ÖSTERREICHISCHER

GEMEINDEBUND

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Telefon: 512 14 80

 

 

An das

Bundesministerium für

Verkehr, Innovation und Technologie

 

Wien, am 21. Oktober 2005

Zl. B, K-640/211005/Rie,Dr

    per E-Mail

 

 

 

 
GZ: BMVIT-324.100/0003-II/ST3/2005

 

 

 

Betr.: Entwurf eines BGs, mit dem das Bundesstraßengesetz 1971, das BG über die Mauteinhebung auf Bundesstraßen und das ASFINAG-Gesetz geändert werden

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren!

 

 

Der Österreichische Gemeindebund erlaubt sich zum oben angeführten Gesetzesentwurf Folgendes festzuhalten:

 

 

Zu  Z. 4: (§ 1 Abs. 3)

Nach dieser neuen Bestimmung kann der Bund seiner Aufgabe zur Errichtung von Bundesstraßen dadurch nachkommen, dass er bestehende Straßen oder Straßenteile übernimmt, soweit sie zur Bemautung geeignet sind. Wann eine Straße zur Bemautung geeignet ist, lässt sich weder aus dem Bundesstraßengesetz 1971 und den dazu vorgeschlagenen Erläuterungen erkennen, noch aus dem Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 herauslesen. Hier muss offenbar auf die Richtlinie 1999/62/EG vom 20.7.1999 zurückgegriffen werden. Für den Österreichischen Gemeindebund stellt sich daher die Frage, ob nicht zumindest in den Erläuterungen festgehalten werden sollte, unter welchen Voraussetzungen sich eine Straße oder ein Straßenteil zur Bemautung eignet.

 

 

Zu Z. 5: (§ 2)

Im § 2 Abs. 2 wird normiert, dass Anschlussstellen in ein öffentliches Straßennetz münden müssen. In den Erläuterungen wird dazu festgehalten, „dass z.B. eine Gemeindestraße, die über keine Verbindung zum übrigen öffentlichen Straßennetz verfügt, diese Bedingung nicht erfüllt“.

Dies ist insoferne unverständlich, als Gemeindestraßen öffentliche Straßen sind, d.h. selbst wenn eine Anschlussstelle in eine Gemeindestraße mündet, ist dies eine Verbindung zum „übrigen öffentlichen Straßennetz“. Die Erläuterungen können daher nicht nachvollzogen werden. Der Österreichische Gemeindebund fordert daher eine Korrektur.

 

 

Zu Z. 9: (§ 4 Abs. 5)

Diese Bestimmung wird vom Österreichischen Gemeindebund ausdrücklich begrüßt. Demnach sind Stellungnahmen im Zusammenhang mit der Bestimmung des Straßenverlaufes, des Ausbaus und der Auflassung von Straßenteilen künftig nicht mehr von den Gemeinden zu sammeln, sondern direkt beim Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie einzubringen, was eine Erleichterung für die Gemeinden sein kann.

 

 

Zu Z. 16 (§ 10 Abs. 2):

Nach den Erläuterungen verlangt und ermöglicht diese Bestimmung die Beteiligung von Ländern und Gemeinden an der Finanzierung, der Planung, des Baus und der Erhaltung von Bundesstraßen. Dadurch soll – so die Erläuterungen – die Durchführung von Projekten ermöglicht werden, die ansonsten wegen der Unmöglichkeit der Finanzierung durch den Bund scheitern würden. Gedacht sei insbesondere an die Errichtung weiterer Fahrstreifen und weiterer Anschlussstellen.

 

Abs. 2 lautet:

„(2) Maßnahmen zum Ausbau von Bundesstraßen, bei denen der überwiegende Nutzen für den Bund (Bundesstraßenverwaltung) nicht erwiesen werden kann, dürfen nur errichtet werden, wenn das betroffene Land oder die betroffene Gemeinde oder eine andere juristische Person einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung des Bundesstraßenbauvorhabens leisten.“

 

Diese Bestimmung ist für den Österreichischen Gemeindebund ist  aber wohl auch aus der Sicht der Länder äußerst kritisch zu betrachten. Der Bund wird sich immer auf den Standpunkt stellen, dass ein überwiegender Nutzen für ihn nicht vorliegt. Der Begriff „überwiegende Nutzen“ ist auch nirgendwo definiert und damit nicht messbar, es wird lediglich auf einen durch das BMVIT vergebenen Forschungsauftrag in diesem Zusammenhang verwiesen.

 

Während bei den Anschlussstellen in diesem Zusammenhang zumindest noch das Motiv erkennbar ist, warum der Bund die Gemeinden und Länder in die Finanzierung mit einbeziehen will, so ist dies bei weiteren Fahrstreifen völlig unverständlich.

Aber auch die Mitfinanzierung der Anschlussstellen ist unter den gegebenen Voraussetzungen aus Gemeindesicht abzulehnen.

 

Jene Gemeinden, in denen sich derzeit neue Betriebsgebiete in Bundesstraßennähe entwickeln, sind in der Regel nicht in der Lage, Anschlussstellen mit zu finanzieren. Sie haben ohnehin die Last der regionalen Aufschließung zu tragen. Die vorgesehene Mitfinanzierung durch die Gemeinden würde diese Gemeinden gegenüber jenen in sog. Gunstlagen, die bereits über Anschlussstellen verfügen, benachteiligen. Oft würde wohl die Errichtung der Betriebsgebiete daran scheitern, da die Gemeinden nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen und von den Unternehmen eine Beteiligung wohl auch nicht zu erwarten ist. Außerdem ist es ja nicht so, dass der Bund von Betriebsgebieten nicht profitiert. Schließlich ist er an diversen Steuern (USt, ESt und LSt) nicht unwesentlich beteiligt.

 

Dazu kommt, dass sowohl die Mauteinnahmen als auch die Strafgelder auf Bundessstraßen ausschließlich dem Bund zufließen und die Gemeinden (und Länder) daran in keiner Weise beteiligt sind. Hier wird wie schon beim öffentlichen Personennahverkehr offenbar der Versuch unternommen, eine Art „Besteller-Prinzip“ einzuführen, und dass sich dies auf Buslinien und Nebenbahnen negativ ausgewirkt hat, braucht nicht näher erläutert zu werden.

 

Abgesehen von den eben dargestellten Überlegungen gibt es auch rechtliche Argumente gegen eine derartige Bestimmung:

Das B‑VG geht in Art. 10 Abs. 1 Z. 9 B‑VG („Angelegenheiten der wegen ihrer Bedeutung für den Durchzugsverkehr durch Bundesgesetz als Bundesstraßen erklärten Straßenzüge außer der Straßenpolizei“) von der Bundeskompetenz in Gesetzgebung und Vollziehung als auch grundsätzlich von Bundesfinanzierung hinsichtlich der Bundesstraßen aus. Letzteres folgt insbesondere daraus, dass schon das B‑VG in der auch für die Kompetenzverteilung wesentlichen Fassung 1929 das BStG 1921 und dessen Systematik „vorgefunden“ hat. Eine Abhängigkeit der Errichtung der Bundesstraße von der Finanzierung durch die Länder und Gemeinden dürfte somit systemwidrig sein und stellt einen Bruch in der Kontinuität des gewachsenen österreichischen Straßenrechts dar.

 

Art 4 B-VG besagt, dass das Bundesgebiet ein einheitliches Währungs-, Wirtschafts- und Zollgebiet bildet. Danach wäre die unterschiedliche Behandlung eines Nutzens für einzelne Ebenen der Gebietskörperschaften kontraproduktiv.

Art 10 Abs 1 Z 9 B‑VG spricht von Straßenzügen, welche wegen „ihrer Bedeutung für den Durchzugsverkehr“ zu Bundesstraßen erklärt wurden. Das Kriterium „Nutzen für den Bund“ kennt Art 10 Abs 1 Z 9 B‑VG nicht. Eine Aufsplitterung in „Einzelnutzen“ für verschiedene Ebenen der Gebietskörperschaften würde auch dazu führen, dass die Bedeutung der Gebietskörperschaften selber unterschiedlich gewichtet werden. Dh mit anderen Worten: ein Aufsplitterung in Bedeutung für Bundes‑, Landes- und Gemeindeinteressen gibt es nicht.

 

Gemäß § 2 ASFiNAG-Gesetz ist die Finanzierung von Bundesstraßen Sache der ASFiNAG, und nicht auch Sache der Länder und Gemeinden. Dies bedeutet nun, dass im Falle, dass der Bundesgesetzgeber im Wege der Inanspruchnahme seiner Bedarfskompetenz entscheidet, dass Bundesstraßen für den Durchzugsverkehr von Bedeutung sind, bei einem entsprechenden Projektantrag ein Trassenfestsetzungsbescheid zwingend zu erlassen ist; die Finanzierung ist Aufgabe der ASFiNAG. Das B‑VG und das BStG (in seiner bisherigen Systematik) gehen folglich davon aus, dass bei einer Bedeutung für den Durchzugsverkehr letztendlich diese Bedeutung den Grund für die Finanzierung durch die ASFiNAG (als zuständige Gesellschaft) darstellt. Die Finanzierung der ASFiNAG wiederum ist im Bundesstraßen‑Mautgesetz vorgesehen.

Die Bestimmung des § 10 Abs 2 BStG ist deshalb systemwidrig, weil das bisherige System „Bedeutung für den Durchzugsverkehr – Bundesinteressen – Pflicht zur Erlassung des Trassenbescheides – Finanzierung durch die ASFiNAG laut ASFiNAG‑Gesetz – Bemautung“, insbesondere § 9 Abs 6 und § 12 Bundesstraßen‑Mautgesetz (BStMG), durchbrochen wird. Zwar schreiben weder § 9 BStMG noch § 12 BStMG eine volle Umlegung der Herstellungs- und Erhaltungskosten auf die Benützer der Bundesstraßen vor. Immerhin kann aber der Bundesministerium für VIT im Einvernehmen mit dem Finanzminister durch Verordnung für Mautabschnitte, deren Herstellung, Erweiterung und bauliche und betriebliche Erhaltung überdurchschnittliche Kosten verursachen, höhere Mautabschnitttarife festsetzen bzw legt er im Einvernehmen mit dem Finanzminister unter Bedachtnahme auf die Kosten der Herstellung, Erweiterung, baulichen und betrieblichen Erhaltung die Vignettenpreise durch Verordnung fest. Dies macht wiederum deutlich, dass die Überlegungen in den erläuternden Bemerkungen zu § 10 Abs 2 BStG unrichtig sind. Dort wird im ersten Absatz darauf abgestellt, dass das Wirtschaftlichkeitskriterium der Bestimmung des § 4 Abs 1 BStG nicht von vornherein erfüllt wird.

 

§ 4 BStG regelt jedoch in keiner Weise, dass die Erlassung des Trassenbescheides von der Finanzierung bzw Finanzierbarkeit des Vorhabens abhängt. Vielmehr ist gemäß § 4 Abs 1 BStG auf „die Wirtschaftlichkeit des Bauvorhabens“ Bedacht zu nehmen; im Verfahren ist folglich auch die Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen. Dass auch eine Finanzierung (durch den Bund, wie dies die erläuternden Bemerkungen zu § 10 Abs 2 BStG formulieren) gesichert ist, ist nach § 4 BStG bedeutungslos. Vielmehr werden hier Finanzierung bzw Finanzierbarkeit einerseits und Wirtschaftlichkeit andererseits miteinander vermengt bzw verwechselt. Das Vorhandensein von Mitteln zur Finanzierung eines Bundesstraßenbauvorhabens sagt noch nichts über die Wirtschaftlichkeit dieses Vorhabens aus; genauso wenig ist ein wirtschaftlich sinnvolles Bundesstraßenbauvorhaben in jedem Fall finanzierbar.

Im Hinblick auf die oben genannte Systematik ist die neue Regelung des § 10 Abs 2 BStG wohl hochgradig unsachlich, verstößt somit auch gegen den Gleichheitsgrundsatz, und erscheint daher aus diesem Grunde verfassungswidrig.

Gemäß § 10 Abs 2 BStG im Entwurf haben die Länder und Gemeinden einen „angemessenen Beitrag zur Finanzierung des Bundesstraßenbauvorhabens“ zu leisten. Dieser Finanzierungsbeitrag fließt dem Bund (Bundesstraßenverwaltung) zu. Andererseits fließen – wie bereits angemerkt – aber alle Mauteinkünfte zur Refinanzierung direkt oder indirekt über die ASFINAG ausschließlich dem Bund zu.

Überhaupt sieht § 10 Abs 2 BStG keinerlei Verfahrensvorschriften sowie Erhebungsparameter vor. Entsprechende Hinweise finden sich auch nicht in den erläuternden Bemerkungen zu § 10 Abs 2 BStG. Es ist daher völlig unklar, nach welchem Verfahren und auf welche Weise im konkreten Fall vorzugehen ist.

 

Die vorliegende Bestimmung erscheint nicht nur problematisch im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot des Art 18 B‑VG, sondern auch kaum administrierbar. § 10 Abs 2 BStG spricht zwar von „überwiegendem Nutzen“, lässt aber auf keine Weise erkennen, was damit gemeint sein soll. Es ist nicht klar, welche Kategorie gegenüber welcher anderen überwiegen muss. Es ist auch nicht klar, um welche Art von Nutzen (wirtschaftlicher, infrastruktureller, etc.) gemeint ist. Auch ist nicht klar, ab wann von einem „überwiegenden Nutzen für den Bund“ gesprochen werden kann. Daneben wird dieser Nutzen für den Bund kaum beweisbar sein; ganz abgesehen davon, dass nicht klar ist, ob dieser Nutzen für den Bund im Sinne einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung oder nach anderen Kriterien zu verstehen ist.

 

Es erscheint auch unsachlich, den Ländern und Gemeinden eine Beweispflicht aufzuerlegen, der kaum jemals entsprochen werden kann; denn sie erfordert schwierigste Überlegungen hinsichtlich des öffentlichen Interesses überhaupt, der Aufteilung des Nutzens zwischen Bund und (einzelnen) Ländern sowie die Einrechnung und Aufteilung externer Kosten.

Eine solche Beweisführung würde nicht nur einen – quantifizierten – Nachweis für das Überwiegen öffentlicher Interessen bedeuten, sondern auch einen Nachweis bis hin zu den Ergebnissen des Finanzausgleichs, sowie der Mittelverwendung aus der von der ASFiNAG eingehobenen Maut, für den Bund.

Unklar ist auch, was als „angemessener Beitrag“ anzusehen ist. Es ist unklar, woraus sich die Angemessenheit ergibt und wonach sich diese berechnet. Berechnet sich die Angemessenheit nach einer prozentualen Beteiligung an den Kosten des Bundesstraßenbauvorhabens, oder ergibt sich diese Angemessenheit aus Anteilen am Landesbudget, oder orientiert sich diese Angemessenheit am Finanzausgleich, etc.?

Es ist nicht ersichtlich, was unter „Maßnahmen zum Ausbau von Bundesstraßen“ zu subsumieren ist. Die erläuternden Bemerkungen zu Z 16 (§ 10 Abs 2) erwähnen zwar, dass es sich hierbei beispielsweise um die Errichtung von weiteren Fahrstreifen oder die Errichtung von weiteren Anschlussstellen handelt, diese Aufzählung ist aber jedenfalls nicht abschließend und lässt einige Fragen offen.

 

Zusammenfassend ist daher zu sagen, dass diese Bestimmung vom Österreichischen Gemeindebund in der vorgeschlagenen Fassung, die die Beteiligung ua. der Gemeinden an der Finanzierung der Planung, des Baues und der Erhaltung von Bundesstraßen verlangt bzw. ermöglicht,  abgelehnt wird. Insbesonders deshalb,  da nicht definiert wird, was unter überwiegendem Nutzen für den Bund zu verstehen ist und daher bei der Umsetzung dieser Bestimmung erhebliche finanzielle Belastungen bzw. finanzielle Benachteiligung von  Gemeinden, va. in ländlichen Gebieten, die über keine gute Aufschließung verfügen,  zu erwarten sind .

 

Zu Z. 18 (§ 14 Abs.6):

Durch die Umformulierung des Abs. 6 soll die bisher erforderliche kostenaufwändige Kundmachung der der Verordnung zugrunde liegenden Pläne im Bundesgesetzblatt entfallen. Künftig sollen die Pläne nämlich in den betroffenen Gemeinden zur Einsichtnahme aufliegen. Bisher, d.h. nach der geltenden Rechtslage, sind gemäss Abs. 6 die Verordnungen den betroffenen Gemeinden zur ortsüblichen Kundmachung zu übermitteln. In der vorgeschlagenen Neufassung fehlt dieser Satz. Nach dem Wortlaut des neuen Abs. 6 sind nur mehr die Planunterlagen in der Gemeinde zur Einsichtnahme aufzulegen. Im gesamten § 14 findet sich keine Anordnung, dass die erlassenen Verordnungen den betroffenen Gemeinden zu übermitteln sind (Abs. 2 bezieht sich nämlich nur auf das Verfahren vor Erlassung der Verordnungen). Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Gemeinden die erlassenen Verordnungen nicht mehr, sondern nur die ihnen zugrunde liegenden Planunterlagen erhalten und diese zur Einsicht auflegen müssen. Für den Österreichischen Gemeindebund stellt sich daher die Frage, ob dies wirklich beabsichtigt war. Der Österreichische Gemeindebund ersucht daher um eine gesetzliche Klarstellung, inwieweit den Gemeinden sowohl die erlassenen Verordnungen als auch die Planunterlagen, die sie zur Einsichtnahme auflegen sollen, übermittelt werden müssen.. 

 

 

 

 

Mit freundlichen Grüßen

Für den Österreichischen Gemeindebund:

Der Generalsekretär:                                          Der Präsident:

 

 

                        Hink e.h.           Mödlhammer e.h.

                 vortr. HR Dr. Robert Hink          Bgm. Helmut Mödlhammer