HR Univ. Prof. Dr. Wolfgang Gratz
Leiter der Strafvollzugsakademie
Stellungnahme zum Entwurf eines Bundesgesetzes
bezüglich der Einrichtung einer Vollzugsdirektion
1. Allgemeine Vorbemerkung:
Bereits vor der Übertragung der erstinstanzlichen dienstbehördlichen Zuständigkeiten an die Oberlandesgerichte wurde von einer Reihe von Dienststellenleitern im Strafvollzug darauf hingewiesen, dass entgegen den damals hierfür angeführten Argumenten dieser Schritt zu einer ins Gewicht fallenden Aufblähung der Personalverwaltung sowie zu Koordinationsproblemen und Reibungsverlusten führen würde.
Diese Einschätzungen wurden, wie zwei Organisationsanalysen von Beratungsfirmen ergeben haben, nunmehr bestätigt. Deshalb ist eine Veränderung der derzeitigen Organisationsstrukturen ein höchst begrüßenswerter Schritt.
Wie
international üblich, sollte auch in Österreich die Steuerung des
Strafvollzuges von hiermit ausschließlich beschäftigten und hierfür
spezialisierten Führungskräften wahrgenommen werden. Insofern ist jedes Organisationsmodell besser
als die Übertragung der Fachaufsicht an die Oberlandesgerichte.
Da im Strafvollzug seit nunmehr
zumindest 6 Jahren Organisationsfragen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen
und seit rund einem Jahr eine Veränderung der „OLG-Lösung“ mit beträchtlichem
Ressourceneinsatz bearbeitet wird, sollte eine Lösung umgesetzt werden, die in
jeder Hinsicht zukunftssicher ist und es ermöglicht, dass sich der Strafvollzug
konzentriert seinen Kernaufgaben widmen kann („structure follows function“).
Die Errichtung einer „Mittelbehörde“
steht hier unter einem besonderen Rechtfertigungsdruck, ist es doch unüblich,
dass unter einer Zentralstelle eine einzige Zwischenbehörde angesiedelt ist.
Die Aufteilung der Funktionen von Zentralstelle und Mittelbehörde erscheint auf
den 1. Blick logisch, ist jedoch näher zu hinterfragen.
Im Allgemeinen versteht man unter
strategischer Steuerung die langfristige und grundsätzliche Ausrichtung einer
Organisation, durch einen einheitlichen, geschlossenen Plan, der die Erreichung
der Organisationsziele sicherstellen soll, insbesondere die Definition von
strategischen Zielen, Grundsätzen der Ressourcenverteilung, von Leistungsqualitäten
usw. („Die richtigen Dinge tun“; „Ein Muster in den Strom von Handlungen und
Entscheidungen bringen“). Unter operativem Management versteht man die kurz-
bis mittelfristige Umsetzung der strategischen Ziele („Die Dinge richtig tun“).
Für den öffentlichen Bereich liegen
international eine Reihe von Modellen vor, in denen Verwaltung mittels
Kontraktmanagement (Leistungs- und Zielvereinbarungen) unternehmerisches Handeln möglich
machen soll. Grundgedanke ist, dass den einzelnen Dienstleistern zur Erreichung
wohl definierter Wirkungen und zur Erbringung quantitativ und qualitativ
vereinbarte Leistungen festgelegte Ressourcen zur Verfügung gestellt werden,
wobei die öffentlichen Dienstleister über den Einsatz der Ressourcen und die
Wege zur Erfüllung der Vereinbarungen frei entscheiden können.
Wesensbestandteile dieser Konzepte sind die Zusammenführung von Ressourcen- und
Ergebnisverantwortung und möglichst einfache und unaufwendige („schlanke“)
Leitungsstrukturen. Durchgängig
gilt es als unvereinbar mit dieser neuen Art von Verwaltungsmanagement, eine
Engführung der nachgeordneten Dienstleister, also Eingriffe in Detailfragen –
sei es den Ressourceneinsatz – sei es die Leistungserbringung betreffend – zu
betreiben. Die Aufgaben der Zentralstellen beschränken sich darauf, die
Kontrakte auszuformulieren und abzuschließen und das Controlling und die
Evaluation zu besorgen.
