VERWALTUNGSGERICHTSHOF

 

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PRÄSIDIUM

 

Zl. 1701/8-Präs/2006

 

 

 

 

An das

Bundeskanzleramt

Ballhausplatz 2

1014 Wien

 

 

 

Zur Zl. 600.127/0004-V/1/2006 vom 2. März 2006

 

 

 

I.

 

Der mit dem oben zitierten do. Schreiben übermittelte Gesetzentwurf gibt dem Präsidium des Verwaltungsgerichtshofes - unter Inanspruchnahme der Fristerstreckung für die Abgabe der hg. Stellungnahme - zunächst zu folgenden allgemeinen Feststellungen Anlass:

1. Zur verfahrensmäßigen Seite ist zu sagen, dass das Novellenbündel Vorschläge zu weitreichenden Änderungen der Organisation und des Verfahrens des Verwaltungsgerichtshofes enthält. Es entsprach einer jahrzehntelangen Übung, legistische Vorhaben, die unmittelbar die Rechtsgrundlagen des Gerichtshofes betreffen, mit diesem vor der Erstellung eines Entwurfes zu erörtern. Dabei geht es nur am Rande um protokollarische Fragen, primär vielmehr darum, Fehleinschätzungen schon im Ansatz zu verhindern. Das Präsidium des VwGH ersucht, diese frühere Vorgangsweise in Zukunft wieder zu pflegen.

2. Soweit es die Gesetzesplanung betrifft, fällt auf, dass die Entwürfe keine Rücksicht auf die beiden anderen den VwGH betreffenden Reformvorhaben nehmen. Damit sind vor allem die Ergebnisse des Österreich-Konvents gemeint, in dem ja das Modell einer zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit akkordiert wurde; einige legistische Vorschläge der gegenständlichen Entwürfe stehen dazu in einem Spannungsverhältnis. Auch die rezente Diskussion über die Schaffung eines Bundesasylgerichts, die ihrerseits mit dem Konventsmodell in Einklang zu bringen wäre, findet keinen Niederschlag.

3. Die verfassungspolitische Stoßrichtung des Entwurfs liegt darin, mittels einer disziplinarrechtlichen Konstruktion eine kürzere Verfahrensdauer im Sinne des Art. 6 EMRK zu bewirken. Wie vom VwGH namentlich in seinen jährlichen Tätigkeitsberichten regelmäßig betont und im öffentlichen Diskurs seit fast zwei Jahrzehnten anerkannt, sind schnellere Verfahren nur durch eine Strukturreform der Verwaltungsgerichtsbarkeit - sprich: durch die Einführung echter Verwaltungsgerichte erster Instanz - zu erreichen. In dieses Licht gestellt, muss sich das Bundeskanzleramt den Versuch zusinnen lassen, die Ursache für die lange Verfahrensdauer in die Sphäre des Verschuldens der Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes zu rücken.

4. Aus den Erläuterungen wird deutlich, dass jenen Entwurfbestimmungen, die die Zusammensetzung des VwGH betreffen, fragwürdige empirische Befunde über die Verhältnisse beim VwGH zugrunde liegen. Die praktische Bedeutung der seit 1875 (!) garantierten Mitwirkung von Justizrichtern an der Rechtsprechung wird so grundlegend verkannt. Wenn in den Erläuterungen eine Präferenzregel zu Gunsten der Mitglieder der UVS in den Ländern aufgestellt wird, so hat das Präsidium des VwGH das Bundeskanzleramt schon mehrfach darauf hingewiesen, dass infolge der Auswirkungen der jüngsten Pensionsreform Bewerber aus den Ländern - und daher insbesondere von den UVS in den Ländern - durch die ihnen drohenden Pensionsnachteile von einer Bewerbung abgehalten werden. Es verwundert, dass auf diese Frage überhaupt nicht eingegangen wird.

5. Einige verfahrensrechtliche Vorschläge laufen darauf hinaus, beim VwGH erheblichen verfahrensmäßigen Mehraufwand zu verursachen. Dass ein solcher Effekt mit dem ansonsten angestrebten Ziel einer Verfahrensbeschleunigung nicht in Einklang zu bringen ist, liegt auf der Hand.

6. Wiederum bei anderen Bestimmungen ist kein zwingender rechtspolitischer Gestaltungswille erkennbar. Hier sollte aber der Grundsatz gelten: Wenn eine Rechtsänderung nicht notwendig ist, dann ist es notwendig, das Recht nicht zu ändern!

 

II. Zu den einzelnen Bestimmungen

 

In gesetzestechnischer Hinsicht stellt das Novellenbündel einen bedenklichen Fall einer "Sammelnovelle" dar. Dass damit sogar das B-VG geändert werden soll, ergibt sich aus dem Kurztitel "Verfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetz 2006" mitnichten. Z. 129 der Legistischen Richtlinien 1990 lässt Kurztitel von Sammelnovellen nur dann zu, wenn ein besonderes Bedürfnis nach einer einheitlichen Bezeichnung besteht. Ein solches Bedürfnis kann aber dann nicht angenommen werden, wenn der Kurztitel wesentliche Novellierungen verschweigt, und bei der Änderung des B-VG handelt es sich doch wohl um eine solche. Dazu kommt noch, dass keineswegs sämtliche Bestimmungen unter dem Aspekt "Verfahren und Zustellung" stehen.

Zu Art. 1 Z. 19 (Art. 132 B-VG) und Art. 7 Z. 20 (§ 27a VwGG):

Die genannten Bestimmungen sollen erforderlich sein, um - in Entsprechung des Urteils des EGMR in Sachen Jancikova - in jenen Verwaltungsstrafsachen, in denen § 51 Abs. 7 VStG nicht zum Tragen kommt, sowie in Ansehung verfahrensrechtlicher Bescheide in Verwaltungsstrafsachen den Erfordernissen des Art. 13 EMRK zu entsprechen.

Der VwGH verkennt nicht, dass hier Regelungsbedarf besteht, doch bedarf es keinesfalls der Einräumung einer Säumnisbeschwerde im spezifischen Verständnis des Art. 132 B-VG bzw. des  § 27 VwGG. Letztere stellt - soweit überblickbar - ein österreichisches Spezifikum des Rechtsschutzes gegen Säumnis dar. Sie hat sich in Fällen der Säumnis der Verwaltung in der Vergangenheit auch im Großen und Ganzen als taugliches Mittel bewährt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die hierarchisch gegliederte Verwaltung - in der weit überwiegenden Zahl der Fälle - den Verlust ihrer Zuständigkeit (und damit der Befugnis, den Fall in Ansehung der Beweiswürdigung und der Ermessensübung autonom zu entscheiden) auch dank der dort jederzeit möglichen Konzentration personeller Ressourcen auf den betroffenen Fall durch rechtzeitige Bescheidnachholung vermeiden wollte und auch konnte. In letzter Zeit sind demgegenüber im Bereich der Verwaltung Tendenzen einer zunehmenden Gleichgültigkeit gegenüber Vollzugsaufgaben erkennbar, was mit der Abziehung von personellen Ressourcen zusammenhängen könnte. Klarzustellen ist an dieser Stelle, dass jeder tatsächliche Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf den Verwaltungsgerichtshof mit weiteren Verzögerungen des Verfahrens verbunden ist, weil letzterer für die meritorische Erledigung von Verwaltungssachen weder personell noch organisatorisch eingerichtet ist.

Nach dem Konzept des Art. 132 B-VG ist die Säumnisbeschwerde ein Notbehelf zur Sicherung des Rechtsschutzes, der dann zum Einsatz kommen kann, wenn die zuständige Verwaltungsbehörde im Einzelfall ihrer Verpflichtung nicht nachkommt oder allenfalls in besonderen Fällen auch nicht nachkommen will. Keinesfalls darf sich die Säumnisbeschwerde zu einem Automatismus entwickeln. Diese Gefahr besteht aber insbesondere dann, wenn es sich bei der letzten zuständigen Verwaltungsbehörde um ein Verwaltungstribunal handelt, dessen Träger vom Bund verschieden ist. Dann nämlich kann es - immer unter dem Prätext der Personalverknappung - eine aus diesem Blickpunkt "rationale" Vorgangsweise sein, Zuständigkeiten devolvieren zu lassen.

Aus guten Gründen gibt es eine Säumnisbeschwerde im Bereich der ordentlichen Justiz (zwischen Gerichten) nicht. Demgegenüber wurde dort mit dem freilich nicht an das Verschulden von Richtern anknüpfenden Antrag auf Fristsetzung gemäß § 91 GOG durch das höhere in Ausübung der Staatsfunktion Gerichtsbarkeit handelnde Gericht an das untergeordnete Gericht das Auslangen gefunden. Entsprechendes ist auch nach den Ergebnissen des Ausschusses 9 des Verfassungskonvents für das Verhältnis zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und künftigen Verwaltungsgerichten erster Instanz vorgesehen.

Sollte tatsächlich die Schaffung von Verwaltungsgerichten erster Instanz in die Ferne rücken - wovon der Entwurf vielleicht ausgeht -, wird daher vorgeschlagen, in Vorgriff auf die Umwandlung der unabhängigen Verwaltungssenate in erstinstanzliche Verwaltungsgerichte schon jetzt die Beschwerde nach Art. 132 B-VG wegen einer diesen Tribunalen zurechenbaren Verletzung der Entscheidungspflicht durch einen dem § 91 GOG nachgebildeten verschuldensunabhängigen Fristsetzungsantrag zu ersetzen.

Folgt man dem nicht, so ließe sich dem Art. 13 EMRK auch dadurch Rechnung tragen, dass unter den Voraussetzungen des § 51 Abs. 7 VStG auch in jenen Verwaltungsstrafsachen nicht auf dem Strafanspruch bestanden wird, in denen Amtsparteien mitwirken (für Privatanklagesachen besteht schon nach herrschender Verfassungsrechtslage Säumnisschutz; dieser könnte allenfalls durch einen solchen betreffend verfahrensrechtliche Entscheidungen in Verwaltungsstrafsachen erweitert werden). Verzögerte Verwaltungsstrafverfahren können ihre Ursache im Übrigen auch darin finden, dass bei Amtsbeschwerden gemäß § 26 Abs. 1 Z. 4 VwGG die sechswöchige Frist erst mit dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, zu dem das zuständige Organ von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat. Dazu ist zu bemerken, dass es Sache einer zweckmäßigen Verwaltungsorganisation ist, dass das zur Erhebung einer Amtsbeschwerde zuständige Organ möglichst rasch Kenntnis von der Erlassung des Bescheids erlangt.

Zu Art. 1 Z. 20 (Art. 134 Abs. 3 zweiter Satz B-VG) und Art. 7 Z. 6 (§ 11 Abs. 2 VwGG):

Diese Vorschläge zielen auf die Abschaffung des verfassungsrechtlichen "Richterdrittels" sowie der einfachgesetzlichen Regelung, dass jedem Senat des VwGH ein Mitglied mit der Befähigung zum Richteramt und jedem nicht mit Abgabensachen befassten Senat ein Mitglied mit der Befähigung zum Dienst in der allgemeinen Verwaltung anzugehören haben. Dazu ist Folgendes auszuführen:

1. Nach geltendem Recht bestehen für die Zusammensetzung des Gremiums aus dem Grunde des Art. 134 Abs. 3 zweiter Satz B-VG, bzw. des § 11 Abs. 2 VwGG folgende Vorgaben:

a./ ein Drittel der Mitglieder müssen die Befähigung zum Richteramt haben (diese Anzahl wäre auch ausreichend, um die Vorgaben für die Senatszusammensetzung betreffend richterliche Mitglieder erfüllen zu können)

b./ im Übrigen muss den in Finanzsachen tätigen Senaten ein Mitglied mit der Befähigung zum höheren Finanzdienst, den übrigen Senaten ein Mitglied mit der Befähigung zum Dienst in der allgemeinen Verwaltung angehören (auch zur Erfüllung dieser Vorgaben wäre es an sich völlig ausreichend, insgesamt ein weiteres Drittel der Planstellen mit Mitgliedern zu besetzen, die die genannten Befähigungen aufweisen).

Schon nach geltender Rechtslage stünden daher die in Rede stehenden Gesetzesbestimmungen der Vergabe eines Drittels der beim Verwaltungsgerichtshof systemisierten Planstellen an Bewerber, die weder die Befähigung zum Richteramt, noch jene zum höheren Finanzdienst oder zum Dienst in der allgemeinen Verwaltung aufweisen, nicht entgegen. Häufigere Ernennungen solcher Personen unterblieben nicht etwa auf Grund der erwähnten gesetzlichen Vorgaben, sondern mangels Verfügbarkeit geeigneter Bewerber.

Nun wird zum einen vorgeschlagen, die verfassungsrechtliche Vorgabe, wonach zumindest ein Drittel der Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes die Befähigung zum Richteramt haben müsse, aufzugeben; in Konsequenz soll auch den zu bildenden Senaten nicht mehr notwendiger Weise zumindest ein solches Mitglied angehören. Zum anderen soll in Ansehung der Zusammensetzung der Administrativsenate auch das Erfordernis der Teilnahme eines Mitgliedes mit der Befähigung zum Dienst in der allgemeinen staatlichen Verwaltung entfallen.

Hinsichtlich der erstgenannten Mitglieder wird der Entwurf mit der unrealistischen Annahme begründet, die in Rede stehende verfassungsgesetzliche Vorgabe stehe erfolgreichen Bewerbungen von (ordentlichen) Universitätsprofessoren und Rechtsanwälten für Planstellen sonstiger Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes entgegen. Für geeignete Bewerber aus diesen Berufsgruppen stünde nämlich - wie oben dargelegt - ohnedies bereits jetzt ein Drittel der vorhandenen Planstellen zur Verfügung. Es scheitert jedoch an geeigneten Bewerbungen. Aus dem Kreis der Universitätsprofessoren erfolgte - jedenfalls in den letzten zehn Jahren - keine einzige Bewerbung, was angesichts der herrschenden Arbeitsbedingungen, welche durch den vorliegenden Entwurf noch weiter verschlechtert werden sollen, auch kaum verwundert. Was die Berufsgruppe der Rechtsanwälte angeht, so standen dem Verwaltungsgerichtshof bisher bloß in wenigen Einzelfällen entsprechend qualifizierte Bewerber zur Verfügung, was angesichts der Einkommensrelation ebenso wenig Anlass für Verwunderung geben dürfte. Die wenigen - erfolgreichen - Bewerbungen hochqualifizierter und auch wirtschaftlich arrivierter Rechtsanwälte waren für diese nicht zuletzt damit motiviert, dass die (damals) attraktiven (und mit jenen in der Rechtsanwaltschaft nicht vergleichbaren) Ruhegenüsse im Bereich des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses ein Anreiz dafür waren, den Rechtsanwaltsberuf trotz erheblicher Einbussen im Aktiveinkommen zugunsten einer richterlichen Tätigkeit aufzugeben. Mit Inkrafttreten der Pensionsharmonisierung, welche für erstmals in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis zum Bund ernannte Quereinsteiger - derzeit ohne jede Kompensation (sowohl die zugesagte Schaffung einer Pensionskasse als auch die zugesagten Verhandlungen zum teilweisen Ausgleich der "Harmonisierungsverluste" durch Gehaltsanhebungen wurden auf die lange Bank geschoben) - keine "Beamtenpension" mehr vorsieht, ist auch diese Motivation weggefallen.

Wie oben dargelegt sind bislang weder der verfassungsgesetzlich vorgesehene Mindestanteil an Mitgliedern mit der Befähigung zum Richteramt noch die Vorschriften betreffend die Senatszusammensetzung einem Erfolg der wenigen Bewerbungen entsprechend geeigneter Rechtsanwälte entgegen gestanden. Angesichts der Pensionsharmonisierung ist mit derartigen Bewerbungen in der Zukunft ohnedies nicht mehr zu rechnen.

Die Vorschrift betreffend das Erfordernis der Zugehörigkeit eines Mitgliedes mit der Befähigung zum Dienst in der allgemeinen staatlichen Verwaltung soll, ohne dass dafür nähere Gründe angegeben werden (sie mögen in der zunehmenden Zurückdrängung juristisch ausgebildeter Berufsbeamter gelegen sein), gleichfalls fallen. Bei Verwirklichung nur dieser geplanten Änderung - welcher gleichfalls entgegengetreten wird - stünden auch bei Beibehaltung des "Richterdrittels" und unter Berücksichtigung der für die Zusammensetzung der Finanzsenate erforderlichen Mitglieder für - in der Praxis ohnedies nicht zu erwartende - Bewerbungen entsprechend geeigneter Rechtsanwälte und Universitätsprofessoren in Zukunft nicht nur ein Drittel, sondern sogar die Hälfte der vorhandenen Planstellen zur Verfügung.

