Betrifft: Abgabenänderungsgesetz
2005 –
Stellungnahme zu geplanten Gesetzesänderungen
Innsbruck, 17. Oktober 2005
begutachtungsverfahren@parlinkom.gv.at
Inhaltsübersicht
I. Ergänzende
Maßnahmen für Katastrophenopfer
1. Verordnungsermächtigung
für das BMF
2. „Doppelt
hilft, wer schnell hilft.“
II. Die
Aufhebung der Verlustverrechnungssperren des § 2 Abs 2b EStG
1. Die
Gestaltung der Kapitalausstattung nach §§ 12, 16 und 18 UmgrStG
3.1. § 12
UmgrStG: Positiver Verkehrswert + positives steuerliches Eigenkapital
4. Die
Beteiligungsidentität im Sinn des § 19 Abs 2 Z 5 UmgrStG
VI. Die
Neufassung des § 235 HGB
1. Ausschüttungssperre
bis zur Liquidation?
4. Eine handels-
und steuerrechtliche systemkonsistente Lösung
VII.
Ein Tarifvergleich zwischen ESt und KöSt
3. Die extreme
Belastungsungleichheit (Art 7 B-VG)
4. Vorschläge
zur Belastungsgleichheit
Das Hochwasseropferentschädigungs- und Wiederaufbau-Gesetz 2005 (HWG 2005) hat in § 10 c, § 45 Abs 5 und § 108 d EStG verschiedene Maßnahmen zur Linderung der Hochwasserkatastrophe 2005 gesetzt. Folgende Maßnahmen sind im Sinn einer raschen Katastrophenhilfe generell (also nicht nur im Fall der Hochwasseropfer 2005) sinnvoll:
Der Bundesminister für Finanzen sollte im Sinn des Art 18 Abs 2 B-VG ermächtigt werden, in Katastrophenfällen im Weg einer Durchführungsverordnung Maßnahmen im Sinn des
§ 10 c
EStG,
§ 108 d EStG und
§ 18 Abs 1 Z 7 EStG
zu setzen.
Die Verordnungsermächtigung an das BMF soll auch die Möglichkeit umfassen, Spenden an Opfer von Katastrophen im Rahmen der 10 %-Jahreseinkommensgrenze des § 18 Abs 1 Z 7 EStG als Sonderausgaben steuerwirksam abzusetzen.
Die Hilfs- und Spendenbereitschaft ist im Zeitraum der aktuellen Berichterstattung am größten. Der Bundesminister für Finanzen sollte deshalb im Weg einer Verordnung rasch reagieren können, um Rechtssicherheit für die Spender und rasche Hilfe für die Opfer zu schaffen.
Erleidet ein Betrieb auf Grund einer Katastrophe im Jahr 2005 einen Jahresverlust von zB 1 Mio Euro und erzielt im Jahr 2006 einen Gewinn von 800.000 Euro, so muss auf Grund der Verrechnungssperre des § 2 Abs 2b EStG trotz eines Gesamtverlustes von (- 1 Mio Euro + 0,8 Mio Euro = - 0,2 Mio Euro) ein fiktiver Gewinn von + 200.000 Euro versteuert werden. Das ist ein sachlich (Art 7 B-VG) nicht zu rechtfertigender Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip: Die Staatsmittel reichen nicht aus, um Katastrophenschäden zu decken. Die sozialstaatliche Solidarität wird jedoch gröblichst verletzt, wenn man Katastrophenschäden durch eine Besteuerung fiktiver Gewinne vergrößert. Im Beispielsfall wird der katastrophenbedingte Verlust von 1 Mio Euro durch eine Einkommensteuer von 91.585 Euro erhöht, obwohl das tatsächlich erzielte Einkommen 2005 + 2006 einen Totalverlust von – 200.000 Euro ergibt!
§ 2 Abs 2b ist ersatzlos aufzuheben. Eine Besteuerung fiktiver Einkünfte ist nicht zu rechtfertigen.
Welcher Arbeitnehmer würde sich nicht (zu Recht) zur Wehr setzen, wenn ihm Lohnsteuer für einen 15. und 16. Bezug abgezogen wird, dieser 15. und 16. Bezug jedoch tatsächlich nicht ausbezahlt wird. Eine Besteuerung fiktiver Gewinne trifft Unternehmer ebenso hart/willkürlich, wie eine Besteuerung fiktiver Bezüge Arbeitnehmer.