2.
Bezeichnung
Vollzugsdirektion
Die Bezeichnung der neuen
Zwischenbehörde sollte auch für Außenstehende deren Funktion und Wirkungsbereich
erkennen lassen. Deshalb sollte sie die Bezeichnung „Strafvollzugsdirektion“
tragen.
3. Das Steuerungsverständnis des
Entwurfs
3.1. Allgemeines
Der Entwurf definiert, dass dem BMJ
die strategische Planung und Steuerung des Straf- und Maßnahmenvollzuges
obliegt (Art I Z. 3.), der Vollzugsdirektion die operative Durchführung (Art. I
Z. 2). Nicht thematisiert wird die Aufteilung operativer Fragen zwischen der
Vollzugsdirektion und den Justizanstalten, die eine Reihe von operativen
Vollzugs-Managementfunktionen haben.
Die Entscheidungen über die
Ressourcen finden jedoch -
insbesondere im Personalsektor, in der rund 2/3 der Aufwendungen für den
Strafvollzug gehen, auch in operativen Bereichen im BMJ statt: Angelegenheiten
des Stellenplans, der Planstellenbewirtschaftung, des Organisationsmanagements,
der Budgeterstellung. Dies bedeutet, dass - wie derzeit auch - kleinste
organisatorische Veränderungen in Justizanstalten wie z.B. die Zusammenlegung
zweier kleiner Werkstätten, durch das BMJ genehmigt werden müssen. Auch wird
das BMJ weiterhin Dienstbehörde 2. Instanz, mit allen damit verbundenen
operativen Agenden sein. Ich bin mir der Erfordernisse der haushaltsrechtlichen
und dienstrechtlichen Bestimmungen bewusst. Man kann hier jedenfalls nicht von einer klaren
Aufteilung strategisch-operativ zwischen BMJ und Vollzugsdirektion sprechen.
Die Entscheidungen über die im Strafvollzug eingesetzten Ressourcen, somit die
Ressourcenverantwortlichkeit liegt im Wesentlichen beim BMJ, die Direktion hat
hingegen die Umsetzungsverantwortung – eine Aufteilung, die es bisher der
Sektion V schwer machte, ihre Ergebnisverantwortung wahrzunehmen. Die engen
Grenzen des Haushalts- und Dienstrechts stimulieren die Frage, ob die Lösung
einer Mittelbehörde tatsächlich sinnvoll ist.
3.2. Controlling
Eine Controlling-Funktion wird im
Entwurf ausschließlich der Sektion V, nicht aber der Vollzugsdirektion
zugeschrieben. Dies lässt es verwunderlich erscheinen, dass die
Vollzugsdirektion über betriebswirtschaftliche personelle Ressourcen verfügen soll, finden die
betriebswirtschaftlich besonders relevanten Entscheidungen und Prozesse doch im
BMJ statt.
3. Einzelzuständigkeiten
Der Wille, alle nach den eingangs
dargelegten Definitionen operativen Aufgaben der Vollzugsdirektion zu
übertragen, scheint auch dort begrenzt zu sein, wo dem keine gesetzlichen
Bestimmungen entgegenstehen, sind doch dem BMJ nach dem Entwurf weiterhin u.a.
vorbehalten:
·
Die
Vollzugsbehörden - also das BMJ und die Vollzugsdirektion – haben sich von dem
gesamten Verwaltungs- und Vollzugsbetrieb in den von ihnen zu beaufsichtigenden
Einrichtungen durch eigene Wahrnehmungen Kenntnis zu verschaffen (Z.4). Hiermit
ist entgegen den eingangs erwähnten modernen Verwaltungs-Steuerungskonzepten
eine gemeinsame operative Aufsichtspflicht von BMJ und Direktion normiert.
·
Betreiber
der automationsgestützten Datenverarbeitung ist das BMJ (§15a StVG). Die ADV ist mittlerweile als eine sehr
bedeutsame Ressource für den Strafvollzug anzusehen – ein weiterer Fall von
fehlender Ressourcenverantwortlichkeit der Vollzugsdirektion.
