An das
Präsidium des Nationalrates
Jv 982-2/06
Betrifft:
Stellungnahme
zum
Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem
das
Strafvollzugsgesetz,
das Bundes- Personalvertretungsgesetz und das
Ausschreibungsgesetz 1989 geändert werden sowie einer damit im
Zusammenhang
stehenden Dienstrechtsverfahrens- und Personalstellenverordnung.
Nach Vorliegen des oben bezeichneten Entwurfes
bekräftige ich
meine ablehnende Haltung und
beziehe mich in allen
Punkten auf die
seinerzeit im Schreiben der vier Oberlandesgerichtspräsidenten vom 17.
Februar 2006 an die Frau Bundesministerin für Justiz
angeführten und hier
wiedergegebenen Gründe:
Der festgestellte Reformbedarf für die Strafvollzugsverwaltung ist zu
bejahen.
Die Präsidenten der Oberlandesgerichte vertreten die Meinung, dass
vor allem folgende Kriterien beachtet werden sollten:
1.) Die Präsidenten der Oberlandesgerichte haben sich mit ihrer Fach-
und Sachkompetenz in den
Bereichen Organisation, Personal, Wirtschaft, Bau
und Controlling stets bewährt.
Dies trifft auch auf die in
den letzten
Jahren vermehrt erforderlich gewordenen
Changemanagementprozesse zu, etwa
auf die Zusammenlegungen von Gerichten, die
organisatorische Umsetzung
einschneidender
Personalkürzungen seit Mitte der 90iger Jahre und die
Modernisierung des Justizbetriebes auf organisatorischem,
betriebswirtschaftlichem
und
informationstechnischem
Gebiet. In diesen
Feldern weist das Justizmanagement der Präsidenten der
Oberlandesgerichte -
auch im europäischen Vergleich - Spitzenniveau auf.
2.) Die Präsidenten der Oberlandesgerichte haben sich in der ihnen
seit dem Jahre 2002 übertragenen Dienstaufsicht über die Justizanstalten
bestens eingearbeitet.
Dabei haben die Oberlandesgerichtspräsidenten wegen
der untrennbaren Verknüpfung von Dienst- und Fachaufsicht auch bereits
umfangreiche Kenntnisse und Erfahrungen in der Fachaufsicht erworben.
Diese Kompetenzen können deshalb nicht nur
unter
organisatorischen, sondern
auch rechtsstaatlichen Aspekten im Strafvollzug
in hervorragender Weise genützt werden. Mit der großen, im Jahre 2008 in
Kraft tretenden Strafprozessreform soll eine erhebliche
Steigerung der
Qualität des Vorverfahrens erreicht
werden. Auch im Hinblick darauf und
wegen der Einheitlichkeit von Strafverfahren
und Strafvollzug ist eine
stärkere
Einbindung
der
gerichtlichen Justizverwaltung in die
Strafvollzugsorganisation
anzustreben, ja geradezu
für die Garantie einer
hohen rechtsstaatlichen Qualität unverzichtbar.
Die sogenannte OLG-Lösung würde als dezentrales
Organisationsmodell
erheblich kürzere Verfahrenswege in erster Instanz und
einen beträchtlich
geringeren
Rechtsmittelaufwand
gewährleisten. Dazu kommt, dass eine im
Vergleich zum zentralistischen Modell wesentlich
höhere Einbindung des
Fachwissens von Mitarbeitern in den Justizanstalten verbunden wäre. Für
die
Mitarbeiter der Justizanstalten in den Ländern würden
sich damit deutlich
bessere Personalentwicklungschancen ergeben.
3.) Die mit einem zentralistischem Organisationsmodell verbundenen
Umsetzungsrisiken,
insbesondere in den Bereichen
Personalausstattung,
Umsetzungsdauer,
Akzeptanz, mangelnde interdisziplinäre Zusammenarbeit,
geringere
Sicherstellung von Strafvollzugs- Know-how und Abkoppelung
der
Vollzugsverwaltung von den Präsidenten der Oberlandesgerichte mit den
damit
untrennbar
verbundenen
rechtsstaatlichen
Nachteilen, sind nicht zu
übersehen.
