REPUBLIK ÖSTERREICH

BUNDESKANZLERAMT

 

Geschäftszahl:

BKA-600.842/0006-V/A/5/2005

An das

Bundesministerium für

Gesundheit und Frauen

 

Radetzkystraße 2

1030 Wien

Sachbearbeiter:

Frau Dr Susanne PFANNER

Herr Mag. Albert POSCH

Pers. e-mail:

Susanne.Pfanner@bka.gv.at

Albert.Posch@bka.gv.at

Telefon:

01/53115/2724

Ihr Zeichen
vom:

BMGF-75100/0015-IV/B/10/2004
20.04.2005

Antwortschreiben bitte unter Anführung der Geschäftszahl an:

v@bka.gv.at

 

 

 

Betrifft:  Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem ein Bio-Durchführungsgesetz erlassen sowie das Gesundheits- und Ernährungssicherheitsgesetz und das Behörden-Überleitungsgesetz geändert werden;

Begutachtung; Stellungnahme

 

 

Zum mit der do. oz. Note übermittelten Gesetzesentwurf samt Beilagen nimmt das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst wie folgt Stellung:

I. Allgemeines:

Zu legistischen Fragen darf allgemein auf die (neue) Internet-Adresse http://www.bundeskanzleramt.at/legistik hingewiesen werden, unter der insbesondere

·      die Legistischen Richtlinien 1990 (im Folgenden zitiert mit „LRL ...“),

·      das EU-Addendum zu den Legistischen Richtlinien 1990 (im Folgenden zitiert mit „RZ .. des EU-Addendums“),

·      der ‑ für die Gestaltung von Erläuterungen weiterhin maßgebliche ‑ Teil IV der Legistischen Richtlinien 1979,

·      die Richtlinien für die Verarbeitung und die Gestaltung von Rechtstexten (Layout-Richtlinien) samt einer für die Erzeugung der Rechtstexte vorgesehenen Word 97-Dokumentvorlage und

·      verschiedene, legistische Fragen betreffende Rundschreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst

zugänglich sind.

Die Gemeinschaftsrechtskonformität des im Entwurf vorliegenden Bundesgesetzes ist vornehmlich vom do. Bundesministerium zu beurteilen.

Es wird angeregt, den vorliegenden Entwurf in sprachlicher Hinsicht gründlich zu überarbeiten.

II. Zum Gesetzesentwurf:

Zu Artikel 1

Allgemeine Bemerkungen:

Der vorliegende Gesetzesentwurf sieht vor, dass private Kontrollstellen als Beliehene die Kontrollverfahren zur Einhaltung der Bio-Verordnung durchführen. Diese sollen in ihrer Behördeneigenschaft der Aufsicht durch den Landeshauptmann unterliegen, wobei letzterem durch § 10 Abs. 1 eine umfassende Weisungsbefugnis eingeräumt wird. Es wird darauf hingewiesen, dass in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung bundesgesetzliche Bestimmungen, die Beliehene dem Landeshauptmann unterstellen, der Zustimmung der Länder bedürfen (vgl. Raschauer, in: Korinek/Ho­loubek, Kommentar, Rz 59 zu Art. 102 B-VG).

 

In einer generellen Norm sollte gemäß der bestehenden Praxis die Bezeichnung „Bundesminister“ verwendet und nicht auf die derzeitige Amtsinhaberin abgestellt werden.

Zu § 1 Abs. 1:

Diese Bestimmung stellt einen Durchführungshinweis dar, umschreibt jedoch nicht den Anwendungsbereich des vorliegenden Bundesgesetzes. Es wird daher angeregt, ihr einen eigenen Paragraphen zu widmen oder sie in die Schlussbestimmungen aufzunehmen. Im Hinblick auf die legistische Praxis und den ausdrücklichen Durchführungshinweis wird angeregt, den Titel des Bundesgesetzes zu straffen und den Kurztitel um den Hinweis auf „Lebensmittel“ usw. zu ergänzen, um diesem Aussagekraft zu verleihen.

Auf das Schreibversehen in Abs. 4 darf hingewiesen werden („Dieses Bundesgesetz …“).

Zu § 2:

In Z 3 wäre das zweite Paragraphenzeichen zu streichen.