·
Die
Ergebnisse der Tätigkeiten der Vollzugskommissionen gehen nicht ausschließlich
der Vollzugsdirektion zu, sondern lediglich auch dieser (Z. 6).
·
Das
BMJ erlässt Richtlinien für Hausordnungen (Z. 7). Schon in Anbetracht der des
Detaillierungsgrades des StVG ist eine strategische Bedeutung der Hausordnungen
für mich nicht erkennbar.
·
Die
Erlaubnis der Verwendung von Licht- und Tonaufnahmegeräten in den Anstalten
bleibt dem BMJ vorbehalten (Z. 14). Es mag sich hier teilweise um sensible
Entscheidungen handeln – aber sicher nicht sensibler, als viele andere
operative Vollzugsentscheidungen. Die Öffentlichkeitsarbeit soll weiterhin dem
BMJ vorbehalten werden – bereits derzeit setzen jedoch auch Justizanstalten
gewisse Aktivitäten der Öffentlichkeitsarbeit.
·
Ausbrüche,
Aufsehen erregende Fluchtfälle oder solche, die durch pflichtwidriges Verhalten
von Strafvollzugsbediensteten ermöglicht wurden, sind von den Anstaltsleitern
auch dem BMJ zu berichten (Z. 15).
·
Die
Erhebung von Amtsbeschwerden gegen Entscheidungen der Vollzugskammern bleibt
dem BMJ vorbehalten, die Direktion kann Amtsbeschwerden anregen.
Tendenziell gemeinsam ist diesen Bestimmungen:
·
Sie
lassen Zweifel an der Kompetenz der Vollzugsdirektion bzw. ihrer künftigen
MitarbeiterInnen erkennen, den Strafvollzug verantwortlich zu managen.
·
Sie
führen zu einer Reihe von Doppelgleisigkeiten mit den bereits derzeit bestens
bekannten Auswirkungen: Vergeudung wertvoller Personalressourcen, Diffusion von
Verantwortung (diese kann nach Bedarf hin und her geschoben werden), Konflikte
und Reibungsverluste in Detailfragen, die die Kooperation allgemein erschweren
und die Aufmerksamkeit von strategischen Fragen zu Einzelfragen lenken. Man
kann davon ausgehen – der Strafvollzug bietet hierfür Beispiele – das alles
oder zumindest ein erheblicher Teil dessen, was Organisationsstrukturen an Suboptimalitäten ermöglichen, in der
Praxis auch realisiert wird. Es besteht die Gefahr einer Eigendynamik, die zu
einem Zustand führt, der im Rahmen des Strategieprojekts mit „strategischer
Untersteuerung kombiniert mit operativer Übersteuerung“ beschrieben wurde.
·
Dem
Entwurf ist zugute zu halten, dass es sich beim Strafvollzug um eine mit
besonderen Risiken behaftete Materie handelt – bei dramatischen
Einzelvorkommnissen kann in der Öffentlichkeit die Frage der
MinisterInverantwortlichkeit eindringlich gestellt werden. Zum einen ist diesem
Problem nur mit effizientem Krisenmanagement beizukommen und nicht mit einer
Diffusion der Verantwortung auf zwei Behörden oberhalb der Justizanstalten. Zum
anderen stellt sich auch hier die Frage, inwieweit die Einrichtung einer Mittelbehörde eine den spezifischen
Bedingungen des Strafvollzuges angemessene Vorgangsweise ist. Tendenziell kann
vieles, dass unter allgemeinen Gesichtspunkten organisationaler Steuerung als
nicht strategisch anzusehen ist, zu einem politisch höchst bedeutsamen Problem
werden, das in der unmittelbaren Umgebung
der (des) Bundesministers(in), also im BMJ, zu bearbeiten ist.
4. Interdisziplinarität
Es ist erfreulich, dass die
personelle Zusammensetzung der Vollzugsdirektion interdisziplinär sein soll.