Dass der in Art. 134 Abs. 3 zweiter Satz B-VG vorgeschriebene Mindestanteil von Mitgliedern mit der Befähigung zum Richteramt seine Motivation darin hatte, dass sich "insb. die Richter im Hinblick auf ihre ständige Befassung mit Angelegenheiten der Rechtsprechung besonders zu Mitgliedern des Verwaltungsgerichtshofes" eignen, stellt nicht  einmal der vorliegende Entwurf in Abrede. In diesem Zusammenhang sei allerdings auch der Hinweis gestattet, dass sich Richter - anders als etwa Universitätsprofessoren oder Rechtsanwälte - nicht nur "mit Angelegenheiten der Rechtsprechung befassen", sondern in ihrer beruflichen Praxis eben genau das tun, was auch Aufgabe der Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes ist, nämlich "Recht sprechen". Der Verwaltungsgerichtshof rekrutiert seine aus dem Richterstand stammenden Mitglieder teils aus Richtern der Oberlandesgerichte, teils aus in Rechtsmittelsachen tätigen, besonders befähigten Richtern der Gerichtshöfe erster Instanz. Dieser Personenkreis verfügt - neben dem Abschluss des juristischen Studiums - über eine mehrjährige, mit der Richteramtsprüfung abgeschlossene, spezifisch auf die Erfüllung von Aufgaben der Rechtsprechung ausgerichtete Ausbildung, sowie weiters über eine - in der Regel 7 bis 10-jährige - judizielle Praxis, welche im Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit zumindest zweimal (bei Richtern des Oberlandesgerichtes sogar dreimal) evaluiert wurde (nämlich anlässlich der Ernennung vom Bezirksgericht zum Gerichtshof erster Instanz, anlässlich der Betrauung mit Rechtsmittelsachen bei diesem Gerichtshof und - gegebenenfalls - anlässlich der Ernennung zum Oberlandesgericht).  Dieses Rekrutierungspotential ist für den Verwaltungsgerichtshof - jedenfalls auf absehbare Zeit - unverzichtbar.

Der vorliegende Entwurf meint demgegenüber, auf den genannten Personenkreis müsse in Zukunft nicht mehr zurückgegriffen werden, weil auch die Mitglieder der unabhängigen Verwaltungssenate "mit vollen richterlichen Garantien ausgestattet" Rechtsprechung, und zwar sogar in Verwaltungssachen betreiben. Davon kann aber überhaupt erst nach der Umwandlung der UVS zu Verwaltungsgerichten die Rede sein. Diesfalls wäre aber dann eine Vorkehrung dafür nötig, dass zukünftig ein Drittel der Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes entweder aus dem Kreis der ordentlichen Richter oder aus dem Kreis der Richter der Verwaltungsgerichte stammt. In der gegenwärtigen Form läuft der Entwurf sogar auf die Schwächung der Unabhängigkeit des Verwaltungsgerichtshofes hinaus.

2. Bei oberflächlicher Beurteilung könnte man diesen Einwänden entgegnen, dass es dem VwGH ja auch weiterhin unbenommen bliebe, sich aus dem Kreis der Justizrichter zu rekrutieren, ja man würde dem VwGH durch die Lockerung der Bestimmungen über die Zusammensetzung des Gremiums sogar entgegenkommen. Diese Begründung geht aber am Umstand vorbei, dass die Mitglieder des VwGH - mit Ausnahme des Präsidenten und des Vizepräsidenten - zwar auf Grund eines Dreiervorschlags der Vollversammlung des VwGH, aber eben vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung ernannt werden. Gestützt auf die vorliegenden Materialien könnte eine Bundesregierung das personalpolitische Konzept verfolgen, Justizrichtern den Weg zum VwGH zu versperren. Dies könnte mit dem Gesichtspunkt begründet werden, die entsprechenden - im Ressortbereich der Justiz zu tragenden - Ausbildungskosten zu minimieren und im Wege der verstärkten Rekrutierung aus den UVS in den Ländern auf diese zu übertragen. Für die tatsächliche Bewerbungslage von Mitgliedern der UVS in den Ländern wäre dies aus naheliegenden Gründen nachteilig, würde also einen gegenteiligen Effekt erzielen.

3. In diesem Zusammenhang muss aber noch auf Folgendes hingewiesen werden: Der Bewerbung von Mitgliedern aus dem Landesdienst - und daher auch aus dem Bereich der UVS in den Ländern - steht entgegen, dass nach dem Allgemeinen Pensionsgesetz alle Personen, die nach dem 31. Dezember 2004 in ein Bundesdienstverhältnis ernannt werden, nunmehr ausschließlich pensionsversichert sind (§ 1 Abs. 14 Pensionsgesetz 1965). Das bedeutet, dass jene Richter des VwGH, die aus dem Landesdienst kommen, eine empfindliche Einbuße erleiden. Die dadurch geschaffene rechtliche Situation steht in einem eklatanten Spannungsverhältnis zum "Länderviertel" nach Art. 134 Abs. 3 B-VG und ist auch verfassungswidrig im Hinblick auf Art. 21 Abs. 4 B-VG, dessen Kernbedeutung die Garantie der Anrechenbarkeit von Pensionszeiten ist. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach diese Problematik an das Bundeskanzleramt herangetragen (etwa mit Schreiben vom 20. September und 31. Oktober 2005). Ersucht wurde, eine dem § 106 Abs. 4 LDG 1984 (in der Fassung der Dienstrechtsnovelle 2005, BGBl. I Nr. 180) für Landeslehrer geltende Bestimmung zu schaffen. Dieses wirkliche Problem findet im Entwurf keinen Niederschlag.

Darüber hinaus beklagt der VwGH seit einigen Jahren, dass im Hinblick auf die besoldungsrechtlichen Verhältnisse Bewerber aus - von Wien aus - entfernteren insbesondere westlichen Bundesländern fast nicht zu gewinnen sind. Mehrere Vorstöße des Präsidiums des VwGH, auch im Umweg über das Initiativrecht des Bundesrates (vgl. 13 d. Blg. Sten.Prot.NR XXI. GP), von denen das BKA Kenntnis haben müsste, blieben erfolglos.

4. In den Erläuterungen wird eine Lehrmeinung zitiert, derzufolge die Bestimmungen über die Senatszusammensetzung zu einer verfassungspolitisch vielleicht nicht erwünschten Verengung der Zusammensetzung des Gremiums auf den öffentlichen Dienst führen. In der zitierten Stelle wird aber mitnichten die Abschaffung des "Richterdrittels" oder der Bestimmungen über die Senatszusammensetzung verlangt. Vielmehr geht es darum, dass durch spätere Entwicklungen das ursprünglich breitere Konzept der B-VG Novelle 1929 konterkariert wurde. Dazu zählt vor allem der Umstand, dass die früher mit der Richterprüfung gleichzuhaltende Rechtsanwaltsprüfung ihrer Gleichwertigkeit entkleidet wurde. Aus der Sicht des Präsidiums des VwGH spricht nichts dagegen, diese Gleichwertigkeit bei Beibehaltung der Qualitätssicherung für Rechtsanwälte einzuführen, womit die Rechtslage vor dem Rechtsanwaltsprüfungsgesetz, BGBl. Nr. 556/1985, wiederhergestellt wäre. Das Gleiche gelte im Übrigen auch für Notare. Wenn in diesem Zusammenhang vom Österreichischen Rechtsanwaltskammertag begrüßt wird, dass "emeritierte Rechtsanwälte" zu Mitgliedern des VwGH werden sollten, um die Qualität der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu verbessern (Äußerung vom 4. April 2006, Zl. 13/1 06/59), so sei darauf hingewiesen, dass dann Entsprechendes - ganz im Sinne der früheren Rechtslage - eben auch für nicht mehr aktive Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes gelten müsste. Dass es tatsächlich aus den Feldern dieser Rechtsberufe kaum zu Bewerbungen kommen wird, hat
- wie schon ausgeführt - wirtschaftliche Gründe.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass durch Entwicklungen im Dienstrecht der Tatbestand der "Befähigung zum Dienst in der allgemeinen staatlichen Verwaltung" (im Verständnis der entsprechenden Dienstprüfung) deshalb zu einer Verengung führt, weil in einer Reihe von Fällen Dienstprüfungen nicht mehr abgelegt werden müssen bzw. können. Dies gilt bereits für einen Teil der Mitglieder der UVS, weiters etwa für die
- privatwirtschaftlich angestellten - Mitarbeiter staatlicher Behörden wie Regulatoren etc. In diesem Zusammenhang erweist sich auch das verfassungsrechtliche Kriterium des Art. 134 Abs. 3 erster Satz B-VG als nicht unbedeutendes Hindernis für Bewerbungen von "Quereinsteigern" aus den Bereichen der Kammern, der Privatwirtschaft (etwa aus Rechtsabteilungen von Unternehmen) oder juristischen Diensten von internationalen Organisationen oder NGOs, weil der Begriff "vorgeschrieben" in der zitierten Verfassungsbestimmung auf bestehende Rechtsnormen (und nicht auf Vorgaben nichtstaatlicher Arbeitgeber) abstellt. Bei beiden genannten Regelungen liegt somit ein durchaus vernünftiges Reformpotential für eine gewisse Öffnung des VwGH. Die Aufgabe des "Richterdrittels" steht damit aber in keinem sachlichen Zusammenhang.

Zu Art. 3 Z. 10 (§ 13 AVG):

1.1. Die vorgeschlagene Fassung lässt einige Fragen, die sich auch bisher schon stellten, weiter ungeklärt bzw. führt zu neuen Fragen.

1.2. Vorbemerkt wird zunächst, dass es zweckmäßig wäre, das Erfordernis einer Verordnung für die Festlegung von Adressen aufzugeben (dieses Erfordernis ergibt sich auch bislang nicht explizit, sondern wird im Auslegungsweg abgeleitet). In diesem Zusammenhang lässt der Entwurf nicht erkennen, ob die "Festlegung", an die § 13 Abs. 1b AVG nur anknüpft, (weiterhin) mit Verordnung zu erfolgen hat oder nicht. Sofern die Auffassung vertreten werden sollte, dass (weiterhin) eine Verordnung erforderlich sei, stellt sich die Frage, welcher Unterschied zwischen der Festlegung bestimmter Adressen für die Einbringung von Anbringen und der Festlegung von Amtsstunden (die ebenfalls Rechtsfolgen auslöst) besteht (hinsichtlich der Festlegung der Amtsstunden wurde bislang nicht die Auffassung vertreten, dass diese mit Verordnung zu erfolgen hätte).

In der Folge wird davon ausgegangen, dass auch nach der Neufassung die Erlassung einer Verordnung erforderlich bleibt. Der Vorteil der vorgeschlagenen Fassung gegenüber dem geltenden § 13 Abs. 1 AVG bestünde dann darin, dass die Verpflichtung zur Verordnungserlassung wegfiele und nur mehr eine Möglichkeit dazu bestünde. Somit entfiele das Problem, dass bei jenen Behörden, die (noch) keine Verordnung erlassen haben, seit dem Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 10/2004 keine rechtswirksamen Anträge eingebracht werden können.

1.3. Die folgenden Bemerkungen beziehen sich auch auf Kundmachungen, die nicht in Verordnungsform zu ergehen hätten.

Der Umstand, dass die Behörde keine Verordnung erlassen muss, relativiert sich aber angesichts der im Folgenden angeschnittenen Probleme, die uU dazu führen, dass die Behörde, wenn sie hinsichtlich einer "Einbringungsform" eine Kundmachung vornimmt (eine Verordnung erlässt) in der Kundmachung auch die anderen möglichen Einbringungsformen berücksichtigt werden müssen, also ein "Zwang zur Vollständigkeit" bestehen könnte
(siehe 1.4.).

1.4. Zu Inhalt und Wirkung von Kundmachungen über "Adressen":

Da die Bestimmung nur vorsieht, dass (festgelegte) "Adressen" kundzumachen sind, stellt sich die Frage, ob auch die Anordnung getroffen werden könnte, für elektronische Anbringen nur bestimmte (von der Behörde bzw. von Bund oder Land zur Verfügung gestellte) Formulare zu verwenden. Wenn man die Auffassung vertreten kann, dass ein elektronisches Formular (nur) auf einem bestimmten Weg in den Verfügungsbereich der Behörde gelangen kann und somit das Gebot, das Formular zu verwenden implizit auch die Adresse für die Einbringung bekannt gibt, könnte man die Anordnung, nur über ein bestimmtes Formular Anträge einzubringen, auch als Kundmachung einer Adresse auffassen. Vom Wortlaut her könnten jedoch diesbezüglich Zweifel entstehen, geht es doch dabei nicht nur um die Adressierung, sondern um die Verwendung des Formulars als solchem. Die Anordnung, ein Formular zu verwenden, könnte man als Angelegenheit des Verfahrensrechts verstehen. Ohne ausdrückliche Ermächtigung iSd Art. 11 Abs. 3 B-VG könnten daher in diesem Fall Landesbehörden keine diesbezüglichen Anordnungen treffen (vgl. aber die derzeit über den Amtshelfer www.help.gv.at angebotenen Formulare, die offenbar keine Verordnungsgrundlage haben).

Es wird daher angeregt, eine Klarstellung zu treffen, wenn auch derartige "Anordnungen" über die "Bereitschaft" der Behörden, Anträge entgegen zu nehmen, möglich sein sollen (ob die "Festlegung" von Adressen auch die "Festlegung" der Verwendung eines bestimmten Formulars umfasst).

Unklar sind auch die Wirkungen der Kundmachung: Man könnte die Auffassung vertreten, dass im Falle einer Kundmachung von Adressen alle anderen Adressen solche sind, an die nicht rechtswirksam eingebracht werden kann, gleichgültig in welcher Form die Eingabe erfolgt. Durch die allgemeine Formulierung der Norm beziehen sich nämlich die folgenden Regelungen auf alle Einbringungsformen. Dies scheint in praktischer Hinsicht zu bedeuten, dass die Behörde, wenn sie eine derartige Festlegung vornimmt, für sämtliche mögliche Einbringungsformen eine Adresse festlegen muss, wenn sie nicht den übrigen Einbringungsformen ihre praktische Wirksamkeit nehmen möchte.

Eine praktische Lösung des Problems könnte zwar darin bestehen, dass die Behörde selbst bei der Festlegung und ihrer Kundmachung die entsprechende Verknüpfung vornimmt, indem klargestellt wird, dass etwa "Anbringen mittels e-mail" an eine bestimmte Adresse zu richten wären. Dies stellte klar, dass für die übrigen Einbringungsformen keine Adressen festgelegt sind (klärte aber auch wieder nicht, in welcher Form die Behörde Anbringen entgegen zu nehmen "bereit" ist).

Eine generelle Ausschlusswirkung würde bedeuten, dass bei Bekanntgabe (nur) einer e-mail-Adresse die postalische Einbringung an die Postanschrift der Behörde oder die Einbringung mit Fax (noch) keine rechtswirksame Einbringung ist, weil sie an eine nicht kundgemachte Adresse erfolgt. Nach den Erläuterungen wäre die Weiterleitung des Anbringens zu veranlassen.

Man könnte aber auch die Auffassung vertreten, dass eine Kundmachung jeweils nur die zulässige Adresse für eine bestimmte "Technik" der Einbringung, eine "Einbringungsform", festlegt, also die Kundmachung einer e-mail-Adresse die Adresse festlegt, an die e-mails zu senden sind, usw. In diesem Falle hätte die Kundmachung nur Wirkungen für "dieselbe Art" der Einbringung, nicht aber für andere Arten. Sollte auf dies abgezielt sein, sollte dies im Wortlaut zum Ausdruck gebracht werden (indem auf "Adressen für bestimmte Einbringungsformen" Bezug genommen wird). Diesfalls stellt sich dann aber die Frage der Abgrenzung der "Einbringungsarten" oder "Einbringungsformen". Es wäre zu klären, ob etwa im Falle der angesprochenen Bekanntgabe bestimmter Formulare (iS einer "Adresse", an die "elektronisch" eingebracht werden kann) damit sämtliche andere Formen "elektronischer" Anbringen, insbesondere etwa e-mail oder auch Fax, ausscheiden. Diesbezüglich wären wohl entsprechende Erläuterungen empfehlenswert (um klarzustellen, welche technischen Kriterien für die Bestimmung, was als eine "Einbringungsform" zu verstehen ist, maßgeblich sein sollen).