Das Beispiel von katastrophenbedingten Verlusten mit nachfolgender Besteuerung fiktiver Gewinne zeigt die Härte der Verlustverrechnungssperre des § 2 Abs 2b EStG. Da diese Härte einer Besteuerung fiktiver Gewinne mit bis zu 50 % Einkommensteuer auch im Fall von Verlusten, die nicht durch eine allgemeine Katastrophe bedingt sind, sachlich nicht zu rechtfertigen ist (zB Verluste auf Grund eines hohen Ausfalles von Kundenforderungen) ist § 2 Abs 2b EStG ersatzlos aufzuheben, um alle Steuerpflichtigen vor einer Besteuerung fiktiver Gewinne zu schützen.
Der Entwurf zu § 36 EStG begrenzt die Herabsetzung der Steuerquote auf die allgemeine Tilgungsquote auf Insolvenzverfahren (gerichtlicher Ausgleich, Zwangsausgleich, Zahlungsplan- oder Abschöpfungsverfahren nach §§ 193 ff oder §§ 199 ff KO).
Die außergerichtliche Unternehmenssanierung sollte nicht diskriminiert/erschwert, sondern ebenso wie eine gerichtliche erleichtert werden. Verzichten zB wesentliche Gläubiger auf 50 % ihrer Forderungen, um ein Unternehmen zu sanieren/Arbeitsplätze zu erhalten, so ist es zweckmäßig, die Steuer auf den durch diesen Schulderlass realisierten Gewinn auf dieselbe Befriedigungsquote (hier 50 %) zurückzunehmen (zB Tarifsteuer auf den Sanierungsgewinn von 20.000 Euro x 0,5 Befriedigungsquote = 10.000 Euro ESt auf den Sanierungsgewinn). Der Abgabengläubiger verzichtet also auf seine Forderung in derselben Höhe wie andere Gläubiger (Grundgedanke der Gleichbehandlung aller Gläubiger).
In § 45 Abs 3 EStG ist der dritte Satz
ersatzlos aufzuheben. Es ist also die Wortfolge zu streichen: „Nach dem 30.
September darf das Finanzamt Bescheide über die Änderung der Vorauszahlung
nicht mehr erlassen; dies gilt nicht für Bescheide auf Grund eines Antrages,
den der Steuerpflichtige bis zum 30. September gestellt hat, sowie für eine
Änderung im Rechtsmittelverfahren.“
Begründung: Erleidet der Steuerpflichtige am 1. Dezember einen Verlust (zB Forderungsausfall; Brandschaden etc), so ist eine Rückzahlung der bisher geleisteten EVZ sinnvoll: Warum soll ein Steuerpflichtiger mit einem gewissen Jahresverlust EVZ nicht sofort durch Herabsetzung der EVZ, sondern erst im Veranlagungsweg erhalten? Dieselbe Überlegung gilt für den Abgabengläubiger: Warum soll die EVZ nicht noch im Oktober, November, Dezember erhöht werden, wenn dies notwendig ist, um die EVZ an das voraussichtlich höhere Einkommen anzupassen. – Im einen Fall wird der Steuerpflichtige zu hoch und im anderen zu niedrig belastet. Beides ist sachlich (Art 7 B-VG) nicht zu rechtfertigen; in beiden Fällen wird das Gebot der Belastungsgleichheit empfindlich gestört.
Der Begutachtungsentwurf sieht für auf den Umgründungsstichtag rückwirkende Entnahmen durch Einstellen einer Passivpost in der Einbringungsbilanz nach § 16 Abs 5 Z 2 UmgrStG drei Verschärfungen vor:
a) eine Herabsetzung der Grenze von 75 % des positiven Verkehrswertes auf 50 % sowie
b) eine KESt-Pflicht (25 % KESt-Abzug) kraft Ausschüttungsfiktion (§ 18 Abs 2 UmgrStG/Begutachtungsentwurf) sowie
c) die Nichtabzugsfähigkeit von Schuldzinsen aus Umgründungsentnahmen (§ 18 Abs 3 Z 3 des Entwurfes zum UmgrStG) auf Ebene der übernehmenden Körperschaft.
Diese Neuregelung verschiebt die Entnahmeproblematik auf den Zeitraum vor dem Umgründungsstichtag, sie löst das Entnahmeproblem jedoch nicht befriedigend: Tatsächliche Entnahmen vor dem Umgründungsstichtag sind zulässig. Der durch die vorgeschlagene Novelle erzeugte Druck zu Entnahmen schwächt die Eigenkapitalausstattung ebenso wie die derzeitige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes: Entnimmt ein Einzelunternehmer den cash flow und finanziert Investitionen mit Krediten, sind die Kreditschulden Betriebsschulden und die Schuldzinsen Betriebsausgaben. Finanziert derselbe Unternehmer seine Investitionen zunächst mit gespeicherten Gewinnen oder eingelegtem Kapital, so kann er später nicht einfach seine Eigenmittel durch Betriebskredite ersetzen, um sein Eigenkapital zu entnehmen. Er kann nur laufende cash flows entnehmen und Fremdmittel im Betrieb investieren. Die bisherige Dreiviertelentnahme nach § 16 Abs 5 UmgrStG bietet hier einen gewissen Ausgleich: Das Eigenkapital kann dadurch einfach entnommen werden. Unternehmer, die durch Einlagen und Gewinnspeicherungen die Fremdkapitalausstattung ihres Betriebes begrenzt haben, können so ihre Eigenmittel anlässlich einer Umgründung zurückbehalten. Wird dies erschwert, so wächst der Entnahmedruck in der Zeit vor einer Umgründung: Es ist sinnvoll laufende cash flows zu entnehmen und fremdfinanziert zu investieren, wenn gespeichertes Eigenkapital nicht problemlos entnommen werden kann.
Für Einbringungen mit einem ertragsteuerrechtlich negativen Einbringungskapital ist im Sinn der Lehre (Beiser, Die Einlagenrückzahlung in Handels- und Steuerbilanz, ecolex Spezial, Wien, Manz Verlag 2000, 70 f) klar zu stellen, dass sich dadurch der Einlagenstand im Sinn des § 4 Abs 12 EStG mindert und ein allfälliger negativer Einlagenstand laut Evidenzkonto nach § 4 Abs 12 EStG im Fall einer Umwandlung auf natürliche Personen nach § 9 Abs 6 UmgrStG wie eine Gewinnausschüttung (mit Endbesteuerung und Option zum Halbsatzverfahren) KESt auslöst. Eine konsequente Einmalerfassung ist notwendig, um systemwidrige Doppelbesteuerungen und Nichterfassungen zu vermeiden (siehe dazu Matzka/Walter, GeS 2003, 119; Walter, UmgrStR5, 91 sowie Beiser, GeS 2003, 144 f).
Folgende Lösung wäre eine sinnvolle Alternative:
3.1. § 12 UmgrStG: Positiver Verkehrswert + positives steuerliches Eigenkapital
§ 12 Abs 1 UmgrStG verlangt bisher nur einen
positiven Verkehrswert
der im Zweifel durch ein Sachverständigengutachten (Unternehmensbewertung) nachzuweisen ist. Das
Eigenkapital
laut steuerlicher Einbringungsbilanz
kann dagegen
negativ
sein.
Alternativvorschlag:
Das Eigenkapital laut steuerlicher Einbringungsbilanz muss
positiv
sein.
Um im Fall eines steuerlich negativen Eigenkapitals Einbringungen zu ermöglichen, wird eine ertragsteuerwirksame Aufwertung in Höhe stiller Reserven und eines Firmenwertes zugelassen. Dabei wird die Möglichkeit einer Teilaufwertung eingeräumt: Der Einbringende muss also nicht alle stillen Reserven samt Firmenwert aufdecken, sondern nach seiner Wahl nur einen Teil, um ein positives Einbringungskapital zu erreichen.
Bei dieser Aufwertung wird ein voller Ausgleich mit bisherigen Verlusten zugelassen; die Verrechnungssperre des § 2 Abs 2b EStG ist aufzuheben (II.).
Der Aufwertungsgewinn (nach Verlustausgleich/Abzug von Verlustvorträgen) wird mit 25 % Fixsteuersatz besteuert; die Aufwertung mindert in der übernehmenden Körperschaft die KöSt durch spätere Abschreibungen oder Restbuchwertabgänge; eine volle Tarifsteuer nach § 33 EStG mit bis zu 50 % ESt wäre meist nicht zu verkraften.
Durch die Aufwertung auf ein positives Einbringungskapital entfallen schwierige Folgeprobleme wie zB
o negative Anschaffungskosten auf Gesellschafterebene und deren Behandlung im Fall einer späteren Veräußerung oder eines Wegzuges oder einer Schenkung oder eines Erbfalles
o die Verminderung des Einlagenstandes im Sinn des § 4 Abs 12 EStG in Höhe eines negativen Einbringungskapitals
o die Behandlung eines negativen Einlagenstandes laut Evidenzkonto im Sinn des § 4 Abs 12 EStG im Fall einer späteren Umwandlung nach Art II UmgrStG.
Der Begutachtungsentwurf will die bisher weit gefasste Möglichkeit einer Einbringung ohne Ausgabe neuer Anteile (Aktien/GmbH-Anteile) im Gegensatz zu den Ausführungen in den Gesetzesmaterialien der Urfassung des UmgrStG (EB zur RV 266 BLg NR 18. GP) und im Gegensatz zur Lehre (Beiser, RdW 2005/81, 53 f) auf Fälle einer
Alleingesellschafterstellung oder einer
Schwesterneinbringung
einschränken.
Das ist nicht zweckmäßig: Die Ausgabe neuer Gesellschaftsanteile soll eine äquivalente Gegenleistung für die Einbringenden sein. Sind die Einbringenden am eingebrachten Vermögen im selben Verhältnis wie an der übernehmenden Körperschaft (AG/GmbH) beteiligt, ist eine Ausgabe neuer Anteile entbehrlich. Verzichten die Gesellschafter der übernehmenden AG/GmbH deshalb handels- und gesellschaftsrechtlich auf die Ausgabe neuer Aktien/GmbH-Anteile, so sollte eine Ausgabe neuer Anteile nicht durch das UmgrStG erzwungen werden. Handels- und gesellschaftsrechtlich sinnvolle Vereinfachungen sollten nicht durch das UmgrStG konterkariert werden. Vereinfachungen sind nur im Gleichklang effizient umzusetzen.
Eine (bis zur Liquidation der Gesellschaft dauernde) Ausschüttungssperre für Gewinne und Gewinnrücklagen aus Umgründungen ist fragwürdig. Dazu ein Beispiel:
Die A-AG bringt einen Betrieb mit einem
steuerlich positiven Buchkapital von + 1 Mio Euro in die B-AG ein.
Ertragsteuerrechtlich werden die Buchwerte fortgeführt. Handelsrechtlich wird
auf den Unternehmenswert/Verkehrswert von + 10 Mio Euro aufgewertet. Daraus
entsteht in der Handelsbilanz ein Gewinn von + 9 Mio Euro.
Im Fall einer Veräußerung würden 9 Mio Euro Gewinn realisiert, einer
Ausschüttung dieses Gewinnes (nach KöSt) steht nichts im Weg. Es erscheint
nicht konsistent,
o die Einbringung nach Art III UmgrStG auf der einen Seite ertragsteuerrechtlich zu begünstigen (Ausnahme von einer Gewinnrealisierung nach der Tauschregel des § 6 Z 14 EStG durch ertragsteuerliche Buchwertfortführung nach § 16 UmgrStG) und
o andererseits handelsrechtlich eine Aufwertung nach § 202 HGB zuzulassen, jedoch eine Ausschüttungssperre bis zur Liquidation zu verhängen.
liegt in der handelsrechtlichen Aufwertung mit Gewinnausweis in der Handelsbilanz und
in der ertragsteuerlichen Buchwertfortführung (ertragsteuerliche Unterdrückung einer Gewinnrealisierung).
Will man eine handelsrechtliche Gewinnrealisierung trotz ertragsteuerlicher Gewinnunterdrückung vermeiden, so ist in § 202 HGB für Umgründungen eine handelsrechtliche Aufwertung ebenso zu unterdrücken wie in der Steuerbilanz (Gleichklang einer Fortführung der Buchwerte in Handels- und Steuerbilanz).
Wird den Steuerpflichtigen nach den Ausführungen in Abschnitt V.3 eine Aufwertungsmöglichkeit eingeräumt, so ist es zweckmäßig, die Aufwertung in Handels- und Steuerbilanz grundsätzlich gleichzuschalten. Eine Ausschüttungssperre für versteuerte Aufwertungsgewinne ist nicht sinnvoll.
