An die
Parlamentsdirektion
Begutachtungsverfahren
1010 Wien
per e-mail: begutachtungsverfahren@parlament.gv.at
Salzburg, am 21.4.2005
Entwurf
des BMI für ein Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz 2005
BMI
76.201/1426-III/1/c/05
Sehr
geehrte Damen und Herren!
In gegenständlicher Angelegenheit
übermitteln wir Ihnen unsere Stellungnahme zu dem im Betreff genannten Entwurf
des Bundesministeriums für Inneres für ein Niederlassungs- und
Aufenthaltsgesetz 2005 mit dem höflichen Ersuchen um Kenntnisnahme und Berücksichtigung.
Mit freundlichen
Grüßen
Helping Hands
Salzburg
c.m.p. Sybille
Wierer, Obfrau
Beil.: erw.
Helping Hands Salzburg
Verein
für fremdenrechtliche Beratung
Integration
und antirassistische Projekte
Kaigasse
28
5020
Salzburg
ReferentInnen: Sybille Wierer
Mag.
Ljiljana Zlatojevic
Mag.
Thomas Loos
1. Nachdem 1997 das FrG 1992 und AufenthG 1992 durch ein einheitliches Fremdengesetz ersetzt wurde, soll nun wieder eine Trennung in ein Fremdenpolizeigesetz (FPG) und Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) erfolgen. Der Zweck dieser Gesetzestechnik ist nicht nachvollziehbar, zumal das Fremdenrecht auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten unter den einheitlichen Kompetenztatbestand des Art. 10 Abs. 1 Z 7 B-VG „Fremdenpolizei“ fällt. Das Einwanderungsrecht, also die Regelungen betreffend Aufenthaltstitel, das Recht der vorübergehenden Einreise, also die Regelungen betreffend Einreisetitel stehen beide zwangsläufig im Zusammenhang mit Regelungen über die Aufenthaltsbeendigung und sind auch in einer Gesamtbetrachtung zu sehen und in einem einheitlichen Gesamtkonzept zu regeln. Dass, wie aus den Erläuterungen hervorgeht, fremdenpolizeiliche Bestimmungen von niederlassungsrechtlichen Bestimmungen abzugrenzen seien, ist erstens schwer nachvollziehbar, handelt es sich doch in beiden Fällen um Regelungen des Fremdenpolizeirechtes im weiteren Sinne, zweitens nicht zweckmäßig und drittens noch lange kein Grund, eine sachlich zusammengehörige Gesamtregelung in zwei Gesetze zu splitten.
Die nunmehr geplante Wiedereinführung der
Rechtszersplitterung in ein Recht der Einreisetitel und Aufenthaltsbeendigung
einerseits und Aufenthaltstitel andererseits bewirkt allenfalls Verwirrung und
Rechtsunsicherheit, gleichzeitig wird der Blick auf das dahinter stehende
Gesamtkonzept erschwert.
Von einer neuerlichen Trennung der fremdenrechtlichen Materie in Fremdenpolizeigesetz einerseits und Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz andererseits sollte abgesehen und das gesamte österreichische Fremdenrecht in einer einheitlichen Kodifikation belassen werden.
2.
Allgemein
verbleibt leider die seit der Fremdengesetz Novelle 2002 herrschende Tendenz,
Einwanderung nach Möglichkeit nicht vorzusehen bzw. soweit wie möglich zu
begrenzen. Mit der Fremdengesetz Novelle 2002 wurde die Neuzuwanderung auf
Schlüsselkräfte und Familienangehörige bereits in Österreich lebender Fremder
reduziert und selbst diese verbleibende Zuwanderungsmöglichkeit wird nur so
restriktiv wie möglich zugelassen. Im vorliegenden Entwurf werden
EG-Richtlinien, die Immigrationsbeschränkungen abbauen bzw. den Status in der
Europäischen Gemeinschaft lebender Fremder sichern sollen, immer nur soweit
umgesetzt, soweit dies unbedingt gemeinschaftsrechtlich zwingend ist (und
selbst dies nur zum Teil). So wird sogar für Fremde mit einer ausländischen
langfristigen Aufenthaltsberechtigung – EG zur Einwanderung eine Quotenpflicht
vorgesehen, was zwar auf einer in der RL 2003/109/EG genannten
Ausnahmeermächtigung beruht, dem europäischen Freizügigkeitsgedanken jedoch
widerspricht.