Die Erläuterungen klären diese Problematik nicht, weil auf die Frage der unterschiedlichen Einbringungsformen nicht eingegangen wird. Der Satz "Wird ein Anbringen unter einer anderen Adresse der Behörde als der gemäß § 13 Abs. 1b kundgemachten eingebracht", lässt nicht erkennen, welche Position die Redaktoren einnehmen. Auffallend ist, dass von "der" Adresse die Rede ist. Dies könnte so zu verstehen sein, dass die Kundmachung einer Adresse für e-mail-Einbringung generelle Wirkung habe. Dies muss aber nicht zwingend so sein. Es könnte auch an die Adresse für eine bestimmte Einbringungsform gedacht sein. Interessant ist auch der Hinweis in den Erläuterungen, dass dann, wenn keine Kundmachung erfolgt sei, die elektronische Einbringung möglich sei, wenn die Behörde "über solche elektronischen Adressen verfügt". Man geht also offenbar davon aus, dass die in Abs. 1a angesprochene "Bereitschaft" kein weiteres subjektives Element mehr beinhaltet, sondern das objektive Faktum, über elektronische Adressen zu verfügen, genügt. Es stellt sich daher die Frage, weshalb der Wortlaut insoweit geändert wird.

1.5. Zu § 13 Abs. 1 AVG, Vorgehen bei unklaren Anbringen:

Fraglich ist, ob die in den Erläuterungen zum Ausdruck kommende Abfolge (die die Behörde bei unklaren mündlichen Anbringen einzuhalten hätte) im Gesetzestext tatsächlich ihre Entsprechung findet. Da nur angeordnet wird, dass die Behörde bei inhaltlich unklaren mündlichen Anbringen dem Einschreiter die schriftliche Abfassung aufzutragen hat, ist nicht ersichtlich, worauf die Auffassung basiert, dass zunächst "der Inhalt von Amts wegen" aufzuklären sei.

1.6. Zum Verhältnis des Abs. 1a zu Abs. 1b und zu Abs. 9:

Die im Vorstehenden angesprochenen Probleme führen auch zu der Frage, ob und inwieweit eine Kundmachung nach Abs. 1b die "Bereitschaft" der Behörde zur Entgegennahme von Anbringen im Sinn des Abs. 1a in bestimmter Form determiniert. Wird dies angestrebt, wäre es zweckmäßig, es auch schon in Abs. 1b klarzustellen.

Wenn man den "Soweit-Satz" in Abs. 1b ernst nimmt (oben als erste Auslegungsvariante angesprochen; "generelle Ausschlusswirkung" der Kundmachung, "Technikrelevanz" der Kundmachung), käme einer Kundmachung eine generelle Ausschlusswirkung für andere Einbringungsformen zu, wenn nur bestimmte technische Formen in der Kundmachung geregelt werden. Die anderen Formen der Einbringung würden dann ausgeschlossen.

Wenn man der Kundmachung nur für die "jeweilige Einbringungsform" Bedeutung beimessen will, wäre dies am besten in Abs. 1b konkret anzuführen. Sofern der Kundmachung aber generelle Ausschlusswirkung zukommen soll, könnte schon in Abs. 1a klargestellt werden, dass im Falle einer Kundmachung die Einbringung nur in jenen Formen möglich ist, die sich aus der Kundmachung ergeben. Die aufgezeigten Probleme führen aber auch zur Frage des Verhältnisses der Kundmachung durch die Behörde zur Festlegung von technischen Voraussetzungen für die Einbringung nach Abs. 9. Auf Grund des engen Zusammenhanges zwischen den technischen Voraussetzungen, die gemäß Abs. 9 vom Bundeskanzler festgelegt werden können, und der "Bereitschaft" bzw. der Fähigkeit der Behörden, Anbringen in bestimmter Form entgegen zu nehmen, gibt der sehr großzügig klingende Grundsatz in Abs. 1a uU nicht die tatsächliche Rechtslage wieder. Eine Behörde könnte durchaus "bereit" sein, Anbringen in bestimmter Form entgegen zu nehmen; wenn die Verordnung des Bundeskanzlers jedoch diese Form ausschließt (weil dabei die technischen Voraussetzungen der Verordnung nicht erfüllt werden), scheidet diese Form dennoch aus (insofern können die technischen Anforderungen des Abs. 9 auch an die Behörden adressiert sein, Anbringen sind in jenen Formen möglich, die die Behörden in Übereinstimmung mit der Verordnung des Bundeskanzlers empfangen können).

Darüber hinaus führen die oben angeschnittenen Fragen der Bedeutung der Kundmachung von Adressen zu folgender Frage: Wenn der Kundmachung Ausschlusswirkung für andere Einbringungsformen zukommt, ist ein in einer dieser anderen Formen eingebrachtes Anbringen zunächst nicht "rechtswirksam" eingebracht. Es ist aber nach Abs. 1b an eine kundgemachte Adresse weiterzuleiten. Dies würde zur Notwendigkeit eines Wechsels der Einbringungsform führen, wenn die Ausschlusswirkung generell zu verstehen ist: ein mit Fax eingebrachtes Anbringen wäre in die Form eines e-mails zu kleiden oder umgekehrt, wenn nur e-mail oder nur Fax als Einbringungsform kundgemacht sind. Diese Schwierigkeit könnte dazu führen, eine Präferenz für die eingeschränkte Ausschlusswirkung der Kundmachung (nur für eine bestimmte Einbringungsform) anzunehmen (sofern der Entwurf unverändert Gesetz werden sollte). Es bliebe insofern nur noch die Frage des Begriffsumfanges einzelner "Einbringungsformen", wie etwa die bereits angesprochene Frage, ob bei Anordnung der Verwendung von online-Formularen ein "normales" e-mail eine ungeregelte Einbringungsform darstellte oder aber die gleiche Einbringungsform vorläge wie bei der Formulareinbringung, sodass die Weiterleitungsverpflichtung (diesfalls aber unter Verwendung des Formulars, da ja die "Adresse" nur via Formular erreicht werden kann) ausgelöst wäre.

Man könnte den vorliegenden Entwurf aber auch wie folgt verstehen:

Nach Abs. 1a käme es darauf an, welche Formen die Behörde zu empfangen bereit ist. Wie sich diese Bereitschaft äußern muss, sagt der Entwurf nicht. Wenn man Abs. 1b nun dahingehend versteht, dass die Kundmachung nur für bestimmte Einbringungsformen Bedeutung hat  bzw. haben kann (also für Fax, e-mail, online-Einbringung, wie immer definiert, jeweils gesondert), dann sagt die Kundmachung noch nichts über die Bereitschaft, in bestimmten Formen Anbringen entgegen zu nehmen. Trotz der Kundmachung von Adressen für bestimmte Einbringungsformen wäre somit noch nicht klar, welche anderen Einbringungsformen zugelassen sind. Wenn etwa eine Faxadresse besteht und an diese ein Anbringen gerichtet wird, wäre zwar ein faktischer Zugang des Anbringens feststellbar, aber damit nicht zwangsläufig verbunden, dass die Behörde zur Entgegennahme in dieser Form "bereit" ist. Auch insofern wäre daher eine Klarstellung erforderlich, ob die "Empfangsbereitschaft" objektiv oder subjektiv zu verstehen ist.

Vgl. weiters 1.12.

1.7. Zu Abs. 9:

Zu Abs. 9 stellt sich die (oben bereits angedeutete) Frage, ob unter den "technischen Voraussetzungen" die in der Verordnung des Bundeskanzlers geregelt werden können, nur solche zu verstehen sind, die vom Einschreiter zu beachten sind, oder auch solche, die - abgesehen davon, dass die Behörde selbstverständlich die notwendige Hardware und die entsprechenden Programme zur Verfügung haben muss, um die Anbringen zu empfangen und auch lesen zu können - von den Behörden, etwa bei der Zurverfügungstellung von Formularen oder aber auch beim Empfang von e-mails, zu beachten sind.

1.8. Die obigen Überlegungen führen zur Frage, ob es nicht zweckmäßiger wäre, nicht bloß die Möglichkeit der Kundmachung von Adressen vorzusehen, sondern eine (verpflichtende) Kundmachung der möglichen Einbringungsformen und (allenfalls fakultativ) der dabei zu benützenden Adressen vorzuschreiben. Diesfalls wäre klargestellt, dass die Behörden sämtliche bei ihnen zulässigen Einbringungsformen erwähnen müssten und (nur fakultativ) bei der Notwendigkeit, nur bestimmte Adressen (etwa für Fax und e-mail) zuzulassen, auch die Adressen bekannt geben könnten. Auf die Möglichkeit, die Verwendung bestimmter "elektronischer Formulare" vorzuschreiben, wäre dabei Bedacht zu nehmen. Wenn aus kompetenzrechtlichen Gründen diesbezüglich eine Verordnungsermächtigung für erforderlich erachtet wird, könnte eine solche in das Gesetz aufgenommen werden (wenn keine solche Ermächtigung erfolgt, jedoch die Zulässigkeit der Anordnung nur bei Vorliegen einer Verordnungsermächtigung angenommen wird, wären die Behörden in den Materialien auf diese Rechtslage hinzuweisen). Möglicherweise wäre als Alternative auch ausreichend, wenn die Behörde die Möglichkeit hat, bestimmte Einbringungsformen auszuschließen.

1.9. Im Hinblick auf Art. 11 Abs. 3 B-VG wird auch zur Diskussion gestellt, allenfalls für Fragen, die kompetenzrechtlich zum "Verfahrensrecht" zu zählen sind, eine Verordnungsermächtigung für die Landesregierung in das AVG aufzunehmen, um die Notwendigkeit der Erlassung einer Vielzahl von Verordnungen durch die einzelnen Landesbehörden zu vermeiden (zumal uU die angesprochenen Formularlösungen landesweit getroffen werden).

1.10. Zu Abs. 2:

Es wird angeregt, zu überdenken, ob die "traditionelle" Differenzierung zwischen mündlichen und telefonischen Anbringen einerseits und schriftlichen Anbringen andererseits, was die Entgegennahmeverpflichtung im Fall der "Gefahr im Verzug" anlangt, noch zeitgemäß ist: Abgesehen davon, dass strittig sein könnte, welche Verpflichtung durch Z. 1 den Behörden für die Entgegennahme mündlicher Anbringen auferlegt wird (es ist nicht ausdrücklich eine Einschränkung der Verpflichtung auf die Amtsstunden normiert; wenn sich die Verpflichtung auch auf die Zeit außerhalb der Amtsstunden erstreckt, erscheint ihre praktische Auswirkung unklar), schiene eine inhaltsgleiche Verpflichtung zur Entgegennahme schriftlicher Anbringen bei Gefahr in Verzug auch außerhalb der Amtsstunden nicht weiter zu gehen, als die für die Entgegennahme mündlicher Anbringen im Fall der Gefahr in Verzug schon bisher gegebene.

1.11. Zum Begriff "schriftliche Einbringung":

Es fällt auf, dass § 13 AVG in der Entwurfsfassung nicht festlegt, was unter einem schriftlichen Anbringen zu verstehen ist. Abs. 1a spricht nur von "Anbringen" und umfasste insofern alle Anbringen. Der Entwurf geht aber offenbar davon aus, dass alles, was nicht mündlich oder telefonisch eingebracht wird, "schriftlich" sei. So wird man jedenfalls Abs. 1a verstehen müssen, will man ihn nicht als Derogation der Vorschriften über mündliche und telefonische Anbringen in Abs. 1 lesen. Wenngleich darüber hinaus aus Abs. 2, in dem von "schriftlichen Anbringen ... in einer technischen Form" die Rede ist, abgeleitet werden könnte, dass der Gesetzgeber bei der Einbringung in technischer Form (nur) an schriftliche Anbringen denkt, könnte dies klargestellt werden.

Fraglich wäre etwa die Zulässigkeit der Übermittlung von Tonbändern oder gesprochener Texte im MP3-Format beim Erfordernis der schriftlichen Einbringung. Auch eine Lösung über das Erfordernis der Unterschrift und der Gleichsetzung einer elektronischen Unterschrift nach dem Signaturgesetz mit der eigenhändigen Unterschrift in gewissen Fällen, scheint in diesem Zusammenhang nicht möglich. Der AVG-Gesetzgeber verzichtet nach dem vorliegenden Entwurf auf das Erfordernis einer Unterschrift auf schriftlichen Eingaben. Nach § 13 Abs. 4 AVG kann nur im Fall von Zweifeln an der Authentizität oder der Identität des Einschreiters ein Nachweisauftrag erteilt werden.

1.12. Zur Abgrenzung von unbeachtlichen Anbringen und verbesserungsfähigen Anbringen: Wenn es auch zutreffend ist, dass auch nach der vorgeschlagenen Fassung weiterhin nicht näher spezifizierte Anbringen unbeachtlich sein können, werfen § 13 Abs. 9 AVG und insbesondere die Ausführungen in den Erläuterungen, die die Grenzziehung zwischen beachtlichen und unbeachtlichen Anbringen betreffen, neue Fragen auf: Zunächst ist festzustellen, dass der Wortlaut zwischen der "rechtswirksamen Einbringung" und der Erfüllung von Voraussetzungen, die ein "In-Behandlung-Nehmen" ermögliche, unterscheidet. Offenbar setzt die Möglichkeit bzw. Notwendigkeit einer Verbesserung jedenfalls eine Einbringung in einer Form voraus, die die Pflicht zur "In-Behandlung-Nahme" auslöst. Auch ein solcherart eingebrachtes Anbringen muss aber noch nicht "rechtswirksam" eingebracht sein.

Dazu stellt sich zunächst einmal die Frage, wie zwischen den beiden Verordnungsermächtigungen in Abs. 9 unterschieden werden kann. Der Bundeskanzler soll einerseits technische Voraussetzungen festlegen können, unter denen Anbringen rechtswirksam eingebracht werden können, andererseits aber Voraussetzungen, denen Anbringen entsprechen müssen, damit sie in Behandlung genommen werden. In den Erläuterungen ist ohne nähere Unterscheidung von den technischen Voraussetzungen die Rede, "unter denen Anbringen bei der Behörde eingebracht werden können", und beispielsweise auf Dateiformate verwiesen. Worin der Unterschied zwischen den verschiedenen Festlegungen technischer Voraussetzungen liegen soll, wird daraus nicht klar. Der folgende Hinweis auf die "elementaren Voraussetzungen", bei deren Nichteinhaltung das Anbringen nicht in Behandlung zu nehmen sei, erhellt die Angelegenheit nicht weiter (auch der Hinweis auf "Spam-mail" liefert keine allgemeinen Kriterien, welche Voraussetzungen insofern festgelegt werden könnten; es bestehen insofern Bedenken im Hinblick auf Art. 18 B-VG).

Darüber hinaus sind die Erläuterungen auch insofern unklar und widersprüchlich, als zunächst zu Abs. 3 (was zu begrüßen ist) ausgeführt wird, dass die Nichteinhaltung der nach Abs. 9 verordneten Voraussetzungen ebenso wie der Umstand, dass ein bei der Behörde einlangendes Anbringen nicht lesbar ist, einen verbesserungsfähigen Mangel darstelle. Ein solches Anbringen wäre also sehr wohl in Behandlung zu nehmen. Dies steht aber in einem Spannungsverhältnis zum Wortlaut des Abs. 9 und den ein paar Zeilen später folgenden Erläuterungen, dass bei Nichteinhaltung der "elementaren" technischen Voraussetzungen das Anbringen unbeachtlich sei. "Technische Voraussetzung" ist somit offenbar nicht gleich "technische Voraussetzung". Eine Klarstellung scheint daher unumgänglich. Sofern gemeint sein sollte, dass der Bundeskanzler nicht nur technische Voraussetzungen festlegen kann, sondern auch anordnen kann, welche Rechtsfolgen die Missachtung welcher Voraussetzungen nach sich zieht, wäre dies so im Wortlaut zum Ausdruck zu bringen.

