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Amt der Wiener
Landesregierung
Dienststelle: Magistratsdirektion
Geschäftsbereich
Recht
Verfassungsdienst
und
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MD-VD - 1716/05 Wien, 12. Dezember 2005
Entwurf eines Bundesgesetzes, mit
dem das Strafgesetzbuch, die Straf-
prozessordnung 1975 und die Exe-
kutionsordnung geändert werden
(Strafrechtsänderungsgesetz 2006);
Begutachtung;
Stellungnahme
zur GZ BMJ-L318.023/0001-II 1/2005
An das
Bundesministerium für Justiz
Zu dem mit Schreiben vom 13. Oktober 2005 übermittelten Entwurf eines Bundesgesetzes wird nach Anhörung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien wie folgt Stellung genommen:
Mit dem vorgeschlagenen Gesetzentwurf sollen zwei voneinander unabhängige Materien geregelt werden. Einerseits sollen Bestimmungen über die „Ausweitung des Opferschutzes“, etwa durch Verankerung einer Anti-Stalking-Bestimmung, der Aufhebung der Privilegierungen der gefährlichen Drohung durch nahe Angehörige und
durch einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch geschaffen werden, andererseits soll, bezugnehmend auf die Konvention des Europarates zum Schutz der Umwelt durch das Strafrecht, das Umweltstrafrecht reformiert werden. Die Stellungnahme ist daher, abweichend von der Gliederung im Entwurf, auch in diese zwei großen Themenbereiche geteilt.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Ausweitung des Opferschutzes grundsätzlich erfreulich und begrüßenswert ist. Allerdings wird die geplante Neuregelung als zu wenig weitgehend und damit nur bedingt zielführend erachtet. Diesbezügliche konkrete Ergänzungs- und Änderungsvorschläge sowie grundsätzliche Überlegungen enthält Teil A der Stellungnahme.
Die vorgeschlagenen Änderungen des Umweltstrafrechts werden im Sinne der besonderen Bedeutung der Europarechtskonvention zur Schaffung einheitlicher europaweiter Mindeststandards ebenfalls grundsätzlich begrüßt. Anregungen zu einer optimierten Umsetzung enthält Teil B der Stellungnahme.
Generell darf darauf hingewiesen werden, dass der
vorliegende Entwurf nicht dem Erfordernis der sprachlichen Gleichbehandlung von
Frau und Mann (vergleiche insbesondere die im Handbuch der Rechtsetzungstechnik, Teil 1:
Legistische Richtlinien 1990, Pkt. 10, angeführten Grundsätze der sprachlichen Gestaltung von
Rechtsvorschriften) gerecht wird.
Zu Art. 1 Z 2 und Art. 1 Z 15:
Die
Ergänzung des § 106 Abs. 1 Z 3 des Strafgesetzbuches (StGB) um
die Tathandlung der Nötigung zur Eheschließung wie auch die Abschaffung der
Ehenötigung nach § 193 StGB und die damit verbundenen Privilegierungen
werden begrüßt.
Zu Art. 1 Z 3:
Die ersatzlose Streichung der prozessualen Begünstigung des Täters nach § 107 Abs. 4 StGB wird begrüßt.
Zu den Erläuterungen, nach denen das Für und Wider einer Abschaffung im Zuge des Begutachtungsverfahrens diskutiert werden soll, wird die Auffassung vertreten, dass die Vorteile einer Abschaffung klar überwiegen: Es haben sich die gesellschaftlichen Bewertungssysteme seit den Jahren ab 1970 massiv geändert und auch der Gesetzgeber hat - zuletzt bei der ersatzlosen Streichung des § 203 StGB - erkannt, dass familiäre Verhältnisse keine strafrechtliche Privilegierung per se „verdienen“. Gewalt in Familien ist gesellschaftlich zu ächten und zu sanktionieren.
Aus Sicht der Erfahrungen der Mitarbeiterinnen des 24 Stunden-Frauennotrufs der Stadt Wien ist festzuhalten, dass Frauen immer wieder die Ermächtigung zur Strafverfolgung bei gefährlicher Drohung durch nahe Angehörige zurückziehen, da sie von diesen und dem gesamten familiären Umfeld unter Druck gesetzt werden. Dies wird von außen oft als autonomes und freies Handeln missverstanden. Die langjährige Beratungstätigkeit des 24 Stunden-Frauennotrufes zeigt, dass es vielmehr eine Entlastung für die Opfer darstellen würde, wenn auch dieses Delikt als Offizialdelikt ausgebildet wäre. Die Betroffenen haben wie alle anderen Strafopfer das Recht auf amtswegige Strafverfolgung.
