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HAUPTVERBAND DER ÖSTERREICHISCHEN SOZIALVERSICHERUNGSTRÄGER
A-1031 WIEN
KUNDMANNGASSE 21
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Wien, 7. April 2006
An das per
E-Mail
Bundesministerium für
Gesundheit und Frauen
Radetzkystraße 2
1030 Wien
An das per
E-Mail
Präsidium des Nationalrates
(25 Ausfertigungen in Papierform)
Betr.: Bundesgesetz, über die
Gesundheit Österreich GmbH
(Gesellschaft Gesundheit Österreich mbH-Errichtungsgesetz – GGÖ-G)
Bezug: Ihr E-Mail vom 10. 3. 2006,
GZ: BMGF-92070/0001-Stab I/B/2006
Sehr geehrte Damen und Herren!
Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger vertritt den Standpunkt, dass der Entwurf tiefgreifend überarbeitet werden sollte.
Bund, Länder und Sozialversicherung tragen jeweils eigene Verantwortung, haben eigene Finanzierungsquellen und wären daher als gleichberechtige Partner zu behandeln.
Eine Organisationsform, welche einem dieser Partner ein Übergewicht einräumt, lehnen wir ab. Die zu gründende Einrichtung wäre jedenfalls unabhängig zu gestalten. Qualität im Gesundheitswesen liegt massiv im Interesse der Patienten, das Handeln der Einrichtung darf somit nicht von den jeweiligen Finanzierungen abhängen. Es wäre auch die Konstruktion als Fonds, Verein, Stiftung usw. denkbar.
Keinesfalls notwendig erscheint, dass organisatorische Aufgaben und Qualitätskontrolle in einer Hand zusammengefasst werden sollen.
Die Qualitätskontrolle wäre von den anderen Aufgaben unabhängig in einem eigenen Rechtsträger zu organisieren, der auch die Kompetenzen der Ärzte-/Zahnärztekammern umfasst bzw. berücksichtigt (vgl. §§ 118a ff. ÄrzteG und § 22 ZahnärzteG).
Die Überarbeitung hätte daher zu berücksichtigen:
· Klare Trennung (eigene Rechtsträger) der Bereiche, die sich mit Qualitätsaufgaben bzw. Qualitätssicherung befassen, von den anderen Aufgaben der geplanten Einrichtung.
· Weisungsfreie Geschäftsführungsorgane.
· Die Priorisierung der Aufgaben soll durch die gleichberechtigten Partner erfolgen. Nur diese Priorisierung soll erfolgen, aber keine sonstigen direkten Eingriffe der Gesellschafter.
· Internationale Partner wären beizuziehen. Die Aufgaben des Instituts sind unter Bedachtnahme auf internationale Evidenz im Gesetz festzulegen.
· Ein international besetzter Beirat wäre einzurichten. Die Tätigkeit des Institutes soll einem internationalen Monitoring unterzogen werden (zB. WHO).
· Die parallel laufenden Aufgaben, die derzeit der Österr. Ärztekammer übertragen sind und die zur Gründung des ÖQMed-Institutes geführt haben, wären in die Neuorganisation einzubeziehen. Die Prozesse für die Festlegung von Qualitätsnormen müssen transparent und in den Konturen im Gesetz vorgezeichnet sein.
· Die Monopolisierung von Auftragsvergaben bei der geplanten Einrichtung sollte unterbleiben, diese Einrichtung sollte sich dem Wettbewerb stellen.
Anmerkungen zu Details und weitere Ausführungen zur Einleitung:
Anlass des
Gesetzesentwurfes ist offenbar § 9 Abs. 1 Gesundheitsqualitätsgesetz –
GQG, BGBl. I Nr. 179/2004.
Dieser sieht unter anderem die Einrichtung eines so genannten „Bundesinstitutes für Qualität im Gesundheitswesen“ vor.
Das könnte auch auf andere, mehr konsensfähige Weise, geschehen.
„Qualität im
Gesundheitswesen“ ist ausdrückliche Aufgabe der Bundesgesundheitsagentur. Bei
den Verhandlungen über die Art. 15a-Vereinbarung wurde festgelegt, dass das
Thema nur im Konsens behandelt werden soll. Ein Alleingang des Bundes in dieser
Angelegenheit ist somit unzulässig.
Um die Wertigkeit des
Institutes bzw. der zu gründenden Gesellschaft und der Relevanz der Planungs-
und Qualitätsaussagen möglichst
hoch zu halten, wäre eine sachlich gestaltete gleichberechtigte Beteiligung
aller Länder und der gesamten Sozialversicherung geboten. Jede andere
Lösung wäre eine Schwächung der geplanten Einrichtung, insbesondere auch im
Bezug auf das bereits bestehende Qualitätsinstitut der Österreichischen
Ärztekammer (ÖQMed-GmbH).
Das geplante Vorhaben greift tief in die Kompetenzen der sozialen Krankenversicherung ein, sodass die Krankenversicherungsträger den Entwurf grundsätzlich ablehnen, so z. B. die oöGKK deswegen, weil seine Realisierung ihrer Ansicht nach einen weiteren, wesentlichen Schritt zur Umsetzung eines staatlichen Gesundheitssystems in Österreich darstellen würde.