Im Übrigen erhebt sich die Frage, ob die Begriffsbestimmung der „zuständigen Behörde“ der besseren Lesbarkeit des Gesetzes dient, zumal im weiteren Verlauf ohnehin noch die „betreffende Behörde“ sowie die „örtlich zuständige Behörde“ genannt wird.

Der Inhalt des letzten Satzes ergibt sich im Übrigen bereits aus der Rechtsnatur gemeinschaftsrechtlicher Verordnungen und besitzt sohin keinen normativen Charakter, sodass er gestrichen werden sollte.

Zu § 4:

Anstelle des Bundesministeriums wäre als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde der Bundesminister zu nennen. Die Formulierung „im Instanzenzug übergeordnete Behörde“ wäre im Hinblick auf den in § 15 Abs. 4 vorgesehenen Instanzenzug zum Unabhängigen Verwaltungssenat zu präzisieren (vgl. dazu auch die Ausführungen zu § 15 Abs. 4 des Entwurfs).

Zu § 5:

Da diese Bestimmung bloß einen Absatz umfasst, wäre die Paragraphenbezeichnung zu streichen.

Zu § 6:

Der Begriff „Naturkostfachhändler“ sollte im Hinblick auf Art. 18 B-VG definiert werden.

Zu § 7:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 ist für die Zulassung als Kontrollstelle auch die Niederlassung im Inland erforderlich. In diesem Zusammenhang wird auf das Vertragsverletzungsverfahren Nr. 1999/5057 hingewiesen, in welchem die Europäische Kommission monierte, dass die Position der österreichischen Behörden, wonach private Kontroll-Einrichtungen im Rahmen der biologischen Landwirtschaft in Österreich niedergelassen sein müssen, nicht mit der in Art. 49 EGV normierten gemeinschaftsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit vereinbar sei. Insbesondere vertritt die EK die Auffassung, dass die Tätigkeiten der privaten Kontroll-Einrichtungen mangels Durchsetzungsbefugnis keine Ausübung öffentlicher Gewalt iSd des Art. 45 EGV darstelle. Es liege daher keine durch Art. 45 EGV gestützte Ausnahme vom Anwendungsbereich des Art. 49 EGV vor. Die Republik Österreich hat zuletzt mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2002 (GZ BKA.VV.99/5057/003-V/A/8/2002) zur begründeten Stellungnahme der Kommission Stellung genommen. Soweit ersichtlich, wurde das Vertragsverletzungsverfahren bis dato nicht – jedenfalls nicht formal – eingestellt.

Der vorliegende Entwurf sieht die Übertragung von hoheitlichen Aufgaben an private Kontrollstellen vor. In ihrer hoheitlichen Eigenschaft soll diesen nunmehr insbesondere auch die Befugnis zur Ausübung von unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zukommen. Wenn auch vor dem Hintergrund der oben dargestellten Position der EK § 7 Abs. 1 Z 13 nun aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht unbedenklich scheint, ist jedoch an dieser Stelle auf die zu § 16 des Entwurfs dargestellte verfassungsrechtliche Problematik einer Übertragung der Befugnis zur Befehls- und Zwangsgewalt an Beliehene hinzuweisen.

Die in Abs. 3 angeordnete Wirkung der Zulassung „für das gesamte Bundesgebiet“, ist überflüssig, da sich dies aus der Rechtsnatur des im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung erlassenen Bescheides ergibt. Nur eine eingeschränkte Wirkung wäre gesetzlich anzuordnen.

Der – unechte – letzte Absatz des § 7 bedürfte der Umgestaltung dahingehend, dass er mit § 29 Abs. 1 zusammengefasst wird. Wenn er weiters bloß hier auf die „örtlich zuständige Behörde“ abstellt, so erhebt sich die Frage, was der Gesetzgeber damit bezweckt, kann man doch davon ausgehen, dass auch bei allen anderen Bestimmungen jeweils die örtlich zuständige Behörde angesprochen ist. Diese Bestimmung zeigt freilich iZm. § 10, dass es erforderlich wäre, im Gesetz einen Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit des Landeshauptmannes im Einzelfall zu bestimmen. Da die Kontrollstellen österreichweit tätig sein können, erschiene es möglicherweise zweckmäßig, gegenseitige Meldepflichten der Landeshauptmänner vorzusehen.

