Amt der Tiroler Landesregierung

 

 

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Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundesgesetz über Krankenanstalten und Kuranstalten und das Ärztegesetz 1998 geändert werden; Stellungnahme

Geschäftszahl

Innsbruck,

Präs.II-299/2027
15.02.2006

 

 

Zu Zl. BMGF-92601/0001-I/B/8/2006 vom 19. Jänner 2006

Zum oben angeführten Gesetzentwurf wird wie folgt Stellung genommen:

Zu Z. 2 (§ 2b):

Bei einer Umsetzung dieser grundsatzgesetzlichen Regelung in Landesrecht ist davon auszugehen, dass der räumliche Geltungsbereich des Landes-Krankenanstaltengesetzes auf das Landesgebiet be­schränkt ist. Bezogen auf dislozierte Abteilungen sowie sonstige Organisationseinheiten einer Krankenan­stalt außerhalb des Bundeslandes kommt daher dem Landesgesetzgeber keine Regelungsbefugnis zu. Für den dislozierten Teil der Krankenanstalt würde somit das im jeweiligen Staat maßgebliche Regelungs­regime zum Tragen kommen.

Im § 2b Abs. 1 Z. 1 wird als eine Voraussetzung für die Genehmigung der Nachweis darüber verlangt, dass durch die im jeweiligen ausländischen Staatsgebiet geltende Rechtslage sowie durch das zugrunde lie­gende Kooperationsübereinkommen der Standard von Behandlung und Pflege zumindest jenem Standard entspricht, der aufgrund der österreichischen Rechtsordnung gegeben ist.

Die dadurch gebotene Vornahme eines Rechts- bzw. Qualitätsvergleiches kann im Hinblick auf die Diffe­renziertheit der Gesundheitssysteme für die Verwaltungsbehörden zu erheblichen Vollziehungsproblemen führen.

Zu der durch § 2b neu eröffneten Möglichkeit einer dislozierten Führung von Abteilungen sowie sonstiger Organisationseinheiten in einem anderem Staat stellt sich weiters die Frage, inwieweit der Ärztliche Leiter der Krankenanstalt (Hauptanstalt) in Österreich seinen Verpflichtungen nach dem Krankenanstaltenrecht sowie allenfalls weiteren in der Anstaltsordnung vorgesehenen Verpflichtungen hinsichtlich des dislozierten Teiles der Krankenanstalt in einem anderen Staatsgebiet nachkommen kann.

Hier darf wiederum nicht außer Acht gelassen werden, dass für den dislozierten Teil der Krankenanstalt die entsprechenden Rechtsvorschriften des jeweiligen Staates zur Anwendung kommen. Diese werden im Allgemeinen auch Regelungen über die Verantwortung und Aufsicht im medizinischen Bereich beinhalten.

Dieselben organisatorischen und funktionellen Fragen stellen sich im Hinblick auf die weiteren krankenan­staltenrechtlichen Funktionsträger Verwaltungsdirektor, Pflegedirektorin, Technischer Sicherheitsbeauf­tragter sowie auf die im Hygienebereich tätigen Funktionsträger.

Weitere Probleme werden im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der Qualitätssicherung gesehen. Auch hier stellt sich die Frage, in welcher Form die für die innerstaatliche Krankenanstalt eingerichtete Qualitätssicherungskommission auch für den dislozierten Teil der Krankenanstalt tätig werden kann.

Weiters wird darauf hingewiesen, dass sich der räumliche Geltungsbereich des speziellen Landeskran­kenanstaltenplanes ebenfalls lediglich auf das Gebiet des jeweiligen Bundeslandes erstrecken kann. Aus diesem Grund wird ein Landeskrankenanstaltenplan keinerlei Festlegungen für dislozierte Einrichtungen in einem anderen Staatsgebiet treffen können. Vorstellbar wäre lediglich, dass etwa für Tirol vorgesehene Leistungseinheiten nicht in Tirol, sondern unter Anrechnung auf den Landeskrankenanstaltenplan im Aus­land erbracht werden.

Probleme werden insbesondere auch im Hinblick auf die im § 2b Abs. 1 Z. 3 vorgesehene Voraussetzung gesehen, wonach sicherzustellen ist, dass den österreichischen Finanzierungsregelungen Rechnung ge­tragen wird. Auch hier ist von der maßgeblichen Rechtslage im ausländischen Staat auszugehen. Zudem sind Regelungen des EU-Rechtes zu berücksichtigen.

 

Zu Z. 7 (§ 19a):

Zur Regelung im § 19a gelten sinngemäß die Ausführungen zu § 2b.

 

Zu Z. 8 (§ 38a Abs. 3):

Im § 38a Abs. 3 KAKuG war bisher klar festgelegt, dass geschlossene Bereiche ausschließlich der Anhal­tung von psychisch Kranken, auf die das Unterbringungsgesetz, BGBl. Nr. 155/1990, Anwendung findet, dienen.

Diese bisherige Zweckwidmung der „geschlossenen Stationen“ für angehaltene Personen nach dem Un­terbringungsgesetz würde nun um folgende Personengruppe erweitert werden:

„Personen, deren Anhaltung oder vorläufige Anhaltung gemäß § 21 Abs. 1 StGB und § 429 Abs. 4 StPO in einer Krankenanstalt oder Abteilung für Psychiatrie angeordnet wurde.“

Im Psychiatrischen Krankenhaus des Landes in Hall in Tirol ist seit langem auch eine gesonderte forensische Station als eigene krankenanstaltenrechtliche Organisationseinheit mit derzeit 16 Betten eingerichtet. Diese dient ausschließlich der Behandlung von forensischen Patienten. Für die Abrechnung dieser Pa­tienten (Kostenträger: Bundesministerium für Justiz) wird jährlich im Rahmen der LKF-Gebührenverord­nung ein eigener Punktewert durch die Tiroler Landesregierung verordnet. Dieser Wert berücksichtigt nicht die Aufwendungen für bauliche Investitionen, sondern deckt nur die Betriebsaufwendungen ab.

Die bisherigen Erfahrungen beim Psychiatrischen Krankenhaus des Landes Tirol haben deutlich gezeigt, dass es sich bei den Personengruppen „angehaltene Personen nach dem Unterbringungsgesetz“ bzw. „angehaltene bzw. vorläufig angehaltene Personen nach § 21 Abs. 1 StGB und § 429 Abs. 4 StPO“ um in medizinischer Hinsicht durchaus unterschiedlich zu beurteilende Patientengruppen handelt, deren gemein­same Anhaltung und Betreuung zu erheblichen Problemen führt. Die geschlossenen Stationen sind – ent­sprechend den Intentionen des Unterbringungsgesetzes - für die Behandlung von psychisch Kranken in einer Akutphase bestimmt (in der Regel für einen Zeitraum von 3 bis 14 Tagen). In dieser Akutphase kön­nen Patienten sehr gut behandelt werden; für längerfristige Behandlungen bedarf es in der Folge eines breiteren therapeutischen Ansatzes. Im Gegensatz zur Akutphase, in der vorwiegend eine medikamentöse Behandlung erfolgt, wird bei mittel- bzw. längerfristigen Behandlungen verstärkt eine Therapie im psycho­sozialen Bereich notwendig (Ergo-, Physiotherapie, psychologische Betreuung, usw.). Dafür sind jedoch die für die Zwecke der Unterbringung adaptierten Räumlichkeiten in keiner Weise ausgerichtet; auch das für einen breiteren therapeutischen Ansatz erforderliche Personal ist nicht vorhanden. Weiters wird es aus medizinischer Sicht als sehr bedenklich gesehen, wenn ein Patient im Maßnahmenvollzug (nach § 21 Abs. 1 StGB bzw. nach § 429 Abs. 4 StPO) z. B. ein Jahr auf der Aufnahmestation (Unterbringungsbereich) ist und dort permanent in Kontakt mit akut psychisch kranken Personen kommt. Die Vermischung dieser bei­den Patientengruppen wird daher in medizinischer Hinsicht als sehr problematisch eingeschätzt; die Not­wendigkeit der Vermeidung dieser Vermischung hat zweckmäßigerweise vor Jahren zur sinnvollen Tren­nung und zum gesonderten Aufbau von forensischen Stationen geführt.

Die nunmehr neu aufgenommene Personengruppe „angehaltene bzw. vorläufig angehaltene Personen gemäß § 21 Abs. 1 StGB und § 429 Abs. 4 StPO“ wird traditionell systematisch den „forensischen Patien­ten“ zugeordnet. Durch die Aufnahme dieser Patientengruppe im § 38a Abs. 3 KAKuG wird eine aus medi­zinischer Sicht problematische Vermischung unterschiedlicher Patientengruppen intendiert.

Eine dadurch bewirkte Verschiebung der Kostentragung für den Strafrechtsvollzug zu Lasten der Kranken­anstaltenträger bzw. der Länder ist dabei nicht auszuschließen.

Anhaltungen bzw. vorläufige Anhaltungen nach § 21 Abs. 1 StGB und § 429 Abs. 4 StPO sind dem Straf­rechtsvollzug zuzuordnen. Für die Kostentragung sind folgende grundsätzlichen Regelungen zu beachten:

Nach § 429 Abs. 4 letzter Satz StPO hat im Fall der vorläufigen Anhaltung in einer Anstalt für geistig ab­norme Rechtsbrecher oder der Einweisung in eine öffentliche Krankenanstalt für Geisteskrankheiten der Bund die Pflegegebühren zu tragen.

Nach § 167a Abs. 1 Strafvollzugsgesetz sind die öffentlichen Krankenanstalten für Psychiatrie verpflichtet, insbesondere die nach § 158 Abs. 4 Strafvollzugsgesetz eingewiesenen Personen aufzunehmen und an­zuhalten. § 71 Abs. 2 letzter Satz Strafvollzugsgesetz gilt sinngemäß. Danach trägt der Bund die für die Unterbringung in öffentlichen Krankenanstalten anfallenden Kosten, gegebenenfalls nach Maßgabe einer zwischen dem Bund und den Ländern diesbezüglich abgeschlossenen Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG oder einer diesbezüglich mit dem jeweiligen privaten Krankenanstaltenträger abgeschlossenen Ver­einbarung, bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Strafvollzug nachträglich aufgeschoben oder beendet wird.

Von besonderer Bedeutung ist im vorliegenden Zusammenhang § 167a Abs. 3 zweiter Satz Strafvollzugs­gesetz. Soweit ein Bedarf danach besteht, dass hinsichtlich der zur Anhaltung von psychisch Kranken bestehenden Einrichtungen (§ 158 Abs. 4 Z. 1) zur Unterbringung geistig abnormer Rechtsbrecher zusätz­liche Aufwendungen vorgenommen werden, kann der Bund mit dem Rechtsträger der Krankenanstalt eine Vereinbarung über die Vergütung solcher Aufwendungen abschließen.

§ 158 Abs. 4 Strafvollzugsgesetz sieht vor, dass die Unterbringung nach § 21 Abs. 1 des Strafgesetz­buches durch Aufnahme in eine öffentliche Krankenanstalt für Psychiatrie unter anderem dann vollzogen werden darf, wenn unter Berücksichtigung des Zustandes des unterzubringenden Rechtsbrechers mit den Einrichtungen das Auslangen gefunden werden kann, wie sie in der öffentlichen Krankenanstalt für die Unterbringung von psychisch Kranken nach dem Unterbringungsgesetz bestehen, im Fall einer besonde­ren Vereinbarung (§ 167a Abs. 3 zweiter Satz) aber mit den danach vorgesehen Einrichtungen.

Eine Stellungnahme des Psychiatrischen Krankenhauses des Landes Tirol hat deutlich gezeigt, dass die offenbar angedachte Vermischung der differenten Patientengruppen im Rahmen der geschlossenen Sta­tionen nach dem Unterbringungsgesetz als medizinisch problematisch zu qualifizieren ist. Es ist daher der Schluss zu ziehen, dass mit den konkreten Einrichtungen, wie diese zur kurzfristigen Unterbringung psy­chisch kranker Personen nach dem Unterbringungsgesetz vorgesehen sind, für die neu aufzunehmende Personengruppe nicht das Auslangen gefunden werden kann. Es bedürfte daher entsprechender Adap­tierungen der Räumlichkeiten sowie der Setzung von Personalmaßnahmen.

Zusammenfassend ergeben sich somit zu Z. 8 (§ 38a Abs.3) folgende Kritikpunkte:

Es ist zu befürchten, dass es durch die Erweiterung der Zweckbestimmung für den geschlossenen Bereich zu einer problematischen Vermischung unterschiedlicher Patientengruppen kommt.

Zur Anhaltung bzw. vorläufigen Anhaltung von Personen gemäß § 21 Abs. 1 StGB und § 429 Abs. 4 StPO bedarf es geeigneter Organisationseinheiten, die von den geschlossenen Stationen nach dem Unterbrin­gungsgesetz zu trennen sind. Diese Patientengruppe ist der Kategorie „forensische Patienten“ zuzuordnen (Strafrechtsvollzug; Bund).

Es ist davon auszugehen, dass es bei der Adaptierung entsprechender Räumlichkeiten (zur Erweiterung der forensischen Station) zu Aufwendungen im Investitionsbereich kommt. Der Betriebsaufwand würde weiterhin durch das Bundesministerium für Justiz auf Basis der LKF-Gebührenverordnung der Tiroler Lan­desregierung abgegolten werden.

Im Hinblick auf den Investitionsbereich bedürfte es daher des Abschlusses einer gesonderten Vereinba­rung zwischen dem Träger der Krankenanstalt und dem Bundesministerium für Justiz zur Schaffung und Adaptierung geeigneter Unterbringungsmöglichkeiten für die im § 21 Abs. 1 StGB und § 429 Abs. 4 StPO angesprochenen Personengruppen.

 

Zu Z. 11 (§ 60 Abs. 5):

Besondere Probleme werden im Zusammenhang mit der Wahrnehmung der sanitären Aufsicht nach den §§ 60 ff. KAKuG gesehen. Auch hier ist davon auszugehen, dass sich hoheitliche Tätigkeiten in diesem Zusammenhang nicht auf Anstaltsteile in einem anderen Staatsgebiet erstrecken können.

Der Entwurf sieht vor, dass bei grenzüberschreitenden Kooperationen (§§ 2b und 19a) die Organe der sanitären Aufsicht auf Ersuchen der jeweiligen ausländischen Behörde zur Setzung von Maßnahmen der sanitären Aufsicht verpflichtet sind. Auch hier ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das ausländische Regelungsregime über allfällige Aufsichtsmaßnahmen – parallel – zum Tragen kommt.

 

25 Ausfertigungen sowie eine elektronische Fassung dieser Stellungnahme werden unter einem der Parlamentsdirektion zugeleitet.

 

Für die Landesregierung:



Dr. Liener
Landesamtsdirektor

 


Abschriftlich

An die
Abteilungen

Verwaltungsorganisation und Personalmanagement
Landessanitätsdirektion
Gesundheitsrecht zu Zl. Vd-RV-169/7/Ko vom 24. Jänner 2006
Krankenanstalten zu Zl. Vf-C-208-002/10 vom 10. Feber 2006

 

Gruppe Gesundheit und Soziales

 

im Hause

 

zur gefälligen Kenntnisnahme übersandt.