Zu den Erläuterungen ist weiters noch auf Folgendes zu verweisen:

Es stellt sich die Frage, wie die Grenze zwischen beachtlichen und unbeachtlichen Anbringen zu bestimmen ist, wenn eine Form gewählt wird, die die Behörde zu empfangen bereit ist, aber die etwa in einer Verordnung des Bundeskanzlers nach § 13 Abs. 9 idF des Entwurfes nicht zugelassen ist. Die Ausführungen in den Erläuterungen zum Begutachtungsentwurf iZm mit der Erkennbarkeit, ob sich das Anbringen auf eine bestimmte Angelegenheit bezieht, erscheinen diesbezüglich etwas zu streng (und stehen in einem gewissen Widerspruch zu den vorangehenden Ausführungen, dass ein Anbringen, das nicht lesbar einlange, verbesserungsfähig sei). Den am Ende der Erläuterungen enthaltenen Ausführungen zu Folge wäre offenbar in vielen Fällen von Unbeachtlichkeit auszugehen, selbst wenn die Herkunft eines im Übrigen unleserlichen Anbringens bekannt ist. Wenn aus dem "lesbaren Header" nur der Umstand, dass ein Anbringen eingebracht werden sollte, nicht aber die Sache, auf die es sich bezieht, ersichtlich wird, wäre nach den Erläuterungen schon Unbeachtlichkeit gegeben. Es wäre eine Klarstellung erforderlich, welche Mindestanforderungen an ein verbesserungsfähiges Anbringen zu stellen sind. Sofern etwa ein Antrag als Beilage zu einem "Mantel-mail" ("In der Anlage übermittle ich meinen Antrag") gesendet wird, die Beilage aber nicht geöffnet werden kann, stünde an sich einer Verbesserung (zur Vorlage der Beilage in einer den technischen Anforderungen entsprechenden Weise) nichts entgegen (in diese Richtung deuten auch die einleitenden Ausführungen im relevanten Absatz der Erläuterungen, die aber durch die zitierten restriktiven weiteren Ausführungen wieder in Frage gestellt werden).

1.13. Abs. 2, Fristwahrung bei Einbringung außerhalb der Amtsstunden:

Im Übrigen wird vorgeschlagen, allenfalls in den Erläuterungen klarzustellen, ob bzw. dass die unverändert aus Abs. 5 der geltenden Fassung übernommene Anordnung, dass "binnen offener Frist" eingebrachte schriftliche Anbringen als rechtzeitig eingebracht gelten, bedeutet, dass das Anbringen vollständig innerhalb der Frist (vor Mitternacht bei Fristen, die mit Ablauf eines Tages enden) eingelangt sein muss (und es nicht darauf ankäme, dass der Übermittlungsvorgang vor Ablauf der Frist begonnen hat; da die Norm auf die Feststellung des Einlangens abstellt, kommt es schon nach bisheriger Rechtslage wohl auf das vollständige Einlangen an; genau ist dies der Bestimmung jedoch nicht zu entnehmen, weil nur gesagt wird, dass das Einlangen festgstellt werden können muss, im Übrigen aber auf das Einbringen abgestellt wird).

1.14. In legistischer Hinsicht stellt sich die Frage, weshalb bei einer Neufassung des § 13 die Absatzbezeichnungen 1a und 1b verwendet werden müssen. Der bloße Umstand, dass die bisherigen Abs. 3, 5 und 8, welche unter Juristen allgemein bekannt sind und in die juristische Alltagssprache Eingang gefunden haben, nicht ihre Bezeichnung ändern sollten, scheint die Verwendung der Bezeichnungen 1a und 1b nicht zu rechtfertigen.

Zu Art. 3 Z. 16 (§ 17 AVG):

Die gewählte Formulierung des § 17 Abs. 1 letzter Satz ließe die Auslegung zu, die Behörde könne das Recht auf Akteneinsicht in den umschriebenen Fällen auf die Zugänglichmachung des Aktes im Internet beschränken. Ob dies tatsächlich gewollt und (gegebenenfalls) allen Betroffenen zumutbar ist, erscheint fraglich.

Zu Art. 3 Z. 18 (§ 18 AVG):

Die Aufgabe der Differenzierung zwischen internen und externen Erledigungen erscheint zweckmäßig.

Die Überschneidungen mit den §§ 14 und 16 AVG dürften durch die vorgeschlagene Fassung wieder vermieden werden.

Es ist darauf hinzuweisen, dass der Entwurf nicht - wie frühere Fassungen des AVG, etwa das AVG 1950 ‑ zwischen formlosen Erledigungen (die in Abs. 1 geregelt waren) und schriftlichen Erledigungen (für die sich im AVG 1950 das Erfordernis der Genehmigung durch Unterschrift aus Abs. 4 ergab) unterscheidet. Auch das AVG in der Fassung BGBl. Nr. 357/1990 und damit in der wiederverlautbarten Fassung BGBl. Nr. 51/1991 unterschied in § 18 Abs. 1 und 2 zwischen den formlosen Erledigungen, die allenfalls in einer Niederschrift oder einem Aktenvermerk festzuhalten waren, und der "Genehmigung" einer Erledigung, die grundsätzlich durch Unterschrift zu erfolgen hatte (mit Ausnahmen nach dem zweiten Satz des Abs. 2).

Da sich der im Entwurf vorgeschlagene Abs. 2 sowohl auf schriftliche Erledigungen als auch auf andere Erledigungsformen erstreckt, entsteht die angesprochene Problematik, welchen Inhalt die Beurkundung haben soll. Es wäre zu überlegen, etwa einen Satz einzufügen, dass bei schriftlichen Erledigungen der Wortlaut zu beurkunden sei. Auch § 58 Abs. 3 AVG in der Fassung des Entwurfes bietet keine Lösung der Problematik, wird doch dort nur auf die Anwendbarkeit des § 18 Abs. 2 und 4 AVG für (Ausfertigungen?) von Bescheiden verwiesen. In den Erläuterungen könnte gegebenenfalls (je nach rechtspolitischem Willen) klargestellt werden, dass bei mündlicher oder telefonischer Erledigung geringere Anforderungen an die Vollständigkeit der Dokumentation gestellt würden. Insbesondere bei der Erledigung von Auskunftsbegehren wäre aber im Hinblick auf die sich beispielsweise aus § 4 Auskunftspflichtgesetz des Bundes ergebenden Konsequenzen für die Nichterteilung einer Auskunft, die eine spätere genaue Kenntnis des Inhalts der Erledigung erfordern, ebenfalls ein strengerer Maßstab anzulegen. Es könnte daher bei Schaffung einer generellen (offenen) Umschreibung, welchen Anforderungen die Beurkundung genügen muss, etwa  auf die rechtliche Bedeutung der Erledigung abgestellt werden.

Hinzuweisen ist auch auf die Problematik, ob und inwieweit die vorgeschlagene Fassung (ebenso wie die derzeit geltende Fassung) die Erlassung sog. "Computerbescheide" in dem Sinne zulässt, dass der endgültige Bescheid erst durch den Ablauf eines Computerprogramms entsteht und die Genehmigung der Erledigung somit noch nicht den endgültigen Bescheid umfasst, sondern nur die programmgesteuerte Generierung.

Einschlägig ist in diesem Zusammenhang auch § 49 DSG, dessen Bedeutung und Harmonisierung mit dem Verfahrensrecht fraglich erscheint.

Nach den Materialien zu § 49 DSG (RV 1613 BlgNR, XX. GP, 54) kann die "ausschließlich automationsunterstützt erzeugte Entscheidung" auch eine hoheitliche Entscheidung (ein Bescheid) sein. § 49 DSG käme insoweit Bedeutung für sämtliche Verfahrensregime zu. Ob diese Bestimmung allein (wenn auch in Verbindung mit der in Abs. 2 Z. 1 genannten gesetzlichen Grundlage, die offenbar lediglich eine materiengesetzliche Anordnung sein muss, dass "eine automatisierte Einzelentscheidung" zulässig wäre) bereits die Grundlage für die Erlassung sog. "Computerbescheide" ist oder ob sie nur im Zusammenhalt mit der jeweils anzuwendenden Verfahrensbestimmung wirkt, erscheint offen. Nach den Intentionen des Gesetzgebers (RV 1613 BlgNR, XX. GP, 54) wäre die Regelung als verfahrensrechtliche Bestimmung anzusehen, die unmittelbar die Erlassung von Bescheiden ermöglicht. Es wurde jedoch nicht geregelt, welchen Formerfordernissen derartige Erledigungen entsprechen müssen. Ob und inwieweit dem § 49 DSG etwa durch die nachfolgende Erlassung (Neufassung) des § 18 AVG derogiert wurde (in dem Sinne, dass im AVG-Bereich keine automatisch erzeugten Bescheide zulässig wären), wäre zu prüfen. Die Beantwortung der Frage hängt davon ab, ob man § 49 DSG als Spezialnorm ansehen kann, was nicht zwingend erscheint. Auch die jetzige Neufassung des § 18 könnte zu einer Derogation des § 49 DSG (so man die Auffassung vertritt, dass noch keine eingetreten sei) führen.

Es wird daher angeregt, in den Materialien den Gesetzgeber darauf festzulegen, ob § 18 AVG nur "neben" § 49 DSG gilt (und somit der "Computerbescheid" bereits auf Grund § 49 DSG zulässig ist), oder aber, ob er gegebenenfalls die Anwendung des § 49 DSG ausschließen soll (und "Computerbescheide" nicht möglich sind, sondern die Beurkundung iSd § 18 Abs. 2 AVG den gesamten Bescheidinhalt umfassen muss).

Der Hinweis in den Materialien zum DSG auf Verfahren in der Agrarmarktordnung lässt eher auf einen umfassenden Geltungsanspruch des § 49 DSG schließen. Wenn der Gesetzgeber des AVG die Erlassung von "Computerbescheiden" zulassen möchte, wäre im Zusammenhang mit Erläuterungen zu § 18 Abs. 2 AVG und den Anforderungen an die dort vorgesehene Beurkundung bzw. zu § 18 Abs. 3 und 4 betreffend die Anforderungen an Ausfertigungen Gelegenheit, eine Klarstellung zu treffen.

Zu Art. 3 Z. 26 (§ 42 Abs. 1 AVG):

Die "Zurück‑Reparatur" der in Rede stehenden Gesetzesbestimmung ist grundsätzlich zu begrüßen.

In diesem Zusammenhang erscheint der Hinweis angebracht, dass das im Entwurf angesprochene Spannungsverhältnis zwischen den Rechten übergangener Parteien einerseits und dem Aspekt der Rechtssicherheit andererseits wohl besser im Bereich der Bestimmungen des AVG für die Parteistellung als ‑ wie im Entwurf vorgesehen ‑ im Zusammenhang mit der Beschwerdelegitimation vor dem Verwaltungsgerichtshof (vgl. hiezu die unten zu Art. 7 Z. 17 gemachten Ausführungen) geregelt werden sollte. Wollte man verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Einführung "absoluter Präklusionsfristen" nicht teilen, so könnte etwa an geeigneter Stelle im AVG eine Regelung aufgenommen werden, wonach Parteien, denen ein ergangener Bescheid zu Unrecht nicht zugestellt wurde, ihre Parteistellung nach einer näher festzulegenden Frist (etwa drei Jahre) verlieren, sofern sie bis dahin nicht dessen Zustellung beantragt oder Berufung bzw. ‑ gestützt auf § 26 Abs. 2 VwGG ‑ rechtzeitig Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben haben.

Zu Art. 3 Z. 27, 42, 43, 46, 48:

Die in diesen Bestimmungen vorgesehenen Rechtsänderungen sollen gleichfalls der Umsetzung des Urteiles des EGMR in Sachen Jancikova gegen Österreich dienen. Sie sollen bewirken, dass eine mündliche Erlassung eines Bescheides nicht mehr möglich ist und die mündliche Verkündung einer Entscheidung zwar die Behörde bindet, darüber hinaus aber keine Rechtswirkungen zeitigt. Insbesondere soll klargestellt werden, dass allein mit der mündlichen Verkündung der Entscheidungspflicht noch nicht entsprochen wird. Die Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof soll daher ungeachtet einer erfolgten mündlichen Verkündung als Rechtsbehelf gegen die Säumnis der Verwaltungsbehörde im Sinne des Art. 13 EMRK offen stehen.

Die vorgesehene Bestimmung wird unter Hinweis auf die oben zu Art. 1 Z. 19 und Art. 7 Z. 20 erstatteten Ausführungen abgelehnt. Die von der zitierten Bestimmung der EMRK betroffenen Rechtsgebiete werden ‑ wenn auch nicht ausschließlich, so doch überwiegend ‑ von den unabhängigen Verwaltungssenaten vollzogen. Wie oben bereits ausführlich dargelegt, eignet sich die Säumnisbeschwerde als Rechtsbehelf gegen die Untätigkeit gerichtsähnlicher Tribunale keineswegs und sollte insofern durch einen dem § 91 GOG nachgebildeten verschuldensunabhängigen Fristsetzungsantrag ersetzt werden, für dessen Behandlung der Verwaltungsgerichtshof zuständig wäre. Ein solcher könnte auch im Falle der Säumnis eines unabhängigen Verwaltungssenates mit der schriftlichen Ausfertigung eines mündlich erlassenen Bescheides vorgesehen werden. An eine nicht fristgerechte Ausfertigung könnte die Sanktion des Außerkrafttretens des mündlich erlassenen Bescheides geknüpft sein.

Vergleichbare Regelungen könnten auch für den ‑ praktisch wohl seltenen ‑ Fall getroffen werden, dass eine im Bereich des Vollzuges von Angelegenheiten des Art. 6 EMRK tätige Behörde der hierarchischen Verwaltung einen mündlich erlassenen Bescheid in der Folge nicht schriftlich ausfertigt (diesfalls Fristsetzung durch die im Instanzenzug übergeordnete Behörde oder bei letztinstanzlich tätigen Behörden der hierarchischen Verwaltung durch den Verwaltungsgerichtshof).

In allen Fällen wäre eine Frist für die schriftliche Ausfertigung mündlich erlassener Bescheide vorzusehen.

Ein ähnliches ‑ vom Entwurf mit der geplanten Schaffung des § 26 Abs. 1a VwGG in untauglicher Weise behandeltes ‑ Problem stellt sich auch dort, wo es eine Behörde unterlässt, den in einem Mehrparteienverfahren gegenüber einer Partei ergangenen (meist schriftlichen) Bescheid einer anderen Partei zuzustellen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes steht gegen eine diesbezügliche Säumnis eine Säumnisbeschwerde nicht offen (zumal ja die im Mehrparteienverfahren getroffene Entscheidung bereits ergangen ist). Auch diesfalls könnte der insofern untätigen Behörde eine Frist zur Vornahme der Zustellung der bereits getroffenen Entscheidung an die bis dahin übergangene Partei gesetzt werden (vgl. hiezu auch die oben zu Art. 3 Z. 26 erstatteten Ausführungen).

Unbeschadet des Vorgesagten bleiben die Auswirkungen der geplanten Abschaffung der Möglichkeit der mündlichen Bescheiderlassung auch in dem nicht von Art. 13 EMRK betroffenen Bereich, dabei wiederum insbesondere hinsichtlich der Vollzugskompetenzen (erstinstanzlicher) Behörden der hierarchischen Verwaltung (besonders in dringlichen Fällen) zur Gänze unerörtert.

Bei Beibehaltung der im Entwurf vorgesehenen Regelung sollte an geeigneter Stelle im VwGG klargestellt werden, dass der letzte Satz des § 62 Abs. 1 AVG keine vom zur Entscheidung in der Sache zuständig gewordenen Verwaltungsgerichtshof anzuwendende Verwaltungsvorschrift im Sinne des § 62 Abs. 2 VwGG darstellt (was wohl auch nicht intendiert ist).

 

 

Zu Art. 3 Z. 40 (§ 57 Abs. 2, § 63 Abs. 5 und § 64a Abs. 2 AVG):

Eine Verlängerung der Rechtsmittelfristen des AVG mag rechtspolitisch wünschenswert sein, konterkariert aber das Ziel einer Beschleunigung auch des Verwaltungsverfahrens.

Zu Art. 3 Z. 41 (§ 58 AVG):

1. Für die Regelung, wonach (ab Inkrafttreten der geplanten Novellierung) jeder Bescheid bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit als solcher ausdrücklich zu bezeichnen ist, sprechen zunächst gute Gründe: Aus der Sicht des VwGH ist darauf hinzuweisen, dass ‑ jedenfalls in bestimmten Rechtsgebieten (etwa dem Beamtendienstrecht) ‑ der Verwaltungsgerichtshof sehr häufig gezwungen ist, nicht als Bescheid bezeichnete behördliche Erledigungen (oft auch Jahrzehnte, nachdem sie ergangen sind) auf ihre Bescheidqualität zu prüfen. Das Ergebnis einer solchen Prüfung hängt einzelfallbezogen von zahlreichen Nuancen der Formulierung der Erledigung ab. Die Partei ist in derartigen Fällen gezwungen, zur Klärung der Frage, ob überhaupt ein Bescheid gegen sie ergangen ist, Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof zu erheben und trägt im Falle der Verneinung der Bescheidqualität durch diesen und folgender Zurückweisung der Beschwerde auch ein entsprechendes Kostenrisiko.

Dagegen steht freilich, dass die vorgeschlagene Regelung auch die Gefahr in sich birgt, dass (der Bestimmung unkundige) Verfahrensparteien auf ergangene Erledigungen (erteilte Bewilligungen) vertrauen, welche jedoch im Hinblick auf § 58 Abs. 1 AVG in der geplanten Neufassung "Nichtbescheide" darstellen. Die geplante Neuregelung müsste daher zwecks Aufklärung der nicht juristisch gebildeten Öffentlichkeit möglichst medienwirksam verbreitet werden. Dass auch die das AVG vollziehenden Verwaltungsbehörden entsprechend eindringlich auf die Konsequenzen dieser Neuregelung hinzuweisen sein werden, braucht nicht näher erörtert werden. Nach Ansicht des VwGH sollten dieser Änderung, die ja schon jahrzehntelang in Diskussion steht, rechtssoziologische Forschungen über ihre Akzeptanz und Zweckmäßigkeit vorangehen.

Wird das Anknüpfen der Rechtswirksamkeit an eine ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid (ungeachtet der damit verbundenen Probleme) also grundsätzlich begrüßt, so hält das Präsidium des Verwaltungsgerichtshofes die in § 58 Abs. 1 AVG geplante Alternative hiezu, nämlich die Aufnahme einer "allfälligen besonderen gesetzlichen Bezeichnung" gerade im Sinne der angestrebten Rechtsklarheit für bedenklich. Es mag auf der Hand liegen, dass Bezeichnungen wie "Straferkenntnis" oder "Strafverfügung" unter die vorgesehene Alternativvoraussetzung fallen. Dennoch könnte dies bei einer Vielzahl anderer Bezeichnungen im Einzelfall strittig und für den Betroffenen nicht (einmal unter Beiziehung juristischer Beratung) eindeutig feststellbar sein (zu denken wäre an Überschriften wie "Gemeinderatsbeschluss", "Verfügung des Bürgermeisters", "Erkenntnis (eines unabhängigen Verwaltungssenates in allgemeinen Administrativangelegenheiten)", "Baubewilligung", "Abbruchauftrag" etc.). Es wäre daher vorzuziehen, in allen Fällen eine ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid zu verlangen (wobei die zusätzliche Verwendung einer besonderen gesetzlichen Bezeichnung unschädlich wäre).

Bedenken bestehen auch gegen die vorgesehene ausdrückliche Anordnung, wonach jeder Bescheid bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit "den Spruch" zu enthalten habe. Wie die Materialien nahe legen, soll hiedurch (lediglich) zum Ausdruck gebracht werden, dass eine als "Bescheid" bezeichnete Erledigung nur dann wirksam ist, wenn sie auch eine Norm (den Spruch) enthält. So verstanden erweist sich jedoch die vorgesehene ausdrückliche gesetzliche Regelung als entbehrlich, ist doch die "Normativität" nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts (neben anderen Voraussetzungen, die durch die Novelle wohl gleichfalls nicht aufgegeben werden sollen) für das Vorliegen eines Bescheides ohnedies essentiell. Es würde daher ausreichen, die Regelung zu treffen, wonach jeder Bescheid bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit ausdrücklich als solcher zu bezeichnen ist. Mit der Wortfolge "jeder Bescheid" würde an die bisher herrschende Bescheiddefinition angeknüpft und die ausdrückliche Bezeichnung als zusätzliches Formerfordernis für die Rechtswirksamkeit festgelegt werden.

Demgegenüber legte der nunmehr vorliegende Gesetzestext ‑ jedenfalls, wenn man ihn losgelöst von den Materialien betrachtet ‑ nahe, dass die Erledigung, um Bescheidcharakter zu erlangen, die maßgebliche Norm in einem gesonderten (vom Rest der Erledigung erkennbar getrennten) Teil, "dem Spruch" enthalten sein müsse.

Schließlich wäre auch zu erwägen, die in § 58 Abs. 1 vorgesehene Regelung (mit den hier vorgeschlagenen Modifikationen) nicht nur im Bereich der Anwendbarkeit des AVG, sondern (durch eine entsprechende Verfassungsbestimmung) generell für Bescheide vorzusehen. Andernfalls müsste der Rechtsunterworfene, an welchen eine nicht als Bescheid bezeichnete Erledigung ergeht, zunächst prüfen, ob diese Erledigung im Anwendungsgebiet des AVG oder außerhalb desselben getroffen wurde, wobei er sein weiteres Verhalten danach auszurichten hätte.

Aus verfassungsrechtlicher Sicht sollte schließlich noch Folgendes geprüft werden: Spätestens seit der B-VG-Novelle 1975, BGBl. Nr. 302 ist der Bescheidbegriff verfassungsrechtlich konturiert (vgl. näher Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8, Rz 377ff). Es sind daher Überlegungen dazu anzustellen, ob dieser materiell gebildete Begriff ohne verfassungsrechtliche Absicherung durch den (einfachen) Verfahrensgesetzgeber verändert werden kann. Allenfalls wäre zu überlegen, in einer Verfassungsbestimmung, und zwar im B-VG selbst, festzulegen, dass Bescheide als solche zu bezeichnen sind. Gleiches könnte bei dieser Gelegenheit auch für Verordnungen und Weisungen angeordnet werden. Letztlich muss dieses Thema aber dogmatisch und empirisch in profunder Weise behandelt werden. Es wäre deshalb die Erstellung von Gutachten und deren Diskussion bei einer besonderen Veranstaltung zweckmäßig.

2. Im Übrigen ist der Hinweis auf § 18 Abs. 2 AVG im Zusammenhang mit der Ausfertigung von Bescheiden nicht recht verständlich. § 18 Abs. 2 AVG regelt die Genehmigung von Erledigungen. Diese ist an sich von der Ausfertigung zu unterscheiden. Weshalb auf die Ausfertigung von Bescheiden die Vorschrift über die Beurkundung von Erledigungen anzuwenden sein soll, ist nicht ersichtlich.

Da auch Bescheide Erledigungen darstellen sollten, wäre § 18 Abs. 2 AVG überdies grundsätzlich auf sie anzuwenden. Der ausdrückliche Verweis wirft die Frage auf, ob der Gesetzgeber Bescheide nicht zu den in § 18 AVG angesprochenen Erledigungen zählt.

Sofern der Verweis tatsächlich keine hier nicht gesehene Bedeutung haben sollte, könnte er entfallen.

Zu Art. 3 Z. 45 (§ 67d VwGG):

In diesem Zusammenhang wird sinngemäß auf die tiefer stehenden Ausführungen zu Art. 7 Z. 39 (§ 39 VwGG) verwiesen.

Zu Art. 3 Z. 50 (§ 73 Abs. 1 AVG):

Die Verlängerung der behördlichen Entscheidungsfrist auf acht Monate mag sachlich gerechtfertigt sein. Nach Auffassung des Präsidiums des Verwaltungsgerichtshofes läge eine solche sachliche Rechtfertigung jedoch nicht in der geplanten Umsetzung des Vorhabens betreffend die gebotene Schriftlichkeit der Bescheiderlassung (insofern wäre es ‑ wie oben ausgeführt ‑ wesentlich sinnvoller, eine mit Fristsetzungsanträgen sanktionierte Ausfertigungsfrist vorzusehen), sondern in der zunehmenden Komplexität des materiellen (und ‑ wie der Entwurf nur zu deutlich zeigt ‑ auch formellen) Verwaltungsrechtes. Auf die tiefer stehenden Ausführungen zu Art. 7 Z. 18 (§ 27 Abs. 1 VwGG) wird für den Fall der Umsetzung der in § 73 Abs. 1 AVG geplanten Änderung verwiesen.

Zu Art. 3 Z. 51 (§ 73 Abs. 1a AVG):

Im Gegensatz zu den Ausführungen in den Materialien ist dem zitierten Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes keinesfalls zu entnehmen, dass eine Aussetzung des Verfahrens durch die Behörde eine Hemmung ihrer Entscheidungsfrist bewirkt. In dem zitierten Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes wird lediglich zum Ausdruck gebracht, dass während des Aussetzungszeitraumes eine Säumnis der Behörde nicht eintreten kann. Ob ein Aussetzungsbeschluss die genannte Frist hemmt, oder aber unterbricht, wird in dem genannten Erkenntnis nicht behandelt (vgl. in diesem Zusammenhang freilich zur Frage, ob nach Aufhebung eines Aussetzungsbescheides durch den Verwaltungsgerichtshof die Frist neu zu laufen beginnt, u.a. den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Oktober 1983, Zl. 83/17/0189, welcher die genannte Frage bejaht und daher kaum mit der Annahme einer bloßen Hemmungswirkung des aufgehobenen Beschlusses vereinbar sein dürfte). Die nunmehr geplante Anordnung einer bloßen Hemmung führt jedenfalls zu einer Erleichterung der Möglichkeit, Säumnisbeschwerde zu erheben und damit zu einer Mehrbelastung für den Verwaltungsgerichtshof.

Zu Art. 3 Z. 52 (§ 73 Abs. 2 AVG):

Auch hier ist zunächst auf die Ausführungen zu Art. 1 Z. 19 und Art. 7 Z. 20 zu verweisen. Demnach erscheint das Instrument der Säumnisbeschwerde als ein im Großen und Ganzen taugliches Mittel zum Rechtsschutz gegen die Säumnis der hierarchisch gegliederten Verwaltung, der Fristsetzungsantrag vom höheren an das niedrigere Gericht demgegenüber als ein taugliches Mittel zur Bekämpfung der Säumnis untergeordneter Gerichte. Es ergeht daher im Zusammenhang mit § 73 Abs. 2 AVG die Anregung, den Devolutionsantrag an die unabhängigen Verwaltungssenate durch einen der Säumnisbeschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof weitgehend nachgebildeten Rechtsbehelf zu ersetzen. Es sollte daher zunächst der säumigen erstinstanzlichen Behörde durch den unabhängigen Verwaltungssenat eine Nachfrist gesetzt werden, wobei dieser erst nach Ablauf derselben zur Entscheidung zuständig werden sollte. Auch eine generelle Umgestaltung des Devolutionsantrages in diese Richtung könnte erwogen werden.

Zu Art. 4 (VStG):

Hier wäre auch die Regelung des § 51a, insbesondere im Hinblick auf den Ersatz bestimmter Kosten des Verfahrenshelfers (z.B. Dolmetscherkosten) einer Überprüfung zu unterziehen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 2006, Zl. 2004/09/0136).

Zu Art. 4 Z. 17 (§§ 18a und 18b VStG):

Mit einer beträchtlichen Mehrbelastung der Verwaltungsstrafbehörden und des Verwaltungsgerichtshofes durch diese ‑ vielleicht rechtspolitisch erwünschten ‑ Regelungen ist zu rechnen. Es stellt sich auch die Frage, ob hier nicht die sinnvollen Grenzen des Verwaltungsstrafrechts überschritten werden.

Zu Art. 4 Z. 21 (§ 25 Abs. 1a VStG):

Ob das öffentliche Interesse an der Verfolgung von Verwaltungsstraftaten die in § 25 Abs. 1a VStG in "Anlehnung" an entsprechende Bestimmungen der Strafprozessordnung vorgesehene unbedingte Anzeigepflicht näher genannter Verwaltungsbehörden und "öffentlicher Dienststellen" rechtfertigt, muss bezweifelt werden, zumal die StPO differenzierte Regelungen trifft: §§ 190ff und 198ff. Jedenfalls sollte klargestellt werden, dass die in Rede stehende Anzeigepflicht für Gerichte, im Besonderen für den Verwaltungsgerichtshof nicht gilt.

Unklar bleibt auch, was unter dem "gesetzmäßigen Wirkungsbereich" der Verwaltungsbehörde oder "öffentlichen Dienststelle" zu verstehen ist. Der "gesetzmäßige Wirkungsbereich" dürfte sowohl einen sachlichen als auch einen örtlichen Aspekt umfassen. Dass die geplante Anzeigepflicht jedoch wirklich auf den örtlichen Wirkungsbereich einer Verwaltungsbehörde oder "öffentlichen Dienststelle" beschränkt sein soll, erscheint zumindest zweifelhaft. Es würde sich daher ‑ wenn die Regelung überhaupt getroffen werden sollte ‑ ein Abstellen auf den "sachlichen Wirkungsbereich" der anzeigepflichtigen Einrichtung empfehlen.

Zu Art. 4 Z. 19 (§ 22 VStG):

Die Neuregelung soll dem (1995 ergangenen) Urteil des EGMR in Sachen Gradinger Rechnung tragen, indem sie (jedenfalls vom Grundsatz her und in Ermangelung gegenteiliger Anordnungen der jeweiligen Materiengesetzgeber) bei Verwirklichung mehrerer Tatbilder strafbarer Handlungen durch ein und dasselbe Verhalten Scheinkonkurrenz in Form der Subsidiarität anordnet: Nach dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 VStG gilt dieser Grundsatz sowohl für die Verwirklichung der Tatbilder mehrerer verwaltungsbehördlich strafbarer Handlungen als auch für die Verwirklichung des Tatbildes sowohl einer verwaltungsbehördlich als auch einer gerichtlich strafbaren Handlung (durch ein und dasselbe Verhalten).

Aus den Gesetzesmaterialien geht demgegenüber hervor, dass eine Subsidiarität einer Verwaltungsübertretung gegenüber einer anderen Verwaltungsübertretung in § 22 Abs. 1 VStG nur angeordnet sein soll, wenn die zweitgenannte Verwaltungsübertretung von einer Behörde, die das VStG nicht anzuwenden hat, zu ahnden wäre. In diesem ‑ im Gesetzeswortlaut freilich nicht zum Ausdruck kommenden ‑ Verständnis wäre durch § 22 Abs. 1 VStG lediglich eine Subsidiarität von Verwaltungsübertretungen, die von Behörden zu ahnden sind, die das VStG anzuwenden haben, gegenüber Verwaltungsübertretungen, in Ansehung derer dies nicht der Fall ist, sowie gegenüber gerichtlich strafbaren Handlungen angeordnet. Zu hinterfragen ist jedoch, ob dem Urteil des EGMR in Sachen Gradinger durch eine solche ‑ im Sinne der Gesetzesmaterialien restriktiv verstandene ‑ Subsidiaritätsregel Rechnung getragen sein sollte, zumal von einer solchen Subsidiaritätsregelung der (wichtige) Fall der Verwirklichung mehrerer Verwaltungsstraftatbestände, die jeweils durch Behörden, die das VStG anzuwenden haben (bzw. durch ein und dieselbe Verwaltungsbehörde) zu ahnden wären, gar nicht erfasst wäre. Für diese Fallkonstellationen würde dann § 22 Abs. 2 zweiter Fall VStG uneingeschränkt gelten und (vom Grundsatz her und in Ermangelung eines aus den materiellen Strafnormen erkennbaren wechselseitigen Ausschlusses) echte Idealkonkurrenz anordnen.

In der Praxis wird sich die Frage, ob Scheinkonkurrenz in Form von Subsidiarität oder aber echte Idealkonkurrenz vorliegt, ohnedies in erster Linie durch Auslegung der materiellen Strafnormen und deren Schutzzweck ergeben. Wenn aber durch den Gesetzgeber des VStG schon eine zu Gunsten des Subsidiaritätsprinzips sprechende Zweifelsregel eingeführt werden soll, sollte diese in allen Fällen zum Tragen kommen, in denen ein und dieselbe Tathandlung mehrere Tatbilder strafbarer Handlungen verwirklicht. Diesfalls erwiese es sich als sinnvoll anzuordnen, dass (jedenfalls im Falle der Konkurrenz zweier Verwaltungsstraftatbestände) die geringer strafbare Handlung subsidiär gegenüber der strenger strafbaren sein soll.

Zu Art. 4 Z. 38 (§ 52c VStG):

Die Neuregelung dieser Bestimmung soll (im Zusammenhang mit der Neuregelung des Art. 129a Abs. 1 Z. 4 B‑VG) die Anrufung der unabhängigen Verwaltungssenate gegen die Säumnis (erstinstanzlicher) Strafbehörden ermöglichen, gleichfalls um dem Urteil des EGMR in Sachen Jancikova Rechnung zu tragen. Es wird daher im Anwendungsbereich des VStG der Devolutionsantrag generell zugelassen. Auch in diesem Zusammenhang ist zunächst auf die Ausführungen zu Art. 1 Z. 19 und Art. 7 Z. 20 zu verweisen. Ein Regelungsbedarf im Sinne der Zulassung eines Devolutionsantrages besteht in Ansehung verfahrensrechtlicher Bescheide für alle Verwaltungsstrafsachen (einschließlich des landesgesetzlich geregelten Abgabenstrafrechts). Darüber hinaus generell in Privatanklagesachen.

Die - hier erfolgte - generelle Zulassung des Devolutionsantrages in allen Verwaltungsstrafsachen bewirkt, dass die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens die Säumnis erstinstanzlicher Behörden mit der Erledigung aller ihrer bescheidförmig zu erledigenden Anträge mit diesem Rechtsbehelf geltend machen könnten. Unklar bleibt aber, inwiefern der in ein erstinstanzliches Verwaltungsstrafverfahren verwickelte Beschuldigte bzw. eine Amtspartei zulässige Anträge auf (bescheidförmige) Einstellung eines eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahrens durch die erstinstanzliche Verwaltungsstrafbehörde bzw. auf Erlassung von Strafbescheiden durch diese zu stellen berechtigt sein soll, deren Nichterledigung sodann mit Devolutionsantrag an den UVS geltend gemacht werden könnte. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass nach herrschender Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kein subjektives Recht auf eine Verfahrenseinstellung durch die erstinstanzliche Behörde besteht und eine solche im Einparteienverfahren auch nicht in Bescheidform zu ergehen hat. Ob das Urteil des EGMR in Sachen Jancikova eine gegenteilige Sichtweise erzwingt, erscheint zweifelhaft.

Wollte man jedoch (im Hinblick auf Art. 6 und 13 EMRK) einen Säumnisschutz gegen die Untätigkeit der erstinstanzlichen Strafbehörde in der Hauptsache herstellen, so könnte der UVS hiedurch die Stellung einer echten erstinstanzlichen Strafbehörde erlangen. Diesfalls wäre freilich der in § 27a VwGG derzeit vorgesehene Säumnisschutz gegen eine dann entstehende Säumnis des unabhängigen Verwaltungssenates (bei Beibehaltung des bisherigen § 51 Abs. 7 VStG, der sich lediglich auf dort anhängige Berufungsverfahren bezieht) nicht ausreichend. Soll ein Devolutionsantrag in dem oben aufgezeigten Verständnis tatsächlich eingeräumt werden, wird vorgeschlagen § 51 Abs. 7 VStG dahingehend zu ergänzen, dass innerhalb von 15 Monaten ab Einlangen eines solchen Devolutionsantrages vom UVS ein Straferkenntnis nicht mehr gefällt werden darf und das Verfahren einzustellen ist.

Zu Art. 7 Z. 1 (§ 3 VwGG):

Der geplanten Änderung in Ansehung der Ableistung des Diensteides wird entgegengetreten. Anders als die Richter des Obersten Gerichtshofes sind die Richter des Verwaltungsgerichtshofes der Vollversammlung disziplinär verantwortlich und sollten deshalb auch vor dieser angelobt werden. Die Kompetenzen der Vollversammlung sind ein wichtiger Ausdruck der - verfassungsrechtlich sogar in höherem Maße als für die ordentliche Gerichtsbarkeit gebotenen (vgl. VfSlg.Nr. 15.762/2000) - Unabhängigkeit des Verwaltungsgerichtshofes. Die vorgeschlagene, durch nichts zu begründende Änderung wird abgelehnt. Ebenso überflüssig ist auch die Neufassung der Gelöbnisformel - der VwGH war bisher in der Lage, diesen Vorgang auch ohne wörtliche Vorschreibung einer Formel zu bewältigen.

Der Aufhebung des § 3 Abs. 2 VwGG wird entgegen getreten, weil sie - im Falle von Änderungen der Gerichtsorganisation - (einfachgesetzlich) die Möglichkeit der Versetzung von Mitgliedern des Verwaltungsgerichtshofes durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde ermöglicht.

Zu Art. 7 Z. 2 (§ 5 VwGG):

Es ist zunächst festzuhalten, dass die derzeit geltende Regelung über die Erteilung von Urlauben an den Präsidenten des VwGH durch den Bundeskanzler zu keinen praktischen Problemen führt. Zur vorgeschlagenen Neuerung des Übergangs dieser Zuständigkeit auf den Bundespräsidenten ist allerdings auf die damit verbundene verfassungsrechtliche Problematik hinzuweisen: Zwar können dem Bundespräsidenten gemäß Art. 65 Abs. 3 B-VG weitere "Befugnisse in Personalangelegenheiten" übertragen werden, doch kann er diese nach der allgemeinen Regelung des Art. 67 Abs. 2 B-VG nur auf Vorschlag und unter Gegenzeichnung der Bundesregierung oder des von ihr ermächtigten Bundesministers ausüben. Dies würde bedeuten, dass die Erteilung von Urlauben an den Präsidenten des Nationalrates zuvor Gegenstand einer Befassung des Ministerrates oder zumindest des Bundeskanzlers sein müsste, eine Vorgangsweise, die verwaltungsökonomisch erkennbar verfehlt wäre. Die Erläuterungen enthalten keine Begründung dafür, weshalb der Bundespräsident hier vom Vorschlagsrecht der Bundesregierung entbunden sein sollte. Nach Ansicht des Präsidiums des VwGH könnte allenfalls auf die Genehmigung des Urlaubs doch überhaupt verzichtet werden. Wenn in den Erläuterungen davon die Rede ist, dass der Präsident und der Vizepräsident des VwGH ihre Urlaube aufeinander abzustimmen hätten, wird eine Trivialität mitgeteilt. Es ist nicht zu sehen, welcher rechtspolitische Nachteil damit verbunden wäre, wenn der Präsident des VwGH seine Urlaube dem Bundespräsidenten (oder auch dem Bundeskanzler) bloß "anzeigt", wie dies auch der derzeitigen Übung entspricht.

Zu Art. 7 Z. 3 (§ 7 VwGG):

Die Bestimmung sollte in Verfassungsrang gehoben werden. Jedenfalls aber sollte eine dem Art. 129b Abs. 3 B-VG entsprechende Verfassungsbestimmung geschaffen werden, wonach eine Amtsenthebung eines Mitgliedes des Verwaltungsgerichtshofes nur durch eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (nicht aber durch ein sonstiges richterliches Erkenntnis) erfolgen darf.

Zu Art. 7 Z. 8 (§ 14 Abs. 2 VwGG) und Z. 25 (§ 30a VwGG):

Anders als die Materialien behaupten, räumt nicht erst der geplante Entwurf (nach zehnjähriger Mitgliedschaft Österreichs zu den Europäischen Gemeinschaften, bzw. zur Europäischen Union) dem Verwaltungsgerichtshof die "Möglichkeit ein", gemeinschaftsrechtlich gebotene einstweilige Anordnungen (einstweilige Verfügungen) zu erlassen; die Grundlagen ‑ daher die Voraussetzungen und der Inhalt solcher vorläufiger Maßnahmen (Anordnungen) - ergeben sich schon unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht (zu den Voraussetzungen vgl. etwa den hg. Beschluss vom 26. September 2005, Zl. 2005/10/0029, sowie das Urteil des EuGH vom 26. November 1996, Rechtssache C‑68/95 ‑ T. Port GmbH & Co KG gegen Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, RZ 47 ff).

Lässt nun § 30a Abs. 1 VwGG einerseits offen, unter welchen Voraussetzungen sich "Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht" ergeben, so setzt diese Bestimmung andererseits nur einen "drohenden unwiederbringlichen Schaden" voraus, wogegen nach der zitierten Rechtsprechung des EuGH ein schwerer und nicht wieder gutzumachender Schaden drohen muss; weiters ist nach der zitierten Rechtsprechung des EuGH vor Erlassung der einstweiligen Anordnung das Interesse der Gemeinschaft (an der Anwendung des Gemeinschaftsrechtes) angemessen zu berücksichtigen, wogegen § 30a Abs. 1 VwGG abweichend davon von der "Berücksichtigung öffentlicher Interessen oder überwiegender Interessen Dritter" spricht. Die vorgeschlagene Fassung des § 30a VwGG geht daher an den aus der zitierten Rechtsprechung des EuGH erschließbaren Voraussetzungen für die Erlassung einstweiliger Anordnungen vorbei.

Im Übrigen sollte, da es sich um Entscheidungen von großer Tragweite handeln kann, dem Berichter die Möglichkeit eingeräumt werden, die Entscheidung des Dreiersenates über den Antrag auf einstweilige Verfügung einzuholen.

Die Begründungspflicht sollte - entsprechend dem § 30 Abs. 2 dritter Satz VwGG - eingeschränkt werden.

Der vorgeschlagene § 14 Abs. 2 VwGG ist sprachlich unvollständig. Die §§ 30 und 30a sollten zusammengefasst werden.

Im Übrigen zeigen sich gerade auch an Hand der einstweiligen Verfügung die strukturellen Defizite des österreichischen Verwaltungsverfahrens bzw. der justizförmigen Kontrolle der Verwaltung besonders deutlich. Der provisorische Schutz der dem Bürger durch das Gemeinschaftsrecht übertragenen Rechte setzt in Österreich erst im Verfahren vor dem Höchstgericht, also erst, nachdem in einem vorgeschalteten, oft mehrjährigen, vielfach in mehreren Instanzen geführten Verwaltungsverfahren erfolglos prozessiert wurde, ein. Das
- vorgeschaltete langdauernde - Verwaltungsverfahren selbst bietet keinen vergleichbaren Rechtsschutz. Abgesehen davon, dass administrative Rechtsmittel nicht immer aufschiebende Wirkung zeitigen, soll ja die einstweilige Verfügung gerade notwendige Maßnahmen ermöglichen, welche über die in § 30 VwGG vorgesehene Aufschiebung des Vollzuges (auch nur diese ist in aller Regel mit der aufschiebenden Wirkung eines administrativen Rechtsmittels verbunden) hinausgehen. Dringend wird das Bedürfnis nach provisorischem Rechtsschutz aber nicht erst nach Durchlaufen der Verwaltungsinstanzen. Auch hier zeigt sich die - vom Gemeinschaftsrecht als europäischen Standard vorausgesetzte - Notwendigkeit des raschen Einsetzens gerichtlichen Rechtsschutzes und damit der Einführung einer erstinstanzlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit, deren Zuständigkeit schon relativ zeitnah (also schon nach dem erstmaligen Ergehen einer Entscheidung der Verwaltung) eintritt.

Zu Art. 7 Z. 17 (§ 26 Abs. 1a und 2 VwGG):

Auch wenn man den Aspekt der Rechtssicherheit in Rechnung stellt, stellen diese Bestimmungen in mehrfacher Hinsicht bedenkliche Beschränkungen des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes dar:

Bisher galt für den Fall, dass die Behörde im Mehrparteienverfahren den angefochtenen Bescheid gegen eine Verfahrenspartei rechtswidriger Weise nicht erlässt, Folgendes:

1./ Erlangte die übergangene Partei von der Entscheidung (Erlassung des Bescheides gegenüber anderen Parteien) Kenntnis, so stand es ihr frei, diese vor dem Verwaltungsgerichtshof anzufechten, auch ohne dass der Bescheid ihr gegenüber schon erlassen wäre. Für diese (praktisch seltene) Fallkonstellation bestand die Frist von sechs Wochen ab Kenntnis (wann Kenntnis vorliegt, ist eine - bisher praktisch jedoch nicht besonders wichtig gewesene - Auslegungsfrage im Einzelfall).

2./ Jedenfalls konnte die Partei auch einen anderen Weg gehen, nämlich die Erlassung des Bescheides ihr gegenüber (durch Antrag auf Feststellung der Parteistellung) zu erzwingen und den Bescheid sodann innerhalb von sechs Wochen ab Bescheiderlassung vor dem Verwaltungsgerichtshof zu bekämpfen.

Vor Bescheiderlassung gegenüber der Partei konnte sie daher ihres Beschwerderechts nicht verlustig gehen.

Die nunmehr vorgesehene Regelung dürfte demgegenüber Folgendes bewirken:

1./ Erlangt die Partei innerhalb von sechs Monaten ab Erlassung der Entscheidung gegenüber einer anderen Partei hievon (zufällig) Kenntnis, so dürfte sie praktisch gezwungen sein, innerhalb von sechs Wochen ab diesem Zeitpunkt, aber auch unter Wahrung der sechsmonatigen Frist ab Erlassung des Bescheides gegenüber der anderen Partei, Beschwerde zu erheben, weil ja keine Gewähr dafür besteht, dass sie die Erlassung des Bescheides ihr gegenüber innerhalb der Sechsmonatsfrist des § 26 Abs. 1a VwGG überhaupt erzwingen können wird.

Versäumte eine Partei nämlich die sechswöchige Frist ab Kenntnis bei offener Frist des § 26 Abs. 1a VwGG , so läge es dann am weiteren Vorgehen derjenigen Behörde, die die Bescheidzustellung zunächst rechtswidrig unterlassen hat, der übergangenen Partei neuerlich eine Anfechtungsfrist durch Erlassung des Bescheides ihr gegenüber zu eröffnen oder nicht. Erlässt die Behörde den Bescheid, eröffnet sich eine neue Anfechtungsmöglichkeit, tut sie dies nicht (etwa weil sie die Parteistellung verneint und sich das Verfahren zur diesbezüglichen Klärung verzögert), so läuft die Frist nach  § 26 Abs. 1a VwGG ohne neuerliche Anfechtungsmöglichkeit ab. Eine später erzwungene Bescheidzustellung ermöglichte die Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof infolge Ablaufs der zuletzt genannten Frist nicht mehr.

Der bei Umsetzung dieses Vorhabens auf die übergangene Partei ausgeübte faktische Druck zur Anfechtung des ihr gegenüber nicht erlassenen Bescheides verwundert um so mehr, als der Entwurf in anderem Zusammenhang gerade für die Umsetzung des Urteiles des EGMR in der Sache Jancikova vorkehren möchte, wo ausdrücklich die Unzumutbarkeit der Anfechtung einer der Partei nur im Ergebnis bekannten Entscheidung der Verwaltungsbehörden vor dem Verwaltungsgerichtshof betont wird (die Kenntnisnahme von der genauen Begründung des gegenüber der anderen Partei erlassenen Bescheides ist durch nichts gewährleistet; insbesondere, wenn die Behörde die Parteistellung bestreitet, wird dies auch zu einer Verweigerung von Akteneinsicht führen).

2./ Noch dramatischer stellt sich der Sachverhalt für diejenige Partei dar, die innerhalb der Sechsmonatsfrist von der Bescheiderlassung gegenüber einer anderen Partei überhaupt keine Kenntnis erlangt hat. Ihr Beschwerderecht ist dann verfristet. Wollte man die Wiedereinsetzung gegen die als "absolute Präklusionsfrist" bezeichnete Frist für zulässig erachten, wäre sodann mit einer Vielzahl derartiger Anträge und einzelfallbezogenen Entscheidungen zu rechnen. Dem verfolgten Ziel der Rechtssicherheit wäre damit gleichfalls nur bedingt Rechnung getragen.

Überspitzt formuliert könnte man sagen, die Neuregelung eröffnet der Verwaltungsbehörde die Möglichkeit, durch Verletzung prozessualer Bestimmungen (rechtswidrigen Ausschluss einer Partei von der Teilnahme am Verfahren) die Unanfechtbarkeit eines u.U. materiell rechtswidrigen Bescheides vor dem Verwaltungsgerichtshof herbeizuführen. Dies erscheint verfassungsrechtlich bedenklich.