Gemäß § 7 Abs. 4 Z 2 ist eine Zulassung als Kontrollstelle u.a. zu widerrufen, wenn „im groben Maße“ (gemeint wohl: „in grobem Maße“) gegen Verpflichtungen gemäß § 8 des Entwurfs verstoßen wird. Im Hinblick auf Art. 18 Abs. 1 B-VG erscheint diese Formulierung bedenklich.

Es wird angeregt, den nunmehrigen zweiten bis vierten Satz des § 7 Abs. 4 in einem gesonderten Abs. 5 zu regeln.

Zu § 8:

Abs. 1 dieser Bestimmung regelt die Aufgaben der Kontrollstellen. Unter Verweis auf Art. 9 Abs. 6 lit. a und b der Bio-Verordnung wird dabei in Z 3 und 4 die „Wahrung der Objektivität“ bzw. „die Gewährleistung der Wirksamkeit der Kontrolltätigkeit“ genannt. Es wird darauf hingewiesen, dass es sich dabei nicht um Aufgaben der Kontrollstellen handelt; vielmehr haben diese ihre Aufgaben objektiv und effektiv zu erfüllen. Dies ergibt sich auch aus den zitierten Bestimmungen der Bio-Verordnung. Danach obliegt es nämlich nach Zulassung der Kontrollstellen der zuständigen Behörde, die Objektivität der von den Kontrollstellen durchgeführten Kontrollen zu gewährleisten (Art. 9 Abs. 6 lit. a) und deren Wirksamkeit zu überprüfen (Art. 9 Abs. 6 lit. b).

Zu § 9:

Es wird angeregt, festzulegen, von wem und in welchen Abständen die Liste der einer zugelassenen Kontrollstelle „unterstellten“ Unternehmen zu aktualisieren ist.

Zu § 10 Abs. 2 und 3:

Wie bereits ausgeführt, wäre klarzustellen, woran die Aufsicht durch den (jeweiligen) Landeshauptmann anknüpft (Ort der Zulassung oder des Tätigwerdens der Kontrollstelle?).

§ 10 Abs. 2 bedarf etwa grammatikalischer Überarbeitung.

Gemäß dieser Bestimmung kann der Bundesminister für Gesundheit und Frauen „mit Erlass“ Form und Umfang des von den privaten Kontrollstellen vorzulegenden Tätigkeitsberichts festlegen. Ein Erlass ist eine generelle, das Verhalten von Organen regelnde Weisung für den verwaltungsinternen Bereich. Im vorliegenden Fall soll der Erlass jedoch für private - wenn auch beliehene – Kontrollstellen gelten, es wird daher angeregt, eine Regelung in Verordnungsform vorzusehen, da der Tätigkeitsbericht nicht auf die hoheitlichen Aufgabenbereiche der Kontrollstellen beschränkt wird.

§ 11 Abs. 2:

Gemäß § 11 Abs. 2 haben die Kontrollstellen und die zuständige Behörde dem Bundesminister für Gesundheit und Frauen über den „Vollzug“ der Richtlinien gemäß Abs. 1 entsprechend einem vom Bundesminister für Gesundheit und Frauen „erlassenen“ Berichtsschema zu berichten. Die Rechtsform dieses Berichtsschemas ist unklar. Sofern es sich dabei um einen Erlass handeln sollte, wird darauf hingewiesen, dass mit einem Erlass ausschließlich die behördliche Tätigkeit der Kontrollstellen und damit in engem Zusammenhang stehende Tätigkeiten angesprochen werden darf. Im Übrigen sollte für die „Einhaltung“ der Richtlinien Sorge getragen werden.

Zu § 12:

In Abs. 1 wird auf den „Stand der Wissenschaft und Technologie“ abgestellt. Es wird davon ausgegangen, dass hier – ebenso wie in § 18 - der Stand der Technik gemeint ist. Die Wortfolgen sollten daher vereinheitlicht werden. Gleiches gilt für § 23.