Die im
Entwurf vorgesehene Konzeption einer „Superbehörde“ mit umfassenden Kompetenzen
im Bereich Gesundheitswesen ist für die Sozialversicherung inakzeptabel.
Durch die Zusammenführung in dieser Form verlieren der Hauptverband der Sozialversicherungsträger sowie die Länder und Gemeinden ihr Vertretungsrecht in den (aufgelösten) Kuratorien der beiden Fonds.
In der Zielvereinbarung
zwischen Gesundheitsministerin, Sozialministerin und Hauptverband gem. § 441e
Abs. 3 ASVG für das Jahr 2006 ist jedoch explizit die gleichberechtigte
Teilhabe der Sozialversicherung an einem zu gründenden unabhängigen
„Bundesinstitut für Qualität im Gesundheitswesen“ vereinbart worden. Das wurde mit beiden Ministerinnen am
13. Dezember 2005 schriftlich abgestimmt.
Der Entwurf verletzt diese gesetzlich vorgesehene
Aufgabe.
Ein Anteil des Bundes an
der Gesellschaft von mindestens 51 % ist jedenfalls damit nicht vereinbar,
eine „Drittellösung“ (je ein Drittel Bund, Länder, Sozialversicherung) wäre
einzuhalten.
Da die Gesellschaft bindende Vorgaben machen soll (z. B. gemäß § 4 Abs. 3 im Bereich Prävention und Gesundheitsförderung), würde dies einen verfassungsrechtlich unzulässigen Eingriff in die Selbstverwaltung bzw. die Autonomie der Sozialversicherung (vgl. z. B. §§ 116, 154b ASVG) darstellen.
Die Kompetenzen gemäß § 4 Abs. 2 überschneiden sich mit den Aufgaben der Gesellschaft für Qualitätssicherung der ÖÄK bzw. dem Inhalt der Qualitätssicherungsverordnung der Österreichischen Ärztekammer; siehe hiezu auch §§ 118a bis 118c Ärztegesetz. Entsprechende Überschneidungen ergeben sich auch aus § 22 Zahnärztegesetz.
Diese Situation führt zu Unklarheiten, teuren Doppelgleisigkeiten und Qualitätseinbußen im Hinblick auf die zu erfüllenden Aufgaben.
Die neue Gesellschaft soll sowohl für die Normsetzung im Bereich der Qualität zuständig sein als auch für die Kontrolle. Dass beide Rollen in getrennten Händen liegen sollten und deren Zusammenführung in eine Hand Unvereinbarkeiten erzeugt, ist jedoch internationaler Konsens.
Kontrolle im Gesundheitswesen sollte eine hoheitliche Aufgabe bleiben (z. B. sanitäre Aufsicht als mittelbare Bundesverwaltung), die Normsetzung sollte unabhängig organisiert werden.
In der vorgesehenen Gesamtkonstruktion der Gesundheit Österreich GmbH sind drei Geschäftsbereiche vorgesehen:
· Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen,
· Fonds Gesundes Österreich und
· Bundesinstitut für Qualität im Gesundheitswesen.
Daraus ergibt sich, dass die geplante Gesellschaft umfassende Kompetenzen einerseits im Bereich der Planung des Gesundheitswesens (§ 4 Abs. 1) und andererseits im Bereich der Qualität insbesondere der Qualitätskontrolle (§ 4 Abs. 2) haben soll. Dies ist nicht zielführend, da dadurch Planungsfragen (Normsetzung) sowie deren Kontrolle in einer Hand vereinigt werden. Dies führt zu einer Unvereinbarkeit, weshalb eine Trennung dieser beiden Bereiche unbedingt notwendig erscheint.
§ 1 Abs. 2 über die Beteiligung eines Landes „oder“ mehrerer Länder „oder“ des Hauptverbandes wäre so umzuformulieren, dass sowohl ein oder mehrere Länder als auch der Hauptverband beteiligt sein könnten.
Die Formulierung zu § 8 Abs. 1 ist missverständlich, weil grammatikalisch inkorrekt („hat … einrichten“). Nach den Erläuterungen soll die Gesellschaft berechtigt, aber nicht verpflichtet sein, wissenschaftlich beratende Kuratorien einzurichten. Demnach wäre das „hat“ im Gesetzesentwurf durch ein „kann“ zu ersetzen.
Der Fonds Gesundes Österreich wird direkt dem Weisungsrecht des BMGF unterstellt. Bei der Entscheidung über die Mittelverwendung der heutigen „FGÖ-Mittel“ aus der Umsatzsteuer sollen die Länder und Gemeinden zwar im Rahmen eines Kuratoriums mitbestimmen können, in welchem Stärkenverhältnis ist jedoch allein vom BMGF durch eine Geschäftsordnung zu bestimmen.
Das widerspricht den ursprünglichen Zielen des Fonds.
