der deutschen Sprache besuchen wollen. Ob dies unter den Schulbesuch des § 67 zu subsummieren ist, bleibt angesichts des universitären Trägers fraglich. Eine entsprechende klare Zuordnung oder der Verzicht auf den zweiten Halbsatz sind wohl erforderlich.
§ 69 (2)
Da die Kontingente des AuslBG ein über die bloße Lageprüfung des Arbeitsmarkts hinausgehendes System darstellen, ist es zweifelhaft, ob Art. 17 der Richtlinie 2004/114/EG auch dem Sinn nach umgesetzt wird. Die Rücksichtnahme auf den nationalen Arbeitsmarkt könnte jedenfalls richtlinienkonform durch Beschränkung der Erwerbszeit bzw. Einschränkungen im ersten Studienjahr umgesetzt werden.
§ 69 (3)
Zur Beurteilung universitätsinterner Gründe ist wohl die jeweilige Universität berufen, die Fremdenpolizeibehörde kann dies sachlich nicht entscheiden. Eine entsprechende Form der Mitteilung seitens der Universität sollte vorgesehen werden.
§ 70
Der Verweis auf § 14 (1) - Integrationsvereinbarung - ist an dieser Stelle sinnleer: Studierende müssen die allgemeine Hochschulreife als Grundlage ihrer Studienzulassung nachweisen, womit Modul 3 gem. § 14 (5) Z.6 erfüllt und die Module 1 und 2 gem. Abs. 5 letzter Satz bereits erfüllt sind. Eine Möglichkeit zum Schulbesuch von langfristig in der Union aufhältigen Fremden setzt nach allen denkmöglichen Varianten wohl Alphabetisierung voraus, es bleibt einzig die mögliche Forderung nach Modul 2 beim Besuch einer nicht deutschsprachigen Schule übrig, und gerade dann ist die Frage nach dem Sinn des Deutschlernens unbeantwortbar: Der Fremde will offenkundig etwas anderes lernen und hat wohl nicht vor, sich in Österreich dauerhaft niederzulassen.
§ 71
Bei korrekter Umsetzung der Richtlinie 2004/114/EG muß die Möglichkeit geschaffen werden, bei längerer Dauer der Ausbildung eine Aufenthaltsbewilligung für die über einjährige Dauer des Programms auszustellen. Auch ist der Begriff des "Erwerbszwecks" unbestimmt; die Trägerorganisation wird wohl eher "keine Gewinnabsicht" verfolgen.
§ 73 (1)
Hier ist wohl der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Kultur die berufenere Instanz, deshalb sollte der BM BWK im Einvernehmen mit dem BM I die Zertifizierung vornehmen.
Die Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zur Abdeckung der Haftung aus einer Aufnahmevereinbarung sind von Fall zu Fall im Rahmen der Aufnahmevereinbarung (§ 74) zu prüfen und wären auch aus dem sachlichen Zusammenhang dort auch sinnvoller.
Neben Rechtsträgern nach § 1 (1) AHG sind allerdings auch private Universitäten, die von der Republik anerkannt wurden, von den bürokratischen Abläufen der Zertifizierung auszunehmen, da sie durch § 2 UG 2002 die Voraussetzungen des Abs. 1 jedenfalls erfüllen.
§ 73 (4)
Z.2 verkennt das Wesen universitärer Forschung; die Ausrichtung auf ein materiell eng umschriebenes Projekt mag bei Anwendungsforschung im industriellen Umfeld angebracht sein, im universitären Rahmen ist bloß eine Kollision mit Art. 17 des StGG über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. 142/1867, festzustellen. Und auch eng umschreibbare Projekte können Änderungen unterworfen sein, die ggf. zu dokumentieren oder anzuzeigen sind, aber weiterhin den Aufenthalt des Forschers zur Mitwirkung am Projekt rechtfertigen.
Die Bestimmung der Z.3 ist unterdeterminiert. Gemeint sein kann hier wohl nur der Abbruch der Tätigkeit, gerade bei wissenschaftlicher Arbeit sind andere Mutmaßungen sachlich nicht zu rechtfertigen sondern bleiben pures Hellsehen.
§ 74
Analog den Ausführungen zu § 73 sollte für universitäre Forschung Z.2 auf den oder die Forschungsschwerpunkt(e) der Universität abstellen, ein eng umschriebenes Projekt ist hier ein ungeeigneter Maßstab.
