Bundesministerium für Justiz

Museumstraße 7

1070 Wien

 

 

 

 

 

 

 

 

Wiedner Hauptstraße 63 | Postfach 195

1045 Wien

T +43 (0)5 90 900-4239DW | F +43 (0)5 90 900-114239

E  Verena.Varga@wko.at

W  http://www.wko.at/rp

Ihr Zeichen, Ihre Nachricht vom                                Unser Zeichen, Sachbearbeiter                                Durchwahl                                Datum

BMJ-L318.023/0001-II 1/2005                   Rp  746/05/CN/Va                   4239                   12.12.2005

 

 

 

Entwurf eines BG, mit dem das Strafgesetzbuch, die Strafprozessordnung 1975 und die Exekutionsordnung geändert werden, Stellungnahme

 

 

Die Wirtschaftskammer Österreich nimmt zu oa Gesetzesentwurf wie folgt Stellung:

 

Die WKÖ anerkennt die Bemühungen, spezielle Bestimmungen zum Schutz der Persönlichkeit des Menschen einzuführen. Der Gesetzesentwurf ist unseres Erachtens jedoch zu weitgehend; insbesondere besteht die Gefahr, dass durch die Vielzahl der  unbestimmten Gesetzesbegriffe erhebliche Rechtsunsicherheit geschaffen wird.

 

Die vom Entwurf vorgeschlagenen Änderungen des Umweltstrafrechts sollen den österreichischen Rechtsbestand an die Konvention des Europarates zum Schutz der Umwelt durch das Strafrecht vom 4. November 1998 anpassen. Diese Europaratskonvention ist bisher noch nicht in Kraft getreten. Weiters ist zu erwaten, dass die Europäische Kommission eine RL zum Schutz der Umwelt durch das Strafrecht vorschlagen wird. Es sollte daher für die Anpassung des österreichischen Umweltstrafrechts, die RL abgewartet werden, um unnötigen Aufwand und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.

 

Zu Artikel I Z 4 (§ 107a StGB):

Die Gesetzesbestimmung soll das so genannte „Stalking“ unter Strafe stellen. Der vorgeschlagene Tatbestand ist aber zu weit und zu unbestimmt. Z.B. ist nicht bestimmt, was eine unzumutbare Beeinträchtigung der Lebensführung ist oder wann ein Aufsuchen der räumlichen Nähe beharrlich und unbefugt ist. Diese Unbestimmtheit gewinnt an besonderer Schärfe, da für die Deliktsbegehung bedingter Tatvorsatz ausreicht und das Delikt auch im Versuch begangen werden kann.

 

Weiters sind die Wechselwirkungen des vorgeschlagenen Tatbestands mit dem Gleichbehandlungsgesetz nicht geklärt. Im internen Begutachtungsverfahren wurde kritisiert, dass der Begutachtungsentwurfs nicht zwischen BMWA und dem BMJ koordiniert wurde, obwohl diese Koordination von Seiten der WKÖ immer wieder gefordert wurde, da die Zusammenhänge mit dem Gleichbehandlungsgesetz evident sind. Wir fordern daher weiterhin die Koordination und Abstimmung der geplanten Gesetzbestimmung mit dem BMWA.

 

Das Gleichbehandlungsgesetz (GBlG) schützt grundsätzlich die Arbeitnehmer vor Belästigungen am Arbeitsplatz. Welche Handlungen konkret als „Belästigungen“ zu qualifizieren sind, zählt das GlBG taxativ auf (vgl. § 6 ff GBlG). Nach dem GlBG hat der Arbeitgeber Belästigungen am Arbeitsplatz zu unterbinden. Diese Pflicht erwächst auch aus der allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Das Delikt des § 107a StGB idF des Entwurfs kann auch durch Unterlassung begangen werden. Ein Arbeitgeber, der es unterlässt, Belästigungen seines Arbeitnehmers am Arbeitsplatz zu unterbinden, könnte sich sohin gemäß § 107a StGB strafbar machen. Dadurch würde die Verletzung der im Zivilrecht verankerten Fürsorgepflicht strafrechtlich verfolgt werden. Dieses Ergebnis wird abgelehnt.

 

Weiters sollten Tatbestände, die bereits verwaltungsstrafrechtlich (und zivilrechtlich) ausreichend sanktioniert sind, nicht auch noch strafgerichtlich sanktioniert werden. Z.B. sind sowohl Werbemittelverteilung als auch die Nutzung von Kommunikationsmitteln zu Marketingzwecken ausreichend verwaltungsrechtlich reguliert und sanktioniert. Eine potentielle Eingliederung in das gerichtliche Strafrecht wird abgelehnt. 

 

Die Strafandrohung von einem Jahr Freiheitsstrafe ist zu hoch und fügt sich nicht in den üblichen Sanktionsrahmen des StGB ein: Selbst für eine vorsätzliche Körperverletzung ist neben der einjährigen Freiheitsstrafe eine alternative Geldstrafe von 360 Tagessätzen vorgesehen.

 

Zu Artikel I - Bestimmungen des Umweltstrafrechts allgemein:

Die vorgeschlagenen Änderungen des Umweltstrafrechts sollen den österreichischen Rechtsbestand an die Konvention des Europarates zum Schutz der Umwelt durch das Strafrecht vom 4. November 1998 anpassen. Diese Europaratskonvention ist bisher noch nicht in Kraft getreten, da lediglich Estland die Konvention ratifiziert hat (für das In-Kraft-Treten der Konvention ist die Ratifikation von drei Mitgliedstaaten erforderlich). Ein Rahmenbeschluss (2003/80/JI) des Rates vom 27. Jänner 2003 über den Schutz der Umwelt durch das Strafrecht wurde aufgrund einer Nichtigkeitsklage der Europäischen Kommission vom EuGH (13.9.2005, RS C-176/03) für nichtig erklärt. Die Kommission hat in ihrer Nichtigkeitsklage die Rechtsgrundlage, die der Rat für seinen Rahmenbeschluss gewählt hat, angegriffen. Da grundsätzlich (nach den erläuternden Bemerkungen) die politischen Ziele zum Schutz der Umwelt außer Streit stehen, ist zu erwarten, dass die Europäische Kommission eine RL zum Schutz der Umwelt durch das Strafrecht vorschlagen wird. Aus unserer Sicht sollte vor einer Anpassung des österreichischen Umweltstrafrechts, die RL abgewartet werden, um unnötigen Aufwand und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.

 

Zu Art I Z 8 und 9 (§§ 180, 181 StGB):

Eine Gefährdung oder Schädigung von denkmalgeschützten Gebäuden durch Verunreinigung von Gewässern, Boden oder Luft, sollte nicht strafrechtlich sanktioniert werden.

 

Zu Art I Z 13 (§ 181e StGB „Grob fahrlässiges umweltgefährdendes Betreiben von Anlagen“):

Es wird sehr begrüßt, dass - entsprechend den Vorgaben der Europaratskonvention – die Strafbarkeit nur grob fahrlässiges umweltgefährdendes Betreiben von Anlagen trifft und nicht auch auf leicht fahrlässiges Betreiben ausgedehnt wird.

 

 

 

 

Zu Art III „Anspruch auf Unterlassung von Eingriffen in die Privatsphäre“:

Durch Art III soll - völlig unabhängig von einem zivilrechtlichen Basisgesetz – ein Unterlassungsanspruch bei Eingriffen in die Privatsphäre eingeräumt werden. Aus unserer Sicht ist dieser zusätzliche Unterlassungsanspruch abzulehnen:

-         Zivilrechtliche Unterlassungsansprüche sollten grundsätzlich in einem zivilrechtlichen Basisgesetz, insbesondere ABGB, geregelt werden.

-         Ein eigener Unterlassungsanspruch für Verletzungen des neuen § 107a StGB ist nicht erforderlich, da sich ein solcher bereits aufgrund der Schutzgesetzverletzung gemäß § 1311 ABGB ergibt.

Selbst wenn man den erläuternden Bemerkungen folgt, dass der Unterlassungsanspruch nach Art III auch besteht, wenn die Grenzen des § 107a StGB zur gerichtlichen Strafbarkeit noch nicht überschritten wurden, ist der spezielle Unterlassungsanspruch nach Art III nicht erforderlich. § 328a ABGB gewährt einen (immateriellen) Schadenersatzanspruch ua dann, wenn rechtswidrig und schuldhaft in die Privatsphäre eines Menschen eingegriffen wird. Bereits aus dieser Bestimmung ergibt sich ein Unterlassungsanspruch für Eingriffe in die Privatsphäre. Durch den vorgeschlagenen § 107a StGB wir die von § 1328a ABGB geschützte Privatsphäre zusätzlich noch näher (bzw weiter) determiniert.

 

25 Ausfertigungen der Stellungnahme wurden dem Präsidium des Nationalrats übermittelt; weiters wurde die Stellungnahme an begutachtungsverfahren@parlament.gv.at übersandt.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

 

 

Dr. Christoph Leitl         Dr. Reinhold Mitterlehner

Präsident Generalsekretär-Stv.