Den in dieser Bestimmung vorgesehenen Überwachungstätigkeiten kommt insofern eine verfassungsrechtliche Dimension zu, als gemäß Abs. 2 gesetzte Maßnahmen in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht und die Erwerbsausübungsfreiheit, allenfalls auch das Recht auf Wohnung iSd. Art. 8 EMRK, eingreifen können. Die Maßnahmen sind daher an den durch diese Grundrechte vorgegebenen verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen zu messen, weshalb sich im Hinblick auf Abs. 2 Z 3, insbesondere aber im Hinblick auf die in Z 4 geregelte Probennahme die Frage der Verhältnismäßigkeit stellt. Dieser Aspekt wäre im Entwurf entsprechend zu berücksichtigen. Außerdem wäre in Z 5 zu präzisieren, welcher Personenkreis von der Pflicht der Leistung von Hilfestellungen erfasst ist.

Gemäß § 12 Abs. 7 2. Satz haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes den Aufsichts- und Kontrollorganen über deren Ersuchen bei der Durchsetzung der Durchführung einer Kontrolle „Hilfe zu leisten“. Der Wortlaut lässt vermuten, dass hier an die Leistung von Amtshilfe gedacht ist. Dazu ist festzuhalten, dass im vorliegenden Fall in Bezug auf die privaten Kontrollstellen Art. 22 B-VG nicht gilt: Zur wechselseitigen Hilfeleistung im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches sind gemäß Art. 22 B‑VG alle Organe des Bundes, der Länder und der Gemeinden verpflichtet. Die herrschende Auffassung versteht den Organbegriff im Sinne des Art. 22 B‑VG strikt organisatorisch und erachtet aufgrund der genannten Bestimmung von der Verpflichtung zur wechselseitigen Amtshilfe nur die Organe von Gebietskörperschaften als erfasst (siehe etwa Wiederin, in: Korinek/Holoubek [Hrsg.] Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art. 22 Rz 19ff, mwN). Art. 22 B‑VG steht jedoch einer einfachgesetzlichen Regelung nicht entgegen, Amtshilfe auch auf andere Organe auszudehnen (Wiederin, aaO, Rz 23, Kucsko-Stadlmayer, Grenzen der Ausgliederung, 15. ÖJT 2003, I/1, 71); eine derartige einfachgesetzliche Ausdehnung wäre im Hinblick auf Art. 18 B-VG jedoch näher auszugestalten. Bei der Formulierung einer derartigen Bestimmung könnte eine Orientierung an bestehenden Ausgliederungsgesetzen erfolgen.

Zu § 13:

Es wird angeregt, den Inhalt des § 13 in den 2. Abschnitt zu integrieren, der im Wesentlichen Zulassung, Aufgabenbereich von sowie die Aufsicht über Kontrollstellen regelt.

Zu § 14 Abs. 1 Z 5:

,

§ 14 richtet sich an „Unternehmen“, während die Erläuterungen von „Unternehmern“ ausgehen. Es sollte in Abs. 1 jedenfalls klargestellt werden, wen die hier festgelegten Pflichten tatsächlich treffen, zumal „Stellvertreter“ von Unternehmen nach österreichischem Recht erst definiert werden müssten.

§ 14 Abs. 1 Z 5 des vorliegenden Entwurfs normiert eine Verpflichtung für „Unternehmen“, den Aufsichts- und Kontrollorganen auf Verlangen die erforderlichen Auskünfte, insbesondere über Erzeugung, Aufbereitung, Vertrieb, Lagerung, Einfuhr, Herkunft  und Abnehmer von Erzeugnissen gemäß Art. 1 der Bio-Verordnung Nr. 2092/91/EWG zu erteilen.

Diese Pflicht ergibt sich grundsätzlich aus der – gemäß Art. 249 Abs. 2 EGV ohnehin unmittelbar anwendbaren – Bio-Verordnung Nr. 2092/91/EWG, indem Anhang III, Allgemeine Vorschriften, Z 6 vorsieht, dass Bestands- und Firmenbücher zu führen sind, die es der Kontrollstelle oder -behörde gestatten, die Empfänger und, soweit es sich um andere Personen handelt, die Käufer aller Erzeugnisse gemäß Art. 1 der Bio-Verordnung zu ermitteln.