Es ist sinnvoll, den Steuerpflichtigen eine handels- und steuerrechtliche Aufwertungsmöglichkeit (V.3.) einzuräumen und dabei die Aufwertung in Handels- und Steuerbilanz grundsätzlich gleich zu schalten. Eine handelsrechtliche Ausschüttungssperre ist nicht sinnvoll; § 235 HGB kann ersatzlos aufgehoben werden, um systemwidrige Komplikationen zu vermeiden.
Bei natürlichen Personen werden durch die Nulltarifzone und verschiedene Absetzbeträge zu mindest die
ersten 10.000 Euro (13.500 Euro bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit) ertragsteuerfrei gestellt; jede
weiteren 1.000 Euro werden bis 25.000 Euro Jahreseinkommen mit
38,33 % und
über 25.000 Euro bis 51.000 Euro Jahreseinkommen mit
43,59 %
besteuert. Jede weiteren 1.000 Euro über einem Jahreseinkommen von 51.000 Euro werden mit
50 %
ESt besteuert (§ 33 EStG).
Kapitalgesellschaften (AG/GmbH) werden linear mit
25 % KöSt
besteuert; Privatstiftungen mit
12,5 % (§ 22 KStG).
Natürliche Personen sind auf Grund ihrer existenziellen Grundbedürfnisse (Nahrung, Kleidung, Wohnung) im Umfang ihres notwendigen Unterhaltes für sich und ihre Familie ertragsteuerfrei zu stellen. Klaus Tipke, Steuergerechtigkeit in Theorie und Praxis, 96, präzisiert das so: „Was der Steuerpflichtige notwendigerweise für seine oder seiner Familie Existenz aufwenden muss, steht ihm zur Steuerzahlung nicht zur Verfügung, er muss es von der Bemessungsgrundlage abziehen können.“ Dem folgen die herrschende Lehre (Doralt, Ruppe, Grundriss des österreichischen Steuerrechts, I8, Tz 26 und Beiser, Steuern3, 22 ff) sowie die Rechtsprechung des VfGH (vgl Beiser, Steuern3, 19 ff).
Die Ertragsteuerfreistellung des notwendigen Unterhaltes für sich und die Familie ist somit kein Steuerprivileg natürlicher Personen, sondern ein verfassungsrechtlich garantiertes Grundrecht (Art 2 EMRK – Recht auf Leben, Art 5 – Recht auf Freiheit, Art 8 – Recht auf Familie).
Wenn also die derzeit bestehende Nullsteuerzone (10.000 bzw 13.500 Euro p.a.) Ausfluss des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums ist, so fällt ins Gewicht:
o
Natürliche Personen werden mit einem effektiven
Eingangssteuersatz von 38,33 % (bis 25.000 Euro Jahreseinkommen),
dann mit
43,59 % (bis
51.000 Euro Jahreseinkommen) und darüber mit
50 %
Einkommensteuer
belastet
o
Kapitalgesellschaften dagegen linear
mit
25 % (auch bei
Millionengewinnen) und
o
Privatstiftungen nur mit
12,5 % KöSt.
Die Belastungsgleichheit nach Art 7 B-VG ist somit schwerwiegend gestört.
Natürliche Personen werden mit folgendem Tarif besteuert:
Die ersten 15.000 Euro Jahreseinkommen mit 0 % (steuerfreies Existenzminimum),
die weiteren 15.000 Euro Jahreseinkommen mit 10 % (effektiver Eingangssteuersatz),
die weiteren 15.000 Euro Jahreseinkommen mit 20 %,
die weiteren 15.000 Euro Jahreseinkommen mit 30 %,
darüber hinaus mit 33 1/3 % (Höchststeuersatz).
Nach § 1 Abs 4 EndbesteuerungsG ist die KESt für endbesteuerte Kapitalerträge in einer Bandbreite von 0,2 – 0,5 des höchsten ESt-Satzes festzusetzen. Beträgt der höchste ESt-Satz 33 1/3 %, ist die KESt von derzeit 25 % auf 0,5 x 33 1/3 = 16 2/3 % herabzusetzen.
Alternative 1:
§ 1 Abs 4 EndbesteuerungsG wird aufgehoben; das ist eine Änderung eines Bundesverfassungsgesetzes (BGBl 1993/11).
