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An das Präsidium des Nationalrats Parlament Dr. Karl Renner Ring 3 1017 Wien |
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GZ: BMSG-90590/0024-III/4/2005 |
Wien, 20.06.2005 |
Betreff: Begutachtung
(Schiedsrechts-Änderungsgesetz)
Sehr geehrter
Herr Präsident !
Ich darf Ihnen
die Stellungnahme des BMSG zum Schiedsrechts-Änderungsgesetz elektronisch sowie
postalisch in 25- facher Ausfertigung übermitteln und um Aufnahme in die
Parlamentshomepage ersuchen.
Mit freundlichen Grüßen
Für die Bundesministerin:
iV Dr. Maria Reiffenstein
Elektronisch gefertigt.
Stellungnahme des BMSG zum Schiedsrechts-Änderungsgesetz
Vorangestellt sei, dass das Schiedsverfahren – soweit ersichtlich - bei Verbraucherstreitigkeiten trotz der Institutionalisierung dieser Verfahren bei den Kammern der Rechtsanwälte und Notare durch die ZGV-Novelle 2002 bislang keine praktische Relevanz hat.
Die vorgeschlagenen Neuregelungen stellen zweifellos gegenüber der geltenden Rechtslage eine Verbesserung der Rechtsposition des Verbrauchers dar und werden daher insoweit seitens des BMSG begrüßt. (vgl. dazu Punkt 2)
Dessen ungeachtet stellt sich die grundsätzliche Frage, inwieweit Schiedsvereinbarungen im Verbrauchervertrag wirksam sein sollen.
1. Anlässlich der ZGV-Novelle 2002 wurde seitens des BMSG die Unzulässigkeit von Schiedsvereinbarungen im Verbrauchergeschäft gefordert. Einmal mehr dürfen die Beweggründe dafür wiederholt werden: Das Schiedsverfahren ist grundsätzlich nicht für Verbraucherstreitigkeiten, sondern vielmehr für komplexe Streitigkeiten des inländischen und internationalen Geschäftsverkehrs vorgesehen (zB. Börsenschiedsgericht, Bühnenschiedsgericht, Schiedsgerichte der gewerblichen Wirtschaft). Für Verbraucher könnten sich im Falle der Vereinbarung eines Schiedsgerichtes durchaus Nachteile ergeben. Insbesondere kann die Frage der Kostenhöhe sowie des Kostenersatzes abweichend von der ZPO zum Nachteil der Verbraucher geregelt werden. Die grundsätzliche Schwachstelle der Schiedsgerichtsbarkeit, die mögliche mangelnde Objektivität der Schiedsrichter, wirkt sich nämlich kostensteigernd aus. Um dieser Problematik entgegenzuwirken, werden in der Praxis üblicherweise Dreiersenate bestellt (vgl. Backhausen, Schiedsgerichtsbarkeit). Dies hat zur Folge, dass sich einerseits die Kosten erhöhen (idR. Entlohnung nach dem RATG) und andererseits aufgrund der Koordinierungsnotwendigkeiten die Verfahren länger dauern. Somit werden Schiedsverfahren idR teurer sein als ordentliche Verfahren. Dafür spricht auch die Etablierung der Schiedsgerichtsbarkeit bei den Kammern der Rechtsanwälte und Notare, die naheliegender weise ihr Kostenrecht vereinbaren werden. Für technische Fragen (zB. Bauprozesse, KFZ-Gewährleistungsfragen) werden mangels entsprechender Sachkenntnisse der Juristen-Schiedsrichter Sachverständige beigezogen werden, was wiederum zu Kostensteigerungen führen wird.
Demgegenüber sind die üblichen Vorteile der Schiedsgerichtsbarkeit – Geheimhaltung, spezielle (Rechts- und Fach-)Kenntnisse – für Verbraucherstreitigkeiten vielfach nicht gegeben.
Die
Sektion Konsumentenschutz spricht sich daher dafür aus, ein Verbot der
Schiedsgerichtsbarkeit für Verbraucherstreitigkeiten zu normieren.
Formen außergerichtlicher Streitbeilegung sollten für Verbraucherstreitigkeiten nur vereinbart werden sollen, wenn sie jedenfalls für Verbraucher gegenüber dem gerichtlichen Verfahren mit Vorteilen verbunden sind.
Angeregt wird daher, Verbrauchergeschäfte generell in § 582 von der Schiedsfähigkeit auszunehmen. Gerade im Verbraucherbereich kommt weitgehend– nicht zuletzt durch EU-Verbraucherschutzrichtlinien – zwingendes materielles Recht zur Anwendung. Die Wertungen der Erläuterungen zur Ausnahmeregelung betreffend wohnrechtliche Streitigkeiten kommen hier gleichermaßen zum Tragen. Des gleichen sind auch in § 9 (2) ASGG bestimmte Arbeitnehmerstreitigkeiten nicht schiedsfähig.