Wenn 2 Monate nach Ende des Projekts/ unmittelbar nach Ende der Forschungstätigkeit die Mitteilung an die Behörde ergeht, ist es mehr als fahrlässig, mit allfälligen Maßnahmen bis zu 6 Monate nach Enden der Aufnahmevereinbarung zuzuwarten, die Forderung nach 6 Monaten in Z.3 ist verzichtbar.
§ 75
Unter Berücksichtigung der Verfahrensdauer und Wartezeit ist die Forderung nach bereits im Herkunftsstaat bestehender Familieneigenschaft in Fällen vergleichsweise kurzen Aufenthalts wie z.B. bei Rotationsarbeitskräften verständlich, wenn auch überschießend: So ist nicht rational begründbar, warum etwa ein Säugling nicht "nachziehen" können soll, nicht zu reden von in Österreich geborenen Kindern (die dann illegal wären?).
Der Ausschluß von Betriebsentsandten und Selbständigen ist ebenfalls nicht begründbar. Maßstab kann nur die Familieneigenschaft per se und die Erfüllung der Voraussetzungen betreffend Unterhalt, Krankenversicherung u. dgl. sein.
§ 76 (1)
Wenn dies die Regelung für "individuell Vertriebene" (als Unterscheidung zu § 80) sein soll, die nicht unter den Schutz der Flüchtlingskonvention fallen, so ist sie in mehreren Punkten nicht zu Ende gedacht:
§ 77
Die Forderung nach Erfüllung der Integrationsvereinbarung vor Erteilung einer Niederlassungsbewilligung aus humanitären Gründen ist unverhältnismäßig; zweckmäßiger wäre, die Verpflichtung zur Erfüllung vorzusehen und rascher von der Aufenthalts- zur Niederlassungsbewilligung überzugehen, beispielsweise nach Ablauf der ersten, einjährigen Aufenthaltsbewilligung. Bei Wegfall der humanitären Gründe oder Nichterfüllung der Integrationsvereinbarung ist - wie in allen anderen Fällen auch - wohl ohnehin der Entzug der Niederlassungsbewilligung vorgesehen.
Die Unterwerfung unter das Regime des AuslBG ist unangemessen und verstößt zumindest gegen den Geist der Richtlinie 2004/83/EG, in der zumindest auf einen bevorrangten Zugang zum Arbeitsmarkt abgestellt wird.
Gerade zur Lösung der Frage der Unterhaltsmittel ist ein Zugang zum Arbeitsmarkt ein wesentliches Element, das neben der Erfüllung der Integrationsvereinbarung ein starkes Kriterium dafür sein kann, den Betroffenen eine "gewöhnliche" Bewilligung für den fortdauernden Aufenthalt im Bundesgebiet zu erlauben. Darüber hinaus fallen vorübergehend zugelassene Bürgerkriegsvertriebene und Personen denen der Aufenthalt aus humanitären Gründen vorübergehend gestattet wird, explizit nicht unter die Entschliessung des Rates vom 20. Juni 1994 über die Beschränkungen für die Einreise von Staatsangehörigen dritter Länder in die Mitgliedstaaten zur Ausübung einer Beschäftigung, die Grundlage der Weiterentwicklung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 war
§ 80
s. Ausführungen zu den §§ 76-77
§ 81 (1)
In Z. 3 können wohl nur österreichische Dokumente angesprochen werden - z.B. sind abgelaufene Reisepässe wohl dem Ausstellungsstaat zurückzustellen.
Generell fehlt die Verjährung bzw. zur Strafbemessung die Tilgung von Verwaltungsstrafen (§ 31 VStG: Verjährung 6 Mon, § 55 VStG: Tilgung 5J), die bei Vergehen nach Z.5 zur Vermeidung einer richtlinienwidrigen Diskriminierung zu berücksichtigen sind.
§ 82
Wenn der Abschließende schon nicht die Qualifikation des Forschers ausreichenden beurteilen kann- wie soll das die Fremdenpolizeibehörde tun? Vorgeschlagen wird eine Notifikation an das BMBWK, die durch Fristablauf als Zustimmung gilt.
Änderungen des Familienlastenausgleichsgesetzes
Bei der Familienbeihilfe handelt es sich um eine Transferzahlung von kinderlosen Familien zu Familien mit Kindern. Wenn zwar die Eltern, nicht aber das Kind rechtmäßig in Österreich aufhältig ist, wird keine Familienbeihilfe gewährt und damit das obengenannte Prinzip der Transferzahlung unterminiert. Es wird daher eine dem Zweck der Familienbeihilfe entsprechende Änderung angeregt.