Auf Grund der gegenwärtigen wirtschafts- und gesellschafts- und sozialpolitischen Lage erscheint es derzeit im Allgemeinen durchaus sinnvoll und richtig, Zuwanderung zu kontrollieren. Eine nationale Politik, die ihre Zielvorstellungen jedoch ausschließlich darauf ausgerichtet, Migration generell und langfristig überhaupt nicht zuzulassen, sieht erstens einseitig nur die Nachteile von Migration und widerspricht zweitens auch der langfristigen europapolitischen Vision der überwiegenden Zahl aller politischen Kräfte und anderen gesellschaftlichen AkteurInnen, ein geeintes Europa zu schaffen, in welchem die Grenzen abgebaut (und nicht aufgebaut) werden und die Freizügigkeit der Person gewährleistet ist. Die gegenwärtigen Mehrheitsverantwortlichen lassen sich entgegen dieser langfristigen Vision von kurzsichtigen und populistischen Vorstellungen leiten und versuchen aus latent vorhandenen Ängsten vor dem Unbekannten kurzfristiges politisches Kapital zu schlagen.
3.
Die
vom Verfasser des Entwurfs vorgesehenen Integrationsmaßnahmen (Integrationsvertrag)
setzen die bisherige Rechtslage leider fort und verschärfen diese, obwohl sich
schon die bisherige Gesetzeslage nicht unbedingt bewährt hat.
II. Zu
den einzelnen Bestimmungen des Entwurfes:
§ 2
Z9 setzt
für die Anerkennung als Ehegatte oder Ehegattin die Vollendung des 21.
Lebensjahres voraus und macht damit von einer in der RL 2003/86/EG vorgesehenen
Ermächtigung Gebrauch. In Österreich ist jedoch ein solch ein Eingriff in das
Recht auf Ehe nicht vorgesehen und dürfte insb. mit Art. 8 EMRK und Art. 12
EMRK nicht vereinbar sein. Auch erscheint selbst die Ermächtigung der RL
2003/86/EG primärrechtswidrig (Ecker, migralex 2005, 15). Der Zweck der
Verhinderung von Zwangsehen kann mit so einer Bestimmung ohnehin nicht erreicht
werden. Von einer Begrenzung des Alters auf 21 sollte daher abgesehen werden.
Z 15
sollte so modizifiziert werden, dass die Mindestdauer der Haftungserklärung
entfällt. Missbrauch kann ohnehin entgegen gewirkt werden, indem der
Aufenthaltstitel entsprechend befristet wird bzw. bei der Verlängerung
neuerlich abgegeben werden muss.
In Abs.
5 sollte klargestellt werden, dass das ABGB in der geltenden Fassung anzuwenden
ist. Hinsichtlich Abs. 5 Z2 ist fraglich, welchen Anwendungsbereich diese
Regelung hat. Eine Adoption ist wirksam, wenn diese von einem dafür zuständigen
Gericht rechtskräftig bewilligt wurde. Ob diese Adoption österreichischem oder
anderem Zivilrecht unterliegt macht fremdenrechtlich keinen Unterschied. Die
Intentionen des Verfassers sind aus den Erläuterungen leider nicht ersichtlich.
§ 3
Abs. 3
ermächtigt die Vertretungsbehörden Anträge, über die der Landeshauptmann zu
entscheiden hat, aus formalen Gründen zurückzuweisen und damit eine
Entscheidung der sachlich zuständigen Behörde zu verhindern. Dadurch erhält die
Vertretungsbehörde ein sehr weitreichendes Recht, nämlich das Recht einen
Antrag der Entscheidung der zuständigen Behörde zu entziehen. Geschieht dies zu
Unrecht, so wäre dies wohl ein Verstoß gegen das Recht auf den gesetzlichen
Richter (Art. 83 B-VG). Aus Rechtsschutzgründen wäre daher jedenfalls ein
ordentliches Rechtsmittel vorzusehen, damit derartige Rechtsverletzungen
vermieden werden und ein effektiver Rechtsschutz geboten wird. Überdies führt
die vorgeschlagene Regelung zu einer weiteren Überbelastung der Gerichtshöfe
des öffentlichen Rechts, die dann wegen Streitigkeiten über bloße Formmängel
als einziges Rechtsschutzorgan angerufen werden müssten.
§ 8
In Abs.
