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BMJ-B11.103/0002-I 8/2005                   Rp  667/05/CN/Va/                   4298                   13.06.2005

                                       Dr. Christoph Nauer

 

Entwurf eines BG, mit dem in der Zivilprozessordnung das Schiedsverfahren neu gestaltet wird sowie das Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, das Handelsgesetzbuch und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden (Schiedsrechts-Änderungsgesetz 2005 - SchiedsRÄG 2005), Stellungnahme

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

Die Wirtschaftskammer Österreich nimmt zum oa Gesetzesentwurf wie folgt Stellung:

 

Die WKO begrüßt die rechtspolitisch notwendige Reform des Schiedsverfahrenrechts. Österreich steht einerseits als neutraler internationaler Schiedsort für ausländische Unternehmen unter Konkurrenzdruck, andererseits ist auch für international agierende inländische Unternehmen wesentlich, dass ein leistungsfähiger Schiedsstandort als rechtliche Infrastruktur zur Verfügung steht. Neben der Effizienzsteigerung des Schiedsverfahrens ist es auch wichtig, dass Schiedsverfahren einer ausreichenden Kontrolle durch die staatlichen Gerichte unterworfen werden, um Rechtsschutzdefizite zu vermeiden. Der Entwurf verbindet diese oft gegensätzlichen Ziele hervorragend miteinander. Durch den Entwurf werden auch die von Praxis und Lehre besonders kritisierten Schwachstellen des österreichischen Schiedsverfahrenrechts (zB objektive Schiedsfähigkeit, Pattstellungen etc.) endlich ausgemerzt.

 

Zu den Bestimmungen im Einzelnen:

 

Zu Art I § 579 ZPO

Die Bestimmung sieht eine Verpflichtung der Parteien vor, Verfahrensmängel unverzüglich zu rügen. Wird ein Verfahrensmangel nicht unverzüglich gerügt, so kann die Rüge nachgeholt werden, wenn die Versäumung nach Überzeugung des Schiedsgerichts genügend entschuldigt wird.

 

Die Formulierung „genügend entschuldigt“ wird in den österreichischen Zivilverfahrensgesetzen bisher nicht verwendet. Es wäre daher unserer Ansicht nach besser, auf bereits bekannte Formulierungen zurückzugreifen; wie zB „minderer Grad des Versehens“ (vgl § 146 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand). Die Bestimmung könnte daher formuliert werden wie folgt: „…Liegt der Versäumung nur ein minderer Grad des Versehens zugrunde, so kann die Rüge nachgeholt werde.“

 

Zu Art I § 582 ZPO

Als Detail anzumerken ist, dass durch die Neuregelung der Schiedsfähigkeit nicht geregelt wird, ob Streitigkeiten zwischen Gebietskörperschaften (Bund, Länder und Gemeinden) einerseits und sonstigen Körperschaften öffentlichen Rechts andererseits sowie Streitigkeiten zwischen Körperschaften des öffentlichen Rechts untereinander schiedsfähig sind. Eventuell sollten derartige vermögensrechtliche Ansprüche ausdrücklich ausgenommen werden. Für vermögensrechtliche Ansprüche gegen Gebietskörperschaften, die weder im ordentlichen Rechtsweg noch durch Bescheid zu erledigen sind, ist gemäß Art 137 B-VG der VfGH zuständig.

 

Zu Art I § 583 Abs 1 ZPO

Die Bestimmung verlangt für die Schiedsvereinbarung eine Form, die einen Nachweis der Vereinbarung sicherstellt. Eine Schiedsvereinbarung kann auch durch Mail und Gegenmail zustande kommen. Die EB führen dazu aus, dass dabei eine Form erforderlich ist, die eine Zuordnung zum Aussteller sicherstellt, sodass etwa im Verkehr mit E-Mails eine entsprechende elektronische Signatur ausreicht.

 

Es stellt sich die Frage, ob bei Vereinbarungen mittels Mail und Gegenmail unbedingt eine elektronische Signatur erforderlich ist. Sollte tatsächlich immer elektronisch signierte Emails erforderlich sein, sollte dies deutlich klargestellt werden. Im internationalen Geschäftsverkehr ist aber derzeit nicht davon auszugehen, dass eine grenzüberschreitende Funktion von elektronischen Signaturen gewährleistet ist. Es sollte daher auf das Erfordernis der elektronischen Signatur verzichtet werden, um Schiedsvereinbarungen im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr nicht unnötig zu erschweren.