Wenn jedoch die komplexe Fachlichkeit des Strafvollzuges Interdisziplinarität
erfordert und wenn der Strafvollzug wie zuvor ausgeführt, in hohem Ausmaß durch
das BMJ determiniert sein wird, ist es angezeigt, auch die für den Strafvollzug
zuständigen Organisationseinheiten im BMJ interdisziplinär zu besetzen.
5. Ziel – und Leistungsvereinbarungen
Die Justizanstalten sollen unter
anderem durch Ziel- und Leistungsvereinbarungen gesteuert werden. Dies ist an
sich erfreulich. Der Entwurf lässt jedoch keinerlei Ansätze erkennen, mehr
Entscheidungen als bisher zu den Anstaltsleitern zu verlagern, obwohl sich dies
in Modellprojekten als höchst erfolgreich erwiesen hat. Innerhalb der
„Flexi-Klausel“ nehmen die beteiligten Justizanstalten eine Pionier- und
Vorreiter-Rolle innerhalb der Bundesverwaltung ein. Es wäre durchaus denkbar, dass
die Errichtung einer Zwischenbehörde mit mehr als 50 MitarbeiterInnen zu
stärkeren operativen Eingriffen in die Justizanstalten führt als dies derzeit
der Fall ist.
Wenn die Vollzugsdirektion mit 28
Justizanstalten sorgsam vorbereitete, gründlich ausverhandelte und mit einem
aussagefähigen Controlling versehene Ziel- und Leistungsvereinbarungen
abschließen soll, dann bedarf sie einer dies ermöglichenden
Organisationsstruktur: Dies erfordert eine Zuständigkeitsverteilung, in der die
Abteilungen der Vollzugsdirektion für jeweils eine Anzahl von Anstalten zuständig sind, deren Leiter
ausschließlich dem zuständigen Abteilungsleiter berichten, also nur diesen als
Fachvorgesetzten haben. Zusätzlich wäre jeder Abteilungsleiter für bestimmte
Querschnittsmaterien zuständig, mit deren Bearbeitung seine Abteilung die
andern Abteilungsleiter serviciert – also eine Annäherung an das in der
Wirtschaft bewährte Modell der Matrix-Organisation.
Zudem kann die Vollzugsdirektion nur
dann die Justizanstalten mittels Zielvereinbarungen steuern, wenn sie selbst
mittels solcher Instrumente und nicht in Formen von Engführung, wie sie
zumindest teilweise im Entwurf erkennbar sind, gesteuert wird.
6. Zentrale Bildungseinrichtung
Die Strafvollzugsakademie erbringt eine Reihe von Angeboten, für die ein geschützter Rahmen und hohes Vertrauen wichtige Faktoren sind. Beispiel sind Führungskräftetrainings, in denen mit supervisorischen Elementen gearbeitet wird, Coaching von Führungskräften oder Klausuren von Leitungsteams der Justizanstalten. Bei der Abwicklung verschiedener Projekte und bei der Moderation von Veranstaltungen im Auftrag des BMJ hat das Fortbildungszentrum unter Beweis gestellt, dass es eine vermittelnde und tendenziell allparteiliche Rolle kompetent wahrnehmen kann.
Justizwachschule
und Fortbildungszentrum als Vorläufer und Bestandteile der
Strafvollzugsakademie haben über lange Jahre hinweg sich systematisch eine
Erfolgsposition als zwar nicht unabhängige, aber doch eigenständige Makler und
Dienstleister aufgebaut. Diese Erfolgsposition sollte nicht vorschnell
aufgegeben werden. Im bevorstehenden organisatorischen Wandel wird es dem
Strafvollzug gut tun, wenn das Ausbildungswesen wie bisher organisiert ist.
Bisher sind keine inhaltlichen und fachlichen Argumente für die Beseitigung der
Selbständigkeit der Strafvollzugsakademie aufgetaucht.
7. Finanzielle Auswirkungen
In den Erläuterungen des Entwurfes
wird ausgeführt, dass die Vollzugsdirektion mit 50 – 60 Personen besetzt sein
soll (ohne zentrale Bildungseinrichtung). Es wird keine Aussage darüber
getroffen, wie viele Personen zusätzlich im BMJ mit Aufgaben des Strafvollzuges
befasst sein sollen.
