Amt der Wiener Landesregierung

 

                                                                                              Dienststelle:      Magistratsdirektion

                                                                                                                                                       Geschäftsbereich Recht

                                                                                                                                                       Verfassungsdienst und

                                                                                                                                                       EU-Angelegenheiten

                                                                                              Adresse:         1082 Wien, Rathaus

                                                                                              Telefon:          4000-82344

                                                                                              Telefax:              4000-99-82310

                                                                                              e-mail:                 post@mdv.magwien.gv.at

                                                                                              DVR:                  0000191

 

MD-VD - 315/06                                                                Wien, 14. März 2006

Entwurf eines Bundesgesetzes über Ände-

rungen des Sachwalterrechts im allgemei-

nen bürgerlichen Gesetzbuch, im Ehegesetz,

in der Jurisdiktionsnorm, im Außerstreitge-

setz, im Konsumentenschutzgesetz, im Ver-

einssachwalter- und Patientenanwaltsgesetz

und in der Notariatsordnung (Sachwalter-

rechts-Änderungsgesetz 2006);

Begutachtung;

Stellungnahme

 

zur GZ BMJ-B4.973/0003-I 1/2006

 

 

An das

Bundesministerium für Justiz

 

 

Zu dem mit Schreiben vom 31. Jänner 2006 übermittelten Entwurf eines Bundesge-setzes wird nach Anhörung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien wie folgt Stellung genommen:

 

Zu § 268 Abs. 2 des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB):

 

Der erste Satz des Entwurfes ist missverständlich formuliert. § 273 Abs. 2 ABGB in der geltenden Fassung hält ausdrücklich fest, dass die Bestellung eines Sachwalters

unzulässig ist, wenn der Betreffende durch andere Hilfe, besonders im Rahmen seiner Familie oder von Einrichtungen der öffentlichen oder privaten Behindertenhilfe, in die Lage versetzt werden kann, seine Angelegenheiten im erforderlichen Ausmaß zu besorgen. Der vorgelegte Entwurf spricht in diesem Zusammenhang nunmehr davon, dass Angelegenheiten der betroffenen Person durch einen anderen gesetzlichen Vertreter oder durch eine andere Hilfe, besonders im Rahmen der Familie, in Pflegeeinrichtungen, Einrichtungen der Behindertenhilfe oder durch soziale oder psychosoziale Dienste, im erforderlichen Ausmaß besorgt werden. Die Bestellung eines Sachwalters kann jedoch nur dann in Betracht kommen, wenn bei Vorliegen der Voraussetzungen insbesondere rechtsgeschäftliche Angelegenheiten oder sonstige wichtige Angelegenheiten (z. B. im Rahmen einer medizinischen Behandlung) durch Dritte zu besorgen sind. Diese Angelegenheiten können keinesfalls durch Pflegeeinrichtungen, Einrichtungen der Behindertenhilfe oder durch soziale oder psychosoziale Dienste im erforderlichen Ausmaß besorgt werden, da diese lediglich im Rahmen von Pflege- und/oder Betreuungsverträgen Leistungen erbringen. Die bisher geltende Fassung zielt darauf ab, betroffene Personen durch fremde Hilfe in die Lage zu versetzen, sich um diese Angelegenheiten selbst zu kümmern. Die Übernahme durch nicht bevollmächtigte Dritte kommt jedoch nicht in Betracht, weshalb der alten Formulierung, um Missverständnissen vorzubeugen, der Vorzug zu geben ist.

 

Zu § 284d Abs. 2 ABGB:

 

Entgegen den Erläuterungen geht aus dem Gesetzestext nicht hervor, dass grundsätzlich die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung einzuholen ist, mit der Ausnahme, dass der Vollmachtgeber die konkrete Angelegenheit ausdrücklich in der Vollmacht erwähnt hat.

 

Vielmehr sollte in Fällen, in denen der Vollmachtgeber die Geschäfts- und Einsichtsfähigkeit nicht besitzt und daher die Vollmacht nicht widerrufen kann, weshalb er besonders schutzwürdig ist, wie bei einem Sachwalter die Einholung einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung in wichtigen Angelegenheiten im Rahmen des § 275 Abs. 2 ABGB des Entwurfs erforderlich sein.

 

Zu § 142a des Außerstreitgesetzes:

 

Mit dieser Bestimmung des Entwurfes soll die Möglichkeit der Überprüfung hinsichtlich des Bestehens der Vertretungsbefugnis und des Wohls des Vertretenen in Bezug auf die gesetzliche Vertretung nächster Angehöriger, ähnlich wie bei Sachwaltern, geschaffen werden. Im Falle einer Vorsorgevollmacht kann gemäß § 284c ABGB des Entwurfes ausschließlich ein Sachwalterschaftsverfahren eingeleitet werden. Die Möglichkeit der gerichtlichen Überprüfung einer Vorsorgevollmacht bzw. des Handelns zum Wohl des Vollmachtgebers im Sinne des § 142a vor Einleitung eines Sachwalterschaftsverfahrens sollte erwogen werden, da die gesetzliche Vertretungsbefugnis gemäß § 284e Abs. 1 ABGB des Entwurfes in diesen Fällen sonst nicht in Betracht kommt. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie bei Vorliegen einer Vorsorgevollmacht mit einem allfälligen Kollisionsfall umzugehen ist.

 

Abschließend ist grundsätzlich anzumerken, dass bei dem vorliegenden Entwurf unterschiedliche Begriffe - „Pflegebefohlener“ und „behinderte Person“ - verwendet werden. Im Sinne einer einfachen und verständlichen Lesbarkeit der gesetzlichen Bestimmungen sollte durchgehend nur ein Begriff Verwendung finden.

 

Gleichzeitig werden 25 Ausfertigungen dieser Stellungnahme an das Präsidium des Nationalrates übermittelt. Eine weitere Ausfertigung ergeht an die E-Mail-Adresse

„begutachtungsverfahren@parlament.gv.at“.

 

 

                                                                           Für den Landesamtsdirektor:

 

 

                                                                                 Mag. Michael Raffler

Dr. Günther Smutny                                                          Senatsrat