Die Sozialversicherung, insbesondere die oöGKK, hat im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung im letzten Jahrzehnt eine Vorreiterrolle eingenommen sowie national und international einen hervorragenden Ruf erworben. Dies erfolgte nicht zuletzt auch auf Basis des bestehenden Gesundheitsförderungsgesetzes, das sich bislang als eine sehr fruchtbare Arbeitsgrundlage erwiesen hat und im vorliegenden Gesetzesentwurf nur unzureichend berücksichtigt wird.
Vorweg ist zu kritisieren, dass eine allgemeine Definition des Begriffes „Gesundheitsförderung“ im vorliegenden Gesetzesentwurf fehlt. Dadurch wird ein Einfallstor für ein hinter den internationalen Entwicklungen zurückbleibendes Gesundheits- bzw. Gesundheitsförderungsverständnis eröffnet. Besonders bedenklich ist, dass im Entwurf keine dem § 1 Abs. 2 Gesundheitsförderungsgesetz (GfG) vergleichbare Regelung vorgesehen ist, wonach Maßnahmen und Initiativen aus dem Aufgabenbereich der Sozialversicherung nicht Gegenstand des Gesetzes sein sollen.
Derzeitige Proponenten der
Gesundheitsförderung in Österreich – insbesondere aus den Reihen der sozialen
Krankenversicherung, namentlich das Österreichische Netzwerk für Betriebliche
Gesundheitsförderung und die Schulservicestellen – finden keine nähere
Erwähnung im Gesetzesentwurf. Es geht nicht hervor, in welcher Rolle und mit
welchem Gewicht Kooperationen mit diesen etablierten Trägern der Gesundheitsförderung
gesucht werden sollen.
Der Regionalisierungsgedanke kommt im Gesetzesentwurf zu kurz. In den Reihen der Sozialversicherung wurde bislang sehr viel Know-how und Kompetenz aufgebaut. Aus dem Gesetzesentwurf geht nicht hervor, wie dieses Know-how sinnvoll genutzt werden soll. Die Schnittstelle zu Entwicklungen innerhalb der Sozialversicherung erscheint unklar bzw. nicht vorhanden. In diesem Zusammenhang sei explizit auf den im Rahmen der Innovationsprojekte entwickelten Gesundheitsförderungs- und Präventionsplan der Sozialversicherung verwiesen.
Der Hauptverband spricht sich dafür aus, das bestehende Gesundheitsförderungsgesetz (GfG) zu erhalten und den Fonds Gesundes Österreich in seiner Unabhängigkeit zu stärken.
Der Bund und alle sonstigen Gesellschafter würden nach dem Entwurf verpflichtet sein, alle Arbeiten, die in den umfassenden Aufgabenbereich der „Gesundheit Österreich GmbH“ fallen – darunter etwa alle Planungsaufgaben wie Stellenpläne – ausschließlich an diese Institution zu vergeben. Dadurch wird die Auftragsvergabe in der Bundesgesundheitskommission – und damit auch Länder und Sozialversicherung – einseitig präjudiziert.
Länder und Hauptverband dürften im Ergebnis nur dann der „Gesundheit Österreich GmbH“ beitreten, wenn sie der neuen Gesellschaft das „Ausschließlichkeitsrecht“ einräumen. Eine solche Rechtskonstruktion, durch welche ein Monopol für Auftragsvergaben entstünde, wird abgelehnt.
Nach dem Entwurf wäre es nicht einmal möglich, eine „zweite Meinung“ einzuholen, weil ja stets derselbe Monopolist zu befassen wäre. Es besteht die Gefahr, dass diese Situation zur Generierung von Monopolpreisen ausgenützt würde.
Zu beachten ist, dass nach § 351h Abs. 3 Z 5 und Z 7 ASVG der UHK je ein vom Österreichischen Bundesinstitut für Gesundheitswesen und vom Hauptverband vorgeschlagener Vertreter anzugehören hat.
Das Vorschlagsrecht des ÖBIG würde auf die Gesellschaft übergehen.
Sollte sich der Hauptverband an dieser GmbH beteiligen, wäre er Gesellschafter einer Gesellschaft, die ein Vorschlagsrecht für einen Vertreter der UHK hat; und dies, obwohl er selbst auch für die Ernennung von UHK-Mitgliedern vorschlagsberechtigt ist.
Für diesen und ähnlich gelagerte Fälle (derartige „Überschneidungen“ können nicht nur zwischen der GmbH und dem Hauptverband, sondern auch zwischen der Gesellschaft und dem Bund bzw. den Ländern bestehen) sollten Vorkehrungen getroffen werden, um etwaige Interessenskonflikte zu vermeiden.
Von der Pensionsversicherungsanstalt wird darauf hingewiesen, dass § 1 Abs. 2 keine Beteiligung der großen Sozialversicherungsträger bzw. der Pensionsversicherungsanstalt, vorsieht. Diese sollte jedoch vorgesehen werden, weil die der Gesellschaft obliegende Aufgabenstellung des § 4 (insbes. Abs. 1 Z 1, 2, 4, 8 und Abs. 2 Z 1, 2, 4 sowie Abs. 4 Z 1) auch die medizinische Aufgabenstellung der Pensionsversicherungsanstalt betreffen.
Mit freundlichen Grüßen
Für den Hauptverband: