REPUBLIK ÖSTERREICH

BUNDESKANZLERAMT

 

Geschäftszahl:

BKA-600.722/0008-V/A/5/2006

 

An das

Bundesministerium für

Verkehr, Innovation und Technologie

 

st4@bmvit.gv.at

 

Sachbearbeiter:

Herr MMag Dr Patrick SEGALLA

Pers. e-mail:

patrick.segalla@bka.gv.at

Telefon:

01/53115/2353

Ihr Zeichen
vom:

BMVIT-170.031/0002-II/ST4/2006
07.03.2006

Antwortschreiben bitte unter Anführung der Geschäftszahl an:

v@bka.gv.at

 

 

 

 

 

 

Betrifft:  Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem Kraftfahrgesetz 1967 (28. KFG-Novelle) und das Gefahrgutbeförderungsgesetz (GGBG) geändert werden;

Begutachtung; Stellungnahme

 

 

Zum mit der do. oz. Note übermittelten Gesetzesentwurf samt Beilagen nimmt das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst wie folgt Stellung:

I. Allgemeines:

Zu legistischen Fragen darf allgemein auf die Internet-Adresse http://www.bundeskanzleramt.at/legistik hingewiesen werden, unter der insbesondere

·      die Legistischen Richtlinien 1990 (im Folgenden zitiert mit „LRL ...“),

·      das EU-Addendum zu den Legistischen Richtlinien 1990 (im Folgenden zitiert mit „RZ .. des EU-Addendums“),

Die Gemeinschaftsrechtskonformität des im Entwurf vorliegenden Bundesgesetzes ist vornehmlich vom do. Bundesministerium zu beurteilen.

 

 

II. Zum Gesetzesentwurf:

Zu Z 1 und 2 (§ 2 Abs. 1 Z 47 und § 2 Abs. 3):

Diese Bestimmungen sind insofern missverständlich, als sie so verstanden werden könnten, dass der Bundesminister nicht bloß geeignete Einrichtungen zu Verkehrskontrollplätzen erklären kann, sondern durch eine solche Erklärung auch die Errichtung von „infrastrukturellen Anlagen“ veranlassen kann. Außerhalb des Bereichs der Bundesstraßen dürfte es dem Bund aber verwehrt sein, ständige bauliche Einrichtungen der in Aussicht genommenen Art an Straßen zu regeln (Art. 15 B-VG iVm Art. 10 Abs. 1 Z 9 „Angelegenheiten der Bundesstraßen“). Es wird angeregt, die Bestimmungen in diesem Sinn zu präzisieren.

Zu Z 3 (§ 11 Abs. 6 bis 9):

Insoweit nicht bloß gewerbsmäßig mit Kraftstoffen tätige Personen beprobt werden, sondern etwa auch einem gewöhnlichem Autofahrer eine Probe aus seinem Tank entnommen wird – dies ist nach den vorgeschlagenen Bestimmungen nicht ausgeschlossen – könnten Bedenken hinsichtlich der in Abs. 9 vorgesehenen Verpflichtung entstehen, wonach jedenfalls der Beprobte die Kosten der Probennahme zu tragen hat. Dieser Eigentumseingriff ist jedenfalls nur gerechtfertigt, wenn er im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismäßig ist. Dies sollte in den Erläuterungen ausgeführt werden (in der geltenden Rechtslage ist vorgesehen, dass die Behörde über die Kosten „abzusprechen hat“, woraus sich theoretisch auch die Möglichkeit ergeben dürfte, die Kosten ausnahmsweise nicht dem Beprobten aufzuerlegen, was nach der in Aussicht genommenen neuen Rechtslage nicht mehr möglich ist).

Die Regelung, wonach § 57 AVG auch dann anzuwenden ist, wenn die dort angeführten Voraussetzungen nicht zutreffen, stellt eine Abweichung vom AVG im Sinne des Art. 11 Abs. 2 B-VG dar, die im Sinne dieser Bestimmung nur zulässig ist, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes „erforderlich“ ist. In die Erläuterungen sollten daher neben den angegebenen verwaltungsökonomischen Gründen weitere Ausführungen aufgenommen werden.

Zu Z 9 (§ 33 Abs. 1a):

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes müssen behördliche Zuständigkeiten in Hinblick auf das Recht auf den gesetzlichen Richter klar und eindeutig festgelegt werden (vgl. mwN Mayer, B-VG3, Art. 83 II.2). Während gegen die in den Z 1 und 2 festgelegten Tatbestände dahingehend unproblematisch sein dürften, erscheint die Generalklausel „wesentliche Vereinfachung des Verfahrens“ oder „erhebliche Erleichterung für den Antragsteller“ im Hinblick auf diese Judikatur nicht gänzlich unbedenklich. Es erschiene daher zweckmäßig, von der Generalklausel abzusehen und stattdessen die Beispielsfälle als allein maßgebliche Fälle eines Zuständigkeitswechsels vorzusehen.

Nicht unmittelbar einsichtig ist auch der Zweck der einvernehmlichen Entscheidung der beiden Landeshauptleute. Es sollte begründet werden, warum im Fall des Zuständigkeitswechsels der Landeshauptmann, bei dem der Antrag eingebracht wurde, nicht allein zuständig sein soll.

Zu Z 10 (§ 34a):

Die Bestimmung sieht u.a. vor, dass Ausnahmegenehmigungen nur erteilt werden dürfen, wenn „dringende wirtschaftliche oder technische Gründe“ vorliegen (Abs. 3 Z 1), und dass dies jedenfalls nicht zulässig ist, wenn es „dem Antragsteller einen nicht gerechtfertigten Wettbewerbsvorteil verschaffen würde“ (Abs. 3 letzter Satz). Beide Erfordernisse sind für sich genommen relativ unbestimmt. Auch aus den Erläuterungen geht in keiner Weise hervor, unter welchen Voraussetzungen eine Ausnahmegenehmigung nun zulässig ist, oder nicht.

Ebenso ist nicht klar erkennbar, wann eine Ausnahmegenehmigung „den Schutzzielen der unter Z 2 genannten Bestimmungen entgegenstehen würde“ (Abs. 3 letzter Satz).

Es wird angeraten, diese Bestimmungen weiter zu präzisieren. Auch wäre es angesichts der Tatsache, dass § 34a Abs. 6 ohnehin schon eine Verordnungsermächtigung enthält, zu erwägen, die genaueren Anforderungen für eine Ausnahmegenehmigung ebenfalls im Verordnungsweg zu regeln, anstatt unbestimmte Rechtsbegriffe im Gesetz zu verwenden. Zwar trifft zu, dass bestimmte der genannten Voraussetzungen, etwa hinsichtlich der „technischen oder wirtschaftlichen Gründe“, bereits in den Betriebserlaubnisrichtlinien enthalten sind, doch dürfte ausreichend gemeinschaftsrechtlicher Spielraum bestehen, diese Begriffe im Sinne des Determinierungsgebots zu konkretisieren.

Es wird darauf hingewiesen, dass durch die Formulierungen „die einschlägigen Eu-Richtlinien“ (Abs. 3) bzw. “unter Bedachtnahme der in den EU-Richtlinien [richtig: „EG-Richtlinien“] vorgegebenen Bedingungen“ eine Verweisung auf diese Richtlinien entsteht. Im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu Verweisungen wäre es erforderlich, die verwiesenen Richtlinien samt ihrer Fundstellen im Amtsblatt anzuführen (es handelt sich bei den EG-Richtlinien nicht um unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht, auf das die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum Güterbeförderungsgesetz [B 249/05] Anwendung finden würde).

Zu Z 11 (§ 43 Abs. 2):

Im ersten Satz hätte es an Stelle von „… so sind der Behörde […] das Fahrzeug-Genehmigungsdokument zur Einsichtnahme vorzulegen“ wie folgt zu lauten: „… so ist der Behörde […] das Fahrzeug-Genehmigungsdokument zur Einsichtnahme vorzulegen“

III. Zu Vorblatt, Erläuterungen und Textgegenüberstellung:

Das Bundeskanzleramt-Verfassungsdienst weist auf seine Rundschreiben vom 13. November 1998, GZ 600.824/8-V/2/98 ‑ betreffend Vorblatt und Erläuterungen zu Regierungsvorlagen; Aufnahme eines Hinweises auf Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens ‑ und vom 19. Februar 1999, GZ 600.824/0-V/2/99, – betreffend Legistik und Begutachtungsverfahren; Auswirkungen von Rechtssetzungsvorhaben auf die Beschäftigungslage in Österreich und auf den Wirtschaftsstandort Österreich; Gestaltung von Vorblatt und Erläuterungen ‑ hin, in denen insbesondere um die Aufnahme bestimmter zusätzlicher Hinweise in das Vorblatt und den Allgemeinen Teil der Erläuterungen ersucht wurde.

Gemäß § 14 Abs. 1 BHG ist jedem Entwurf für (ua.) ein Bundesgesetz von dem Bundesminister, in dessen Wirkungsbereich der Entwurf ausgearbeitet wurde, eine den Richtlinien gemäß § 14 Abs. 5 BHG entsprechende Darstellung der finanziellen Auswirkungen anzuschließen, aus der insbesondere hervorzugehen hat, wie hoch die durch die Durchführung der vorgeschlagenen Maßnahmen voraussichtlich verursachten Ausgaben oder Einnahmen sowie Kosten oder Erlöse für den Bund im laufenden Finanzjahr und mindestens in den nächsten drei Finanzjahren zu beziffern sein werden. Eine solche Darstellung kann dem vorliegenden Entwurf nicht entnommen werden.

Auf die finanziellen Folgen einer Missachtung von Verpflichtungen nach der Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Konsultationsmechanismus und einen künftigen Stabilitätspakt der Gebiets­körperschaften, BGBl. I Nr. 35/1999, muss hingewiesen werden.


Diese Stellungnahme wird auch dem Präsidium des Nationalrats zur Kenntnis gebracht.

 

4. April 2006

Für den Bundeskanzler:

LIENBACHER

 

 

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