4 wird das Bleiberecht nur bis zur Entscheidung der ersten Instanz gewährleistet,
wodurch der Rechtsschutz in vielen Fällen leerläuft oder zumindest wesentlich
erschwert wird. Diese Regelung ist sachlich schwer begründbar. Es wäre
vorzusehen, dass das Bleiberecht bis zur Rechtskraft der behördlichen
Entscheidung besteht.
§ 10
In Abs.
1 wäre klarzustellen, dass im Falle des Wiederauflebens des Aufenthaltstitels
oder der Dokumentation des Niederlassungsrechtes der rechtmäßige Aufenthalt
nicht unterbrochen wird bzw. dieser rückwirkend wiederauflebt. Andernfalls
würde die Regelung z.B. in dem Falle, indem die erstinstanzliche Behörde eine
durchsetzbare Ausweisung rechtswidrig verhängt, welche in der Folge von der
Rechtsmittelinstanz behoben wird, zu einer Unterbrechnung des rechtmäßigen
Aufenthaltes führen und damit eine rechtlich nicht begründbare Sanktion gegen
den Fremden bedeuten.
Nicht
nachvollziehbar sind die Erläuterungen, wonach in Abs. 2 Z4 Art. 9 Abs. 4 der
RL 2003/109/EG umgesetzt werden sollen. In der betreffenden Richtlinie sind
Regelungen über die Gegenstandslosigkeit von Aufenthaltstiteln nur insoweit
enthalten, als es die langfristige Aufenthaltsberechtigung EG betrifft. Im
Übrigen ist Z 4 zu unbestimmt, die Rechtsfolgen treten ex lege ein, womit
nahezu kein Rechtsschutz gegeben ist. Das Erlöschen bzw. die Gegenstandslosigkeit
des Aufenthaltstitels wäre in einem entsprechenden Verfahren bescheidmäßig zu
erledigen. Vor allem in Verbindung mit Abs. 3 und Abs. 4 ist sonst ein
effektiver Rechtsschutz nicht mehr gegeben.
§ 11
Abs. 1 Z
4 wäre jedenfalls dahingehend zu modifizieren, dass ein Aufenthaltstitel dann
nicht zu erteilen ist, wenn sich der Fremde auf eine Scheinehe oder
Scheinadoption zur Erlangung eines Aufenthaltstitels beruft. Es besteht
überhaupt kein sachlicher Grund dafür jemandem, der sich zur Erlangung nicht
auf diese Scheinehe oder Scheinadoption beruft, sondern nur eine solche führt,
einen Aufenthaltstitel zu verweigern.
Z 6 wäre
dahingehend zu modifizieren, dass das Verfahren zur Erteilung eines
Aufenthaltstitels bis zur rechtskräftigen Entscheidung im
Verwaltungsstrafverfahren unterbrochen wird. Es wäre mit der Unschuldsvermutung
schwer vereinbar einen Versagungsgrund auf eine nicht rechtskräftige Bestrafung
zu stützen.
Abs. 2 Z
6 steht im Widerspruch zu § 14 Abs. 8 wonach auf Grund bestimmter Umstände die
Erfüllung der Integrationsvereinbarung aufgeschoben werden kann. Abs. 2 Z 6
sieht eine Rücksichtnahme auf solche Umstände jedoch nicht vor. Die Regelung
des § 14 Abs. 8 läuft damit in diesem Umfang leer.
Abs. 5
enthält durch den Verweis auf die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen
einen dynamischen Verweis auf in die Länderkompetenz fallendes Recht
(Sozialhilferecht fällt unter den Kompetenztatbestand des Art. 15 B-VG) und
erscheint daher aus verfassungsrechtlicher Sicht bedenklich.
§ 12
Nicht
verständlich ist wiederum, warum gegen die Zurückweisung kein ordentliches
Rechtsmittel zulässig sein soll, was den Rechtsschutz stark beschränkt, ein
effektiver Rechtsschutz ist damit nicht mehr gegeben. Zur dadurch auch provozierten
Überbelastung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes kann auf obige
Ausführungen verwiesen werden. Alternativ sollte ein Verfahren wie in Abs. 4
normiert vorgesehen werden, da sonst ein Fremder genötigt wäre,
quotenpflichtige Anträge immer wieder „ins Blaue“ zu stellen, was wiederum
unnötigen Verwaltungsaufwand hervorrufen würde.
Abs. 4
ist in der vorliegenden Form grundsätzlich zu begrüßen. Da nach dem Entwurf
nach drei Jahren Wartezeit die Quotenpflicht ohnehin entfällt, wäre es
allerdings konsequent, die Quotenpflicht in diesen Fällen gleich ganz entfallen
zu lassen. Im Entwurf hat die Quotenpflicht jedenfalls nur die Konsequenz, dass
der Nachzug von Familienangehörigen um maximal drei Jahre verschoben wird. Dass
eine derartige Verschiebung Sinn macht, ist fraglich, integrationspolitisch
kontraproduktiv und auch unnötiger Verwaltungsaufwand. Es wäre wünschenswert,
sich endlich dazu durchzuringen, die Quotenpflicht für den Familiennachzug zur
Gänze aufzuheben.
§ 14
Im
Allgemeinen ist es richtig, dass Sprachkenntnisse zu den wichtigsten
Bestandteilen einer gelungenen Integration gehören. In der vorliegenden Form
verfehlt die Integrationsvereinbarung, welche keine Vereinbarung darstellt,
jedoch dieses Ziel.
Als
Begründung der bisher schon geltenden und nunmehr verschärften Regelung wird
oft das in der Praxis durchaus relevante Beispiel einer Frau aus stark
patriarchalisch geprägten Ländern bemüht, die von ihrem Mann nicht aus dem Haus
gelassen wird und daher die Sprache nicht erlernen kann, was ihre Integration
verhindert und z.B. im Trennungsfalle oder geplanten Trennungsfalle von ihrem
Ehemann mit massiven Nachteilen für diese Frau verbunden ist. Durch die
Verpflichtung soll nun bewirkt werden, dass auch diese Frau eine Möglichkeit
der Integration erhält. Tatsächlich trifft jedoch genau diese Frau in dieser
Situation die in § 57 FPG vorgesehene Sanktion der Ausweisung aus Österreich,
denn gerade im geplanten Trennungsfall hat der Mann kein besonderes Interesse,
der Frau durch Ermöglichung des Besuchs eines Sprachkurses den Aufenthalt
weiter zu sichern, womit das Ergebnis der Regelung den Intentionen aber
diametral entgegengesetzt zuwiderläuft. Die Nichterfüllung der
Integrationsvereinbarung sollte daher keineswegs direkt mit der
Aufenthaltsbeendigung verknüpft werden.
Modul 3
scheint in der vorgeschlagenen Form integrationspolitisch fragwürdig, da die
Teilnahme am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in
Österreich, was immer unter dieser Formulierung genau zu verstehen sein mag,
auf eine einseitige Information und Schulung des Fremden reduziert wird und der
notwendige Austausch zwischen Einheimischen und MigrantInnen außen vor bleibt.
Weiters ermöglicht diese Information alleine noch nicht die Teilnahme am
gesellschaftlichen Leben, vielmehr bedarf es eines regen Austausches und
sozialer Integration.
Abs. 3
sollte dahingehend modifziert werden, dass eine Änderung der Lebensplanung
berücksichtigt werden kann und ein einmal erklärter Verzicht nicht zu einem
dauernden Ausschluss von der Niederlassung führen darf. Alternativ könnte Abs.
3 überhaupt gestrichen werden, da jemand, der ohnehin nicht auf Dauer in
Österreich bleiben möchte, sowieso rechtzeitig ausreisen kann.
Schwer
nachvollziehbar sind teilweise die Ausnahmen von der Integrationsvereinbarung. Die Absolvierung der neunten
Schulstufe, wie in Abs. 5 Z 9 vorgesehen, verlangt jedenfalls ein höheres
Niveau als Modul 2. Schwer verständlich ist auch, weshalb eine
Universitätsreife eine generelle Ausnahme bewirkt, schließt doch die
Universitätsreife nicht zwingend ein, auch deutsch sprechen zu können,
jedenfalls nach dem Wortlaut des Entwurfes ist nämlich nicht die
Universitätsreife einer inländischen Schule maßgebend.
Klarzustellen
wäre jedenfalls, dass über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Ausnahme ein
Feststellungsbescheid erwirkt werden kann.
Die
Verordnungsermächtigung in Abs. 6 ist sehr wenig determiniert, so sind zum
Beispiel der Umfang der Integrationskurse sowie die Voraussetzungen für die
Zertifizierung nicht geregelt. Die Verordnungsermächtigung könnte daher eine
unzulässige formalgesetzliche Delegation darstellen.
Abs. 7
ist zu begrüßen, zur Umsetzung wären aber dafür die erforderlichen
qualifizierten persönlichen Ressourcen zu schaffen. Derzeit sind diese bei den
Fremdenbehörden nicht vorhanden.