2. Für den Fall, dass dieses Anliegen des BMSG keine Berücksichtigung findet, darf zu den konkreten Vorschlägen wie folgt Stellung genommen werden:
Mit der Institutionalisierung der Schiedsgerichte bei den Kammern der rechtsberatenden Berufe sollten außergerichtliche Formen der Streitbeilegung gefördert werden. Um dem Prinzip der absoluten Willensfreiheit von Schiedsvereinbarungen im Verbrauchergeschäft ausreichend Rechnung zu tragen, müssen Schiedsverträge seit dem BGBl I 2003/91 „im Einzelnen ausgehandelt“ werden (§ 6 Abs 2 Z 9 KSchG). Schiedsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind im Verbrauchergeschäft daher unwirksam. Sofern sie „im Einzelnen ausgehandelt“ wurden, umfassen sie nach geltender Rechtslage sowohl Vorwegvereinbarungen, als auch Vereinbarungen nach Entstehen des Rechtsstreites.
Zu § 619 Abs 1 und 2:
Gem. Abs 1 soll nunmehr die Zulässigkeit einer Schiedsvereinbarung auf bereits entstandene Streitigkeiten beschränkt werden. Diese Beschränkung wird seitens des BMSG begrüßt, da sich Verbraucher bei Vorwegvereinbarungen der Tragweite ihrer Erklärung möglicherweise nicht bewusst sind und eine Erklärung daher leichtfertig abgeben. Diese Überlegungen waren wohl auch maßgeblich für die Vorbildregelung in § 9 Abs 2 ASGG.
Die in Abs 2 vorgeschlagenen speziellen Formvorschriften (Schriftlichkeit, eigenhändige Unterfertigung und Ausgestaltung der Urkunde) werden seitens des BMSG ebenfalls sehr begrüßt, da sie besondere Warnfunktion, der Anforderung an einer speziellen Erklärungsbewusstsein (§ 6 Abs 2 Z 7 KSchG) Rechnung tragen und der Rechtssicherheit förderlich sind.
Die vorgeschlagenen Sonderbestimmungen für Verbraucher sind nach Ansicht des BMSG jedenfalls noch ergänzungsbedürftig, um dem Schutzbedürfnis ausreichend Rechnung zu tragen: Die Formvorschriften - Anforderungen an das Erklärungsbewusstsein (§ 6 Abs 2), (Unter-)Schriftlichkeit, Inhalt der Urkunde – und die Voraussetzung des Vorliegens eines Anlassfalles führen dem Verbraucher zwar deutlich vor Augen, dass er eine Schiedsvereinbarung zustimmt, die Tragweite dieser Erklärung ist ihm jedoch nicht bewusst. Der Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit kann aber – wie unter Punkt 1 ausgeführt wurde - mit (wirtschaftlichen) Nachteilen verbunden sein (insbes. Kostenfolgen), denen kein für Verbraucher relevanter Vorteil gegenübersteht (zB. Verschwiegenheit). Nach dem Regelungsvorschlägen werden keine Mindestinhalte einer Schiedsvereinbarung vorgeschrieben (zB Kostenersatz, Sitz des Schiedsgerichtes, Verfahrensrecht etc.) Die Schiedsrichter sind vielmehr – abgesehen von zwingenden Verfahrensvorschriften – weitgehend frei in der Festlegung des anzuwendenden Verfahrensrechts bzw. materiellen Rechts. So sind etwa auch Billigkeitsentscheidungen möglich. All dies steht zum Zeitpunkt der Schiedsvereinbarung nicht fest. Daher ist selbst für einen rechtskundigen Verbraucher nicht möglich, einen „Günstigkeitsvergleich“ betreffend Schiedsgerichtsbarkeit und ordentlicher Gerichtsbarkeit vorzunehmen. Aber selbst eine Normierung allein dahingehend, dass im Verbrauchergeschäft Schiedsverträge zwingende Mindestinhalte vorsehen müssen, würde dem Schutzbedürfnis nicht ausreichend Rechnung tragen. Anzunehmen ist nämlich, dass die Initiative für eine Schiedsvereinbarung eher vom Unternehmer ausgehen wird, der, entsprechend (rechts-) beraten, die Inhalte des Vertrages vorgeben wird. Im Verbrauchergeschäft wären daher – abweichend von den allgemeinen Regeln – zwingende Verfahrensregeln zu normieren.
Die Normierung von Mindestinhalten des Schiedsvertrages verbunden mit zwingenden Verfahrensregeln (Kostenersatz, Gerichtsstand etc.) würde die Einschätzung der Tragweite der Vereinbarung erleichtern. Ausreichenden Schutz für unversierte bzw. rechtlich unerfahrene Personen bietet aber auch dieser Lösungsansatz nicht. Diese Überlegungen sollten daher zum Anlass genommen werden, die Schiedsfähigkeit von Verbraucherstreitigkeiten auszuschließen.
Zu § 619 Abs 3 und 4:
Das Naheverhältnis des Ortes des Schiedsgerichtes zum Wohnsitz bzw. Aufenthaltsort des Verbrauchers sollte zwingend entsprechend § 14 KSchG geregelt werden.
Zu § 619 Abs 5:
Zwingende Verbraucherschutzbestimmungen sollten – unabhängig davon, ob sie bei einer Rechtswahl mit Auslandsberührung abbedungen werden können – zu Anwendung gelangen und als Aufhebungsgründe releviert werden können.
Begrüßt wird, dass Gründe für eine Wiederaufnahme ausdrücklich für die Geltendmachung einer Aufhebung des Schiedsspruches herangezogen werden können.
Es wird ersucht, die Bedenken des BMSG zu berücksichtigen.