In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die
mit der Neuinstallierung eines zentralistischen
Organisationsmodelles
einhergehenden Kosten ungleich höher wären als bei der OLG-Lösung. Einem
solchen
Kostenvergleich
kommt gerade in Zeiten
tiefgreifender
Einsparmaßnahmen in der gesamten Justiz besondere Bedeutung (beträchtliche
Kosten der Einrichtung einer
neuen Behörde und gleichzeitig aber auch
Personaleinsparungsmaßnahmen im gesamten Justizbereich) zu.
Wir sehen uns auch
gezwungen, darauf hinzuweisen, dass die
vorliegende, rein betriebswirtschaftliche, und unseres Erachtens auch in
dieser Hinsicht nicht vollständige
Prozessanalyse kein ausreichendes
Informationssubstrat für die beabsichtigte grundlegende
Organisationsänderung der Strafvollzugsverwaltung darstellt.
Nun liegt der
Gesetzesentwurf vor und wir weisen der Vollständigkeit
halber noch auf folgende wichtigen Punkte hin:
Der vorliegende Entwurf widerspricht
Ÿ den
bereits im Jahre 1993 vom Rechnungshof ausgesprochenen und im
Tätigkeitsbericht 1998 wiederholten Empfehlungen, die Oberlandesgerichte
und die Leiter der Justizanstalten in die Aufgabenerledigung einzubeziehen;
Ÿ dem
Prinzip eines vernünftigen Föderalismus, neben dem
Bundesministerium für Justiz auch die Mittelbehörde zentral in Wien zu
situieren;
Ÿ dem im
mit 1. Jänner 2003 in Kraft getretenen Deregulierungsgesetz -
Öffentlicher Dienst 2002, BGBl. I Nr. 119, enthaltenen klaren dezentralen
Lösungsansatz;
Ÿ jeder
betriebswirtschaftlichen Vernunft, eine mit 1.1.2002 neu
geschaffene solcher Art dezentrale Organisationsstruktur nun kurze Zeit
später in einen zentralen Lösungsansatz zu verkehren (alle bisherigen
Aufbauarbeiten der Präsidenten der Oberlandesgerichte in der vom
Bundesministerium für Justiz beabsichtigten Übernahme der Fachaufsicht wären
vergeblich und kontakariert);
Ÿ der
(aus § 2 Abs 1 Bundeshaushaltsgesetz abzuleitenden) Erwartung,
dass behauptete betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten in Zahlen
ausgedrückt die Reorganisation zwingend erscheinen lassen (die Empfehlung der
Beraterfirma, dass diese Maßnahme die Betriebsabläufe am besten sichert, ist
eine unbegründete, offensichtlich an Vorgaben orientierte Behauptung).
Abschließend:
Es ist kein Grund
ersichtlich, mit dieser Reorganisationsmaßnahme
auch die jahrzehntelang
bewährte Arbeit der Präsidenten der Landesgerichte
als
Vollzugsoberbehörde
vor Ort abzuschaffen und dafür eine von den
wirklichen Vorgängen weit entfernte zentrale Behörde
zuständig zu machen.
Das Geschehen in der Justizanstalt verkommt
solcherart entfernungsbedingt
zu einer zwingend zeitverzögerten
Aktenerledigung „am grünen Tisch“. Dies
widerspricht
elementaren Grundsätzen
moderner Unternehmensführung und ist
strukturbedingt in Krisenfällen rascher Reaktion mehr als hinderlich.
Mit einer insofern auch bürgernahen Vollzugsjustiz ist diese Struktur
nicht in Einklang zu bringen.
Der Präsident des Oberlandesgerichtes
Linz, am 10. April 2006
Dr. Alois JUNG eh.