Der Bio-Verordnung Nr. 2092/91/EWG kann allerdings nicht die Verpflichtung entnommen werden, Aufzeichnungen über den Verkauf an Letztverbraucher zu führen und darin enthaltene personenbezogene Daten über Konsumenten von Erzeugnissen gemäß Art. 1 der Bio-Verordnung an Kontrollorgane weiterzugeben. Daher wird die Formulierung im vorliegenden Gesetzesentwurf in datenschutzkonformer Weise einschränkend zu interpretieren sein.

Die Wortfolge „Auskünfte (…) über Abnehmer“ im Sinne des § 14 Abs. 1 Z 5 des Entwurfs könnte in diesem Zusammenhang Auslegungsfragen aufwerfen. Eine Weitergabe von personenbezogenen Daten von Konsumenten scheint nämlich nicht erforderlich, um den Anforderungen an ein Kontrollverfahren gemäß Art. 8 und 9 der Bio-Verordnung Nr. 2092/91/EWG zu entsprechen. Daher erscheint aus datenschutzrechtlicher Sicht eine Klarstellung in dem Sinne wünschenswert, dass unter „Abnehmer“ im Sinne des § 14 Abs. 1 Z 5 des Entwurfs jedenfalls nicht „Verbraucher“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Konsumentenschutzgesetz, BGBl Nr. 40/1970 idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 62/2004, zu verstehen sind. Eine derartige Klarstellung könnte in den Begriffsbestimmungen des § 2 des Entwurfs erfolgen. Zumindest scheint aber ein entsprechender Hinweis im Besonderen Teil der Erläuterungen notwendig.

Zu §§ 12, 15 und 16:

Entsprechend dem gegenständlichen Gesetzesentwurf obliegt die Kontrolle der Einhaltung der Vorgaben der Bio-Verordnung den zugelassenen Kontrollstellen bzw. deren Kontrollorganen, gleichzeitig aber auch dem Landeshauptmann als zuständiger Behörde durch seine Aufsichtsorgane (§ 12). Außerdem können sowohl Kontrollorgane als auch Aufsichtsorgane Maßnahmen gemäß § 15 des Entwurfs anordnen und über die (vorläufige) Beschlagnahme von Erzeugnissen (§ 16) bestimmen.

Diese Regelung ist im Hinblick auf das aus Art. 18 iVm. Art. 83 Abs. 2 B-VG abzuleitende Gebot der genauen Regelung der Behördenzuständigkeit im Gesetz verfassungsrechtlich bedenklich. Der Verfassungsgerichtshof vertritt nämlich in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass Art. 83 Abs. 2 B-VG nicht nur eine Bindung der Vollziehung, sondern insoweit auch eine Bindung der Gesetzgebung bedeute, als sich die Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit einer Behörde aus dem Gesetz selbst ergeben müsse (vgl. VfSlg. 2909/1955, 3156/1957 und 6675/1972). Der Gesetzgeber muss daher die Behördenzuständigkeit nach objektiven Kriterien (VfSlg. 3156/1957, 8349/1978), exakt (VfSlg. 9937/1984, 10.311/1984) klar und eindeutig (VfSlg 11.287/1987) festlegen. Die Zuständigkeit darf nicht von Umständen abhängen, die vom Rechtsunterworfenen nicht vorhersehbar sind und eine Änderung der Zuständigkeit ermöglichen (vgl. VfSlg. 13.029/1992, 14.192/1995). Genau dies wäre aber bei der vorgesehenen konkurrierenden Zuständigkeit der Fall.

Gemäß § 15 Abs. 1 des vorliegenden Entwurfs haben die Kontroll- und Aufsichtsorgane bei Wahrnehmung von Verstößen „gegebenenfalls unter einer gleichzeitig zu setzenden angemessenen Frist“ die Möglichkeit, die zur Mängelbehebung und Risikominderung erforderlichen Maßnahmen „anzuordnen“. Die Rechtsqualität dieser Anordnung ist unklar. Der Entwurf scheint von der Auffassung getragen zu sein, dass alle in Z 1 bis 6 näher umschriebenen Anordnungen als Akte unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren wären. Insbesondere auf Grund der Möglichkeit zur Setzung einer angemessenen Frist und im Sinne eines entsprechenden Rechtsschutzes wäre es erforderlich, für solche Anordnungen eine bescheidmäßige Erledigung vorzusehen. Diesfalls wäre im Zusammenhang mit dem in Abs. 4 normierten Instanzenzug zum UVS auf Art. 129a Abs. 2 B‑VG hinzuweisen, demgemäß ein Bundesgesetz, das Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung regelt und in diesem Rahmen die Berufungsmöglichkeiten an den UVS vorsieht, vor seiner Kundmachung der Zustimmung der Länder bedarf. Zur verfassungsrechtlichen Problematik der Übertragung der Befugnis zur Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt auf Beliehene siehe die Ausführungen zu § 16 des Entwurfs.

