GZ: BGS/AMF/0101/9872/2005

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Wien, am 31. August 2005

Auskunft: Mag. Wolfgang Ries

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Betrifft: Bundesvergabegesetz 2006; Stellungnahme des Arbeitsmarktservice zum Begutachtungsentwurf

Das Schwergewicht der durch das Arbeitsmarktservice vergebenen öffentlichen Aufträge liegt zweifellos im Bereich der Schulungsmaßnahmen für arbeitslose Personen, welche nicht prioritäre Dienstleistungen nach Anhang IV, Kat. 24, darstellen. Daraus leitet sich ein starkes Bedürfnis nach Klarheit, Transparenz und insbesondere Bestimmtheit der für diese Dienstleistungen geltenden gesetzlichen Bestimmungen, somit nach höchstmöglicher Rechtssicherheit, ab. Diesem berechtigten Interesse wird nach Ansicht des Arbeitsmarktservice mit dem vorliegenden Entwurf aus mehreren Gründen nicht ausreichend Rechnung getragen.

 

Nach Studium des § 12, „Nicht prioritäre Dienstleistungsaufträge und Dienstleistungskonzessionsverträge“, und der dazu gehörigen Erläuterungen bleibt völlig unklar, was nun für nicht prioritäre Dienstleistungen tatsächlich gelten soll. So sind insbesondere die Erläuterungen in höchstem Maße widersprüchlich, sowohl in sich als auch im Verhältnis zum Wortlaut des § 12, was weder dem  - bereits erwähnten - berechtigten Bedürfnis von Auftraggebern und Bietern nach Rechtssicherheit noch dem verfassungsgesetzlich geforderten Gebot der Bestimmtheit von Gesetzen entsprechen dürfte.

 

Zu den Kritikpunkten im Einzelnen:

 

1.      Nach den Erläuterungen zu § 12 sei es ein wichtiges Ziel der Neuregelung der nicht prioritären Dienstleistungen, dem Auftraggeber einen größeren Freiraum bei der Beschaffung solcher Dienstleistungen einzuräumen (vgl. 1. Absatz der Erläuterungen). Begründet wird dies ua. damit, dass „sich nicht prioritäre Dienstleistungen grundsätzlich und typischer Weise nicht in derselben Art und Weise für ein Vergabeverfahren eignen wie prioritäre Dienstleistungen“.

Dieser größere Freiraum drücke sich insbesondere dadurch aus, dass es dem Auftraggeber nun frei stünde, eines der in § 27 genannten Verfahren frei zu wählen. Nach den Erläuterungen ist selbst die Wahl der Direktvergabe nur dort ausgeschlossen, wo es auf Grund des Wertes und des Gegenstandes des Auftrages erforderlich erscheint, einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherzustellen, da das nunmehr vereinfachte Regime für die Vergabe nicht prioritärer Dienstleistungen  im Ober- und Unterschwellenbereich gleichermaßen gelte (vgl. auch § 12 Absatz 1 3. Satz des Entwurfes).

Soweit, so klar und soweit finden die Erläuterungen auch (noch) ihre Deckung im Wortlaut des § 12 Absatz 1.

Die Erläuterungen führen weiter aus, dass freie Wahl  jedoch nicht völlige Formfreiheit bedeute, der Auftraggeber also einen Auftrag nicht völlig losgelöst von formalen Vorgaben vergeben könne. Auch diese Ausführungen könnte man bei einem sehr weiten Verständnis des Begriffes „formale Vorgaben“ noch als mit dem Gesetzeswortlaut in Einklang stehend betrachten, da § 12 ja die Geltung einzelner (wenngleich auch eigentlich nicht formaler) Bestimmungen auch im Bereich der nicht prioritären Dienstleistungen anordnet.

Dieser Auslegung wird jedoch jedenfalls dann die Grundlage entzogen, wenn es weiter heißt, dass der Auftraggeber sich für eines der in § 27 genannten Verfahren zu entscheiden habe und „dieses Verfahren dann nach den dafür im BVergG vorgesehenen Bestimmungen durchzuführen“ habe. Maßgeblich seien „somit die sich aus § 27 ergebenden Regelungen sowie allfällige weitere Vorgaben für die Durchführung einer bestimmten Verfahrensart.“

 

Die Bedeutung dieser Aussagen ist nach Ansicht des Arbeitsmarktservice in Bezug auf den Gesetzeswortlaut völlig unklar und findet in diesem jedenfalls keine Deckung.

 

Einerseits wird in § 12 die ausschließliche Geltung der dort angeführten Bestimmungen angeordnet, andererseits sollten aber im Widerspruch dazu – geht es nach dem diesbezüglich klaren Wortlaut der Erläuterungen - dennoch weitere Bestimmungen gelten.  So wird in den Erläuterungen etwa ausdrücklich auf die §§ 102 verwiesen.

Bedeutet dies beispielsweise, dass offene Vergabeverfahren über nicht prioritäre Dienstleistungen nach den §§ 48, 52-54 und 57 bekannt zu machen sind, wie dies in § 102 angeordnet wird und auf den die Erläuterungen ausdrücklich verweisen. Da jedoch § 12 von den Bekanntmachungsvorschriften nur die Bekanntgabe des vergebenen Auftrages (§ 56) vorschreibt und die Vorschriften über die Bekanntmachung  einer beabsichtigten Vergabe (§ 48) unerwähnt lässt, kann wohl nicht über die Erläuterungen deren Geltung dennoch eingeführt werden.

Wenn aber die Geltung weiterer - dh über die in § 12 angeführten hinaus gehende -Bestimmungen tatsächlich beabsichtigt sein sollte, stellt sich die nahe liegende Frage, warum dies nicht ausdrücklich gesetzlich angeordnet wird.

Völlig unbestimmt bleibt auch, was mit allfälligen  weiteren Vorgaben gemeint sein sollte, wenn solche „Vorgaben“ die gesetzliche Bestimmung selbst überhaupt nicht vorsieht. Es kann nicht Aufgabe des Gesetzesadressaten sein, herauszufinden, welche Bestimmungen des BVergG solche Vorgaben darstellen könnten und welche nicht.

 

2.      Ähnlich unklar verhält es sich mit der Frage des vergabespezifischen Rechtsschutzes. Einerseits erklärt § 12 den 1. Teil des BVergG und somit § 2,  welcher ua. die gesondert anfechtbaren Entscheidungen festlegt, für anwendbar.

Andererseits ordnet § 12 weder die Geltung von § 130 („Ausscheiden von Angeboten“) noch von § 132 („Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung“) noch von § 141 („Bekanntgabe der Widerrufsentscheidung“) an.

Demzufolge besteht nach dem klaren Gesetzeswortlaut weder eine Verpflichtung des Auftraggebers zur Verständigung vom Ausscheiden des Angebotes noch zur Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung noch zur Bekanntgabe der Widerrufsentscheidung.

Dies bedeutet, dass zwar auch für den Bereich der nicht prioritären Dienstleistungen gesondert anfechtbare Entscheidungen normiert sind, jedoch keine Verpflichtung zur Bekanntgabe dieser Entscheidungen besteht.

Bedeutet dies hinsichtlich der Anfechtungsfristen nach § 335, etwa zur Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung, dass diese bis 14 Tage nach Kenntniserlangung durch die Bieter bekämpfbar bleibt, die Zuschlagsentscheidung daher – und damit wohl auch die Zuschlagserteilung - bis zu diesem Zeitpunkt potentiell von Nichtigkeit bedroht ist, obwohl eine Verpflichtung zur Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung nicht besteht und daher fraglich bleibt, wie die Bieter, abgesehen von einer freiwilligen Bekanntgabe durch den Auftraggeber, von der Zuschlagsentscheidung Kenntnis erlangen sollten? Nach dem Wortlaut der Erläuterungen zu § 335 5. Absatz, spricht viel für diese Sichtweise, wenn es dort heißt: „Solange die Möglichkeit einer Kenntnisnahme nicht besteht – insbesondere weil eine Entscheidung nicht bekannt gegeben wird – beginnt die Frist nicht zu laufen“. Wenn aber der Auftraggeber nicht von sich aus eine Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung vornimmt - gesetzlich verpflichtet ist er dazu ja nicht – wird es den Bietern in der Regel an der faktischen Möglichkeit fehlen, von der Zuschlagsentscheidung Kenntnis zu erlangen. In diesem Fall beginnt nach den Erläuterungen aber auch die Frist für die Bekämpfung der Zuschlagsentscheidung nicht zu laufen usw. usf. .

Im Übrigen stellt sich auf Grund der fehlenden Verpflichtung der Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung die grundsätzliche Frage, ob eine gesonderte Zuschlagsentscheidung vor der Zuschlagserteilung überhaupt erforderlich ist. Dem Gesetz ist eine solche zwingende Trennung zwischen Zuschlagsentscheidung und -erteilung jedenfalls nicht zu entnehmen.

 

 

Zusammenfassend möchte das Arbeitsmarktservice nochmals festhalten, dass nach dem vorliegenden Entwurf im Bereich der nicht prioritären Dienstleistungen große Rechtsunsicherheit besteht und insbesondere nicht erkennbar ist, worin sich der „größere Freiraum“, von dem die Erläuterungen sprechen - abgesehen von der (zumindest relativ) freien Verfahrenswahl - ausdrücken soll. Nach Ansicht des Arbeitsmarktservice stehen insbesondere die Erläuterungen zu § 12 in offenem Widerspruch zu dessen Wortlaut und finden dort keinerlei Deckung. Aus diesem Grund ersucht das Arbeitsmarktservice um entsprechende Adaptierung der Erläuterungen, insbesondere zu § 12, um die dort vorgesehenen Freiräume nicht über die Erläuterungen wiederum stark einzuengen. Gerade im Bereich der Vergabe arbeitsmarktpolitischer Schulungsmaßnahmen als typische nicht prioritäre Dienstleistungen würde eine allzu starke Reglementierung der Beschaffung und damit fehlende Flexibilität den verfolgten Zielen nur abträglich sein.

 

Das Arbeitsmarktservice ersucht daher im Interesse der Rechtssicherheit dringend um Berücksichtigung der dargelegten Bedenken.

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Dr. Herbert Buchinger

Vorsitzender des Vorstandes