GZ:  BMJ-B4.973/0003-I 1/2006

 

 

S t e l l u n g n a h m e

 

zum Entwurf eines Sachwalterrechts-Änderungsgesetzes 2006

 

 

Allgemeine Bemerkungen:

 

Beizupflichten ist dem Grundgedanken des vorliegenden Entwurfs, das Subsidiaritätsprinzip zu stärken, indem Alternativen zur Sachwalterschaft entwickelt werden. Die im gegen-ständlichen Entwurf versuchte Umsetzung der Alternativen erscheint jedoch keinesfalls befriedigend gelöst. Vor allen Dingen ist zu kritisieren, daß die mit dem gegenständlichen Gesetzesvorhaben verbundenen Schutzmaßnahmen, welche gegenüber dem bestehenden Sachwalterrecht eine wesentliche Ausweitung erfahren müßten, nicht nur eine Verkomplizierung und einen erheblichen bürokratischen Aufwand erfordern, sondern darüber hinaus auch keinesfalls eine Entlastung der Gerichte, sondern nach erster Abschätzung eher eine weitere Belastung der Gerichte mit sich bringen würden, dies verbunden mit einem weiteren Kostenaufwand.

 

Generell ist auszuführen, daß mit den vorgeschlagenen Maßnahmen nicht nur ein Mehraufwand an Bürokratie und Kosten verbunden ist, sondern auch ein „Mehr an Staat“ anstatt Privatautonomie oder privater Initiative. Im besonderen ist der nicht unbeträchtlichen Erweiterung der Befugnisse der Sachwaltervereine, welche mit öffentlichen Mitteln finanziert werden, zu widersprechen. Eine Institutionalisierung der Sachwalterschaften hin in Richtung „Allmacht“ der Sachwaltervereine, welchen gemäß Art. VI. Z. 4 (vorgesehener § 4 VSPBG) wesentlich weitreichendere Rechte eingeräumt werden hin in Richtung einer Institution ähnlich den Sozialversicherungsträgern, erscheint nicht akzeptabel.

 

Unzulässig erscheint vor allem auch im Rahmen des Datenschutzes, Sachwaltervereine bereits „im Vorfeld“ oder auch im Rahmen eines Sachwalterbestellungsverfahrens über Auftrag des Gerichts beispielsweise zu ermächtigen, das Vermögen der behinderten Person zu erforschen, Auskünfte von Kreditunternehmungen etc. einzuholen. Gleiches gilt für die Aufträge zur Erforschung des Gesundheitszustandes durch den Verein. Ein derartiges „Clearing“ durch Vereine ist abzulehnen.

 

In diesem Zusammenhang ist auch kein Verständnis dafür aufzubringen, daß der vorliegende Gesetzesentwurf eine rigorose Ausschaltung von Rechtsanwälten und Notaren als Sachwalter vorsieht. Zur Durchsetzung dieses völlig unverständlichen Vorhabens wird in Zeiten erforderlicher budgetärer Sparmaßnahmen sogar die Aufstockung der für die Sachwalter-vereine erforderlichen finanziellen Mittel in nicht unbeträchtlichem Ausmaß in Kauf genommen. Das mit dem gegenständlichen Gesetzesentwurf eindeutig zum Ausdruck gebrachte Mißtrauen gegenüber Rechtsanwälten und Notaren ist in keiner Weise gerecht-fertigt, stehen diese doch – im Gegensatz zu den nunmehr bevorzugten Sozialarbeitern oder sogar ehrenamtlichen Mitgliedern von Sachwaltervereinen – unter ernster disziplinärer Verantwortung.

 

Vielmehr wäre hier zu diesem aufgezeigten Punkt eine völlig andere Alternative anzudenken dahingehend, daß beispielsweise die im § 274 Abs. 2 vorgesehene Übernahmeverpflichtung für eine Sachwalterschaft für Rechtsanwälte und Notare entfällt, zumal Sachwalterschaften  im Zuge der Spezialisierung auch innerhalb von Rechtsanwalts- und Notariatskanzleien                   von bestimmten Kanzleien, welche hiefür nicht spezialisiert sind, eben nicht übernommen werden sollen, wohingegen es sinnvoll erschiene, einer Spezialisierung in diesem Rahmen nicht die Tore zu verschließen, wie dies der vorliegende Gesetzesentwurf jedoch tut.

 

Schließlich ist darauf zu verweisen, daß das zwar nicht abzulehnende Institut der nunmehr vorgesehenen Vorsorgevollmacht als Maßnahme zur Einschränkung der Sachwalterschaften nicht überbewertet werden sollte. Es handelt sich hier um eine Verfügung mit ähnlichen Vorzeichen wie sog. letztwillige Verfügungen. Wiewohl die Möglichkeit oder Notwendigkeit der Errichtung einer letztwilligen Verfügung als anerkanntes Rechts- und Gedankengut der Bevölkerung anzusehen ist, ist selbst hier festzustellen, daß von der Möglichkeit dieser letztwilligen Verfügung wohl nicht ausreichend Gebrauch gemacht wird. Die legistisch eröffnete Möglichkeit der Errichtung einer sog. Vorsorgevollmacht wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht oder zumindest lange Zeit nicht gesichertes Rechts- und Gedankengut der Bevölkerung sein und werden derartige Verfügungen eher selten getroffen werden. Verfügungen aus Anlaß des Todes, den jeder zu erwarten hat, sind eher zu erwarten als die Bereitschaft zu einer Verfügung für den Fall einer psychischen Krankheit oder geistigen Behinderung. Wenn daher das Institut der Vorsorgevollmacht umgesetzt werden soll und auch Sinn machen soll, wären hier begleitende Maßnahmen zur Bewußtseinsfindung, wie sie beispielsweise auch bei der sog. „Patientenverfügung“ erforderlich sind, zu forcieren, um die zu erwartenden Hemmschwellen für derartige Verfügungen abzubauen.

 

Auch das vorgesehene Institut der Vertretungsbefugnis der Eltern und anderer nächster Angehöriger, das von seiner Idee her zu begrüßen ist, stellt in der vorliegenden Form mit den vorliegenden Bestimmungen und Sicherungsinstrumenten noch keine ausgewogene Lösung dar. Insbesondere das Institut der Registrierung im „Österreichischen Zentralen Vertretungs-verzeichnis“ und die Möglichkeit der Ausstellung einer Bestätigung über die Meldung des Wirksamwerdens der Vertretungsbefugnis bildet meines Erachtens mehr Grundlage für Rechtsunsicherheit als der derzeitige faktische Zustand, daß Betreuungs- und Sozialleistungen für ältere bzw. behinderte Menschen von der Familie erbracht werden. Es fragt sich im besonderen, mit welchen Mitteln oder Maßnahmen eine einmal von Seiten des ÖZVV ausgestellte Bestätigung über eine Vertretungsbefugnis „rückgeholt“ werden kann, wenn sie beispielsweise vom Gericht aufgehoben wird oder sonstige Gründe für das Erlöschen einer derartigen Vertretungsbefugnis vorliegen. 

 

 

Zu den Bestimmungen im einzelnen:

 

Zu Art. I Z 10: 

Der nunmehr im § 276 vorgesehene Aufwandersatz (Abs. 3) ist in der vorgesehenen Formulierung „die Kosten der Versicherung der Haftpflicht nach § 277“ als nicht optimal zu bezeichnen.

Einerseits sieht § 277 lediglich eine Haftung vor (keine Verpflichtung zu einer Haftpflicht-versicherung), die auf eine einzelne Sachwalterschaft hier anteilig entfallenden Kosten einer Haftpflichtversicherung werden auch größenordnungsmäßig schwer nachzuvollziehen sein.

 

Zu § 279:

Zur Problematik der insbesondere im Abs. 2 dieses § 279 nunmehr legistisch vorgesehenen Subsidiarität der Bestellung eines Rechtsanwaltes oder Notars wird auf die eingangs gemachten allgemeinen Bemerkungen verwiesen.

Im besonderen ist noch darauf zu verweisen, daß die Beschränkung der Sachwalterschaften für Rechtsanwälte oder Notare nur für den Fall, als ein Vereinssachwalter „nicht verfügbar“ sei, erstaunlich ist, degradiert man dergestalt Rechtsanwälte oder Notare bzw. der Anwärter oder Kandidaten ja eigentlich zum „Notnagel“, dies verbunden mit der „Verpflichtung“, eine Sachwalterschaft zu übernehmen. Entweder wird nach Maßgabe des § 279 Abs. 3 die Übernahme von Sachwalterschaften mit dem gegenständlichen Gesetzesvorhaben in der Form umgesetzt, daß grundsätzlich nur Vereinssachwalter eingesetzt werden, dann wird auch dafür zu sorgen sein, daß diese „verfügbar“ sind, oder die im Abs. 2 des § 279 vorgesehene Subsidiarität der Bestellung eines Rechtsanwaltes oder Notars hat zu entfallen.

 

Zu § 284a:

Im Abs. 1 dieser Bestimmung ist vorgesehen, daß eine behinderte Person „soweit sie einsichts- und urteilsfähig ist“ über ihren Wohnort selbst entscheidet. Grundsätzlich ist dieser Bestimmung nicht zu widersprechen, sie birgt jedoch auch ein nicht unbeträchtliches Potential an Problemen, läßt sich doch nicht ohne weiteres abschätzen, ob eine behinderte Person gerade im Bereich der Wahl ihres Wohnortes einsichts- und urteilsfähig ist. Hier wäre doch anzudenken, irgendwelche Schutzmechanismen einzubauen.

 

Zu § 284b (Vorsorgevollmacht):

In diesem hier vorgesehenen Paragraphen sind die Voraussetzungen für das Vorliegen einer formell und materiell wirksamen Vorsorgevollmacht normiert. Dieses hier vorgesehene Institut der Vorsorgevollmacht wird jedoch im Rahmen des Abs. 1 des § 279 wieder „ausgehebelt“. § 279 Abs. 1 regelt, wer zum Sachwalter bestellt wird und formuliert hier, daß „Wünsche der behinderten Person etwa in Form des § 284b Abs. 2 (Sachwalter(?)verfügung) zu berücksichtigen seien“. Hier liegt ein eklatanter Widerspruch vor. Wurde gemäß § 284b wirksam eine Vorsorgevollmacht erteilt, bedarf es keines Sachwalters (§ 284c) und wird eine derartige Vorsorgevollmacht, wenn sie formell und materiell rechtlich wirksam zustande gekommen ist, wohl nicht nur in Richtung der Person des zu bestellenden Sachwalters zu berücksichtigen sein (§ 279 Abs. 1), sondern als Vorsorgevollmacht zur Verhinderung einer Sachwalterschaft Akzeptanz finden müssen.

 

Zu § 284e:

Vorerst ist anzumerken, daß die Überschrift „Vertretungsbefugnis der Eltern und anderer nächster Angehöriger“ nicht mit § 284e Abs. 2 korreliert. Dort werden die nächsten Angehörigen definitiert, wozu auch die Eltern gehören, eine Trennung in Eltern und andere nächste Angehörige“ erscheint daher nicht logisch.

Zu dem hier vorgesehenen Institut der Vertretungsbefugnis durch „nächste Angehörige“ wird auf die eingangs zu den allgemeinen Bemerkungen gemachten Ausführungen verwiesen. Die vorliegende Bestimmung und die folgenden Bestimmungen zur Vertretung durch nächste Angehörige sind im Zweifelsfall oder aber bei Uneinigkeit zwischen den „nächsten Angehörigen“ meines Erachtens nicht überzeugend hilfreich und zu kasuistisch. Die im                  § 284h Abs. 2 normierte Vermutung, daß der nächste Angehörige zu einer Vertretungs-handlung berechtigt ist, wenn er über eine Bestätigung über die Meldung des Wirksam-werdens der Vertretungsbefugnis verfügt, macht ausreichend Beweis dafür, daß die vorgesehene Regelung mit Unsicherheitsfaktoren in derzeit noch nicht abzuschätzendem Ausmaß behaftet ist.

 

Zu Art. IV (Änderungen des Außerstreitgesetzes) Z 2:

Daß mit dem im § 127 nunmehr neu vorgesehenen Abs. 2 von dem im Außerstreitgesetz vorgesehenen relativen Anwaltszwang zugunsten der hier normierten Personen abgegangen wird, erscheint nicht gerechtfertigt.

Zu Art. VI. Z 4:

Über die im § 4 vorgesehene Ausweitung der Rechte und Befugnisse der Sachwaltervereine wird auf die Ausführungen bei den allgemeinen Bemerkungen verwiesen. Eine derartige Ausweitung von Funktionen nicht staatlicher, aber mit öffentlichen Mitteln finanzierter Organisationen ist bedenklich und auch grundsätzlich abzulehnen.

 

Zu Art. VII. (Änderung der Notariatsordnung) Z 2:

Im Abs. 4 des vorgesehenen § 140h ist die Bestätigung über die Meldung des Wirksam-werdens der Vertretungsbefugnis und deren Ausstellung durch das ÖZVV geregelt. Es fehlt hier jedoch jede Regelung darüber, wie vorzugehen ist, wenn diese Bestätigung, welche nach § 284h Abs. 2 ABGB Vermutung darüber macht, daß der nächste Angehörige zur Vornahme von Vertretungshandlungen berechtigt sei, unwirksam wird, und in welcher Form die Rückgabe einer derart allenfalls bereits ausgestellten Bestätigung einforderbar ist.

 

 

 

Wien, am 6.3.2006                                                                     Dr. Hildegard Hartung

      Rechtsanwältin

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            Zonta Club Wien-City

 

        ELEONORE HAUER-RONA, Vorsitzende

BUND ÖSTERREICHISCHER FRAUENVEREINE

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