§ 15
Abs. 4
scheint bedenklich. Es erscheint erstens nicht nachvollziehbar wieso z.B. ein
Arbeitgeber verpflichtet sein soll solche Kurskosten für einen Fremden zu
bezahlen, liegt es doch im öffentlichen Interesse der gesamten Gesellschaft,
dass Fremde die Landessprache erlernen. Im Übrigen ist die Regelung völlig
unverständlich. Unklar ist erstens ob es sich um eine öffentlich rechtliche
oder privatrechtliche Verpflichtung handelt und welches Organ über
Rechtsstreitigkeiten entscheidet. Unklar ist auch wer zu was gegenüber wem
verpflichtet ist. Muss jetzt der Fremde die
Kurskosten selbst zahlen und hat einen Regressanspruch gegen den Arbeitgeber
oder meldet sich der Fremde bei einem Kurs an und wird der Arbeitgeber
gegenüber dem Kursveranstalter verpflichtet etc?
§ 16
Nach Abs. 1 Z 3 sollten europäische und demokratische Grundwerte vermittelt werden. Die Vermittlung dieser Werte ist grundsätzlich positiv, sollte aber nicht auf Fremde beschränkt werden, da die Kenntnisse europäischer und demokratischer Grundwerte auch bei der einheimischen Bevölkerung mangelhaft sind. Es wäre längst überfällig, eine derartige politische Bildung in der Pflichtschule für alle vorzusehen.
§ 19
Der
Ausschluss des Vertretungsrechtes in Abweichung des allgemeinen
Verfahrensrechtes ist abzulehnen. Durch Abs. 1 werden Fremde sogar von der
anwaltlichen Vertretung bei der Antragstellung ausgeschlossen. Die Bestimmung
erscheint daher rechtsstaatlich bedenklich. Auch im Hinblick auf Art 11 Abs. 2
B-VG scheint fraglich, ob eine derartige Abweichung vom AVG erforderlich ist,
dies noch dazu zu einem dem rechtsstaatlichen Gedanken widersprechenden Ziel.
Der Aufenthaltsort des Fremden kann problemlos durch eine Vorsprache des Fremden
bei der Behörde festgestellt werden, es ist nicht notwendig, hiefür das
Vertretungsrecht selbst zu begrenzen. Die Pflicht zur persönlichen
Antragstellung ist daher aus verfassungsrechtlicher Sicht sowie rechtspolitisch
abzulehnen und ersatzlos zu streichen.
Nicht
verständlich und ebenfalls im Hinblick auf Art. 11 Abs. 2 B-VG bedenklich, ist
das Verbot von Eventualanträgen. Eventualanträge haben nicht den Sinn oder die
Funktion, dass Fremde „irgendwie nach Österreich kommen“ wie dies die
Erläuterungen ausführen, sondern sollen Fristversäumnisse vermeiden oder den
Verwaltungsaufwand vermindern. Das Verbot von Individualanträgen betrifft ja
nicht neu nach Österreich einreisende Fremde – diese können durchaus statt
einem Antrag mit mehreren Individualanträgen, einfach mehrere Anträge
hintereinander stellen (was wiederum zu einem verstärkten Verwaltungsaufwand
führt) – da diese in der Regel kein Problem mit Antrags- oder
Rechtsmittelfristen haben. Getroffen werden vor allem in Österreich lebende
Fremde, die aus Rechtsunsicherheit zur Fristenwahrung Individualanträge stellen
(vgl. § 25). Warum es das in sämtlichen Rechtsmaterien bestehende Problem der
Rechtsunsicherheit, welches Individualanträge nahe legt, im Fremdenrecht nicht
geben sollte, ist nicht ersichtlich. Das Verbot der Individualanträge ist daher
abzulehnen und zu streichen.
§ 20
Die
Möglichkeit der Inlandsantragstellung für Fremde, die zur sichtvermerksfreien
Einreise berechtigt sind, ist zu begrüßen.
Abs. 4
wäre im Zusammenhang mit Abs. 2 Z
4 dahingehend zu modifizieren, dass im Falle des § 22 Abs. 4 bei verspäteter
Antragstellung oder während des aufrechten Verfahrens das Aufenthaltsrecht des
Kindes gewährleistet bleibt bzw. bei verspäteter Antragstellung das
Aufenthaltsrecht des Kindes nicht verloren gehen kann. Die vorgeschlagene
Regelung führt zu dem paradoxen sowie verfassungsrechtlich bedenklichen
Ergebnis, dass ein Elternteil zum Aufenthalt in Österreich berechtigt ist,
dessen Kind aber sogar das Recht auf Antragstellung im Inland verliert.