3./ Eine Regelung wie die in § 26  Abs. 1a VwGG vorgesehene, ließe sich aus dem Gedanken der Rechtssicherheit allenfalls nur dann rechtfertigen, wenn die absolute Frist mehrere Jahre betragen würde.

Zu Art. 7 Z. 18 (§ 27 Abs. 1 VwGG):

Die in § 73 Abs. 1 AVG angeordnete Verlängerung der Entscheidungsfrist auf acht Monate sollte auch in § 27 Abs. 1 VwGG übernommen werden, zumal es zweifelhaft erscheint, ob die erstgenannte Bestimmung als ein "das einzelne Gebiet der Verwaltung regelndes Gesetz" angesehen werden kann (vgl. zum "Zusammenhang" der Frist des § 27 Abs. 1 VwGG und der Entscheidungspflicht der Behörden gemäß § 73 Abs. 1 AVG, Ringhofer, Der Verwaltungsgerichtshof, 1955, 182ff).

Darüber hinaus wird darauf verwiesen, dass die der letztinstanzlichen Behörde zur Verfügung stehende Entscheidungsfrist nicht notwendigerweise mit derjenigen ihrer (im Instanzenzug) untergeordneten Behörden identisch sein muss. In einer solchen Konstellation erweist sich schon der bisherige Wortlaut des § 27 Abs. 1 VwGG als unklar, weil auf die "für den Übergang der Entscheidungspflicht" in dem das einzelne Gebiet der Verwaltung regelnden Gesetz vorgesehene Frist abgestellt wird. Da eine solche Frist für den Übergang der Entscheidungspflicht auf den Verwaltungsgerichtshof in den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Gesetzen nicht vorgesehen ist, der Übergang der Entscheidungspflicht auf den Verwaltungsgerichtshof vielmehr im VwGG selbst geregelt ist und nach Maßgabe dieses Gesetzes nicht schon mit Erhebung einer zulässigen Säumnisbeschwerde, sondern erst mit Ablauf der gemäß  § 36 Abs. 2 VwGG gesetzten Nachfrist eintritt, vertritt die Judikatur die Auffassung, es komme auf die Devolutionsfrist an die vor dem Verwaltungsgerichtshof belangte Behörde an (vgl. etwa VwGH, 8. 11. 2005, Zl. 2003/17/0230). Eine entsprechende Klarstellung, an die Entscheidungsfrist welcher Behörde angeknüpft werden soll, wäre wünschenswert.

Zu Art. 7 Z. 33 (§ 36 Abs. 2 letzter Satz VwGG):

Die geplante Gesetzesänderung führt die in § 33 Abs. 1 VwGG positivierte Anhörungspflicht des Beschwerdeführers nunmehr auch für den Fall der Einstellung des Säumnisbeschwerdeverfahrens wegen Bescheidnachholung ein. Damit wird dem Verwaltungsgerichtshof Mehrarbeit aufgebürdet.

Wohl ist einzuräumen, dass dem Beschwerdeführer (für den praktisch wohl selten vorkommenden Fall einer irrtümlichen Annahme einer Bescheidnachholung) eine Möglichkeit zur Erlangung rechtlichen Gehörs eingeräumt werden sollte. Dies könnte - bei sonstiger Beibehaltung der geltenden Rechtslage - durch die Einführung eines entsprechenden Wiederaufnahmegrundes erfolgen, etwa, wenn

"ein Beschluss nach § 36 Abs. 2 letzter Satz VwGG auf einer nicht von der Partei verschuldeten irrigen Annahme einer Bescheidnachholung beruht".

Zu Art. 7 Z. 39 (§ 39 VwGG):

Für die vorgeschlagenen Änderungen besteht keine Notwendigkeit. Der vorgesehene § 39 Abs. 2 Z. 1 VwGG suggeriert die Möglichkeit von Fallkonstellationen, in denen die amtswegige Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach Art. 6 Abs. 1 EMRK geboten ist, auch wenn die Partei einen im Gesetz vorgesehenen, darauf gerichteten Antrag gar nicht gestellt hat. Nach der Rechtsprechung des EGMR ist es jedoch zulässig, die Durchführung einer Verhandlung an das Vorliegen eines diesbezüglichen Antrages der Partei zu binden. Der geplanten Änderung wird daher entgegengetreten.

Um die Einhaltung der Verhandlungspflicht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK über diesbezüglichen Parteiantrag auch in den Fällen der Ziffern 1 bis 5 des - sonst beizubehaltenden - § 39 Abs. 2 VwGG sicherzustellen, würde es sich empfehlen, den diesbezüglichen Vorbehalt in den ersten Halbsatz der Bestimmung - statt wie bisher in Ziffer 6 leg.cit. - aufzunehmen, also etwa:

"(2) Der Verwaltungsgerichtshof kann - sofern Art. 6 Abs. 1 EMRK dem nicht entgegen steht - nach ..., wenn ..."

Zu Art. 7 Z. 42 (§ 41a VwGG):

1. Diese Bestimmung ist ungeeignet, vor dem Hintergrund der notorischen Übelastungssituation des Verwaltungsgerichtshofes die Problematik der Dauer der Beschwerdeverfahren zu lösen. Hingegen wird das Gegenteil bewirkt. Die Konstruktion kann daher keinesfalls als Vorkehrung eines wirksamen Rechtsbehelfs im Sinne der Art. 13 und 35 Abs. 1 EMRK angesehen werden.

Die Vollversammlung des Verwaltungsgerichtshofes hat zu dieser Übelastungssituation des Gerichtshofes etwa im Tätigkeitsbericht des Verwaltungsgerichtshofes für das Jahr 2002 u.A. wie folgt ausgeführt:

"Im Berichtsjahr war ein signifikanter Anstieg der Zahl der beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg eingebrachten, einen Verstoß gegen Art. 6 EMRK geltend machenden Beschwerden wegen Überschreitung der angemessenen Dauer eines Verwaltungsverfahrens unter Einschluss der Dauer eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (22 gegenüber 6 im Vorjahr) zu verzeichnen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat bereits mehrfach Verletzungen des Art. 6 Abs. 1 EMRK durch die Republik Österreich infolge überlanger Verfahrensdauer vor dem Verwaltungsgerichtshof festgestellt. Der Verwaltungsgerichtshof war und ist außerordentlich bemüht, Überschreitungen der angemessenen Verfahrensdauer zu vermeiden. In der gegenwärtigen Belastungssituation (vgl. hiezu auch I l. 3) ist er jedoch außer Stande, in allen vor ihm anhängigen Beschwerdefällen die nach dem Maßstab der EMRK angemessene Verfahrensdauer sicherzustellen. In diesem Zusammenhang ist auf die ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu verweisen, wonach Art. 6 Abs. 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention den Vertragsstaaten die Verpflichtung auferlegt, ihr Gerichtssystem so zu organisieren, dass es den Gerichten auch möglich ist, die Erfordernisse einer angemessenen Verfahrensdauer gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK zu erfüllen (vgl. etwa die Urteile vom 13. Juli 1983, Zimmermann und Steiner, EuGRZ 1983, 482; vom 25. Februar 1993, Dobbertin, ÖJZ 1993/36 [MRK], und vom 6. Mai 2003, Andrzej und Barbara Pilka). In der bestehenden strukturellen Überlastungssituation des Verwaltungsgerichtshofes ist es daher gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK Sache des Gesetzgebers, entsprechende Abhilfemaßnahmen zu treffen (so ausdrücklich auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 5. Dezember 2001, B 4/01). Solche Maßnahmen sind längst überfällig ..."

 

2. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof eingetretene Verzögerungen werden im Sinne der vorgeschlagenen Bestimmung in aller Regel daher selbst dann nicht "auf ein überwiegendes Verschulden des Senates oder des Berichters zurückzuführen" sein, wenn in objektiver Hinsicht eine dem Art. 6 Abs. 1 EMRK widersprechende Verfahrensverzögerung vorliegt.

Bereits derzeit nehmen die Berichter und Senate des Verwaltungsgerichtshofes bei der  in den Bereich der richterlichen Unabhängigkeit fallenden Reihung der Beschwerdesachen ausgehend vom Grundsatz der Behandlung nach der Reihenfolge des Einlangens der Beschwerden auf die in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entwickelten Kriterien für die Angemessenheit der Verfahrensdauer soweit wie möglich Bedacht (diese sind: die Schwierigkeit des Falles, die Behandlung des Falles durch die mit dem Verfahren befassten Behörden und Tribunale, das Verhalten des Beschwerdeführers, die Bedeutung des Ausgangs des Verfahrens für den Betroffenen; vgl. etwa das Urteil vom 19. Februar 2004 im Fall Schluga gegen Österreich, RdNr. 42). Die Vorreihung einer Rechtssache kommt in diesem Sinne insbesondere wegen einer auf objektiven Umständen beruhenden, besonderen Bedeutung des Ausgangs des Verfahrens für den Betroffenen/die Betroffene oder für die Rechtspflege in Betracht. Das Vorliegen solcher Umstände wird von den Richtern des Verwaltungsgerichtshofes im Rahmen ihrer Rechtsprechungstätigkeit von Amts wegen beachtet. Derartige Gründe können dem Verwaltungsgerichtshof auch von den Parteien, die ihre Sache vor dem Verwaltungsgerichtshof  gemäß § 23 Abs. 1 VwGG selbst führen oder sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen können, jederzeit mitgeteilt werden. Derartige Mitteilungen reichen in der Regel als ein effektives Mittel der Verfahrensbeschleunigung (soweit diese überhaupt in der Ingerenz der Gerichtsbarkeit liegt) aus.

Dabei ist freilich zu beachten, dass dies von den Richtern des Verwaltungsgerichtshofes nur im Rahmen der bestehenden, vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu verantwortenden notorischen Überlastungssituation bewerkstelligt werden kann.

Wird die längst fällige Einrichtung erstinstanzlicher Verwaltungsgerichte nach dem Modell Grabenwarter/Jabloner umgesetzt (nur bei Einrichtung solcher kann überhaupt davon gesprochen werden, dass die bestehende Struktur der Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht schon per se den Grundsätzen des Art. 6 Abs. 1 EMRK zuwiderläuft) und damit die uneingeschränkte Funktionsfähigkeit des Verwaltungsgerichtshofes wieder hergestellt, so wird sich der - nach der Judikatur des EGMR einzelfallbezogen zu prüfende - Bedarf an Abhilfemaßnahmen gegen dortige Verfahrensverzögerungen nicht mehr stellen (ebenso wenig, wie dies derzeit hinsichtlich des Obersten Gerichtshofes erforderlich ist).

Dazu tritt noch folgender Gesichtspunkt: Es ist zwar zutreffend, dass die Präferenz für die raschere Erledigung von Beschwerdeverfahren, die Angelegenheiten im Sinne des Art. 6 EMRK betreffen, eben auch dort ihre sachliche Rechtfertigung findet. Dennoch ist vor dem Hintergrund eingeschränkter Ressourcen für den Rechtsschutz vor dessen bedenklicher Verzerrung zu warnen. Angelegenheiten, die unter Art. 6 EMRK fallen, können in einem gegebenen Einzelfall weniger dringend und erheblich sein als Beschwerdeverfahren, die "außerhalb" der EMRK spielen. Sollen hier tatsächlich verfassungsrechtliche Maßnahmen zur Verbesserung des Rechtsschutzes gesetzt werden, so müssten sie breiter ansetzen und ein allgemeines Grundrecht auf gerichtliche (und verwaltungsbehördliche) Entscheidungen "in angemessener Frist" garantieren. Selbstverständlich wäre es mit einer solchen Garantie nicht getan. Vielmehr müsste verfassungsrechtlich an die zuständigen Gesetzgeber der Auftrag erteilt werden, die Gerichts- (und auch Verwaltungs-)organisation in einer solchen Weise zu gestalten, dass dieses Grundrecht auch regelmäßig verwirklicht werden kann.

3. Der vorgesehene Fristsetzungsantrag soll § 91 GOG nachgebildet sein. Tatsächlich handelt es sich bei dem in § 91 GOG vorgesehenen Rechtsbehelf um einen solchen, dessen Erfolg nicht vom Verschulden einzelner Richter abhängig ist. Darüber hinaus stellt er einen prozessualen Rechtsbehelf dar, wobei die Fristsetzung in Ausübung der Gerichtsbarkeit durch ein höheres Gericht gegenüber dem untergeordneten Gericht erfolgt (vgl. den Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 15. Mai 1996, Zl. 3 Ob 2037/96x). Konsequenterweise ist gegen eine allfällige Säumnis des Obersten Gerichtshofes selbst kein Fristsetzungsantrag vorgesehen, was auch nicht erforderlich ist, weil dieser Gerichtshof Teil einer Gerichtsstruktur ist, die - trotz auch dort vorhandener Unzulänglichkeiten in der personellen Ausstattung - im Großen und Ganzen funktionsfähig ist. Genau das ist aber im Hinblick auf das Fehlen einer erstinstanzlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit bei der justizförmigen Kontrolle der Verwaltung in Österreich derzeit nicht der Fall.

4. Während dies beim Fristsetzungsantrag nach § 91 GOG völlig klar ist, lässt der hier vorliegende Entwurf die zentrale Frage offen, in welcher Eigenschaft der Präsident des Verwaltungsgerichtshofes den dort vorgesehenen Akt überhaupt setzen soll. Die Materialien sprechen davon, dass es sich dabei um einen "Beschluss" handeln soll. Dies könnte irgendwie darauf hindeuten, dass es sich nicht um einen Verwaltungsakt, einen "Bescheid" handeln soll. Andererseits deutet der im Gesetzestext aufscheinende Vorbehalt, dass die Fristsetzung "unter voller Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit der Mitglieder" zu erfolgen habe, eher auf das Handeln einer Verwaltungsbehörde hin.

Im letztgenannten Fall wäre die vorgeschlagene Regelung mit dem in Art. 94 B-VG grundgelegten Grundprinzip der Trennung der Justiz von der Verwaltung im Widerspruch, weil mit dieser dem Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes als Organ der Verwaltung die Zuständigkeit eingeräumt würde, in konkrete Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof auf eine sowohl gegenüber den Parteien des Verfahrens, als auch gegenüber den einzelnen Richtern des Verwaltungsgerichtshofes wirksame Weise einzugreifen.

Eine bescheidförmige Entscheidung des Präsidenten des Verwaltungsgerichtshofes über einen solchen Fristsetzungsantrag wäre ihrerseits vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts anfechtbar. Dass auch damit den Vorgaben des EGMR in Sachen Jancikova, wo es heißt:

"In addition, particular attention should be paid, inter alia, to the speediness of the remedial action itself, it not being excluded that the adequate nature of the remedy can be undermined by its excessive duration...",

nicht Rechnung getragen würde, liegt auf der Hand.

Sollte es sich dem gegenüber bei der vorgesehenen Fristsetzung um einen richterlichen Akt handeln, den ein in der Art eines gerichtsinternen Instanzenzuges übergeordneter Einzelrichter (der jeweilige Präsident) gegenüber einem diesen insoweit untergeordneten Senat eines Höchstgerichtes (eine in der Tat erstaunliche Konstruktion) zu setzen hätte, so bestünden gegen eine solche Regel verfassungsrechtliche Bedenken aus dem Grunde des  Art. 135 Abs. 1 B-VG, zumal es sich nicht um einen Akt handeln dürfte, der materiell der Justizverwaltung zuzurechnen ist. Auch die Bezeichnung des Aktes als "Beschluss" (in den Materialien) vermöchte nämlich nichts daran ändern, dass es sich bei einer solchen richterlichen Entscheidung um ein "Erkennen" handelt, würde damit doch durch einen dem erkennenden Senat übergeordneten Einzelrichter in Ausübung der Rechtsprechung eine begleitende Verfahrenskontrolle ausgeübt, die in verbindlichen Anweisungen gegenüber dem zuständigen Senat des Höchstgerichtes betreffend die Ausgestaltung seiner richterlichen Tätigkeit mündet, sodass in der betreffenden Sache eben nicht in letzter richterlicher Instanz ein Senat des Verwaltungsgerichtshofes erkennen würde. Eine solche Tätigkeit des Präsidenten könnte auch nicht etwa einem Senat des Verwaltungsgerichtshofes, dem er angehört, zugerechnet werden.

