Stellungnahme
zum Betrugsbekämpfungsgesetz 2006

Art 6 Z 1 sieht eine Änderung des § 2 Abs 2 Finanzstrafgesetz vor:

Stempel- und Rechtsgebühren sollen finanzstrafrechtlich geschützt werden. Das bedeutet für die Praxis:

Anstelle einer Gebührenerhöhung

bis zu 100 % nach § 9 GebG (in seiner derzeitigen Fassung)

sollen

Strafen nach dem Finanzstrafgesetz

verhängt werden.

Die Ausdehnung des Finanzstrafverfahrens und Finanzstrafrechts auf Stempel- und Rechtsgebühren nach dem GebG ist nicht zweckmäßig:

-          Die Abgabentatbestände nach dem Gebührengesetz sind äußerst kompliziert, in vielen Details strittig und über weite Strecken nicht einsichtig. Beispiel: Barvorlagen einer Bank sind in der Regel mangels Beurkundung gebührenfrei. Hält die Bank jedoch eine Aktie oder einen KG-Anteil an der Schuldnergesellschaft, so ist streitig, ob die zwingende Verbuchung der Forderung in den Büchern der Bank eine Ersatzbeurkundung nach § 33 TP 8 Abs 4 oder TP 19 Abs 2 GebG auslöst.

-          § 17 GebG verpflichtet zur Auslegung zu Lasten der Steuerpflichtigen: Auch wenn beide Vertragsparteien sich einig sind, dass ein Leasingvertrag nur einen Kauf mit Ratenzahlung des Kaufpreises beurkundet, darf die Finanzverwaltung einen gebührenpflichtigen Bestandvertrag (§ 33 TP 5 GebG) unterstellen. Das gilt auch dann, wenn ein Zivilgericht einen gebührenfreien Kauf anerkennt.

-          Das Finanzstrafgesetz ist ein Blankettgesetz: Der strafbare Tatbestand wird nicht in einer jedermann/jederfrau einsichtigen Weise umschrieben. In Verbindung mit der Auslegungswillkür der Pro-fisco-Klausel des § 17 GebG (Was die Vertragsparteien wollen, ist irrelevant. Was das Finanzamt besteuern will, zählt.) wird das Strafrecht auf die Ahndung von Abgaben ausgedehnt, deren Besteuerungsgrund dem Großteil der Bevölkerung nicht verständlich ist. Die Bevölkerung wird Finanzstrafen in Gebührensachen nicht als eine angemessene Reaktion auf Abgabenhinterziehung sehen, sondern als Verschärfung einer Besteuerungswillkür.

-          Es ist nicht sinnvoll, die Kräfte der Finanzstrafbehörden in der Verfolgung von Gebührendelikten zu verschwenden: Gebührenerhöhungen bis zu 100 % nach § 9 GebG (in seiner derzeitigen Fassung) bieten Spielraum zur Berücksichtigung des Verschuldens und zu einer ausreichend scharfen Sanktion bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Gebührenerhöhungen stoßen auf weniger Widerstand als Strafen. Nicht einsichtige Gebühren samt einer allfälligen Erhöhung werden wie Steuern bezahlt. Gegen nicht einsichtige Strafen wehren sich alle vehement. Aufwändige Ermittlungsverfahren unter Einhaltung der Garantien des Art 6 MRK binden die Kräfte beider Seiten. In einem Strafverfahren hat die Anklage die Schuld zu beweisen. Im Gebührenrecht gilt dagegen die Pro-fisco-Klausel: Im Zweifel ist Gebührenpflicht anzunehmen und im Zweifel wird die höhere Gebühr geschuldet. Gegensätzlicher könnten das materielle Abgabenrecht einerseits und die Anforderungen an ein faires Strafverfahren andererseits nicht ausgestaltet sein.

-          Die Vorlage vieler Urkunden wird unter Hinweis auf das strafverfahrensrechtliche Verbot eines Zwangs zur Selbstbeschuldigung („Se ipsum accusare nemo tenetur.“ – „Im Strafverfahren gilt der Anklageprozess.“ Art 90 B-VG) in Hinkunft verweigert werden.
Denn wer weiß ex ante, welche Gebührenpflicht die Abgabenbehörde nach der Pro-fisco-Klausel konstruieren will.

-          Wichtige Verträge werden nur mehr im Ausland beurkundet und Streitigkeiten auf ausländische Schiedsinstanzen verlagert werden. Das schadet dem Wirtschaftsstandort Österreich. Zum Beweis: Cross-border-lease-Verträge sind in der Regel im Ausland beurkundet worden.

-          Österreichs Banken und Notare werden Gebührenfallen unter Strafsanktion ausgesetzt. Das kann zu Gewissens- und Interessenkonflikten führen, wenn ein Gebührenproblem erst im Nachhinein erkannt wird: Selbstanzeige und somit Denunziantentum oder Verschwiegenheit und Mittäterschaft stehen zur Wahl.

-          Zur Verifizierung der gebührenrechtlichen Unzulänglichkeiten schlage ich folgende Vorgangsweise vor: Die Gebührenrechtsspezialisten des BMF schulen die 183 Abgeordneten des Hohen Hauses sechs Wochen lang im Gebührengesetz. Diese Schulung schließt mit einer Gebührenrechtsklausur, die von österreichischen Universitätsprofessoren erstellt wird. Überwiegen die negativen Ergebnisse, bleiben Stempel- und Rechtsgebühren straffrei.


Sehr geehrter Herr Präsident,
Hohes Haus,

sollten Sie diesen Vorschlag zurückweisen, weil die Abgeordneten des Hohen Hauses etwas besseres zu tun wissen als das Gebührengesetz zu studieren, so versichere ich Ihnen: Sie haben völlig Recht. Aber glauben Sie mir: Das trifft auf uns alle zu. Was die Damen und Herren Abgeordneten sich nicht zumuten, sollten Sie uns allen nicht zumuten.

Mit freundlichen Grüßen

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Univ.-Prof. Dr. Reinhold Beiser

Innsbruck, ……………..