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Amt der Wiener
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MD-VD - 315/06 Wien, 14. März 2006
Entwurf eines Bundesgesetzes über Ände-
rungen des Sachwalterrechts im allgemei-
nen bürgerlichen Gesetzbuch, im Ehegesetz,
in der Jurisdiktionsnorm, im Außerstreitge-
setz, im Konsumentenschutzgesetz, im Ver-
einssachwalter- und Patientenanwaltsgesetz
und in der Notariatsordnung (Sachwalter-
rechts-Änderungsgesetz 2006);
Begutachtung;
Stellungnahme
zur GZ BMJ-B4.973/0003-I 1/2006
An das
Bundesministerium für Justiz
Zu dem mit Schreiben vom 31. Jänner 2006 übermittelten Entwurf eines Bundesge-setzes wird nach Anhörung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien wie folgt Stellung genommen:
Zu § 268 Abs. 2 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches
(ABGB):
Der erste Satz des Entwurfes ist missverständlich formuliert. § 273 Abs. 2 ABGB in der geltenden Fassung hält ausdrücklich fest, dass die Bestellung eines Sachwalters
unzulässig ist, wenn
der Betreffende durch andere Hilfe, besonders im Rahmen seiner Familie oder von
Einrichtungen der öffentlichen oder privaten Behindertenhilfe, in die Lage
versetzt werden kann, seine Angelegenheiten im erforderlichen Ausmaß zu besorgen.
Der vorgelegte Entwurf spricht in diesem Zusammenhang nunmehr davon, dass
Angelegenheiten der betroffenen Person durch einen anderen gesetzlichen Vertreter
oder durch eine andere Hilfe, besonders im Rahmen der Familie, in Pflegeeinrichtungen,
Einrichtungen der Behindertenhilfe oder durch soziale oder psychosoziale
Dienste, im erforderlichen Ausmaß besorgt werden. Die Bestellung eines
Sachwalters kann jedoch nur dann in Betracht kommen, wenn bei Vorliegen der
Voraussetzungen insbesondere rechtsgeschäftliche Angelegenheiten oder sonstige
wichtige Angelegenheiten (z. B. im Rahmen einer medizinischen Behandlung)
durch Dritte zu besorgen sind. Diese Angelegenheiten können keinesfalls durch
Pflegeeinrichtungen, Einrichtungen der Behindertenhilfe oder durch soziale oder
psychosoziale Dienste im erforderlichen Ausmaß besorgt werden, da diese
lediglich im Rahmen von Pflege- und/oder Betreuungsverträgen Leistungen
erbringen. Die bisher geltende Fassung zielt darauf ab, betroffene Personen
durch fremde Hilfe in die Lage zu versetzen, sich um diese Angelegenheiten
selbst zu kümmern. Die Übernahme durch nicht bevollmächtigte Dritte kommt
jedoch nicht in Betracht, weshalb der alten Formulierung, um Missverständnissen
vorzubeugen, der Vorzug zu geben ist.
Zu § 284d
Abs. 2 ABGB:
Entgegen den Erläuterungen geht aus dem Gesetzestext nicht hervor, dass grundsätzlich die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung einzuholen ist, mit der Ausnahme, dass der Vollmachtgeber die konkrete Angelegenheit ausdrücklich in der Vollmacht erwähnt hat.
Vielmehr sollte in Fällen, in denen der Vollmachtgeber die Geschäfts- und Einsichtsfähigkeit nicht besitzt und daher die Vollmacht nicht widerrufen kann, weshalb er besonders schutzwürdig ist, wie bei einem Sachwalter die Einholung einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung in wichtigen Angelegenheiten im Rahmen des § 275 Abs. 2 ABGB des Entwurfs erforderlich sein.
Zu § 142a des
Außerstreitgesetzes:
Mit dieser Bestimmung des Entwurfes soll die Möglichkeit der Überprüfung hinsichtlich des Bestehens der Vertretungsbefugnis und des Wohls des Vertretenen in Bezug auf die gesetzliche Vertretung nächster Angehöriger, ähnlich wie bei Sachwaltern, geschaffen werden. Im Falle einer Vorsorgevollmacht kann gemäß § 284c ABGB des Entwurfes ausschließlich ein Sachwalterschaftsverfahren eingeleitet werden. Die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung einer Vorsorgevollmacht bzw. des Handelns zum Wohl des Vollmachtgebers im Sinne des § 142a vor Einleitung eines Sachwalterschaftsverfahrens sollte erwogen werden, da die gesetzliche Vertretungsbefugnis gemäß § 284e Abs. 1 ABGB des Entwurfes in diesen Fällen sonst nicht in Betracht kommt. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie bei Vorliegen einer Vorsorgevollmacht mit einem allfälligen Kollisionsfall umzugehen ist.
Abschließend ist grundsätzlich anzumerken, dass bei dem vorliegenden Entwurf unterschiedliche Begriffe - „Pflegebefohlener“ und „behinderte Person“ - verwendet werden. Im Sinne einer einfachen und verständlichen Lesbarkeit der gesetzlichen Bestimmungen sollte durchgehend nur ein Begriff Verwendung finden.
Gleichzeitig werden 25 Ausfertigungen dieser Stellungnahme an das Präsidium des Nationalrates übermittelt. Eine weitere Ausfertigung ergeht an die E-Mail-Adresse
„begutachtungsverfahren@parlament.gv.at“.
Für den Landesamtsdirektor:
Mag. Michael Raffler
Dr. Günther Smutny Senatsrat