Wollte man schließlich annehmen, es handle sich materiell um von einem Einzelrichter ausgeübte Justizverwaltung , so verstieße die Regelung gegen Art. 87
Abs. 2 B-VG in Verbindung mit Art. 134 Abs. 6 B-VG.

5. Es ist an diesem Punkt auch der vielleicht dem Entwurf zugrunde liegenden Annahme entgegenzutreten, dass derzeit die von den zuständigen Organen des VwGH gegenüber den Mitgliedern des Gremiums auszuübende Dienstaufsicht nur mangelhaft wahrgenommen würde. Tatsächlich können Verzögerungen in Einzelfällen Gegenstand von Maßnahmen der Dienstaufsicht sein und sind es auch.

 

Zu Art. 7 Z. 59 und 61 (§ 56a und § 58 VwGG):

Durch die geplante Neufassung soll der Verwaltungsgerichtshof zukünftig gehalten sein, die Rechtssache auch dann (detailliert begründet) zu lösen, wenn das Interesse der Parteien an einer Sachentscheidung bereits weggefallen ist, offenbar um eine möglichst gerechte Lösung der Kostenfrage sicherzustellen.

Im Streit um die (ersetzbaren) Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens stehen derzeit etwa € 1.500,-- auf dem Spiel; auch durch die geplante Erhöhung des Aufwandersatzes für die Behörde wird sich dadurch keine wesentliche Änderung ergeben. Der noch auf dem Spiel stehende Geldbetrag bewegt sich damit in der Größenordnung bezirksgerichtlicher Bagatellverfahren.

Die Sinnhaftigkeit, ein chronisch überlastetes Höchstgericht gerade mit zusätzlichen Aufgaben dieser Art weiter zu belasten, darf hinterfragt werden. Der besondere Wert, den der Entwurf darauf legt, dass der Verwaltungsgerichtshof die "Gerechtigkeit im Kleinen" auch durch penible Begründung im Detail garantieren soll, steht in auffallendem Gegensatz zur großzügigen Beschneidung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes in oft existentiellen Fragen (vgl. oben zu Art. 7 Z. 17).

Zu Art. 7 Z. Z. 65 (§ 59 Abs. 5 VwGG):

Mit dieser Bestimmung soll dem Verwaltungsgerichtshof - nachdem (siehe oben) auf die sachgerechte Entscheidung der Kostenfrage auch in sonst gegenstandslosen Fällen höchster Wert gelegt wurde - nun aufgebürdet werden, (auch solcherart) auferlegte Kosten einer Partei (nach Durchführung eines Ermittlungsverfahren über deren Vermögensverhältnisse) aus Billigkeitsgründen wiederum nachzusehen. Abgesehen davon, dass die Bestimmung keine näheren Regeln über das einzuhaltende Verfahren, insbesondere über die Frage des Zeitpunktes der Antragstellung und über die Gerichtsbesetzung (daraus folgt die Senatszuständigkeit, was wiederum in einem nahezu bizarr anmutenden Gegensatz zur alleinigen Kompetenz des Berichters zur Entscheidung in der eminent wichtigen Frage der einstweiligen Verfügung steht) vorsieht, gilt das zu § 58 Gesagte auch hier.

Sollte für den Nachlass derartiger Kosten überhaupt Bedarf bestehen, so müsste es ausreichen, der obsiegenden belangten Behörde die Möglichkeit zu eröffnen von Amts wegen und ohne, dass der Partei ein subjektives Recht darauf zustehen soll, unter den in der geplanten Gesetzesbestimmung umschriebenen Voraussetzungen von einer Einbringung der Kosten abzusehen.

 

III. Vorschläge des Präsidiums des VwGH

 

1. Die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Sinne der Ergebnisse des Österreich-Konvents soll vorangetrieben werden. In eben jenem Sinne hat auch der im Nationalrat nach Abschluss des Österreich-Konvents eingerichtete besondere Ausschuss auf Grund einer Einigung aller vier im Parlament vertretenen Fraktionen an das Bundeskanzleramt das Ersuchen gerichtet, dieses Reformvorhaben - abgesondert vom Gesamtprojekt - voranzutreiben. Es liegt daher nahe, in weiterer Folge von diesem Konzept auszugehen, die relativ weit gediehenen Bemühungen um die Schaffung eines Bundesasylgerichts in dieses Konzept zu integrieren und schließlich jenen Teil des gegenständlichen Entwurfs, der nach hg. Ansicht wert ist, weiter verfolgt zu werden, einzubeziehen.

Diese Reformgespräche könnten auch jene Themen umfassen, die weiter oben in dieser Stellungnahme unter dem Gesichtspunkt "Öffnung des Gremiums" diskutiert wurden.

2. Im engeren Zusammenhang dieses Entwurfs möchte das Präsidium des VwGH auf folgende Anregungen des VwGH hinweisen:

a./ In Art. 131 Abs. 3 B-VG bzw. in § 33a VwGG sollte dafür vorgekehrt werden, dass der Verwaltungsgerichtshof Beschwerden gegen Bescheide des Unabhängigen Finanzsenates unter den gleichen Voraussetzungen ablehnen darf wie solche gegen Bescheide der unabhängigen Verwaltungssenate und des Bundesvergabeamtes.

b./ Darüber hinaus sollte die in § 33a VwGG vorgesehene Wertgrenze von 750 € (welche, von einer betraglich bedeutungslosen Aufrundung abgesehen, seit 1991 unverändert ist), entsprechend der Geldentwertung angehoben werden.

c./ Da - wie in letzter Zeit nicht selten zu beobachten - oberste Administrativbehörden Verfahrensschritte vielfach überhaupt erst nach Zustellung einer Säumnisbeschwerde zu setzen pflegen, sollte auch die Frist des § 36 Abs. 2 erster Satz VwGG (auf fünf Monate) verlängert werden.

Im zweiten Satz dieser Gesetzesbestimmung sollte das Wort "einmal" entfallen, um in den Fällen sachlich zu rechtfertigender Säumnis auch eine mehrfache Fristverlängerung zu ermöglichen.

Nach bisher herrschendem Verständnis muss der Verlängerungsantrag nach § 36 Abs. 2 zweiter Satz VwGG innerhalb der nach dem ersten Satz dieser Gesetzesbestimmung festgelegten Frist gestellt werden. Nicht selten versäumen oberste Administrativbehörden jedoch (auch) diese Frist. Die Antragstellung auf Fristverlängerung nach dem zweiten Satz sollte daher mit einem Monat nach Ablauf der zunächst gesetzten Frist befristet werden.

d./ Auch die Frist des § 42 Abs. 4 VwGG sollte (zumindest auf drei Monate verlängert werden), zumal sich die bisher vorgesehene Frist von maximal acht Wochen in der Praxis als zu kurz erwiesen hat. Fristverlängerungen sollten - unter den Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 zweiter Satz VwGG (in der hier vorgeschlagenen Fassung) gleichfalls möglich sein. Schließlich sollte festgelegt werden, dass die Fortsetzung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nach Ablauf der (verlängerten) Frist des § 42 Abs. 4 VwGG nur über Antrag des Beschwerdeführers erfolgt, wobei die belangte Behörde bis zu einer derartigen Antragstellung auch ungeachtet des Ablaufes der genannten Fristen zur Bescheiderlassung zuständig bleibt.

e./ Häufig zeigt sich das Phänomen, dass belangte Behörden den nachgeholten Bescheid (oder Erledigungen, die eine Klaglosstellung nach § 33 Abs. 1 VwGG bewirken sollen) an den im entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ausgewiesenen Vertreter (im Säumnisbeschwerdeverfahren häufig knapp vor Ablauf der Frist für den Zuständigkeitsübergang) zustellen, auch wenn der Vertreter im Verwaltungsverfahren nicht ausgewiesen ist. Es sollte daher durch eine entsprechende Gesetzesbestimmung klargestellt werden, dass

a.a./ Bescheide, die eine Klaglosstellung nach § 33 Abs. 1 VwGG bewirken,

und

b.b./ Bescheide, die gemäß dem - nach hier vertretener Auffassung beizubehaltenden - § 36 Abs. 2 letzter Satz VwGG nachgeholt werden,

auch an jene Person zugestellt werden dürfen, der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zuzustellen ist.

f./ Um dem Verursacherprinzip und damit dem Prinzip der budgetären Kostenwahrheit Rechnung zu tragen, sollte dem § 36 VwGG ein Absatz 10 angefügt werden, welcher wie folgt lautet:

"(10) Erwachsen im Verfahren vor dem zur Entscheidung in der Verwaltungssache zuständig gewordenen Verwaltungsgerichtshof Ansprüche nach dem Gebührenanspruchsgesetz 1975, BGBl. Nr. 136, so ist die belangte Behörde für die Bestimmung dieser Gebühren und der Rechtsträger, in dessen Namen sie zu handeln gehabt hätte, für deren Entrichtung zuständig. Der Antrag auf Zuerkennung dieser Gebühren kann innerhalb der dafür vorgesehenen Fristen sowohl beim Verwaltungsgerichtshof zur Weiterleitung an die belangte Behörde als auch bei dieser direkt eingebracht werden."

g./ Weiters soll noch auf das Folgende sowohl legistische als auch inhaltliche Problem hingewiesen werden: In Form einer lex fugitiva, nämlich einer Ergänzung des § 3 Abs. 2 des Wirtschaftstreuhandberufsgesetzes (seinerseits im Rahmen eines "Abschlussprüfungs-Qualitätssicherungsgesetzes) BGBl. I Nr. 84/2005 wurde es Steuerberatern eröffnet, die Vertretung in Abgaben- und Abgabenstrafverfahren vor dem VwGH vorzunehmen. Die Regelung hätte systematisch ihren Ort in § 24 Abs. 2 VwGG. Abgesehen von der inhaltlichen Fragwürdigkeit dieser - weder mit dem Präsidium des VwGH noch offensichtlich mit dem Bundeskanzleramt vorgeklärten - Bestimmung, steht ihre Legistik in einem Spannungsverhältnis zu Art. 136 B-VG, wo ja davon die Rede ist, dass die näheren Bestimmungen über die Verwaltungsgerichtsbarkeit "durch ein besonderes Bundesgesetz" getroffen werden. Zwar schließt diese Ermächtigung Regelungen außerhalb des VwGG nicht aus und macht diese daher nicht verfassungswidrig, es rückt aber die Interpretation in den Bereich der Möglichkeit, in § 3 Abs. 2 WTBG bloß eine Vorschrift über die Erweiterung der berufsrechtlichen Befugnis zu sehen, die keine Auswirkung auf das verwaltungsgerichtliche Verfahren hätte. Nach Ansicht des Präsidiums des VwGH sollte diese Regelung daher, wenn schon an ihren Inhalt festgehalten werden muss, in das VwGG eingebaut werden.

3. Zu § 60 AVG:

Die Bestimmung wird von den Verwaltungsbehörden nicht selten falsch verstanden, indem unter der "klaren und übersichtlichen" "Zusammenfassung" der "Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens" eine in extenso gehende Darstellung des Verwaltungsgeschehens aufgefasst wird, die sodann ohne konkrete Feststellung des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes als Grundlage für rechtliche Überlegungen herangezogen wird. Es wird daher folgende Änderung des § 60 AVG vorgeschlagen:

"In der Begründung ist

1. der Gang des Verwaltungsverfahrens kurz zusammenzufassen;

2. der als erwiesen bzw. als bescheinigt angenommene Sachverhalt zusammenhängend darzustellen;

3. die Beweisquellen sowie die für die Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen wiederzugeben;

4. die rechtliche Beurteilung des als erwiesen bzw. bescheinigt angenommenen Sachverhaltes vorzunehmen.

Die oben angeführten Teile der Bescheidbegründung sind erkennbar voneinander zu trennen."

Zu § 67f AVG:

Keine eindeutige Antwort gibt die derzeitige Gesetzeslage zur Frage, ob im Falle der Durchführung einer Verhandlung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat dieser die Beweise unmittelbar aufzunehmen hat. Der mit "Unmittelbarkeit des Verfahrens; Beratung und Abstimmung" übertitelte § 67f AVG regelt ausschließlich, dass im Falle der Durchführung einer Verhandlung die Entscheidung nur von jenen Mitgliedern des unabhängigen Verwaltungssenates getroffen werden kann, die an dieser teilgenommen haben. Er enthält jedoch keine Regelung darüber, ob der unabhängige Verwaltungssenat die im verwaltungsbehördlichen Verfahren aufgenommenen Beweise in der mündlichen Verhandlung unmittelbar neuerlich aufzunehmen hat, also etwa Zeugen und Sachverständige selbst neuerlich zu vernehmen hat, oder ob die diesbezüglichen Beweisergebnisse des Verwaltungsverfahrens in der mündlichen Verhandlung ‑ etwa durch Verlesung ‑ bloß zu erörtern und sodann vom unabhängigen Verwaltungssenat zu würdigen sind.
In diesem Zusammenhang fällt auf, dass § 51g und § 51i VStG diesbezüglich ausführliche Regelungen enthalten.

Ein Teil der Lehre hat aus dem zweiten Satz des § 67d Abs. 1 AVG in der Fassung vor dessen Novellierung durch BGBl. I Nr. 158/1998, wonach zur Verhandlung die Parteien und die anderen zu hörenden Personen, insbesondere Zeugen und Sachverständige, zu laden waren, die Verpflichtung des unabhängigen Verwaltungssenates, die Beweise weitestgehend unmittelbar aufzunehmen, abgeleitet (vgl. hiezu die durchaus unterschiedlichen Lehrmeinungen zu dieser Frage bei Grabenwarter, Verfahrensgarantien in der Verwaltungsgerichtsbarkeit, 654 ff, Thienel, Verwaltungssenate, 119f, Köhler, Das Verfahren vor den Unabhängigen Verwaltungssenaten, JBl. 1991, 620 (626)).

Der zweite Satz des § 67d Abs. 1 ist nun durch die zitierte Novelle entfallen; auch in der nunmehr vorgeschlagenen Fassung ist eine entsprechende Bestimmung nicht (wieder) enthalten. In den Materialien zur erstgenannten Novelle heißt es, dieser Satz habe im Hinblick auf die allgemeinen Regelungen des AVG über die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen können. Der Grundsatz der Unmittelbarkeit des Verfahrens werde durch diese Änderung nicht berührt. Dies ist schwer nachvollziehbar, wurde doch aus
§§ 40 ff AVG für die Verwaltungsbehörden nicht notwendigerweise das Prinzip der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (und zwar auch nicht im Falle der Durchführung einer mündlichen Verhandlung; vgl. etwa VwGH 4.7.1989, 87/05/0082) abgeleitet.

Inwieweit auf Grund dieser Rechtslage derzeit eine Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme in der Verhandlung vor den unabhängigen Verwaltungssenaten in den Angelegenheiten des § 67a Abs. 1 Z. 1 angeordnet ist, bleibt zumindest zweifelhaft (offen lassend das hg. Erkenntnis vom 8. April 2003, Zl. 2002/01/0058, mit weiteren Hinweisen auf Lehrmeinungen). Selbst wenn aber eine Auslegung der Gesetzesmaterialien ein (strenges) Unmittelbarkeitsprinzip ergäbe, wäre es wohl erforderlich, ähnlich wie für das Verwaltungsstrafverfahren, die Möglichkeiten für seine Durchbrechung näher zu regeln.

Eine entsprechende Klarstellung wäre wünschenswert.

Diese Stellungnahme ergeht u.e. auch an das Präsidium des Nationalrates.

 

Wien,am 2. Mai  2006

Der Präsident:

JABLONER

 

 

 


 


VERWALTUNGSGERICHTSHOF

 

A-1014 Wien, Judenplatz 11
Telefon: (01) 531 11, DW.
Telefax: (01) 53 28 921
DVR: 0000141

PRÄSIDIUM

 

Zl. 1701/8-Präs/2006

 

 

 

 

 

 

An das

Präsidium des Nationalrates

Parlament

Dr. Karl Renner-Ring 3

1017 Wien

 

 

 

 

Das Präsidium des Verwaltungsgerichtshofes übermittelt als Beilage seine Stellungnahme zum Entwurf eines "Verfahrens- und Zustellrechtsänderungsgesetzes 2006".

 

Wien,am 2. Mai  2006

Der Präsident:

JABLONER