§ 21
Hinsichtlich
des Rechtes auf Zurückweisung seitens der Vertretungsbehörden ist auf obige
Ausführungen zu § 3 zu verweisen.
§ 22
Abs. 3
scheint problematisch. Der Bewilligungsbescheid soll dem Fremden nach Abs. 2
zugestellt werden. Dieser kann die Vignette, also die Urkunde über die erfolgte
bescheidmäßige Bewilligung, im Inland abholen. Nicht verständlich ist die
Formulierung „einstellen“, da ein mit Bescheid erledigtes Verfahren (was durch
die Zustellung gemäß Abs. 2 erfolgt ist) erledigt ist und nicht eingestellt
werden kann. Soweit vorgesehen ist,
dass Erledigungen gegenstandslos sind, was wohl u.a. den
Bewilligungsbescheid betrifft, so hat dies zur Folge, dass ein rechtskräftiger
Bescheid rückwirkend nur auf Grund der Nichtabholung der Urkunde in
Durchbrechung der Rechtskraft ex lege aufgehoben wird, wobei auf die Gründe
dieser Nichtabholung nicht Rücksicht genommen und auch keine
Stellungnahmemöglichkeit eingeräumt wird. Dies erscheint unsachlich und nicht
nachvollziehbar.
§ 23
Abs. 2
erscheint verfassungsrechtlich bedenklich, überzogen und überdies wenig
sinnvoll. Da Erstaufenthaltstitel nur mehr für Schlüsselkräfte und
Familienangehörige ausgestellt hat eine Versäumnis der 6-monatigen Frist in den
meisten Fällen faktisch den Verlust des Aufenthaltsrechtes zur Folge, dies ohne
Berücksichtigung des in Art. 8 EMRK gewährten Schutz des Privat- und
Familienlebens. Gleichzeitig kann auch die Situation eintreten, dass (insb.
gerade im Hinblick auf Art. 8 EMRK) eine Aufenthaltsbeendigung unzulässig ist,
sodass mit der vorgeschlagenen Regelung zum Teil schon lange in Österreich
lebende Fremde in die bloße „Duldung“ gedrängt werden. Alternativ sollte die
bisherige Rechtslage beibehalten bleiben, eine Versäumung der Frist kann, wenn
die materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung eines
Aufenthaltstitels vorgelegen sind, allenfalls eine Verwaltungsübertretung
darstellen, aber nicht den Verlust des Aufenthaltsrechtes zur Folge haben.
§ 24
Abs. 3
ist unverständlich und widersprüchlich. § 23 Abs. 3 gilt für den gesamten
Anwendungsbereich des § 24, da sonst die gesamte Regelung keinen Sinn machen
würde. Abs. 3 Z 2 ist unverständlich, da sich per definitionem in § 2 Z 11 und
Z 12 Verlängerungs- und Zweckänderungsanträge gegenseitig ausschließen. Die genannte
Verbindung eines Verlängerungs- und Zweckänderungsantrages muss aber am in § 19
Abs. 2 normierten Verbot der Eventualanträge scheitern. Das aus den
Erläuterungen hervorgehende und sinnvolle Ergebnis, dass die Verlängerung des
gleichen Titels nicht zu versagen und dieser auch zu erteilen ist, wenn dem
Zweckänderungsantrag nicht stattzugeben ist, findet im Entwurf selbst keine
eindeutige Deckung. Überdies wäre eine Klarstellung erforderlich, was mit Abs.
3 Z 1 genau gemeint ist.
§ 25
Gemäß
dem letzten Satz dieser Bestimmung hat die Abweisung eines
Zweckänderungsantrages keine Auswirkungen auf das bestehende Aufenthaltsrecht.
Diese Regelung ist im Prinzip zu begrüßen, jedoch weitgehend wirkungslos,
soweit das Verbot der Eventualanträge aufrecht erhalten werden soll. Läuft
nämlich der bisherige Aufenthaltstitel während der Dauer des
Zweckänderungsantrages ab, so kann eine Fristversäumnis nicht durch einen
Eventualantrag verhindert werden. Es sollte jedenfalls im Sinne der obigen
Ausführungen zu § 24 Abs. 3 Z 1 klargestellt werden, dass in so einem Fall bei
Vorliegen der Voraussetzungen jedenfalls ein Aufenthaltstitel mit dem gleichen
Zweckumfang zu erteilen ist, wenn die Voraussetzungen hiefür gegeben sind.
§ 26
Abs. 3
ist in der vorliegenden Form abzulehnen. Nicht verständlich ist, wieso im Falle
der Scheidung das Aufenthaltsrecht nur im Falle einer Scheidung aus
überwiegendem Verschulden erhalten bleiben soll. Dabei wird erstens nicht
berücksichtigt, dass nach den Vorschriften des IPRG nicht unbedingt
österreichisches Scheidungsrecht anzuwenden ist. Viele ausländische
Rechtssysteme (z.B. Deutschland oder Serbien etc.) kennen überhaupt keine
Scheidung aus Verschulden und in Sachverhalten mit Auslandsbezug ist typischerweise
nicht immer österreichisches Zivilrecht anwendbar. Im Übrigen ist weiters nicht
verständlich, wieso streitige Scheidungen gefördert werden sollen (was die
Konsequenz der vorgeschlagenen Regelung wäre), dies im Gegensatz zur sonstigen
allgemeinen Tendenz in der Gesetzgebung, die streitige Scheidungen
richtigerweise soweit wie möglich vermeiden will. Die Regelung verstärkt auch
ohne sachlichen Grund die verfahrenstaktische Position des nicht unmittelbar
betroffenen Ehegatten im Scheidungsverfahren bzw. bei den
Scheidungsverhandlungen gegenüber
dem auf die aufrechte Ehe zur Beibehaltung des Aufenthaltsrechtes angewiesenen.
§ 27
Abs. 1
sieht eine Befristung nur mehr für zwölf Monate vor. Der erste verlängerte
Titel sollte eine Gültigkeit von 24 Monaten haben, dies auch im Hinblick auf
die durch die kürzeren Fristen entstehenden Kosten bzw. den damit verbundenen
Aufwand.
§ 29
Diese
Bestimmung folgt der allgemeinen Tendenz, EG-Richtlinien so restriktiv wie
möglich umzusetzen. Eine faktische Sanktion vorzusehen, wenn ohnehin eine
Aufenthaltsbeendigung nicht zulässig ist, ist überflüssig.
§ 31
Abs. 1
gilt ohnehin im Verwaltungsverfahren und ist daher überflüssig. Abs. 2 ist
unverständlich. Eine DNA Analyse zum
Beweis vorzulegen ist ohnehin schon auf Grund des Grundsatzes der
Unbeschränktheit der Beweismittel zulässig und muss nicht ausdrücklich normiert
werden.
§ 32
Abs. 2
scheint verfassungswidrig, da die im Gesetz genannten Tatbestandsmerkmale
bereits vom Pflegschaftsgericht zu überprüfen sind und die Bestimmung auf eine
Überprüfung einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung durch eine
Verwaltungsbehörde hinausläuft.
§ 33
Diese
Bestimmung ist überflüssig. Die Grundwerte des Staates selbst sind ohnehin in
der Rechtsordnung normiert und werden durch vorgesehene Mechanismen
durchgesetzt. An das Gesetz müssen sich alle halten. Abseits dieser normierten
Verhaltensweisen liegt der persönliche Freiraum, den ein demokratischer Staat
jedem Bürger gewährt und teilweise gewähren muss (liberale Grundrechte). Da im
Entwurf aber das gesamte Verhalten an einem bestimmten Maßstab gemessen werden
soll, wird dieser Freiraum untergraben, was demokratiepolitisch bedenklich
erscheint. Unterstellt man nicht einen derartigen Inhalt, so ist die Bestimmung
inhaltslos und damit überflüssig.
§ 37
Die
vorgeschlagene Bestimmung scheint datenschutzrechtlich bedenklich und stellt
überdies eine verpönte Diskriminierung Fremder, die sich auf ein
gemeinschaftsrechtlich gewährleistetes Aufenthaltsrecht stützen, dar. Bezüglich
weiterer Ausführungen kann auf unsere Stellungnahme zum Entwurf des FPG 2005
verwiesen werden.
§ 46
Bedauerlicherweise
wird nach Beendigung des Studiums in Österreich nicht mehr ermöglicht,
quotenfrei im Inland als Schlüsselkraft zu verbleiben. Dies scheint im Hinblick
darauf, dass gut ausgebildete und bereits integrierte AkademikerInnen benötigt
werden, nicht zielführend und wirtschaftsfeindlich.