 

Zu Art I § 583 Abs 4 ZPO

Die Bestimmung sieht vor, dass Schiedsvereinbarungen, die in allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthalten sind, im Einzelnen ausgehandelt werden müssen. Die Bestimmung beruht auf der Überlegung, dass eine Schiedsvereinbarung, insbesondere im Hinblick auf Schiedsort, Verfahrenssprache, Verfahrenskosten, Rechtsschutzmöglichkeiten etc, auch Nachteile mit sich bringen kann, die bei Vertragsabschluss entsprechend erwogen werden sollten. Um „unbewusste“ Schiedsvereinbarungen zu vermeiden, müssen Schiedsvereinbarungen in AGB´s und Vertragsformblättern nach dem Entwurf einzeln ausgehandelt werden.

 

Die Bestimmung wurde im kammerinternen Begutachtungsverfahren teils befürwortet und teils entschieden abgelehnt. Aufgrund der Bedeutung des Schiedsverfahrens im internationalen Geschäftsverkehr und der befürchtenden Nachteile für die österreichische Exportwirtschaft, tritt die WKÖ für eine Streichung der Bestimmung ein.

 

Die Bestimmung würde die österreichische Exportwirtschaft gefährden. Gemäß § 577 Abs 1 ZPO idF des Entwurfs ist die Bestimmung immer dann anzuwenden, wenn der Sitz des Schiedsgericht im Inland liegt. Für die Vereinbarung eines österreichischen Schiedsgerichts zwischen einem österreichischen Unternehmen und einem ausländischen Vertragspartner in allgemeinen Geschäftsbedingungen bzw in standardisierten Vertragsformularen, wäre der österreichische Unternehmer gezwungen, die Schiedsvereinbarung einzeln auszuverhandeln. Dies wird in Branchen, wo Exportgeschäfte rasch und standardisiert abgewickelt werden, nicht möglich sein. Darüber hinaus würde der ausländische Vertragspartner durch ein „Ausverhandeln im Einzelnen“ geradezu auf die Vereinbarung eines österreichischen Schiedsgerichts hingewiesen, die aus Sicht des ausländischen Vertragspartners vielleicht Nachteile mit sich bringt. Die „Durchsetzung“ des Schiedsstandortes Österreich wäre daher durch die Bestimmung des Entwurfs sehr erschwert. Bei Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung müsste ein österreichisches Unternehmen seine Ansprüche – mit allen bekannten Nachteilen – vor einem ausländischen Gericht durchsetzen. Im internationalen Vergleich, ist eine derartige Beschränkung von Schiedsklauseln im Rahmen von AGB und Vertragsformblättern nicht üblich. Es ist daher davon auszugehen, dass ein ausländischer Importeur bei der Vereinbarung seines eigenen Schiedsstandortes nicht mit „Ausverhandlungspflichten“ belastet ist.

 

Um die österreichische Exportwirtschaft nicht zu belasten, sollte auf die „Ausverhandlungspflichten“ für Schiedsvereinbarungen in AGB und Vertragsformblättern verzichtet werden.

 

Zu Art I § 603 Abs 2 ZPO

Für den Fall, dass die Parteien die anzuwendenden Rechtsvorschriften oder Rechtsregeln nicht bestimmt haben, sieht die Bestimmung vor, dass das Schiedsgericht jene Rechtsvorschriften und Rechtsregeln anzuwenden hat, die es für angemessen erachtet.

 

Aus unserer Sicht lässt diese Bestimmung dem Schiedsgericht einen zu weitgehenden Ermessenspielraum. Der wesentlichste Aspekt ist, dass für die Parteien vorhersehbar ist, nach welchen Rechtsvorschriften oder Rechtsregeln das Schiedsgericht entscheiden wird. Die Lösung der deutschen ZPO – das Recht der engsten Verbindung – würde die entscheidungsrelevanten Rechtsvorschriften vorhersehbarer machen.

 

Zu Art I § 611 Abs 4 ZPO

Nach dieser Bestimmung berührt die Aufhebung eines Schiedsspruchs nicht die Wirksamkeit der zugrunde liegenden Schiedsvereinbarung.

 

Diese Bestimmung kann bei einer Aufhebung des Schiedsspruchs mangels gültiger Schiedsvereinbarung (§ 611 Abs 2 Z 1 lit a ZPO idF des Entwurfs), bei der Aufhebung wegen Überschreitens der Schiedsvereinbarung (§ 611 Abs 2 Z 1 lit c ZPO idF des Entwurfs) und bei Aufhebung mangels Schiedsfähigkeit des Gegenstands (§ 611 Abs 2 Z 2 lit a ZPO idF des Entwurfs) nicht anwendbar sein. Das sollte klargestellt werden.

 

Es stellt sich jedoch auch generell die Frage, ob Parteien zu einer unbestimmten Anzahl von „Anläufen“ verpflichtet werden sollen, wenn zB das Schiedsverfahren in einer Weise durchgeführt wurde, die den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung (ordre public) widerspricht (§ 611 Abs 2 Z 1 lit e ZPO idF des Entwurfs) oder des Schiedsspruchs diesen Grundwertungen widerspricht (§ 611 Abs 2 Z 2 lit b ZPO idF des Entwurfs). Es sollte diskutiert werden, ob nicht die derzeitige Lösung des § 595 Abs 2 ZPO – der Schiedsvertrag wird für den Gegenstand des Schiedsverfahrens unwirksam, wenn der hierüber ergangene Schiedsspruch bereits zweimal aufgehoben wurde – die sachgerechtere Lösung bietet. Die bestehende Bestimmung des § 595 Abs 2 ZPO könnte auch dahingehend geändert werden, dass der Schiedsvertrag nicht automatisch bei zweimaliger Aufhebung des Schiedsspruchs außer Kraft tritt sondern, dass das Gericht in diesen Fällen die Schiedsvereinbarung auf Parteienantrag aufheben kann.

 

Zu Art I § 619 ZPO

Die Bestimmung sieht vor, dass Schiedsvereinbarungen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher nur wirksam für bereits entstandene Streitigkeiten abgeschlossen werden können.

 

Aus unserer Sicht ist die derzeit geltende Schutzbestimmung des § 6 Abs 2 Z 7 KSchG (Schiedsvereinbarungen zwischen Unternehmer und Konsument müssen einzeln ausgehandelt werden) zum Schutz der Konsumenten ausreichend.

 

Zu Art II § 9 ASGG

Anstelle „In § 9 Abs 3 entfällt die Wortfolge“ müsste es lauten „In § 9 Abs 2 entfällt die Wortfolge“

 

Zu Art III § 362a HGB

Es wird sehr begrüßt, dass bei Unternehmergeschäften für den Abschluss eine Schiedsvereinbarung eine Spezialvollmacht nicht weiter erforderlich ist.

 

Zu Sonstiges

Gemäß § 1497 ABGB wird eine laufende Verjährung unterbrochen, wenn ein Anspruch mit Klage geltend gemacht wird. Entscheidend für die Unterbrechung ist der Zeitpunkt des Einlangens der Klage bei Gericht bzw in der gerichtlichen Einlaufstelle. Es stellt sich nun die Frage, wann bei Schiedsverfahren die Verjährungsunterbrechung bewirkt wird. Bei einem institutionellen Schiedsgericht mit Sekretariat wird vertreten, dass die Verjährungsunterbrechung mit Einlangen der Klage im Sekretariat erfolgt. Bei ad hoc Schiedsgerichten (ohne Geschäftsstelle) wird vertreten, dass eine Verjährungsunterbrechung mit Konstituierung des Schiedsgerichts eintritt. Da die Zusammensetzung des Schiedsgerichts in der Regel eine längere Zeit in Anspruch nimmt, könnte es sehr leicht zu Verjährungsproblemen kommen; insbesondere da Klagen in der Regel im allerletzten Moment eingebracht werden.

 

Es wird daher angeregt, eine Klarstellung zur Frage der Verjährungsunterbrechung in den Entwurf aufzunehmen. In der Sache sollte das Schreiben des Klägers über die Einleitung des Verfahrens samt Benennung eines Schiedsrichters maßgeblich sein, da der Kläger auf das weitere Procedere wenig Einfluss hat.

 

 

25 Ausfertigungen der Stellungnahme wurden dem Präsidium des Nationalrates übermittelt. Weiters wurde die Stellungnahme elektronisch an begutachtungsverfahren@parlament.gv.at gesandt.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

 

Dr. Christoph Leitl         Dr. Reinhold Mitterlehner

Präsident Generalsekretär-Stv.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

L:\CN-2005\667 SchiedsverfahrensR - SchiedsrechtsänderungsG 2005 (SchiedsRÄG)\667 schiedsreag stn.doc