Gemäß § 15 Abs. 2 kann „die Kontrollstelle oder die zuständige Behörde“ vor der Anordnung von Maßnahmen gemäß Abs. 1 schriftlich zur Abstellung der wahrgenommenen Verstöße auffordern. Auch hier stellt sich die Frage, welche Rechtsqualität dieser Aufforderung zukommen soll. Im Hinblick auf die in der Verfassung festgelegte Geschlossenheit des Rechtsquellenkatalogs und auf das rechtsstaatliche Prinzip, das die Überprüfbarkeit aller Verwaltungsakte fordert, wird es sich dabei wohl um einen Bescheid handeln.

Mit § 12 Abs. 2 werden Kontrollstellen mit Rechten zum Betreten von Gebäuden usw., zur Akteneinsicht und zu Probennahmen, mit § 16 zur Beschlagnahme von dem Bio-DurchführungsG unterliegenden Erzeugnissen ermächtigt. Im Hinblick auf die seit dem „Austro Control Erkenntnis“ gefestigte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (VfSlg. 14.473/1996) ist bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung dieser Regelung zu bedenken, dass die Vorsorge für die Sicherheit im Inneren und nach außen sowie die Ausübung der (Verwaltungs-)Strafgewalt zu den Kernbereichen der staatlichen Verwaltung zählen (so auch die Erläuterungen zu § 7 des Entwurfs) und damit einer Ausgliederung nicht zugänglich sind. Unter dem Begriff der „Sicherheit im Inneren und nach außen“ versteht der Verfassungsgerichtshof nicht bloß Aufgaben der allgemeinen Sicherheitspolizei, sondern auch solche der Verwaltungspolizei. Im oz. Erkenntnis kommt dies dadurch zum Ausdruck, dass der Verfassungsgerichtshof im Zusammenhang mit dem dem Erkenntnis zugrunde liegenden Sachverhalt auch überprüft hat, inwiefern die der Austro Control GmbH übertragenen Aufgaben als „zentrale verwaltungspolizeiliche Aufgaben des Zivilluftfahrtwesens“ zu qualifizieren sind. Zu den ausgliederungsfesten Kernaufgaben hat der Verfassungsgerichtshof im Rahmen der Prüfung von § 54 ZivildienstG jüngst auch Aufgaben gezählt, die mit „erheblichen Eingriffen in verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte“ verbunden seien (vgl. das Erkenntnis vom 15. Oktober 2004, G 36/04).

Mit der vorgesehenen Übertragung der Befugnis zur Beschlagnahme an die Kontrollorgane wäre die Übertragung der Befugnis zur regelmäßigen Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt verbunden. Diese Tätigkeit wäre daher zweifellos als „zentrale verwaltungspolizeiliche“ Aufgabe einzustufen, an deren Ausübung per definitionem Eingriffe in verfassungsrechtlich gewährleistete Rechte geknüpft sind, die in der Regel auch die Schwelle der „Erheblichkeit“ im Sinn des oben angeführten Erkenntnisses erreichen könnten. Eine solche Regelung, die die Übertragung des dem Staat vorbehaltenen Gewaltmonopols an einen Privaten vorsieht, könnte die verfassungsrechtlichen Grenzen einer zulässigen Übertragung der Zuständigkeit zur Erlassung von Hoheitsakten überschreiten.

Der Verfassungsgerichtshof hat zwar im Rahmen der Überprüfung der Zulässigkeit eines Sicherheitsbeitrages an Flughäfen die durch das Bundesgesetz über den Schutz vor Straftaten gegen die Sicherheit von Zivilluftfahrzeugen, BGBl. Nr. 824/1992, vorgenommene Übertragung der Sicherheitskontrollen auf private Unternehmen zwar in keiner Weise kritisiert (vgl. VfSlg. 13.659/1993, 14.868/1997); die daraus abzuleitende verfassungsrechtliche Zulässigkeit kann jedoch nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Die im Fall der Flughafensicherung vorgenommene Privatisierung unterscheidet sich von der hier geplanten Beleihung insofern, als den privaten Unternehmen lediglich die Durchsuchung von Personen und Gepäck übertragen, zu diesem Zweck jedoch keine Befugnis zur Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt eingeräumt wurde.