Zu Art. 1 Z 4, Art. II, Art. III, Art. IV Z 1 und 2:
Grundsätzlich wird festgehalten, dass der vorliegende Entwurf, in dem verschiedene rechtliche Vorgehensweisen in Fällen von Stalking geregelt werden, als ein wichtiger Schritt zur Verbesserung des Opferschutzes angesehen und diese Entwicklung begrüßt wird. Dies auch deshalb, da seitens der Stadt Wien bereits seit dem Jahr 2002 verschiedene Initiativen gesetzt wurden, die auf die schwierige Situation von Stalking-
opfern aufmerksam machten, Stalking als soziale Gewalt definierten und auf den Handlungsbedarf im Sinne der Schaffung eines „Anti-Stalking Gesetzes“ hingewiesen haben.
Die
Forderung nach einer gesetzlichen Regelung, die vom Wiener Gemeinderat in einem
einstimmigen Beschluss vom 23. September 2004 an die Bundesregierung und den
Nationalrat gerichtet war, beinhaltete unter anderem die zentralen Grundsätze,
raschen und leicht zugänglichen Schutz für die Betroffenen sicherzustellen und
einen Straftatbestand zu schaffen, der nicht nur rechtsstaatliche Sanktionen
ermöglicht, sondern auch innerhalb der Gesellschaft eine wichtige Signalwirkung
bei der Bewertung der Unrechtmäßigkeit dieses Handelns hat.
Im Hinblick auf die Kriterien der Gewährleistung von
raschen und leicht zugänglichen Opferrechten muss jedoch festgestellt werden,
dass der vorliegende Entwurf dies nur bedingt erfüllt. Dazu sei auf die Einbindung
der Sicherheitsbehörden nur unter bestimmten Vorraussetzungen, auf die selbst
für juristische FachexpertInnen komplex anmutende Regelung im
Zivilrechtsbereich und letztlich auf die fehlende Regelung im Sicherheitspolizeigesetz,
mit der die Sicherheitsbehörden unmittelbar ein Kontaktverbot aussprechen
können, hingewiesen. Es wird bemängelt, dass durch diese fehlende primäre
Zuständigkeit die Polizei auf die Handlungen der Täter nicht unmittelbar
reagieren kann, wiewohl dies doch zu einem gelinderen Mittel zählen würde und
nach Erfahrungen mit der Vollziehung des Gewaltschutzgesetzes einen hohen
Abschreckungs- und Wirkungscharakter hat. Die derzeitige Regelung lässt jedoch bei
Stalkingverhalten für die Opfer nur Anzeigemöglichkeiten oder ein
Zivilrechtsverfahren zu.
Ein sofortiges Handeln der Polizei, noch vor einer
polizeilichen Anzeige oder einem Unterlassungsurteil, in Anlehnung an den
§ 38a des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) sollte daher unbedingt
vorgesehen werden.
Im Zusammenhang mit einem kürzlich vom Bundesministerium für Inneres ausgesendeten Entwurf einer Novelle zum Sicherheitspolizeigesetz wurde in der Stellungnahme des Amtes der Wiener Landesregierung auch auf die Notwendigkeit einer diesbezüglichen Bestimmung im Sicherheitspolizeigesetz hingewiesen.
Das Fehlen einer analogen Bestimmung im Sicherheitspolizeigesetz ist auch deshalb unverständlich, weil bereits im Bereich des Gewaltschutzes in der Familie eine langjährig in der Praxis bewährte Regelung in der Exekutionsordnung (EO) und dem Sicherheitspolizeigesetz besteht (Best-Practice-Modell), die als Vorbild für den gegenständlichen Entwurf dienen sollte.
Aus der Praxis
des Gewaltschutzes in der Familie ist bekannt, dass die von
Sicherheitswacheorganen aufgenommenen Berichte auf Grund des behördlichen
Einschreitens von KontaktbeamtInnen, das zu einer Wegweisung und zu einem
Betretungsverbot gemäß § 38a SPG führt, wesentliche Beweismittel im
nachfolgenden Verfahren zum Schutz vor Gewalt in der Familie nach § 382b
EO sind.
Zusammenfassend bedeutet das für die künftige Praxis, dass die vorgeschlagene Regelung hauptsächlich sozial besser gestellten Personen bzw. Personen des öffentlichen Lebens gegen Eingriffe in deren Privatsphäre helfen würde, da das Kostenrisiko für diesen Personenkreis und die Kosten für eine Vertretung durch berufsmäßige Parteienvertreter eine geringere Rolle spielen wird. Für sozial schwächere Bevölkerungsschichten, und da werden aus praktischer Erfahrung vor allem Frauen betroffen sein, würde das vorgeschlagene Instrumentarium unwirksam bzw. finanziell nicht leistbar sein. Dass das Opfer erst einen Antrag stellen und auf das Ergebnis warten muss, ist selbst dann, wenn dieses Verfahren beschleunigt durchgeführt wird, unzumutbar.
Es wird daher
mit Nachdruck gefordert, dass der rasche, schnelle und unbürokratische
Opferschutz vor derartigen Belästigungen konsequent zu Ende gedacht wird und
die gegenständlichen Regelungen an die in der Praxis bewährten Bestimmungen der
Exekutionsordnung und des Sicherheitspolizeigesetzes zum Schutz vor Gewalt in
der Familie angepasst wird.
Zu Art. 1 Z 4:
Die Einführung eines neuen Straftatbestandes für Stalking wird grundsätzlich begrüßt.
Die Überschrift zum neuen § 107a „Beeinträchtigung der Lebensführung“ sowie die weitere Textierung treffen die pönalisierte Handlung aber nur bedingt.
Im Vordergrund steht vielmehr die Verfolgung und/oder Belästigung einer anderen Person durch diverse in den Z 1 bis 4 umschriebene Handlungen, wodurch die verfolgte und/oder belästigte Person (auch nur fahrlässig) in Furcht und Unruhe versetzt wird. Das müsste sowohl durch einen griffigeren Titel (wie „Psychoterror“) als auch durch eine klarere Formulierung der Tatbestandsmerkmale erfolgen.
Bedenklich ist, dass der Tatbestand aus einer Aneinanderreihung unbestimmter Begriffe besteht. Demgemäß sollten in den Erläuterungen beispielhafte typische Fälle aus der Praxis angeführt werden, um den vollziehenden Gerichten einen gewissen Überblick über die Vielfältigkeit der Belästigungen, vor allem über Dritte, zu geben. Darüber hinaus sollten Beispiele angeführt werden, die im Grenzbereich der Strafbarkeit bzw. darunter liegen. Eine überzogene Vollziehung des Gesetzes wäre genauso wenig erwünscht, wie eine zu tolerante Vorgangsweise der Gerichte.
Zur Definition „unzumutbare Beeinträchtigung der Lebensführung“:
In den Erläuterungen wird darauf hingewiesen, dass es sich bei den Tathandlungen der Z 1 und 2 um an sich sozialadäquate Verhaltensweisen handelt und daher die Interessenabwägung zwischen den Freiheitssphären von Opfer und Täter in höherem Maße erforderlich sein soll, als dies bei den Tathandlungen der Z 3 und 4 notwendig ist. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.
Gerade Tathandlungen,
wie etwa Nachstellen, wiederholtes Auflauern, Telefonterror, Kontaktaufnahmen
über Dritte am Arbeitsplatz oder im sozialen Nahraum, stellen massive Eingriffe
in die Privatsphäre dar. Sie beeinträchtigen die Lebensführung der Opfer massiv
und unzumutbar und erzwingen häufig deren Veränderung. Die Privilegierung der
Tathandlungen nach Z 3 und 4 ist somit nicht nachvollziehbar. Vielmehr
sollte für jede Tathandlung dieselbe Interessenabwägung vorgenommen werden,
denn gerade beim Phänomen Stalking werden „an sich sozial adäquate“
Verhaltensweisen und Handlungen durch das beharrliche und unbefugte Setzen zu
einem inadäquaten Sozialverhalten.
Zur Definition
„beharrlich“:
Es wird in den Erläuterungen ausgeführt, dass die Wiederholung der Tat Voraussetzung für das Vorliegen von Beharrlichkeit sein soll, dies alleine aber nicht ausreichend ist. Vielmehr soll für die Feststellung, ob ein Verhalten das Kriterium von Beharrlichkeit erfüllt, die Willensbekundung des Täters, sich auch in Zukunft immer wieder entsprechend zu verhalten, herangezogen werden (S. 15 zu Art. I Z 4 „... mit dem Willen handeln, sich auch in Zukunft immer wieder entsprechend zu verhalten“). Grundsätzlich sollte das Vorliegen „dieses Willens“ vom Gesetzgeber angenommen werden, wenn der Täter bereits wiederholt derartiges Verhalten gesetzt hat. Die Beharrlichkeit eines Verhaltens ist nur durch die bereits getätigten Handlungen des Täters objektivierbar. Die Willensäußerung des Täters zu seinem zukünftigen Verhalten erfüllt wohl kaum objektive Prüfkriterien, auf deren Basis ein strafrechtsrelevantes Verhalten definiert wird.
Zur Definition der „räumlichen Nähe“:
Die besondere Betonung auf Annäherungen, die zufällig entstehen und somit nicht unter Z 1 fallen würden, erscheint auf Grund der Tatsache, dass nur Handlungen, die dem Erfordernis der Beharrlichkeit genügen, unter den Tatbestand § 107a Z 1 StGB
fallen, irritierend. Wiewohl Erfahrungen von Opferschutzeinrichtungen zeigen, dass es bei Stalking „zufällige Annäherungen“ in den seltensten Fällen gibt, werden sehr wohl im öffentlichen Raum Verfolgungshandlungen, die auf den ersten Blick zufällig erscheinen können, vom Täter bewusst gesetzt. Es erscheint daher wichtig, das Gesamtbild der Tathandlungen unter diesem Aspekt zu bewerten.
Zur Festsetzung
der Strafdrohung:
Die Strafdrohung bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe erscheint angemessen. Erwähnt werden in den Erläuterungen mögliche gerichtliche Reaktionsformen, wie die Erteilung der Weisung sich einer Therapie zu unterziehen oder eine Kontaktaufnahme zum Opfer zu unterlassen. Wünschenswert wäre eine Empfehlung des Gesetzgebers an die Gerichte, gerade in Stalkingfällen vermehrt und nachhaltiger von diesen Möglichkeiten Gebrauch zu machen.
Begrüßt wird die Normierung des § 107a StGB als Offizialdelikt.
Neben dem Vorsatzdelikt sollte auch die fahrlässige Begehung des gegenständlichen strafbaren Deliktes unter Strafe gestellt werden.
Zu Art. II:
Die Normierung einer Zuständigkeit der EinzelrichterInnen beim Straflandesgericht für den Straftatbestand des § 107a StGB wird begrüßt. Damit wird auch die Verhängung einer Untersuchungshaft möglich.
Zu Art. III:
Grundsätzlich wird die Normierung eines
Unterlassungsanspruches gegen Eingriffe in die Privatsphäre sowie die
demonstrative Aufzählung von möglichem Stalkingverhalten in dieser
Gesetzesbestimmung begrüßt.
Als problematisch wird aber die Ausgestaltung dieser
Norm als lex fugitiva angesehen und die Ablehnung der Verankerung dieser
Gesetzesbestimmung im Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) ist nicht nachvollziehbar.
Als Beispiel spezieller Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte, die im
Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch sehr wohl geregelt werden, sind die
Schadensersatzbestimmungen gemäß §§ 1323 ff. ABGB zu nennen, konkret der
§ 1329 ABGB, welcher volle Genugtuung nach speziell genannten Eingriffen
in das Recht der persönlichen Freiheit zuspricht.
Zu Art. IV:
Zu Art. IV Z 1:
Grundsätzlich ist diese alternative
Exekutionsmöglichkeit von Unterlassungsurteilen (betreffend Persönlichkeitsverletzungen)
zu begrüßen. Festzuhalten ist jedoch, dass dieses Prozedere zu langsam ist, um
für Betroffene rasche und wirksame Schutzmaßnamen gewährleisten zu können.