Alternative 2:
Statt des höchsten ESt-Satzes von 33 1/3 % wird in zwei weiteren 15.000-Euro-Schritten mit einem Steuersatz von 40 % und 50 % der bisherige höchste Grenzsteuersatz von 50 % beibehalten (und damit auch der bisherige KESt-Satz von 25 %). Die progressive ESt beträgt also für
|
|
Tarifstufe/€n |
kumuliert/€ |
Steuer |
Stufensteuer/€ |
Gesamt- |
|
die ersten |
15.000 |
15.000 |
0 |
0 |
0 |
|
die weiteren |
15.000 |
30.000 |
10 |
1.500 |
1.500 |
|
die weiteren |
15.000 |
45.000 |
20 |
3.000 |
4.500 |
|
die weiteren |
15.000 |
60.000 |
30 |
4.500 |
9.000 |
|
die weiteren |
15.000 |
75.000 |
40 |
6.000 |
15.000 |
|
darüber hinaus |
|
|
50 |
|
|
Der höchste Grenzsteuersatz greift also ab 75.000 Euro Jahreseinkommen.
Darüber hinaus wird dem Steuerpflichtigen ein Antrag auf Drittelbesteuerung (= lineare ESt von 33 1/3 % für das gesamte zu tarifierende Einkommen) eingeräumt. Im Fall eines Antrages auf Drittelbesteuerung entfallen die Progressionsstufen von 0 % bis 50 %. Die ESt ist linear und beträgt vom ersten bis zum letzten Euro Jahreseinkommen ein Drittel (33 1/3 %).
Beispiel:
Jahreseinkommen 300.000 Euro
Normaltarifsteuer
für die ersten 75.000 Euro 15.000 Euro
für
die weiteren 225.000 Euro 112.500 Euro
also
für 300.000 Euro 127.500 Euro
Im Fall eines Antrages auf Drittelbesteuerung beträgt die ESt 100.000 Euro.
Ziele:
Die Vorschläge zur Tarifreform in der ESt verfolgen vier Ziele:
a) Eine starke Senkung des effektiven Eingangssteuersatzes von derzeit
38,33 %
um Einkommensschwache zu entlasten;
b) eine starke Entlastung mittlerer Einkommensschichten, um deren stark ansteigende Belastung durch die Pflichtbeiträge zur Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung abzufedern und um die Inlandsnachfrage zu stärken;
c) die Deckelung der ESt mit linear einem Drittel des Gesamteinkommens durch eine Option zur Drittelbesteuerung für Einkommensstarke, um den Druck zur Verlagerung ihrer Einkunftsquellen in eine GmbH oder in Privatstiftungen zu nehmen, den Anreiz zur Steuervermeidung zu senken und
d) um für alle Steuerpflichtigen die krassen Tarifunterschiede zwischen der ESt (effektive Belastung zwischen 38,33% und 50 % Grenzsteuersatz) einerseits und 25 % linearer KöSt andererseits zu verringern.
Im Segment der Einkommensstarken ist eine Erhöhung der Abgabeneinnahmen zu erwarten: Wer 1/3 lineare ESt als gerecht und sozialstaatlich ausgewogen anerkennt und deshalb zahlt, verzichtet auf Steuerminimierung via Umgründung, GmbH, Holding, Privatstiftung, Verlagerung der Einkunftserzielung ins Ausland etc.
Die Schnittstelle einer Gleichbelastung im Vergleich zwischen Einkommen- und Körperschaftsteuerpflichtigen liegt bei
90.000 Euro
Jahreseinkommen: Bis zu 90.000 Euro Jahreseinkommen ist der ESt-Tarif günstiger; bei 90.000 Euro Jahreseinkommen sind ESt und KöSt mit
22.500 Euro
gleich hoch. Über 90.000 Euro ist die KöSt vergleichsweise niedriger:
|
Jahreseinkommen (€) |
ESt (€) |
KöSt (€) |
|
100.00 |
27.500 |
25.000 |
|
120.000 |
37.500 |
30.000 |
|
150.000 |
52.500 |
37.500 |
|
180.000 |
67.500 |
45.000 |
|
500.000 |
227.500 |
125.000 |
|
1.000.000 |
477.500 |
250.000 |
|
2.000.000 |
977.500 |
500.000 |
|
3.000.000 |
1.477.500 |
750.000 |
|
4.000.000 |
1.977.500 |
1.000.000 |
Die Schnittstelle zur Deckelung der ESt durch die Option zur linearen Drittelbesteuerung in der ESt liegt bei
135.000 Euro
Jahreseinkommen: Die Normaltarifsteuer und die lineare ESt sind bei 135.000 Euro Jahreseinkommen mit
45.000 Euro
ESt gleich hoch. Bei Jahreseinkommen über
135.000 Euro
wird die lineare ESt in Höhe von einem Drittel günstiger als die Normaltarifsteuer. Im Vergleich zur KöSt ist die lineare ESt um 8 1/3 % höher. Im Vergleich zu Ausschüttungen aus Kapitalgesellschaften fällt jedoch keine KESt in Höhe von 25 % an. Die kumulierte Steuerlast aus KöSt und KESt liegt im Fall einer Sofortausschüttung bei
100 Euro Gewinn vor Steuern
- 25 Euro KöSt
75 Euro nach KöSt
- 18 3/4 Euro KESt (25 % von 75 Euro)
56 1/4 Euro nach KöSt und KESt
= 43 3/4 Steuerlast aus KöSt + KESt
= 43 3/4 % kumulierte Steuerlast
und liegt somit 10 5/12 % ≈ 10,42 % höher als die lineare ESt von 33 1/3 %. Allerdings ist zu beachten:
a) Im Regelfall wird nur ein Teil des Gewinnes ausgeschüttet; für auf Dauer gespeicherte Gewinne ist die KöSt von 25 % günstiger.