Die Erläuterungen zu dem oz. Bundesgesetz (RV 693 BlgNR 18. GP, 7 f) führen dazu ausdrücklich aus, dass im Rahmen der Privatisierungsüberlegungen das staatliche Gewaltmonopol als Grenze der Möglichkeit einer Übertragung von Aufgaben aus diesem Bereich der Sicherheitsverwaltung an Private gesehen wurde. Diese Grenze sei gewahrt, da „die Durchsuchung von Personen und ihrem Gepäck nach § 2 des Entwurfes zwar zur Hoheitsverwaltung gehört, jedoch weder Befehlsgewalt impliziert, noch zwangsweise durchgesetzt werden kann. Die Durchführung von Durchsuchungen durch Bedienstete des beauftragten Unternehmens schafft lediglich eine Voraussetzung für die Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes“.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass vorweg nicht gesichert erscheint, ob und inwieweit der Verfassungsgerichtshof die hier in Aussicht genommene Beleihung für verfassungskonform erachtet.

Der Entwurf unterscheidet zwischen „vorläufiger Beschlagnahme“ und „Beschlagnahme“. Diese Differenzierung wäre näher auszuführen.

Außerdem erhebt sich die Frage, warum nach Abs. 7 für eine Probenentnahme jedenfalls der Auftrag der Bezirksverwaltungsbehörde erforderlich ist.

Zu § 17:

Der letzte Absatz dieser Bestimmung sollte die Bezeichnung „(3)“ tragen.

Zu § 18 Z 1 und § 23:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 10.296/1984, 11.547/1987, 14.762/1997) dürfen Verordnungen bloß präzisieren, was in den wesentlichen Konturen bereits im Gesetz selbst vorgezeichnet wurde. Soll ein Gesetz mit Durchführungsverordnung vollziehbar sein, müssen daraus folglich alle wesentlichen Merkmale der beabsichtigten Regelung ersehen werden können (Prinzip der Vorausbestimmtheit des Verordnungsinhalts durch das Gesetz, (vgl. VfSlg. 11.859/1988). Die die Grundlage der Verordnung bildende gesetzliche Regelung muss nämlich dem Verordnungsgeber in ausreichendem Maß Kriterien vorgeben, um eine darauf gestützte Durchführungsverordnung erlassen zu können (vgl. VfSlg. 14.550/1996). Nach der angeführten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist demnach die Grenze zwischen einer ausreichenden materiellen Bestimmtheit des Gesetzes und einer formalen Delegation danach zu beurteilen, ob die im Verordnungsweg getroffene Durchführungsregel auf ihre inhaltliche Gesetzmäßigkeit überprüft werden kann.

Vor dem Hintergrund dieser verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung dürften sich § 18 Z 1 (arg. „nähere Bestimmungen“) sowie § 23 (arg. „sonstige Angaben“) des Entwurfes als verfassungswidrige formalgesetzliche Delegation erweisen, weil dem Gesetz mit Ausnahme des Zieles „Konsumentenschutz“ und der Technikklausel keinerlei nähere Anhaltspunkte entnommen werden können.

Zu §§ 20 Abs. 2 und 22 Abs. 2:

Die jeweiligen Anordnungen wären imperativ zu formulieren.

Zu § 24:

Der Inhalt des § 24 passt aus systematischen Gründen nicht in den Abschnitt des Gesetzes, der „sonstige Angaben …“ regelt, bzw. wäre auf seine Erforderlichkeit hin zu prüfen.

Zu § 25.

Auf das Redaktionsversehen bei der Währungsbezeichnung wird hingewiesen.

Im Übrigen wäre die Verständigungspflicht auf die Strafbehörden zu beschränken.

Zu § 27 Abs. 3:

Abs. 1 bedarf der sprachlichen Überarbeitung.

Gemäß dieser Bestimmung sind dem Bundesminister für Gesundheit und Frauen für den Beirat für biologische Landwirtschaft „Vertreter namhaft“ zu machen. Diese Formulierung ist unklar und im Falle einer Bindung des Bundesministers als oberstes Organ an diese Nominierungen mit Art. 19 B-VG unvereinbar. Verfassungsrechtlich zulässig wäre ein Vorschlags- oder Empfehlungsmodell (vgl. etwa VfSlg. 6913/1972). Schließlich darf darauf hingewiesen werden, dass es insgesamt neun „zuständige Behörden“ gibt, sodass klarzustellen wäre, wie sich deren Vertretung im Beirat bestimmt.

Zu § 28:

Abs. 2 sollte lauten: „§ 6 Abs. 2 tritt mit 1. Juli 2005 in Kraft.“

Wenn durch eine Rechtsvorschrift eine andere aufgehoben werden soll, so ist dies ausdrücklich anzuordnen (vgl. LRL 44). Um eine materielle Derogation zu vermeiden, wird angeregt, in Abs. 3 die entsprechenden Bestimmungen im LMG 1975 formell außer Kraft zu setzen bzw. zu ändern.

Zu § 29:

Anstelle des Worts „autorisiert“ sollte besser das Wort „zugelassen“ verwendet werden. Auf das Schreibversehen in der letzten Zeile wird hingewiesen.

 

Zu § 30:

Es sollte hier präzisiert werden, dass andere Bundesgesetze in der jeweils geltenden Fassung gemeint sind. Die zahlreichen im Entwurf angeführten Gemeinschaftsverordnungen dürften aufgrund ihrer unmittelbaren Anwendbarkeit einer solchen Anordnung nicht bedürfen.

Zu Artikel 2:

Zu Ziffer 1:

Die Novellierungsanordnung sollte lauten: „In § 6 Abs. 1….“.

Zu Ziffer 2:

Auf ein Redaktionsversehen bei dem Wort „ersetzt“ wird hingewiesen.

Zu Artikel 3:

Es wird darauf hingewiesen, dass das Behörden-Überleitungsgesetz zuletzt durch „das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 151/2004“ geändert wurde.

III. Zu Vorblatt, Erläuterungen und Textgegenüberstellung:

Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst weist auf seine Rundschreiben vom 13. November 1998, GZ 600.824/8-V/2/98 ‑ betreffend Vorblatt und Erläuterungen zu Regierungsvorlagen; Aufnahme eines Hinweises auf Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens ‑ und vom 19. Februar 1999, GZ 600.824/0-V/2/99, – betreffend Legistik und Begutachtungsverfahren; Auswirkungen von Rechtssetzungsvorhaben auf die Beschäftigungslage in Österreich und auf den Wirtschaftsstandort Österreich; Gestaltung von Vorblatt und Erläuterungen ‑ hin, in dem insbesondere um die Aufnahme bestimmter zusätzlicher Hinweise in das Vorblatt und den Allgemeinen Teil der Erläuterungen ersucht wurde.

1. Zum Vorblatt:

Der Abschnitt „EU-Konformität“ wäre durch einen Abschnitt „Verhältnis zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union“ zu ersetzen, der dem Rundschreiben des Bundeskanzleramtes-Verfassungsdienst vom 6. März 2001, GZ 600.824/0011-V/2/01, – betreffend Legistik und Begutachtungsverfahren; Umsetzung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften; Gestaltung von Vorblatt und Erläuterungen – entspricht.

 

2. Zu den Erläuterungen:

Da viele Erläuterungen aus Verweisen bestehen oder rein deskriptiver Natur sind, wird angeregt, die zahlreichen Problembereiche des vorliegenden Entwurfes (eingehender) zu beleuchten. Für den Normanwender wäre es insbesondere hilfreich, wenn das Zusammenspiel des vorliegenden Durchführungsgesetzes mit der von diesem durchzuführenden gemeinschaftsrechtlichen Verordnung in den Grundzügen vorgestellt wird.

 

Dem Präsidium des Nationalrats werden unter einem 25 Ausfertigungen und eine elektronische Fassung dieser Stellungnahme übermittelt.

 

31. Mai 2005

Für den Bundeskanzler:

Georg LIENBACHER