Die Zahl 50 - 60 Personen liegt jedenfalls über der
Zahl der Personen, die vor der Übertragung von Aufgaben der Dienstbehörden 1.
Instanz im BMJ insgesamt mit der Verwaltung und Steuerung des Strafvollzuges
befasst waren. Die seinerzeitige Zahl sollte – nimmt man die Planstellen für
die Steuerung des Strafvollzuges im BMJ und der Vollzugsdirektion zusammen-
keinesfalls überschritten werden – einerseits, um möglichst viele Ressourcen
für die unmittelbare Leistungserbringung im Strafvollzug zur Verfügung zu
haben, andererseits, um es möglichst zu erschweren, dass oberhalb der Justizanstalten
Personalkapazitäten zur Engführung der Justizanstalten vorrätig gehalten
werden. In Anbetracht des widersprüchlichen Steuerungskonzepts und der oben
dargestellten Doppelgleisigkeiten ist anzunehmen, dass im Bereich der
Fachaufsicht im Vergleich zur gegenwärtigen Situation ein erhöhter
Personalbedarf besteht.
Strikt abzulehnen ist es, wenn wie
vorgesehen, für die Zwischenbehörde Personalressourcen aus den Justizanstalten
abgezogen werden sollen. Die Bezeichnung „Planstellenneutralität“ für solch
eine weitere Schwächung der Justizanstalten darf angezweifelt werden.
8. Inkrafttreten der Bestimmungen
über die Vollzugsdirektion
Das Datum 1.1.2007 erscheint mir zu
kurz gesetzt.
Der Erfolg struktureller
organisatorischer Veränderungen ist zum einen von einer praxisnahen und angemessenen Definition der Aufgaben
und Zuständigkeiten abhängig. Vor allem aber – und hiervon zeigen eine lange
Reihe missglückter Restrukturierungsmaßnahmen sowohl im öffentlichen wie im
privatwirtschaftlichen Sektor – ist er davon abhängig, dass neu geschaffene
Organisationseinheiten einen sorgsam aufgesetzten
Organisationsentwicklungsprozess durchlaufen und alle Schnittstellenprobleme
ober- und unterhalb der betreffenden Organisationseinheit ebenso prozesshaft
bearbeitet werden wie die Auswirkungen auf das Gesamtsystem. Schlicht
formuliert. Auch Verwaltungssysteme können nur gut arbeiten, wenn in ihnen gut
motivierte MitarbeiterInnen arbeiten und sowohl die Binnen – wie die
Außenbeziehungen sorgsam strukturiert, vorbereitet und vereinbart sind.
Zusätzlich zu allen anstehenden
organisations- und dienstrechtlichen Schritten wird ein solcher
Entwicklungsprozess im Rest des Jahres 2006 nicht erfolgreich abgeschlossen
werden können. In Anbetracht der Tragweite der Umstrukturierung und der
Notwendigkeit, durch eine gelungene Lösung die Phase der
Organisationsdiskussionen im Strafvollzug weitgehend zu beenden, sollte eine
Vorbereitungszeit bis 1.7.2007 ermöglicht werden.
9. Verbesserungsvorschläge für die
Strafvollzugsdirektion:
Ich schlage vor:
1.
Anstelle
der Bezeichnung Vollzugsdirektion die Bezeichnung Strafvollzugsdirektion zu
wählen, um Außenstehenden durch diese Bezeichnung den Aufgabenbereich der
Strafvollzugsdirektion klarzustellen.
2.
Alle
operativen Aufgaben soweit dem nicht zwingende gesetzliche Bestimmungen
entgegenstehen, ausschließlich in die Zuständigkeit der Vollzugsdirektion zu
legen.
3.
Festzulegen,
dass die Strafvollzugsdirektion im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten
möglichst viele Entscheidungen den Anstaltsleitern zu übertragen hat.
4.
Festzuschreiben,
dass das primäre Steuerungsmittel im Verhältnis BMJ – Vollzugsdirektion sowie
im Verhältnis Strafvollzugsdirektion – Justizanstalten Ziel- und
Leistungsvereinbarungen sind.
5.
Vorzusehen,
dass nicht nur die Vollzugsdirektion, sondern auch die im BMJ für den
Strafvollzug vorgesehenen Organisationseinheiten interdisziplinär
zusammengesetzt sind.
6.
Eine
Zuständigkeitsverteilung zu definieren, in der die Abteilungen der
Vollzugsdirektion für jeweils eine Anzahl von Anstalten zuständig sind, deren
Leiter ausschließlich dem zuständigen Abteilungsleiter berichten, also nur
diesen als Fachvorgesetzten haben.
7.
Vorzusehen,
dass außer bei dienstbehördlichen Aufgaben sowie bei Gefahr im Verzug sich das
BMJ aller operativen Eingriffe in den Strafvollzug zu enthalten hat.
8.
Davon
abzusehen, dass die Strafvollzugsdirektion eine zentrale Bildungseinrichtung
betreibt. Die zentrale Bildungseinrichtung des Strafvollzuges wird weiterhin als selbständige Dienststelle
betrieben.
9.
Die
neue Behörde benötigt eine angemessene Vorbereitungsfrist. Sie sollte ihre
Tätigkeit daher erst am 1.7.2007 beginnen.
10. Alternative: Generaldirektion
für den Strafvollzug im BMJ
Die dargestellten Probleme in
Zusammenhang mit einer Vollzugsdirektion sind durch die obigen Vorschläge
reduzierbar, jedoch nicht aufhebbar. Sie würden in etwas reduziertem Umfang weiter bestehen. Als Alternative
bietet sich eine Generaldirektion für den Strafvollzug an.
10.1. Vorteile
Eine im BMJ, durch ein eigenes Gesetz
abgesicherte Generaldirektion für den Strafvollzug, in der alle derzeitigen im
BMJ bestehenden Strukturen für den Strafvollzug gebündelt sind, hätte folgende
Vorteile:
·
Es
fallen die unter 3. beschriebene Nachteile, also Reibungsverluste,
Doppelgleisigkeiten und Konfliktpotentiale weg. Anstelle eines dreistufigen
Managementprozesses (die Generaldirektion definiert den Rahmen [Ziele,
Aufgaben, Ressourcen bzw. trifft auch Einzelfestlegungen, Stellenplan und
Planstellenbewirtschaftung, Dienstbehörde 2. Instanz, Einzelzuständigkeiten];
die Vollzugsdirektion konkretisiert; die Justizanstalten führen aus) gibt es
lediglich eine Aufgabenverteilung zwischen Generaldirektion und Justizanstalten.
·
Die
Personalverwaltung inklusive der Personalvertretung wird wesentlich vereinfacht
und damit weniger aufwendig (was keinesfalls bedeutet, dass der Rechtsschutz
der MitarbeiterInnen und die Vertretung ihrer Interessen geschwächt würde). Die
durch die OLG-Lösung erfolgte Aufblähung der Personaladministration und die
markante Erhöhung der Personalvertretungskörper würde hingegen bei einer
Vollzugsdirektionslösung nur teilweise zurückgebaut.
·
Die im
Strafvollzug und unter den real existierenden Bedingungen der österreichischen
Bundesverwaltung kaum möglich erscheinende klare und konsistente Aufteilung in
operative und strategische Aufgaben wird innerhalb einer Organisationseinheit
und nicht im Verhältnis zweier Oberbehörden bearbeitet.
·
Es
besteht bei hochsensiblen Einzelfragen ein unmittelbarer Zugang zur (zum)
BundesministerIn.
·
Die
Generaldirektion ist die Lösung mit dem geringsten Personalbedarf und ohne
Zusatzkosten für die Anmietung bzw. Bereitstellung von Räumlichkeiten.