Wünschenswert wäre ein schnellerer und unbürokratischer Zugang zum
Vollzugssystem. Es wird insbesondere in dem Fall, dass eine einstweilige Verfügung nach
§ 382g EO wegen der Fällung eines Unterlassungsurteiles weggefallen ist,
eine Rechtsschutzlücke geortet, da in diesem Fall erst nach Bewilligung des
Exekutionsantrages die Sicherheitsbehörden mit dem Vollzug (wieder) betraut
werden können.
Zu Art. IV Z 2:
Es ist nicht verständlich, weshalb das Gericht nur
den Vollzug von einstweiligen Verfügungen nach Z 1 und 2 den
Sicherheitsbehörden übertragen können soll. Gerade für einstweilige Verfügungen
nach Z 4 (= Verbot der Verfolgung der gefährdeten Partei) ist ein
sicherheitsbehördliches Einschreiten zum Schutz der gefährdeten Partei
unumgänglich. Möglicherweise
handelt es sich um ein Redaktionsversehen, da sich dazu in den Erläuterungen
keinerlei Ausführungen finden.
Ausdrücklich wird festgehalten, dass sich eine
Sicherung von Unterlassungsansprüchen durch die Sicherheitsbehörden bereits bei
der Vollziehung des „Gewaltschutzgesetzes“ sehr bewährt hat. Darum ist auch
eine analoge Regelung zur Unterstützung der Justiz bei der Gewährleistung des
Opferschutzes von besonderer Wichtigkeit.
Weiterführende Anregungen:
Neben den entsprechenden Regelungen fehlen für einen effektiven Schutz gegen Stalking folgende Instrumente, die daher ausdrücklich gefordert werden:
1. Es sollte eine
zentrale Datenbank für Stalkingfälle eingerichtet bzw. der Anwendungsbereich
des § 80b SPG betreffend die bereits bestehende zentrale Gewaltschutzdatei
auf Stalkingbelästigungen ausgedehnt werden.
2. Es sollte im
Sicherheitspolizeigesetz auch eine so genannte „Gefährderansprache“ für Stalker
normiert werden. Damit würde den KontaktbeamtInnen die Möglichkeit eingeräumt
werden, Stalker zu den Kompetenzstellen bei den Sicherheitsbehörden zu laden,
um sie über ihr Verhalten zu befragen und sie über Rechtsfolgen weiterer
Belästigungen zu belehren. Das wäre in vielen Fällen eine für den Stalker
sicherlich sehr unangenehme Maßnahme, die präventiven Charakter hätte.
3. Bezüglich einer psychosozialen und juristischen
Prozessbegleitung wird angeregt, § 162 Abs. 4 bis 6 der Strafprozessordnung 1975 (StPO)
in der vorgesehenen Fassung um den neuen § 107a StGB zu erweitern. Die
schwer wiegenden Auswirkungen dieser Gewaltform auf die Opfer definieren diese
Opfergruppe auch als emotional besonders betroffene Personen, womit eine
psychosoziale und rechtliche Unterstützung im Verfahren gerechtfertigt
erscheint.
4. Sowohl in einem Strafverfahren nach dem geplanten § 107a
StGB als auch in einem Zivilverfahren wegen einer Unterlassungsklage nach dem
geplanten § 355a EO wird die getrennte Einvernahme und Befragung von Opfer
und Täter als dringend erforderlich angesehen.
Betrachtet man die Dynamik von
Stalking, so wird das Verhalten des Täters von dem Prinzip geleitet, ständig
die Nähe des Opfers gegen dessen Willen aufzusuchen und den Kontakt
herzustellen. Jedes Setzen von rechtlichen Schritten durch das Opfer würde,
ohne dass diesem ein besonderer Schutz zugestanden wird, die paradoxe Situation
der neuerlichen Begegnung schaffen, nämlich bei Befragungen im Straf- und Zivilverfahren.
Es wird befürchtet, dass sich Betroffene darum gegen rechtliche Schritte
entscheiden könnten. Einerseits aus Angst vor der Begegnung mit dem Täter,
andererseits wegen der durchaus berechtigten Befürchtung, dass diese
Kontaktmöglichkeiten die Stalking-Dynamik intensivieren. Zudem schafft eine Rahmenbedingung im
Verfahren, die nicht darauf ausgelegt ist, der spezifischen Dynamik durch
Schutzmaßnahmen Rechnung zu tragen, für den Täter die Bestätigung für sein
Handeln.
5. Ein besonderer Schutz der persönlichen Daten des Opfers ist
erforderlich. Insbesondere dann, wenn die von Stalking betroffene Person ihren Wohnsitz
auf Grund der Verfolgungen wechseln musste oder sich eine Geheimadresse oder
Geheimnummer zugelegt hat, erscheint es ganz besonders notwendig, diese Daten
vor dem Zugriff des Täters auch im Verfahren zu schützen. Es sollte bei
Verfolgungshandlungen daher unbedingt der Notwendigkeit des Schutzes der
Betroffenen Rechnung getragen werden und entweder seitens der Behörden auf die
Möglichkeit der Angabe einer neutralen Zustelladresse hingewiesen werden oder
sollten persönliche Daten (auch Telefonnummern) der Opfer vertraulich behandelt
werden.
6. Der Anwendungsbereich des
außergerichtlichen Tatausgleiches sollte grundsätzlich für Verfahren nach
§ 107a StGB ausgeschlossen sein. Maßnahmen der Diversion, wie etwa Geldbußen oder gemeinnützige Arbeit,
sind generell als sinnvolle Alternativen zu einem Strafverfahren anzusehen. Das Instrument des außergerichtlichen
Tatausgleiches ist jedoch bei
Verfahren wegen § 107a StGB gerade wegen der neuerlichen Herbeiführung
eines Zusammentreffen zwischen Opfer und Täter abzulehnen.
Es ist zwar nur nach Zustimmung beider Parteien der
Einsatz des außergerichtlichen Tatausgleiches zulässig, doch würde bereits die
Inbetrachtziehung seitens des Gerichtes die Anerkennung der besonderen Schutzbedürftigkeit
des Opfers in Frage stellen.
B. Reform des Umweltstrafrechts
Grundsätzlich wird
der vorgelegte Entwurf zur Änderung des Umweltstrafrechts begrüßt, wobei
folgende positive Änderungen hervorzuheben sind:
1. Die Ausweitung
der geschützten Tatobjekte auf das Leben oder eine schwere Körperverletzung
einer Person, Denkmäler und Vermögensgegenstände (fremde Sachen) in den §§
177b, 177c, 180, 181, 181b, 181c, 181d, 181e StGB.
2. Die Schaffung
eines Tatbestandes gegen den „fahrlässigen unerlaubten Umgang mit Kernmaterial
oder radioaktiven Stoffen“ (§ 177c StGB).
3. Die Einführung
eines Tatbestandes gegen das „grob fahrlässige umweltgefährdende Betreiben von
Anlagen“ (§ 181e StGB).
Zu einzelnen Bestimmungen:
Zu Art. I Z 8:
§ 180 Abs. 1 Z
2 StGB:
Die Abschaffung des Tatbestandsmerkmales „in einem
größeren Gebiet“ wird besonders begrüßt, da es vielfach zur Straffreiheit des
Täters führte.
Der diesbezügliche Art. 2 der Konvention des
Europarates spricht von „substantial damage to animals or plants“, also von
„erheblichen Schäden an Tieren oder Pflanzen“, was nunmehr mit den Worten
„einer Gefahr für den Tier- oder Pflanzenbestand in erheblichem Ausmaß“ in den
vorliegenden Entwurf Eingang gefunden hat.
Kritisch wird dazu angemerkt, dass der Begriff „Tier-
oder Pflanzenbestand“ insofern nicht eindeutig ist, als damit nicht klar zum
Ausdruck gebracht wird, ob vom Schutzzweck auch einzelne Tier- bzw.
Pflanzenarten erfasst sind oder nur der Tier- bzw. Pflanzenbestand als
Gesamtheit geschützt wird. Da den Erläuterungen und der bisherigen Judikatur
entnommen werden kann, dass jedenfalls der Schutz einzelner Arten sogar in
kleineren Gebieten beabsichtigt ist, wäre eine sprachliche Klarstellung
dahingehend erforderlich.
§ 180 Abs. 1 Z 3
StGB:
Die Einführung eines potentiellen Gefährdungsdeliktes
für lange Zeit andauernde Verunreinigungen der Gewässer, des Bodens und der
Luft (lit. a) ohne Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen,
Tieren oder Pflanzen ist positiv zu beurteilen. Die Konvention spricht im
Art. 2 Abs. 1 lit. b von „lasting deterioration of air, soil and
water“, also von „nachhaltiger Verunreinigung von Luft, Boden und Wasser“. Nach
den Erläuterungen soll für die Auslegung des Begriffes „lange Zeit“ kein
strenges Zeitlimit angegeben werden und ist dabei auch auf die Intensität der
Beeinträchtigung abzustellen. Die Berücksichtigung der Intensität der Verunreinigung
sollte daher auch im Gesetzestext ihren Niederschlag finden.
§ 180 Abs. 1 Z
4 StGB:
Im Hinblick auf das im § 180 Abs. 1 Z 4
geschützte Objekt eines „unter Denkmalschutz stehenden Gegenstandes“ kann die Frage aufgeworfen werden, ob
darunter auch jene Naturgebilde zu verstehen sind, die von den
Naturschutzgesetzen als Natur-
denkmäler geschützt werden. In Betracht kommen
z. B. Biotope oder einzelne geschützte Bäume oder Baumgruppen. Art. 2
Abs. 1 lit. b der Konvention spricht in diesem Zusammenhang von
geschützten Denkmälern („protected monuments“) und sonstigen geschützten
Gegenständen („other protected objects“). Die Wortfolge „sonstige geschützte
Objekte“ wurde in den gegenständlichen Entwurf nicht übernommen. Im Sinne eines
umfassenden Umweltschutzes wird daher angeregt, die von den Naturschutzgesetzen
geschützten Naturgebilde als Tatobjekte in den § 180 Abs. 1
aufzunehmen.
Zu Art. I Z 10:
§ 181b Abs. 1
StGB:
Art. 2 Abs. 1 lit. c der Konvention
sieht vor, die in Folge von rechtswidrigem Behandeln und Verbringen von
Abfällen entstehende Gefahr einer erheblichen Umweltbeeinträchtigung unter
Strafe zu stellen („substantial damage to the quality of air, soil and water“).
Der vorliegende Gesetzentwurf sieht die Strafbarkeit
auf Grund rechtswidrigem Behandeln und Verbringen von Abfällen nur dann vor,
wenn dadurch eine Gefahr der Verschlechterung des Zustandes eines Gewässers,
des Bodens oder der Luft entsteht, die a) lange Zeit andauert oder b) deren
Beseitigung unmöglich bzw. wirtschaftlich unvertretbar ist oder einen EUR
50.000,-- übersteigenden Betrag erfordert.
Dazu wird angemerkt, dass die Kriterien der lit. a und b des Gesetzentwurfes nicht mit dem in der Konvention vorgesehenen Kriterium der „Erheblichkeit“ übereinstimmen. Eine Verunreinigung kann auf Grund ihrer Intensität, Größe, Gefährlichkeit oder Dauer erheblich sein. Zu bedenken ist, dass in lit. b die Strafbarkeit eines an sich gefährlichen und rechtswidrigen Verhaltens von den hypothetischen Beseitigungskosten bzw. der wirtschaftlichen Vertretbarkeit dieser Kosten abhängen soll, was einerseits ohne
ersichtlichen Grund auf das Handlungsunrecht zurückwirkt, andererseits eine exakte Feststellung dieser hypothetischen Kosten in der Praxis mit hinreichenden Schwierigkeiten verbunden sein wird.
Es wird daher angeregt, den Wortlaut der Konvention in den Gesetzentwurf zu übernehmen und die „erhebliche“ Verschlechterung des Zustandes eines Gewässers, des Bodens oder der Luft, als potentielles Gefährdungsdelikt unter Strafe zu stellen.
Zu Art. I Z 13:
Besonders
begrüßt wird die Einführung eines Tatbestandes gegen das „grob fahrlässige
umweltgefährdende Betreiben von Anlagen“. Damit wird § 181d StGB ein
korrespondierendes und wirksames Fahrlässigkeitsdelikt zur Seite gestellt und
dem Problem der mangelnden Beweisbarkeit des Vorsatzes ausreichend begegnet.
Gleichzeitig werden 25 Ausfertigungen dieser Stellungnahme an das Präsidium des Nationalrates übermittelt. Eine weitere Ausfertigung ergeht an die e-mail Adresse „begutachtungsverfahren@parlament.gv.at“.
Für den Landesamtsdirektor:
Mag. Michael Raffler
Dr. Günther Smutny Senatsrat