Republik Österreich

Unabhängiger Bundesasylsenat

                          

 

A-1100 Wien, Laxenburgerstraße 36

Tel. (01) 601 49/0

DVR: 0939579

 

GZ. 100.099/0-UBAS/06

 

An das

Bundeskanzleramt

Verfassungsdienst

Ballhausplatz 2

1014 Wien

 

 

Betr.:  Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz, das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, das Verwaltungsstrafgesetz 1991, das Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991, das Zustellgesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, das Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, das Richterdienstgesetz, die Exekutionsordnung, das Bankwesengesetz und das Vereinsgesetz 2002 geändert werden

(Verfahrens- und Zustellrechtsanpassungsgesetz 2006);

do. GZ.: BKA-600.127/0004-V/1/2006

 

 

Der Unabhängige Bundesasylsenat gibt im Rahmen des Begutachtungsverfahrens zum vorliegenden Entwurf für eine Verfahrens- und Zustellrechtsanpassungsgesetz-Novelle folgende Stellungnahme ab:

 

Einleitend wird darauf hingewiesen, dass auf Grund des umfassenden Entwurfs und der sehr kurz bemessenenen Begutachtungsfrist eine seriöse Beurteilung aller Auswirkungen des in Aussicht genommenen Novellierungsvorhabens nicht möglich ist.

 

Zu den einzelnen Novellierungsvorhaben aus der Sicht des Unabhängigen Bundesasylsenats ist folgendes anzumerken:

 

1.

Die in § 43 Abs. 5 des Entwurfs für künftige AVG-Bestimmungen vorgesehene Verlänge­rung der Berufungsfrist wird, zwar (voraussichtlich) zu keiner signifikanten zahlenmäßigen Steigerung der Berufungsverfahren führen, jedoch jedenfalls maßgebliche Auswirkungen auf die (auch die Bundesländer betreffenden) Grundversorgungskosten für Asylwerberinnen und Asylwerber – durch deren längeren Verbleib in der Grundversorgung – haben. Auch die in § 73 Abs 1 des Entwurfs für künftige AVG-Bestimmungen vorgesehene Verlängerung der Entscheidungsfrist auf acht Monate würde in dieser Hinsicht zu budgetären Mehraufwendungen zulasten des Bundes mit sich bringen, da gemäß Art. 10 Abs. 1 GVV bereits nach 12 Monaten – also noch vor Verstreichen der vorgeschlagenen Entscheidungsfrist der Asylbehörden – die Kosten alleine vom Bund zu tragen sind.

 

Die diesbezüglichen budgetäre Beurteilungen obliegen dem Bundesministerium für Inneres, es darf aber auf das Vorblatt zum Fremdenrechtspaket (BGBl. I Nr. 100/2005) bezüglich der Betreuungskosten verwiesen werden.

 

2.

Der im Zuge der vorgesehenen Änderungen des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen künftig in Aussicht genommene (ersatzlose) Wegfall der geltenden Bestim­mungen des Art. II Abs. 2 lit. d Z. 43a EGVG würde für den Unabhängigen Bundesasylsenat zu einer erheblichen Ausweitung der Pflicht zur Durchführung öffentlicher mündlicher Verhandlungen in Asylberufungsverfahren und damit zu zusätzli­chen (personal- und kostenintensiven) Verfahrensaufwendungen sowie damit auch zu Verfahrensverzögerungen – die über die Grundversorgung budgetrelevant sind – führen.

 

Gerade angesichts einer diesbezüglich zwischenzeitig gefestigten höchstgerichtlichen Judikatur sollten diese Bestimmungen unbedingt bei­behalten werden.

 

3.

Im Rahmen der Bestimmungen für unabhängige Verwaltungssenate sieht § 67 g des Entwurfs für künftige AVG-Bestimmungen – in den Fällen öffentlicher mündlicher Verhandlungen im Wesentlichen wie bisher, d.h. grundsätzlich (mit gesetzlich normierten Ausnahmen) – die öffentliche mündliche Verkündung eines Bescheides vor.

 

Allerdings sehen die in Aussicht genommenen Bestimmungen für einen künftigen

§ 62 Abs. 1 AVG Entwurf dem gegenüber vor, dass Bescheide schriftlich zu erlassen sind. Die mündliche Verkündung bewirkt diesfalls (Anm.: lediglich), dass die Behörde ab diesen Zeitpunkt an ihre Entscheidung gebunden ist.

 

Im Bereich des Unabhängigen Bundesasylsenats werden verhältnismäßig viele Bescheide am Schluss öffentlicher mündlicher Verhandlungen verkündet; Dies bewirkt nach derzeitiger Rechtslage den Abschluss des betreffenden Verfahrens und stellt im Bereich der Asylverfahren in dieser Hinsicht ein wesentliches verfah­rensrechtliches Element dar.

 

Ein Wegfall dieses Teils der Rechtswirkungen der Verkündung eines Bescheides in der vorgesehenen Form würde – sofern die Bestimmungen des vorliegen­den Entwurfs nicht als „Schluss der Beweisaufnahme“, mit entsprechenden Bindungswir­kungen auch für alle Verfahrensparteien, zu interpretieren ist (was allerdings dem Wortlaut der vorgesehenen Bestimmung nicht zu entnehmen ist und im Hinblick auf die Rechtssicherheit entsprechend zu normieren wäre) – im Falle einer mündlichen Verkün­dung selbst bei Minimierung des Zeitraums bis zur schriftlichen Erlassung des Be­scheides unweigerlich zu neuen Beweisanträgen und Vorbringen führen. Damit wäre der Unabhängige Bundesasylsenat vor das Problem gestellt, an seine Entscheidung gebunden zu sein, diese aber unter Umständen im Hinblick auf die neuen Beweisanträge nicht (oder zumindest nicht ohne weitere Verhandlung) rechtlich haltbar erlassen zu können.

 


 

4.

Auch ist auf die vorgeschlagene Änderung im Bereich des § 16 AVG hinzuweisen. Durch die vorgeschlagene Novelle könnte der Anwendungsbereich des § 16 AVG als enger gefasst interpretiert werden; diesfalls stellte sich die Frage, ob dies nicht Auswirkungen auf die Einleitung eines Ausweisungsverfahrens nach § 27 Abs 1 AsylG (Dokumentation mittels Aktenvermerk) hat.

 

 

Diese Stellungnahme wurde auf elektronischem Wege auch dem Präsidium des Nationalrats zugeleitet.

 

 

Wien, 30. März 2006

 

 

 

 

 

 

PERL

Vorsitzendes des

Unabhängigen Bundesasylsenats