§ 47
Die
Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ausgenommen Erwerbstätigkeit für
Inhaber einer ausländischen Bewilligung Daueraufenthalt - EG ist leider
quotenpflichtig, was, wie im allgemeinen Teil der gegenständlichen
Stellungnahme dargelegt, den Intentionen der europäischen Freizügigkeit
zuwiderläuft.
§ 51
Das
Aufenthaltsrecht der Familienangehörigen von Österreichern in absteigender
Linie ist auf ein Alter von 18 Jahren begrenzt. Dem Gegenüber ist das
Aufenthaltsrecht der Familienangehörigen in absteigender Linie von EWR Bürgern
mit 21 Jahren begrenzt. Dies erscheint sachlich nicht gerechtfertigt und als unzulässige
Inländerdiskriminierung.
Generell
werden Angehörige von Österreichern im Entwurf massiv gegenüber Angehörigen von
EWR Bürgern ohne sachlichen Grund benachteiligt, indem unterschiedliche
Regelungen getroffen werden. Es ist zwar durchaus richtig, dass eine
Gleichstellung gemeinschaftsrechtlich vielleicht nicht geboten ist und eine
Inländerdiskriminierung gemeinschaftsrechtlich unproblematisch ist, jedoch ist
eine derartige Inländerdiskriminierung in der Regel im Hinblick auf Art. 7 B-VG
bzw. das RassDiskrBVG verfassungswidrig, wenn diese Diskriminierung sachlich
nicht gerechtfertigt ist. Soweit Angehörige von EWR Bürgern besondere Rechte
genießen, wären Angehörige von Österreichern den Angehörigen von EWR Bürgern
gleichzustellen. Die vorgeschlagenen Regelungen für Angehörige von
Österreichern scheinen in diesem Zusammenhang hingegen verfassungswidrig und
bedürfen einer gänzlichen Überarbeitung.
§ 69
Abs. 2
ist schwer verständlich. Da bei der Verlängerung sowieso ein Studienerfolgsnachweis zu erbringen ist, ist
Abs. 2 überflüssig und ersatzlos zu streichen.
§ 75
Diese
Bestimmung verschlechtert ohne Grund die Situation von Fremden, die sich
vorübergehend in Österreich aufhalten. Die bisherige Rechtslage sollte
alternativ aufrechterhalten werden.
§§ 76
und 77
Nach den
Erläuterungen sollen Bewilligungen aus humanitären Gründen generell von Amts
wegen erteilt werden. Aus dem Entwurf geht dies nicht bzw. nur teilweise
hervor, so ist in § 77 Abs. 1 keine Amtswegigkeit vorgesehen.
Leider
soll anscheinend die Möglichkeit wieder beschränkt werden,
Niederlassungsbewilligungen aus humanitären Gründen auf Antrag zu erteilen, was
den Rechtsschutz und die Nachvollziehbarkeit der Erteilung von Bewilligungen
aus humanitären Gründen wiederum einschränkt, da die Behörde nicht gezwungen
werden kann, bescheidmäßig zu entscheiden.
§ 78
Diese
Bestimmung steht im Widerspruch dazu, dass die Bewilligungen aus humanitären
Gründen nur von Amts wegen erteilt werden sollen. Nur deswegen weil die
Inlandsantragstellung nun nach § 78 zulässig ist, ergibt sich auch noch keine
materiellrechtliche Grundlage für die Erteilung eines Aufenthaltstitels. Die
Erläuterungen zu dieser Bestimmung sind schwer verständlich.
Generell
sollte eindeutig vorgesehen werden, dass humanitäre Bewilligungen nach den §§
76f, im Inland beantragt werden können und hierüber bescheidmäßig abzusprechen
ist.
§ 81
Bedauerlicherweise
wird trotz anhaltender Kritik die Sanktion bei Nichterfüllung der
Integrationsvereinbarung aufrechterhalten.
Das
subjektive Tatbestandsmerkmal in Abs. 2 Z 2 „wissen musste“ indiziert
Strafbarkeit bei Fahrlässigkeit und ist daher überzogen. Das Delikt sollte
ausschließlich als Vorsatzdelikt ausgestaltet werden.
Salzburg,
am 21.4.2005
Helping
Hands Salzburg Sybille
Wierer
Mag.
Ljiljana Zlatojevic
Mag.
Thomas Loos