·
Die
Generaldirektion nimmt die Funktion als einzige Dienstbehörde im Strafvollzug
wahr, wie dies vor 2002 der Fall war. In der Folge könnten schrittweise
vermehrt dienstbehördliche Aufgaben 1. Instanz an die Anstaltsleiter delegiert
werden. Bei Bewährung solcher Schritte wäre es im weiteren Verlauf möglich, den
Anstaltsleitern mittels einer entsprechenden Änderung der DVV die Aufgaben der
Dienstbehörden 1. Instanz zu übertragen. Beispielsweise ist die
Bundesfinanzakademie mit lediglich rund 55 MitarbeiterInnen, die sich sehr unterschiedlich
zusammensetzen, Dienstbehörde 1. Instanz.
Die möglichen Nachteile einer Generaldirektion
dürfen nicht übersehen werden:
10.2. Das Problem der Interdisziplinarität
Der Strafvollzug soll interdisziplinär
gesteuert werden. Eine interdisziplinäre Zusammensetzung der für den
Strafvollzug zuständigen Organisationseinheiten wäre bereits derzeit
dienstrechtlich möglich.
Unabhängig von der aktuellen Reform darf die
Frage gestellt werden, wie lange noch die Arbeitswelt zusehends in zwei
Sektoren zerfallen kann: einerseits Arbeitskräfte, die im Zeichen der
Globalisierung zusehende Verschlechterung ihrer Arbeitsverhältnisse bzw.
Arbeitsbedingungen in Kauf nehmen müssen, von Arbeitsplatzverlust bedroht sind
oder in prekäre Beschäftigungsverhältnisse abgedrängt werden, auf der anderen
Seite Bundesbedienstete, die ihre spezifischen Gruppeninteressen auch dann
gewahrt wissen wollen, wenn dem sachliche Gründe entgegenstehen und sie selbst
keine dienstrechtlichen Verschlechterungen zu befürchten haben.
Um aktuell die Akzeptanzprobleme im BMJ in
gewissen Grenzen halten zu können, wäre die besondere - auch interdisziplinäre
- Organisationsform der Generaldirektion gesetzlich festzuschreiben und damit
auch klar zu stellen, dass es sich um eine strafvollzugsspezifische Veränderung
handelt, die als solche keine Veränderungen in den anderen Bereichen des BMJ
zur Folge hat.
10.3. Das Problem der organisationalen
Transformation
Eine gewisse Skepsis kann gegenüber einer
Generaldirektion im BMJ auch deshalb bestehen, da die Mängelanalysen der
bestehenden Situation sich nicht auf die Rolle der Oberlandesgerichte allein
beschränkte. Auch die Strukturen und Abläufe im BMJ in Zusammenhang mit
Strafvollzug wurden kritisch hinterfragt und eingeschätzt.
Um eine wirksame Transformation des Managements
des Strafvollzugs zu erreichen,
bedarf es mehr als eine bloße Verschiebung von Zuständigkeiten oder des
Austausches von Türtafeln:
·
Entwicklung
eines neuen Steuerungskonzepts für die Justizanstalten (Ziel – und
Leistungsvereinbarungen, weitreichende Delegationen, Ausbau von Controlling,
Rückbau von Kontrolle). Wichtige Vorarbeiten hierfür wurden von der Sektion V
bereits geleistet.
·
Neustrukturierung
(„organisationales Zero-Budgeting“) und eine Zuständigkeitsverteilung, in der
die Abteilungen der Generaldirektion für jeweils eine Anzahl von Anstalten zuständig sind, deren Leiter
ausschließlich dem zuständigen Abteilungsleiter berichten, also nur diesen als
Fachvorgesetzten haben. Zusätzlich wäre jeder Abteilungsleiter für bestimmte
Querschnittsmaterien zuständig, mit deren Bearbeitung seine Abteilung die
anderen Abteilungsleiter serviciert.
·
Die
innere Arbeitsweise (Prozesse, Team – und Leitungskultur), die grundsätzliche
Ausrichtung (Vision, Leitbild) und die Koppelung an die relevanten Umwelten
(Ausgestaltung der Relationen innerhalb des BMJ und zu den Justizanstalten) der
Generaldirektion sollten im Rahmen eines Organisationsentwicklungsprozesses
gestaltet werden.