b) Im Fall einer Jahre späteren Ausschüttung bringt der zeitliche Aufschub der KESt auf den Ausschüttungszeitpunkt erhebliche Zinsvorteile; die KESt wäre somit abzuzinsen, um einen Barwertvergleich der kumulierten Steuerlast in wirtschaftlicher Sicht zu erhalten.
c) Die KESt entfällt für einen Großteil der Ausschüttungen:
o auf Grund des nationalen Schachtelprivilegs (der innerstaatlichen Beteiligungsertragsbefreiung) nach § 10 KStG;
o auf Grund der körperschaftsteuerfreien Ausschüttung in österreichische Privatstiftungen in Kombination mit steuergünstigen Veranlagungen in Finanzanlagen mit 12,5 % Zwischensteuer (Kombination des Schachtelprivilegs mit der halben KESt nach §§ 10, 13, 21 und 22 KStG einerseits und der KESt-Freistellung nach § 94 EStG andererseits) und der Anrechnung der 12,5 % Zwischensteuer auf die KESt in Höhe von 25 % im Fall späterer Zuwendungen der Privatstiftung an die Begünstigten (mit Endbesteuerungswirkung nach § 97 EStG);
o auf Grund der KESt-Freistellung nach der Mutter-Tochter-Richtlinie (90/435/EWG) und deren Umsetzung in Form einer KESt-Freistellung in § 94 a EStG: Schüttet eine österreichische Tochterkapitalgesellschaft ihren in Österreich erwirtschafteten und mit 25 % KöSt versteuerten Gewinn an ihre deutsche, französische oder an eine sonstige in der EG ansässige Mutter aus, so ist diese Ausschüttung in der Regel nach § 94 a EStG KESt-frei zu stellen (jedenfalls ab einer Beteiligungshöhe der Mutter von 25 %; ab 10 % Beteiligungshöhe im Fall der Reziprozität). In solchen Fällen beträgt die KESt auf Ausschüttungen 0 Euro, die kumulierte Steuerlast beträgt somit 25 % KöSt;
o auf Grund von Doppelbesteuerungsabkommen ist die österreichische KESt in vielen Fällen zu reduzieren (zB auf 0 % nach Art 10 DBA-Österreich/Schweiz bei Ausschüttungen an eine Schweizer Mutter ab einer Beteiligung von 20 %).
Im Fall nationaler und internationaler Verflechtungen von Körperschaften ist die österreichische Gesamtsteuerlast mit 25 % KöSt und 0 % KESt im Vergleich zu Einkommensteuerpflichtigen nach wie vor günstig.
Im Vergleich natürlicher und juristischer Personen ist außerdem zu bedenken: Nur natürliche Personen müssen für existenzielle Bedürfnisse für sich und ihre Familie sorgen. Die zivilrechtlichen Unterhaltspflichten steigen nach der Anspannungsjudikatur mit steigendem Einkommen. Wirtschaftlich steigert eine Steuerentlastung von Einkommensteuerpflichtigen die Nachfrage nach Konsumgütern (Nahrung, Kleidung, Wohnung etc) und belebt somit die Inlandsnachfrage.
Für Rückfragen stehe
ich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen